DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-07-2022 17:30
SXEU31 DWAV 041800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 04.07.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Kräftiges Atlantikhoch mit Keil Richtung Mitteleuropa. Vor allem an den Rändern
zeitweise "Wetter", darunter in den nächsten Stunden im Süden Regenfälle und
Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland am Südrand eines Höhentrogs mit
quasistationärem Drehzentrum knapp südlich von Jan Mayen. Die Höhenströmung,
unter der Deutschland liegt, ist zur Zeit glatt und indifferent konturiert, was
aber nicht so bleiben wird. Sowohl in Küstennähe als auch über die Alpen hinweg
ziehen in den nächsten Stunden kurze Wellen ostwärts, die dabei aber auf
unterschiedliche Luftmassen treffen. Im Norden begegnet der kleine Sekundärtrog
einer abgetrockneten subpolaren Meeresluft (T850 gerade mal um die 5/6°C), die
durch eine zwischen 800 und 700 hPa befindliche Inversion gedeckelt ist. Damit
ist freilich wenig anzufangen, so dass außer einiger mehr oder weniger dichter
Wolkenfelder allenfalls ein paar vereinzelte schlappe Schauer in Küstennähe
sowie im Binnenland SHs auf den Plan treten, über deren Ergiebigkeit wir uns
nicht unterhalten müssen.

Etwas anders die Situation im äußersten Süden, wo sich nicht nur eine wärmere
(T850 bei 11/12°C), sondern auch deutlich feuchtere (ThetaÄ tagsüber teilweise
um 60°C) und labilere Luft aufhält. Sie wird von der trockeneren und stabileren
Luft weiter nördlich durch eine schleifende Kaltfront getrennt, die noch nicht
den rechten Mumm aufbringt, die Alpen zu erklimmen. Also bleibt die feuchte
Warmluft zunächst erhalten, wobei sie zunehmend mit der o.e. Kurzwelle in
Berührung kommt. Die Folgen sind etwa südlich der Donau weitere Schauer und
Gewitter, die mehr und mehr zu einem teils gewittrigen, teils ungewittrigen
"(Stark)Regenkuchen" zusammenwachsen bzw. das schon getan haben. Aktuell ist
davon die östliche Bodenseeregion sowie das Allgäu betroffen, von wo aus sich
das Ganze in den nächsten Stunden ostwärts verlagert. Dabei ist gerade anfangs
noch von allen drei klassischen Begleitparametern Starkregen (teils auch
mehrstündig), Sturm und Hagel auszugehen, während mit zunehmender Nachtlänge der
Starkregen die Schlagzeilen bestimmen sollte. Was die Mengen angeht, bewegen wir
uns meist auf der markanten Seite (also unter 25 l/m²/h bzw. unter 35 l/m²/6h),
was punktuell das Überschreiten der Unwetterwarnschwelle aber nicht ausschließt.
Bisherige Meldungen inkl. Crowdsourcing sowie sonstige Radarstrukturen deuten
aber zumindest darauf hin, dass die vom RH angezeigten hohen Regenmengen von
über 40 l/m² innert 1 h überzogen sind.

Noch kurz einen Abstecher in das große Gebiet zwischen "ganz oben und ganz
unten". Hier sorgt ein Keil des mächtigen Atlantikhochs IOSIE für eine gering
bewölkte oder klare Nacht mit lüftungstauglichen Tiefsttemperaturen zwischen 14
und 8°C, in einigen Senken und Tälern der westdeutschen Mittelgebirge auch noch
etwas darunter.

Dienstag ... zieht der Sekundärtrog im Süden über Ober- und Niederbayern im
Laufe des Vormittags nach Osten ab. Dahinter rückt die Kaltfront dichter an die
Alpen heran und die nur geringfügig kühlere (T850 ändert sich nicht), aber
deutlich trockenere Luftmasse (Rückgang PPW auf unter 20 mm) breitet sich nun
auch südlich der Donau aus. Damit nimmt die Wahrscheinlichkeit für Schauer und
Gewitter zwischen Alpenrand und Bayerischem Wald immer weiter ab. Trotzdem sind
am Nachmittag vereinzelte, bei einer Obergrenze von rund 600 hPa und rund -5°C
Cloud-Topp-Temperatur wahrscheinlich nicht-elektrische Schauer nicht
ausgeschlossen.

Vom Süden in den Norden und Nordwesten, wo sich im Tagesverlauf von der Nordsee
und Benelux her ein neuer Trog mit einem vorgelagerten, recht gut ausgeprägten
PVA-Maximum nähert. Klingt nach Wetteraktivität, wenn da nicht die etwas
lustlose subpolare Luftmasse wäre, die es zu heben gilt. Labilität und
Wasserdampfgehalt sind alles andere als überragend. Außerdem lässt sich
offensichtlich die Sperrschicht zwischen 750 und 650 hPa nicht so mir nichts,
dir nichts eliminieren, so dass außer einer ordentlichen Portion Gewölk (die
aber noch Lücken aufweist) lediglich ein paar unergiebige Schauer geboten
werden.

In den noch nicht genannten Gebieten dazwischen regiert weiterhin der recht
breit konfigurierte Hochkeil das Geschehen, was sich in einer weitgehend
trockenen Mischung aus viel Sonnenschein und meist nur lockeren, relativ flachen
Quellwolken widerspiegelt. Die Temperatur erreicht im Norden und Westen
Höchstwerte zwischen 20 und 25°C, an für West-Nordwestwind anfälligen
Küstenabschnitten keine 20°C. In den übrigen Regionen stehen 25 bis 29°C auf der
Karte, einzig am Alpenrand sowie in Teilen Südostbayerns, wo sich mehr Wolken
tummeln, wird es nicht ganz so warm.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt besagter Trog voll über Deutschland hinweg,
ohne aber dabei einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Da kann man
geopotenziell noch so gut aufgestellt sein, wenn der Treibstoff (also die
Luftmasse, die es zu heben gilt) nix taugt, kannste auch kein "vernünftiges
Wetter" (im Sinne von ordentlich Aktivität) machen. Hinzu kommt auch noch die
für konvektive Schweinereien eher ungünstige Tageszeit. Kurzum, die Trogpassage
bringt zwar wechselnde Wolkenverhältnisse, aber kaum Schauer. Am ehesten sind in
Küstennähe und im Bergland hier und da ein paar Spritzer oder auch mal ein
halbsolider Schauer drin. Ansonsten bleibt es einmal mehr trocken. Zwischen dem
weiterhin robusten Hochkeil und einem über Südskandinavien hinwegschwenkenden
Bodentrog verschärft sich der Gradient im Norden so weit, dass an der Küste zum
Morgen hin einzelne Böen 7 Bft aus West-Nordwest möglich sind.

Mittwoch ... gelangen wir auf die Rückseite des rasch nach Osten abziehenden
Trogs unter eine leicht flatternde nordwestliche Höhenströmung. Derweil ändert
sich an der Bodendruckverteilung zunächst nicht viel. Dick und bräsig verbleibt
IOSIE mit ihrem Schwerpunkt west-südwestlich von Irland (normalerweise sollte
man sich "Damen" gegenüber höflicher ausdrücken, aber es ist wie es ist) und
auch der nach Osten gerichtete Keil scheint unverrückbar. Davon profitiert
insbesondere der Süden, wo inzwischen zwar etwas kühlere Luft angekommen ist
(T850 6 bis 10°C, nur südlich der Donau noch etwas darüber), ansonsten aber
munter die Sonne scheint bei maximal 23 bis 27°C.

Im Norden oder noch genauer im Nordwesten hingegen weisen Hoch und Keil eine
Schwachstelle auf, die von einem flachen Tief und der dazugehörigen Warmfront
gnadenlos ausgenutzt wird. Während das Tief mit nur wenig unter 1010 hPa aus dem
Seegebiet knapp südlich von Island kommend das norwegische Svinöy ansteuert,
greift die Warmfront zum Nachmittag von der Nordsee her auf den Vorhersageraum
über. Bereits am Vormittag setzt im Nordwesten Bewölkungsverdichtung ein, bevor
sich dann am Nachmittag von der Deutschen Bucht her stratiformer Regen
landeinwärts ausweitet. Mit etwas Glück oder Pech - je nach Sichtweise - kommen
in Nordseenähe 5 bis 10 l/m² binnen 6-8 Stunden zusammen. Doch damit nicht
genug, im Warmsektor frischt der Südwest- bis Westwind zunächst auf und an der
Nordsee, ab dem Abend dann zunehmend auch an der Ostsee soweit auf, dass in Böen
Stärke 7-8 Bft erreicht wird. Zur Mitte und nach Osten hin nimmt der
Wolkenanteil im Tagesverlauf zwar auch allmählich zu, nennenswerter Regen ist
bis zum Abend aber nicht zu erwarten. Mit 18 bis 23°C (am kühlsten die
regnerische und windige Nordseeküste) bleiben die Tageshöchstwerte unter denen
in Süddeutschland.

In der Nacht zum Donnerstag zieht das flache Tief weiter in Richtung
Südschweden, während Warmfront und zugehöriger Regen bei uns südostwärts bis zur
Mitte vorankommen. Wenn´s gut läuft, kommen in der Nordhälfte gebietsweise bis
zu 10 l/m² binnen mehrerer Stunden zusammen. Und wenn´s sehr gut läuft, sind es
lokal noch ein paar Liter mehr, auf den Quadratmeter versteht sich. Dazu braucht
es aber den von den Modellen übergreifend simulierten Übergang der Niederschläge
ins Konvektive, der mit Annäherung der Kaltfront nebst weiterem Randtrog
zumindest im Norden und Nordwesten gewährleistet scheint. Im äußersten Norden
könnten dabei sogar vereinzelte kurze Gewitter am Start sein. An der See bleibt
es windig, wobei der Wind an der Nordsee allmählich auf Nordwest dreht.

Weitaus beschaulicher als im Norden verläuft die Nacht in Süddeutschland, wo
unter der Ägide des nach wir vor präsenten, inzwischen aber etwas nach Süden
verschobenen Hochkeils ein überwiegend gering bewölkter bis klarer Himmel
bestaunt werden kann.

Donnerstag ... schwenkt der Randtrog unter Intensivierung ostwärts durch. Dabei
treibt er das zusehend okkludierende Frontensystem vor sich her, wodurch sich
die schauerartigen Regenfälle und Gewitter weiter nach Süden ausbreiten. Aus
heutiger Sicht können insbesondere Teile des Ostens, der Mitte und des Südens
auf 5 bis 10, lokal vielleicht sogar mal 15 oder 20 l/m² hoffen, auch wenn zu
befürchten ist, dass die Modelle im Vorfeld den Mund mal wieder etwas zu voll
nehmen. Tatsache ist, dass im Südwesten, wohin sich der Keil zurückzieht, am
wenigsten Regen ankommen soll. Und auch im Westen und Nordwesten trocknet es
alsbald ab respektive hören die Niederschläge auf.

Gesamtheitlich dürfte der Donnerstag als wechselhafter und relativ windiger, an
der Nordsee sogar stürmischer Julitag in die Chroniken eingehen. Dabei gelangt
mit den westlichen bzw. nordwestlichen Wind nur noch mäßig warme, in den
Nordwesten kühle Meeresluft (T850 3 bis 10°C), in der - nicht zuletzt auch wegen
des hohen Wolkenanteils - das Erreichen oder Überschreiten der 25°C-Marke
Seltenheitswert besitzt. Am ehesten gelingt das noch im Oberrheingraben, wobei
man hinzufügen muss, dass MOS-Mix die Tageshöchstwerte etwas zu hoch anzusetzen
scheint.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung wird modellübergreifend sehr ähnlich gesehen. Die größte
Herausforderung stellt das aktuelle Warnmanagement im Süden dar, wo man
insbesondere beim Parameter "Starkregen" besonnen abwägen muss, was - zugegeben
- nicht immer ganz einfach ist.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann