DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-10-2016 09:00
SXEU31 DWAV 010800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 01.10.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
TrM
Heute in der Mitte örtlich Dauer- oder Starkregen, vereinzelt gewittrig. Im
Süden und im Nordwesten im Tagesverlauf einzelne Gewitter, teils markant.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines Kurzwellentroges
über den Britischen Inseln unterhalb einer recht kräftigen südwestlichen
Höhenströmung. Im Tagesverlauf kommt der Trog nur zögernd ostwärts voran, abends
erreicht dessen Achse in etwa Südostengland und West- bzw. Zentralfrankreich.
Im Bodenfeld verläuft quer über die Mitte Deutschlands hinweg eine Kaltfront,
die unter Wellenbildung (aktuell über Ostfrankreich) zunächst kaum südostwärts
vorankommt. Erst gegen Abend setzt sie sich mit Trogannäherung allmählich in
Bewegung. Ein mit dem oben genannten Trog korrespondierendes Bodentief über
Südwestengland zieht bis zum Abend zur südwestlichen Nordsee.
Dynamische, hauptsächlich aus PVA im diffluent konturierten Höhenfeld
resultierende Hebungsantriebe sind am ehesten noch über der Nordsee auszumachen.
Dort lebt im Tagesverlauf die Schauer- und Gewittertätigkeit auf und kann sich
auch noch etwas ins nordwest-, später auch westdeutsche Binnenland ausweiten.
Innerhalb der labil geschichteten Luftmasse werden vor allem über der für die
Jahreszeit viel zu warmen Nordsee mehrere 100 J/kg ML-Cape simuliert bei
PPW-Werten zwischen 20 und 25 mm. Somit kann lokal eng begrenzt neben starken
bis stürmischen Böen auch Starkregen auftreten.
Die frontale Hebung im Bereich der wellenden Kaltfront wird heute tagsüber
zunächst noch unterstützt durch WLA, wobei die flache Welle über Ostfrankreich
im Tagesverlauf über die Mitte Deutschlands hinweg ostnordostwärts zieht. Dabei
kann es gebietsweise Stark- oder Dauerregen geben, vor allem in Rheinland-Pfalz,
in Nordbaden und in Südhessen werden Mengen simuliert, die bis an die
Warnschwellen heranreichen. Zudem sind konvektive Einlagerungen nicht
ausgeschlossen und werden ebenfalls vor allem vom GFS, aber auch von COSMO_EU
und ICON-Nest simuliert. Dann können zumindest lokal eng begrenzt rasch
warnrelevante Mengen erreicht werden. COSMO-DE-EPS simuliert
Wahrscheinlichkeiten von 20 bis nahe 30 % für mehr als 20 mm in sechs Stunden in
den genannten Regionen. Am ehesten sind wohl am Süd- bzw. Südostrand des
Regengebietes Gewitter möglich. Mit einer leichten Rückdrehung des Bodenwindes
wird dort auch eine recht markante Low Level Shear (10 bis 15 m/s in 0 bis 1 km)
simuliert bei allerdings nur geringer Cape. Somit können dort, am ehesten wohl
in einem Streifen über die Mitte Baden-Württembergs und Franken hinweg bis zum
Erzgebirgsvorland eventuell auch linienförmig organisierte konvektive Strukturen
auftreten, wobei dann die Wahrscheinlichkeiten für starke bis stürmische Böen,
eventuell sogar Sturmböen erhöht sind.
Vorderseitig der Welle gelangt ein Schwall potenziell instabiler Luft in den
Südosten des Landes. Vor allem ICON-EU simuliert im Südosten Bayerns bis über
500 J/kg ML-Cape, die anderen Modelle allerdings deutlich weniger. Allerdings
wird auch eine recht starke Deckelung simuliert und entsprechend geben die
Modelle nur wenig konvektive Signale. Lediglich GFS simuliert an den Alpen und
im östlichen Alpenvorland einzelne Gewitter, die dann ebenfalls lokal eng
begrenzt von starken bis stürmischen Böen, Starkregen und auch kleinkörnigem
Hagel begleitet werden können.
Anzusprechen bleibt noch der Wind, der vor allem entlang und südlich der
wellenden Front aus Südwest auffrischt. An den Alpen kommt zudem leichter Föhn
auf. Für warnrelevante Böen (Bft. 7 bis 8) reicht es aber wohl nur in einigen
Kamm- und Gipfellagen bzw. in exponierten Föhntälern am Alpenrand.
Vor allem präfrontal im Südosten Bayerns scheint nochmals länger die Sonne, auch
im Nordwesten lockern die Wolken zeitweise stärker auf. Im Südosten werden bei
Temperaturen in 850 hPa zwischen 10 und 13 Grad nochmals Höchstwerte zwischen 20
und 25 Grad erreicht, ansonsten liegen sie im Einflussbereich erwärmter
Meeresluft zwischen 15 und 19 Grad.

In der Nacht zum Sonntag erreicht der Trog das westliche Mitteleuropa, dessen
Drehzentrum befindet sich Sonntagfrüh vor der westfriesischen Küste. Die
Kaltfront kommt nun, nachdem die Welle ostwärts abgelaufen ist, rasch
südostwärts voran und erreicht Sonntagfrüh die Alpen. Das mit dem Trog
korrespondierende Bodentief zieht bis zum Morgen zur nördlichen Deutschen Bucht,
wobei sich dann ein Bodentrog über die Niederlande bis nach Belgien erstreckt.
Mit der raschen Südostverlagerung der Kaltfront klingt die Intensität der
Niederschläge im Frontbereich ab, zumal sie auch von KLA überlaufen wird,
wodurch die frontale Hebung ein wenig kompensiert wird. Mehr als 10 mm in 12
Stunden werden lediglich noch an den Alpen simuliert. Mit Frontpassage kann es
aber vor allem in der ersten nachthälfte noch einzelne Gewitter geben.
Ansonsten gelangt mit Trogannäherung und der KLA zunehmend labil geschichtete
Höhenkaltluft in den Nordwesten und Westen des Landes. Zwar klingen die Schauer
tagesgangbedingt zunächst einmal wieder ab, allerdings kommt sie insbesondere
über der Nordsee und den umgebenden Küstengebieten nicht zum Erliegen. Nach wie
vor werden über dem warmen Nordseewasser mehrere 100 J/kg ML-Cape simuliert.
Entsprechend reagieren die Niederschlagsoutputs der einzelnen Modelle auch mit
recht hohen RR-Mengen, die verbreitet über 10 mm, teilweise auch über 20 mm über
der offenen Nordsee betragen. Die Gewitter können weiterhin von starken Böen und
lokal eng begrenzt auch von Starkregen begleitet werden, wenngleich die
PPW-Werte allmählich auf unter 20 mm sinken. Im Bereich der Bodentrogachse sind
im Bereich der westlichen Deutschen Bucht aufgrund des leicht konvergenten
bodennahen Windfeldes und der im Trogbereich nur schwachen Höhenwinde auch
einzelne Typ 2-Tornados ("Waterspouts") nicht ausgeschlossen.
Zwischen den Schauern im Nordseeumfeld und dem Regengebiet im Südosten lockern
die Wolken stärker auf, stellenweise kann sich Nebel bilden. Der Wind nimmt nach
Kaltfrontpassage auch in den Höhenlagen rasch ab.


Sonntag... tropft der Trog nach ICON im Tagesverlauf über Nordwestdeutschland
aus, nach GFS und COSMO_EU eher über Schleswig-Holstein. Entsprechend kommt es
auch bzgl. der Entwicklung des korrespondierenden Bodentiefs zu
Modelldifferenzen, die durchaus von Warnrelevanz sind, vor allem, was den Wind
angeht. ICON lässt das Bodentief bis zum Abend in den Norden der Niederlande
ziehen, wobei an dessen Nordflanke über der Nordsee somit nur schwache östliche
Winde zu erwarten sind. Stattdessen frischt der Wind an dessen Südostflanke am
Nachmittag über dem Westen des Landes mit Bft. 7, im Bergland auch Bft. 8 aus
West auf. Eine ähnliche Entwicklung zeigte auch der gestrige Lauf des ECMWF.
Nach GFS und COSMO_EU soll das Tief dagegen nach Nordfriesland bzw. Süddänemark
ziehen und sich vor allem nach COSMO-EU auch noch etwas verstärken (Kerndruck:
knapp unter 1005 hPa, die anderen Modelle etwa 5 hPa höher). Entsprechend
verschärft sich der Druckgradient an dessen Südwestflanke vor allem über der
Nordsee. COSMO_EU simuliert im Nordseeumfeld Böen Bft. 8 bis 9 aus West, GFS
aufgrund der schwächeren Entwicklung etwa 7 Bft. Dafür fächert der Gradient nach
Süden zu rasch auf und es werden über Westdeutschland keine warnrelevanten Böen
mehr simuliert.
Allen Modellen gemein ist das Ausweiten der Höhenkaltluft (-22 bis -27 Grad in
500 hPa) auf weite Teile West- und Norddeutschlands. Dabei dürfte im
Tagesverlauf die Schauer- und Gewittertätigkeit auch im Binnenland wieder
aufleben. Aufgrund der recht niedrigen PPW-Werte dürften als
Begleiterscheinungen meist kaum mehr als starke, vielleicht auch mal stürmische
Böen auftreten, lediglich bei wiederholt auftretenden Schauern und Gewittern
kann es auch mal Starkregen, eventuell im sechsstündigen Zeitraum, geben, was
vor allem vom COSMO_EU über der Nordsee propagiert wird. Im Nordseeumfeld sind
innerhalb des leicht konvergenten Bodenwindfeldes im Bereich des Bodentiefs bei
nur schwachen Höhenwinden auch wieder Typ2-Tornados ("Wasserhosen"), nicht
ausgeschlossen, wo genau, hängt von der genauen Lage des Bodentiefs ab, die ja
noch mit Unsicherheiten behaftet ist.
Die Kaltfront neigt im Alpenraum mit einer leichten Zyklogenese über Oberitalien
wieder zu Wellenbildung, wodurch sich die Regenfälle im Südosten erneut
verstärken. Zwölfstündig simulieren ICON-EU und COSMO_EU vielerorts Mengen über
10 mm, an den Alpen und im Bayerischen Wald punktuell auch mal über 20 mm.
In einem Streifen zwischen den Schauern im Nordwesten und Norden und dem
Regengebiet im Südosten, also in etwa von Baden-Württemberg und der Pfalz über
die Mitte des Landes hinweg bis nach Vorpommern herrscht "kompensatorisches
Absinken", wobei auch dort vereinzelte Schauer oder eventuell auch ein kurzes
Gewitter nicht ausgeschlossen sind. Zumindest zeigt sich dort am häufigsten die
Sonne, während es in Südostbayern wohl ganztätig trüb bleibt. Die Höchstwerte
bewegen sich im Einflussbereich der einströmenden erwärmten Polarluft mit
Temperaturen in 850 hPa zwischen 3 und 6 Grad zwischen 13 und 18 Grad, mit mehr
Sonne am Oberrhein vielleicht auch um knapp 20 Grad, im Dauerregen an den Alpen
werden dagegen die 10 Grad nur knapp überschritten.

In der Nacht zum Montag verbleiben wir im Trogbereich, wobei sich die Modelle
bzgl. der Lage des Bodentiefs wieder ein wenig angleichen. ICON-EU simuliert es
am Montagfrüh über Nordhessen, COSMO_EU über dem nördlichen Niedersachsen, GFS
über Ostholstein. Die Höhenkaltluft weitet sich über das ganze Land aus,
entsprechend ist auch mit weiteren Schauern, vor allem im Norden auch mit kurzen
Gewittern zu rechnen. Schwerpunktmäßig werden diese im Norden und Nordwesten
simuliert, wo ICON- und COSMO-EU Mengen bis 15 mm (COSMO: Nordsee, ICON:
westliches Niedersachsen) in 12 Stunden auf der Karte haben. Vermehrt
schauerartige Niederschläge, allerdings meist weniger als 10 mm in 12 Stunden,
werden ansonsten noch im Südosten simuliert, wobei die Schneefallgrenze an den
Alpen bei Temperaturen von nur noch knapp über 0 Grad in 850 hPa in
windgeschützten Tälern bis in mittlere Höhenlagen (um oder etwas über 1000 m)
sinken kann.
Je nach Lage des Bodentiefs sind warnrelevante Böen im Nordseeumfeld (COSMO_EU:
Bft. 7 bis 8), aber auch im nordwestdeutschen Binnenland (ICON-EU und GFS bis
Bft. 7) aus Nordwest denkbar.
In der Osthälfte und im Südwesten gibt es kaum Schauer, dort lockern die Wolken
auch mal stärker auf, wobei sich dann Nebel bilden kann.


Montag... zieht das Höhentief über Deutschland hinweg südostwärt ins südöstliche
Mitteleuropa. Dahinter wölbt sich ein Höhenrücken über den Westen Frankreichs
und England hinweg nordostwärts bis zur Norwegischen See auf. Somit dreht die
Höhenströmung zunächst über Norddeutschland auf östliche Richtungen.
Das Bodentief verlagert sich ostwärts und füllt sich dabei mehr und mehr auf.
Mit dem Vorstoß des Rückens nach Nordosten verstärkt sich ein Hochdruckgebiet
über Skandinavien deutlich und weitet sich auch nach Süden aus, wobei über
Benelux hinweg ein Keil nach Südwestdeutschland gerichtet ist. Die Bodenströmung
dreht dadurch im Norden auf Nordost, im Süden auf Nordwest. Dabei strömt nach
wie vor (durch die warme Nord- bzw. später Ostsee) erwärmte Polarluft ins Land.
Diese ist im Trogbereich bei Temperaturen bis nahe -25 Grad in 500 hPa bei etwa
+2 bis +4 Grad in 850 hPa weiterhin labil geschichtet. Somit kommt es im
Tagesverlauf zu weiteren Schauern und eventuell auch noch kurzen Gewittern,
schwerpunktmäßig wohl im Nordosten sowie in den mittleren Landesteilen. Die
simulieren 12-stündigen Mengen betragen in der Fläche aber meist weniger als 10
mm, lediglich COSMO-EU hat im Bereich von um eine Okklusion über
Nordostdeutschland herumgeholter mitteltroposphärischer Warmluft an der Ostsee,
aber auch im östlichen Niedersachsen Mengen bis 15 mm auf der Karte.
Von Warnrelevanz bleibt auch der Wind. Im Nordosten baut sich zwischen sich
verstärkendem Skandenhoch und abziehendem Tief ein veritabler Druckgradient auf.
Vor allem entlang der Ostseeküste werden im Tagesverlauf starke, exponiert, von
COSMO-EU auch verbreitet, stürmische Böen aus Nordost simuliert. An der Nordsee
nimmt der Wind dagegen allmählich ab. Auch in einigen Berglagen im
Osten/Südosten Deutschlands kann es starke bis stürmische Böen geben, dort
allerdings aus Nordwest.
Die Sonne zeigt sich am ehesten im Südwesten, im Tagesverlauf mit sich
verstärkendem Hochdruckeinfluss auch im Nordwesten. Die Höchstwerte bewegen sich
meist zwischen 13 und 18 Grad, am Oberrhein vielleicht auch knapp darüber.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren alle vorliegenden Modelle die großräumige
Wetterentwicklung ähnlich. Lediglich bezüglich der genauen Position von Boden-
und Höhentief vor allem am Sonntag ergeben sich Unterschiede, also fast schon im
mesoskaligen Bereich. Diese sind aber durchaus warnrelevant und wurden im Text
ausführlich besprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff