DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-07-2022 07:30
SXEU31 DWAV 030800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 03.07.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: BM

Heute bis in die Nacht zum Montag im Norden einzelne kräftige Gewitter. Im Süden
ab der Nacht zum Montag wiederholt gewittrige Regenfälle. Sonst warm und
abgesehen von einzelnen Schauern im Küstenumfeld meist trocken.


Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... erstreckt sich ein progressiver Rossby-Wellenzug die gesamte
Kurzfrist über vom östlichen Kanada bis nach Skandinavien und ist Teil eines
stabilen zirkumpolaren Wellenmusters mit der Zahl "5". Dabei wandert ein Keil
allmählich von der Südspitze Grönlands in Richtung Island/Irland, während der
für uns wetterbestimmende Trog von Island in Richtung Europäisches
Nordmeer/Norwegen zieht. Derweilen ändert sich über Südeuropa an einer sehr
stabilen Wellenkonfiguration sehr wenig, wobei über dem westlichen Mittelmeer
eine anormal kräftige subtropische Hochdruckzelle quasi-stationär liegen bleibt
und die Luftmasse dort weiter aufheizt dank kräftiger WLA stromab eines ebenso
stationären Troges vor den Toren Portugals.
Im Bodendruckfeld bläht sich eine umfangreiche Bodenantizyklone zwischen den
Azoren und Island immer weiter auf (mit dem Namen IOSIF). Deutschland, am
Ostrand dieser Antizyklone gelegen, gelangt somit in eine recht stabile
nordwestliche Anströmung, die uns die größte Mittelmeerhitze vorerst "vom Leib
hält". Mit Blick auf die Entwicklung synoptisch-skaliger Fronten fällt nur eine
Passage ins Auge und zwar die einer wenig agilen teilokkludierten Kaltfront, die
im Verlauf der Kurzfrist vom norwegischen Tief VALLY zögernd in Richtung
Süddeutschland bzw. Alpenraum gedrückt wird, bevor sie entlang der Alpen
quasistationär liegen bleibt.

Doch starten wir nun in den Sonntag, der vielerorts sonnig und trocken beginnt.
Ausnahme davon ist noch Niederbayern, wo Reste nächtlicher Gewitter in Form von
letzten Schauern auftreten sowie Norddeutschland, wo in Verbindung mit mäßiger
Warmluftadvektion zeitweise Cirren vorüberziehen, teils auch mittelhohe
Bewölkung, aus der es den einen oder anderen Tropfen geben kann.

Bleiben wir gleich mal im Norden, denn dort wird heute das vergleichsweise
spannendste Wetter erwartet. Im Zuge einer Kurzwellenpassage (12Z Englischer
Kanal, 18Z Deutsche Bucht) strukturiert sich über Belgien/Holland und
Nordwestdeutschland eine Kaltfront, die besonders in der Nacht zum Montag etwas
Boden nach Osten gut macht und ausgangs der Nacht den Osten Deutschlands
erreicht. Verkompliziert wird die Geschichte etwas durch ein Aufspalten der
Kurzwelle in mehrere Impulse, was sich auch an einer oszillierenden Frontogenese
andeutet, die insgesamt ziemlich schwach ausfällt und die beste Ausprägung
während der Nachtstunden aufweist. Somit sollte grob gesagt die Wetteraktivität
der Front ab den Nachmittagsstunden sukzessive zunehmen.

Von daher ziehen heute wiederholt ausgedehnte Wolkenfelder über Norddeutschland
hinweg, zeitweise scheint jedoch auch die Sonne und die kann die Luftmasse auf
Werten von 22 bis 26 Grad aufheizen. Diese Erwärmung geht Hand in Hand mit einer
im Tagesverlauf einsetzenden Abkühlung in der mittleren Troposphäre, sodass wir
gut und gerne 200 bis 600 J/kg MLCAPE generieren können. Vorhersage-Soundings
stützen dies mit maximalen CAPE-Profilen im Bereich von 700-600 hPa. Dazu kippt
die bodennahe Strömung immer mehr auf Nordwest (dank der sich bereits von Westen
auf Tuchfühlung gehenden Bodenantizyklone), die etwas feuchtere Nordseeluft nach
Norddeutschland advehiert (was wiederum den Labilitätsaufbau stützt). Die
Vorhersage-Hodographen sehen vorderseitig der Kurzwelle nicht uninteressant aus
bei 20 m/s hochreichender und fast genauso starker 0-3 km Scherung. Zudem dreht
der Wind mit der Höhe dank schwacher Warmluftadvektion etwas rechts, was
regional über 200 m^2/s^2 SRH3 ermöglicht, sodass grundsätzlich keine schlechte
Überlappung von CAPE/Scherung vorhanden ist. Fraglich ist nur, wie verbreitet
die Auslöse stattfinden wird, doch wird die absinkende Wirkung der KLA durch
kräftige Krümmungsvorticity der Kurzwelle überkompensiert, sodass im
Q-Vektorfeld ein Bereich markanter Konvergenz zu erkennen ist. Die meisten
Modelle springen auf einzelne Zellen an, besonders ab den späten
Nachmittagsstunden entlang der besser organisierten Kaltfront, wobei die
wahrscheinlichste Option die ist, dass sich entwickelnde Schauer im Verlauf
durch Interaktion intensivieren (Verbreiterung der Aufwindbereiche). Einzelne,
langlebige Gewitter mit rotierenden Aufwinden (Superzellen) sind möglich, die
mit Hagel und Sturmböen einhergehen können. Schwerpunkt ist der Norden von
Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, wobei die
Gewitter bis weit in die Nacht bestehen können und auch das Ostseeumfeld bis
Mitternacht erfassen. Auch wenn das jetzt nach viel klingt, die Zellen treten
nur isoliert auf und fallen wohl eher optisch besonders auf (mit Blickrichtung
von Süd dank trockener Grenzschicht und in Zugrichtung verwehtem Niederschlag
mit der Höhe). Wie weit diese Zellen auch nach Süden zu (südliches
Niedersachsen/Sachsen-Anhalt) ausgelöst werden ist noch sehr unsicher und wird
auch im Ensemble bisher kaum gestützt.

Ansonsten verläuft der Tag freundlich oder sonnig und trocken mit Höchstwerten
von 28 bis 32 Grad. Ob es am direkten Alpenrand zum Abend ein einzelnes Gewitter
schafft sich gegen einen schwachen Deckel sowie üppiges "entrainment" trockener
Umgebungsluft durchzusetzen (TPWs bei 20-30% bzgl. der Modellklimatologie) ist
ebenfalls unsicher, aber auch hier gibt es im Ensemble selbst beim Maximum keine
richtigen Signale.

Der Wind weht schwach bis mäßig aus West bis Nordwest.

In der Nacht zum Montag ziehen die bereits ausführlich besprochenen Schauer und
Gewitter über den Nordosten Deutschlands in Richtung Ostsee ab, während sich die
Mitte auf eine klare und ruhige Nacht freuen kann. Hingegen deutet sich für den
Süden eine etwas unruhigere Nacht an. Im Zuge der sich von Westen nähernden
Front wird die Luftmasse bis rund 700 hPa etwas feuchter und kühlt darüber
geringfügig ab, sodass eine breite Schleppe mit 400 bis 700 J/kg MUCAPE
Süddeutschland bedeckt und dort gewittrig durchsetzte Regenfälle bringt. Binnen
12h werden dabei meist nur wenige Liter Niederschlag erwartet (4 bis 8
l/qm/12h), strichweise sind aber auch bei wiederholter Schauer-/Gewitterpassage
10 bis 20 l/qm Nass möglich. Die Tiefstwerte liegen je nach Bewölkungsverteilung
zwischen 16 Grad im Süden und 6 Grad im Umfeld der Eifel. Der Wind weht schwach
aus West bis Nordwest, im Südwesten aus Südwest.



Montag... erreicht die teilokkludierte Kaltfront die Donau, wobei präfrontal in
feucht-labiler Luftmasse erneut teils kräftige Schauer und Gewitter ausgelöst
werden können. Allerdings gibt es hier noch eine große Unbekannte: die
Konvektion aus der vorherigen Nacht, die entweder die Einstrahlung zu sehr
dämpft, oder in Form eines umfangreichen Regengebietes jegliche Neuentwicklung
unterdrückt. Je nach Timing sind aber besonders in Richtung Niederbayern wieder
kräftige Gewitter mit Starkregen, Hagel und Sturmböen möglich (1000 J/kg MLCAPE
und 15 m/s hochreichende Scherung). Sollte sich die Luftmasse gut aufheizen
können und keine störenden Reste nächtlicher Konvektion durchziehen, dann kann
auch lokal das Erreichen der Unwetterschwelle südlich der Donau nicht
ausgeschlossen werden (besonders durch Hagel).
Ansonsten scheint über der Mitte viel die Sonne, während über den Norden
ausgedehnte Wolkenfelder ziehen, die im Küstenumfeld einzelne Schauer bringen.
Entsprechend der Sonnenausbeute werden die höchsten Maxima über der Mitte
erwartet (25 bis 29 Grad) und liegen sonst im Süden und Norden bei 22 bis 25
Grad. Der Wind weht schwach bis mäßig aus Nordwest und frischt im Umfeld der
Deutschen Bucht zeitweise böig auf.

In der Nacht zum Dienstag ändert sich an dieser Dreiteilung wenig. Südlich der
Donau treten Schauer und Gewitter auf, meist jedoch unterhalb der Warnschwellen
der jeweiligen Parameter. Über der Mitte verläuft die Nacht klar, im Norden
teils stärker bewölkt, teils klar mit einzelnen Schauern im Küstenumfeld. Die
Tiefstwerte liegen bei einem schwachen, im Küstenumfeld auch böig auffrischenden
Westwind bei 15 bis 6 Grad.

Dienstag... klingt die Schauer- und Gewitteraktivität am Alpenrand weiter ab und
verlagert sich zunehmend in inneralpine Bereiche. Vielleicht reicht es lokal
noch für markante Regenmengen um 15 l/qm in kurzer Zeit. Sonst erwartet uns ein
freundlicher oder sonniger Tag mit einzelnen Schauern im Küstenumfeld (bzw. in
Schleswig-Holstein und bis nach Hamburg ausgreifend). Die Höchstwerte liegen im
Küstenumfeld um 20 Grad, im Norden und am Alpenrand bei 22 bis 25 Grad und über
der Mitte bis zu 29 Grad. Der Nordwestwind weht schwach und frischt im
Küstenumfeld zeitweise leicht böig auf.

Modellvergleich und -einschätzung
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Während der Kurzfrist ergeben sich keine prognoserelevanten Unterschiede und
auch die Kurzwellenpassage von heute (Sonntag) auf Montag wird recht stabil mit
Blick auf Intensität und Zugbahn gezeigt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy