DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-06-2022 08:01
SXEU31 DWAV 300800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 30.06.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Übergang von HFz zu BM

Heute Nachmittag zunächst vor allem im nördlichen Mittelgebirgsraum, im
Nordwesten und in den Alpen, gegen Abend im Westen und Südwesten zunehmende
Gewitterneigung mit lokaler Unwettergefahr. Kommende Nacht bis zur Deutschen
Bucht, nach Thüringen und Bayern Gewitter, im Westen Wetterberuhigung.
Am Freitag bevorzugt von Ostbayern bis zur Ostsee markante Gewitter.
Anschließend deutlich kühler.
Am Samstag Hochdruckeinfluss und in den meisten Gebieten wieder wärmer.


Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... Der langgestreckte, meridional ausgerichtete westeuropäische
Höhentrog ist zum Raum Bretagne ausgetropft und kommt heute nur sehr langsam
ostwärts voran. Das korrespondierende Cut-Off-Tief erreicht abends England und
die dem Trog vorgelagerte Kaltfront den Westen Deutschlands. Davor strömt von
Süden nochmals ein Schwall subtropischer Warmluft nach Deutschland, so dass die
850-hPa-Temperatur bis zum Abend auf Werte zwischen 13 Grad an der Ostsee und 18
Grad in Südostbayern ansteigt mit entsprechenden Höchstwerten zwischen 26 Grad
im Nordosten und 33 Grad am Main. Dabei dämpfen anfangs im Osten und Nordosten
noch Restwolken und örtlich Regen der Gewitterlage von gestern den
Temperaturanstieg.
Zwischen der zur Ostsee abziehenden Restbewölkung und der nachmittags im Westen
aufziehenden Bewölkung gibt es für die meisten von uns recht viel Sonnenschein
und so kann sich vor allem von Sachsen bis zum Emsland und in Süddeutschland
ordentlich Cape-ML entwickeln nämlich etwa zwischen 500 und 1500 J/Kg bei PPWs
zwischen 30 und 40 mm. In dem genannten Streifen entwickelt sich nämlich eine
Konvergenz zwischen den Ostwinden im Nordosten und dem äußersten Norden und den
Süd- bzw. umlaufenden Winden in der Mitte und im Süden Deutschlands. Über dem
südwestlichen Niedersachsen und dem Münsterland wird sogar ein kleines
thermisches Bodentief simuliert. Mit Erreichen der Auslösetemperatur entwickeln
sich in dem besagten Streifen anfangs über den Bergen, später auch im Flachland
einzelne markante Gewitter und wegen der geringen Zuggeschwindigkeit kann der
Starkregen örtlich eng begrenzt leicht die Schwelle von 25 l/qm in kurzer Zeit
überschreiten (Unwetter). Bei den erhöhten Cape-Werten können auch Großhagel
oder Hagelansammlungen auftreten.
Ab dem späteren Nachmittag kommt dann die Kaltfront im Westen ins Spiel: Mit
Winddrehung auf West bis Nordwest am Südrand des kleinen Tiefs wird die Luft
angefeuchtet und so entwickelt sich ebenfalls ein Streifen mit CapeML über 500
bei PPWs über 35 mm. Auch hier können sich dann kräftige Gewitter entwickeln,
wobei dank der mäßigen Scherung auch Superzellen oder Gewitterlinien möglich
sind. Entsprechend sind hier neben Böen Bft 8 auch Sturmböen und vereinzelt
schwere Sturmböen möglich. Im Südwesten ist die trogvorderseitige Hebung am
größten und hier gibt es die höchsten Wahrscheinlichkeiten für Starkregen
(ICON-D2-EPS, teils über 35 mm) bereits bis 18 UTC. Auch für den Alpenraum gilt
dies.
In der ersten Nachthälfte breiten sich die hohen Wahrscheinlichkeiten für teils
unwetterartgien Starkregen nach Württemberg aus, in der 2. Nachthälfte zum
zentralen Bayern und nach Ostbayern. Auch im Bereich der Kaltfront und kurz
davor sind nachts weitere kräftige Schauer und Gewitter möglich mit
Starkregengefahr bis in den Unwetterbereich. Bis 06 UTC breiten sich die
Niederschläge auf einen Steifen von der Deutschen Bucht bis nach Franken aus. In
Baden-Württemberg hängt die Front zurück, so dass es dort auch mehrstündigen
Starkregen geben kann bis in den Unwetterbereich (Regenmengen > 35 l/qm). Im
Osten bleibt es dagegen noch größtenteils trocken. Bleibt noch zu sagen, dass
auch außerhalb der Gewitter steife Windböen dicht hinter der Front auftreten
können, was auch schon für den frühen Abend gilt.

Freitag... schwenkt der Höhentrog von Ostfrankreich nach Nordwestdeutschland und
Bayern (18 UTC). Dabei schiebt er weiterhin Kaltfront und Rinne vor sich her,
während sich rückseitig eine abgeschlossene Hochzelle (HARTMUT) mit etwas über
1020 hPa von Frankreich her ostwärts ausweitet. Die große Frage ist nun, in wie
weit die in den Morgenstunden in ein Minimum laufenden Gewitter im Osten und
Südosten tagsüber noch mal aktiviert werden können. Im äußersten Osten reicht
die Einstrahlung aber wohl noch für Höchstwerte zwischen 25 und 30 Grad, was für
Cape-ML-Werte zwischen 500 und 1000 J/Kg gut ist bei PPWs, die sogar teils über
40 mm liegen. Das reicht wahrscheinlich für markante Gewitter und auch einzelne
Unwetter, denn bei mäßig erhöhter Scherung kann auch eine Superzelle nicht
ausgeschlossen werden. Auch am Vormittag sind einzelne kräftige Entwicklungen
von der westlichen Ostsee nach Thüringen möglich.

Auf alle Fälle wird auf der kalten Seite der Front weiterhin skaliger,
ungewittriger Regen simuliert, der zumindest örtlich die Wasserbilanz
verbessert. Im Westen ist postfrontal die Regenwahrscheinlichkeit sehr gering.
Zwar ist die Grundschicht unterhalb einer sich zwischen 650 und 700 hPa
etablierenden Inversion ausreichend labil, um Quellungen zu erzeugen, für mehr
als ein paar vereinzelte schwache Schauer reicht es aber nicht - wenn überhaupt.


Während die Temperatur ganz im Osten sommerlich ist, muss man sich im großen
Rest mit 18 bis 24°C begnügen (die niedrigsten Werte bei Regen, im Bergland
sowie bei auflandigem Wind.

In der Nacht zum Samstag zieht der Trog nach Nordosten ab. Ihm folgt ein flacher
Rücken, der das sich weiter nach Osten ausdehnende Bodenhoch stützt. Regenfälle
und Gewitter ziehen ab, was im Nordosten noch am längsten dauert. So setzt sich
überall eine klare und recht frische (T850 6 bis 10°C) Atlantikluft durch, die
bei schwachen Windverhältnissen und vielfach klarem Himmel Tiefstwerte zwischen
13 und 7°C zulässt. In einigen Mulden und Senken des westlichen und südlichen
Berglands kann es noch etwas kühler werden, während es direkt an der See sowie
im erst spät auflockernden Nordosten etwas milder bleibt. Vereinzelt bildet sich
Nebel.


Samstag... verbringt Deutschland unter Hochdruckeinfluss. Zwar verlagern sich
der Rücken und das Bodenhoch ganz langsam nach Osten, gleichwohl behalten sie
ihren Einfluss auf den gesamten Vorhersageraum. Absinken drückt die Inversion
auf rund 800 hPa, im Süden etwas darunter. Die Grenzschicht darunter ist
neutral, also trockenadiabatisch geschichtet, auf der anderen Seite aber auch
recht trocken, was die Quellwolkenbildung hemmt. Vor allem im Süden werden nur
wenige Exemplare zu sehen sein, während im Norden ein paar mehr den Himmel
zieren. Es bleibt trocken, nur ganz im Norden gibt es eine geringe
Schauerneigung. Die 850-hPa-Temperatur steigt absinkbedingt, aber auch advektiv
bereits wieder an auf 7°C an der Grenze zu Dänemark und bis zu 16°C im südlichen
Alpenvorland am Abend. Auf 2 Meter bedeutet das Tagesmaxima zwischen 24 und
29°C, ganz im Norden 21 bis 24°C.

Auch die Nacht zum Sonntag verläuft störungsfrei und häufig klar mit
Tiefstwerten zwischen 8 Grad in den Mittelgebirgstälern und 14 Grad an der
Nordsee.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die externen Modelle simulieren großräumig recht ähnlich. GFS zeigt morgen
allerdings in der Fläche deutlich weniger Regen für die Osthälfte als ICON und
IFS.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Olaf Pels Leusden