DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-06-2022 07:30
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 29.06.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HF z

Heute im Südosten und der Mitte kräftige Gewitter, lokal Unwetter mit heftigem
Starkregen. Von Donnerstagabend zum Freitag Passage einer markanten Kaltfront
mit Gewittern, die in allen Belangen unwetterartig ausfallen können.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... liegen wir unter einer südwestlichen Höhenströmung mit der ein
Kurzwellentrog über Deutschland nach Nordosten schwenkt. Dieser ist nach
Südosten hin markanter ausgeprägt mit einem eingelagerten Höhentief, das von
Bayern aus nord- bis nordostwärts zieht. Insgesamt schwächt sich der Trog ab und
der Langwellentrog über Westeuropa weitet sich nach Süden aus, was die Strömung
bei uns vorübergehend nach Süd drehen lässt. Im Bodendruckfeld spiegelt sich das
wider in einer flachen Rinne über Süddeutschland, die sich langsam nordwärts
vorschiebt und das Hoch im Norden zurückdrängt. Dies gehört übrigens zu einer
großen Hochdruckzone über Skandinavien und Nordwestrussland, die von einem
Höhenrücken gestützt wird, der sich vom Mittelmeer bis zur Halbinsel Kola
ausgedehnt hat.
In den Südosten ist dabei feuchte Warmluft eingeflossen, in der es schon aktuell
zu ein paar Schauern und Gewittern ganz im Südosten kommt, während sonst zwar
auch warme, aber trockenere und stabilere Luft den Ton angibt. Die feuchte und
zu Gewittern neigende Luft macht über dem Osten zögernd Boden nach Norden hin
gut, während über dem Süden vor allem im weiteren Tagesverlauf eher von Westen
her die trockenere Luft auf dem Vormarsch ist.
Die zugehörige, etwas diffuse Luftmassengrenze liegt nachmittags etwa in einem
Bogen von der Lausitz über Thüringen bis zum Allgäu. Südöstlich davon lebt die
Schauer- und Gewittertätigkeit ab dem Mittag wieder auf. ML Cape bis 1000 J/kg,
schwache Scherung, aber viel Wasser (bis 40 mm ppw) sprechen für Einzel- oder
Multizellen, die eventuell verclustern. Dabei steht Starkregen im Fokus, der eng
begrenzt heftig (>25 mm/h) oder gar extrem (>40 mm/h) ausfallen kann.
Die höchsten Wahrscheinlichkeiten für Unwetter liefert das ICON-D2-EPS für die
ostbayerischen Mittelgebirge und Franken sowie die angrenzenden Bereiche.
(Schwere) Sturmböen Bft 8-10 können im Umfeld organisierter Gewitter nicht
ausgeschlossen werden, die bei besserer Scherung über Österreich entstehen
können und nach Böhmen ziehen und somit den äußersten Südosten zumindest
streifen können. Hagel spielt eher eine untergeordnete Rolle.

Ansonsten ziehen einige Wolkenfelder durch, teils bilden sich unterhalb einer
Inversion in ca. 800 bis 700 hPa nur flache Quellwolken, die Schauerneigung ist
gering. Im östlichen Mittelgebirgsraum wird man heute von der Sonne nicht viel
sehen, nach Nordwesten hin und ganz im Westen dürfte sie prominent vertreten
sein.

Die Höchsttemperaturen liegen zwischen ca. 20°C unter den dichten Wolken und an
der See bei auflandigem Wind sowie fast 30°C mit Sonne am Oberrhein und nach
Westen hin.

In der Nacht zum Donnerstag kommt der Höhentrog nur wenig nach Norden voran,
während sich in der, progressiver nach Norden ziehenden Rinne ein Tief über
Tschechien bilden kann. Besser zu erkennen ist da schon ein IPV Maximum, welches
über dem Osten nach Norden zieht und Hebungsimpulse liefern kann. Nachfolgend
wird die südwestliche Strömung wieder etwas wenig antizyklonaler, sodass von
Süden her der Druck steigt.
Schauer und Gewitter verlagern sich in den Nordosten und Osten. Die Gewitter
koppeln sich wahrscheinlich von der Grenzschicht ab. Somit geht die größte
Gefahr vom Starkregen aus, der punktuell unwetterartig ausfallen kann. Die
höchsten MU Cape Werte finden sich da wahrscheinlich schon östlich von uns über
Tschechien und Polen, verbunden mit etwas Scherung. Dort kann sich, was auch von
einigen Modellen (UKMO, Arome) angedeutet wird, ein Gewittercluster bilden, der
nordwärts zieht und Ostsachsen und eventuell Ostbrandenburg steifen kann. Hier
bestünde erhöhte Unwetterwahrscheinlichkeit durch heftigen Starkregen, eventuell
auch mit Hagel und Sturmböen.

Ansonsten klingen Schauer und Gewitter ab, in der Westhälfte bleibt es durchweg
trocken. Gebietsweise klart es auf. Dann gehen die Temperaturen zurück auf 14
bis 9 Grad, sonst liegen die Tiefstwerte zwischen 19 und 14 Grad.


Donnerstag... verbleiben wir auf der Vorderseite des Langwellentroges über
Westeuropa, der weit nach Süden ausgreift und über Frankreich nach Osten
vorankommt. Dadurch dreht die wieder zyklonalere Höhenströmung fast auf Süd
zurück.
Trogvorderseitig beginnt der Luftdruck zu fallen, sodass sich eine
Tiefdruckrinne formiert, die abends Westdeutschland erreicht. Die sich
rückseitig daran anschließende Kaltfront bleibt westlich des Vorhersagegebietes
und Deutschland somit im Zustrom sehr warmer bis heißer Luft. Die Kaltfront
macht ihrem Namen alle Ehre, ist stark baroklin mit 17 bis 18°C in der Warmluft
und weniger als 5°C postfrontal, jeweils in 850 hPa.

Wenn die nächtlichen Gewitter über dem Osten und Nordosten zur Ostsee abgezogen
sind, stellt sich in trockenerer Luft ein freundlicher und meist trockener Mix
aus Sonne und Quellwolken ein. Einzelne Gewitter bilden sich am ehesten über dem
Bergland, und ganz im Osten und Nordosten, wo die Luft noch am feuchtesten ist.
Bei 500 bis 1500 J/kg ML-CAPE, PPW's um 30 mm und schwacher Scherung handelt es
sich um pulsierende Einzelzellen, die vorübergehend kräftig sein und mit
(heftigem) Starkregen und Hagel einhergehen können.

Spannend wird es am Nachmittag im Westen und Südwesten, wenn sich westlich der
Tiefdruckrinne feuchtere Luft durchsetzt, die mit Annäherung des Troges
labilisiert. Als Auslösemechanismus kann sowohl die in der Rinne eingelagerte
Konvergenz als auch die Kaltfront dienen. Den Gewittern stehen bis 1000 J/kg
ML-CAPE zur Verfügung. Bei zunehmender, moderater Scherung und PPW's zwischen 30
und 40 mm können sich die Gewitter organisieren und heftigen Starkregen bringen.
Unwettergefahr besteht zudem aufgrund von größerem Hagel bei Superzellen und
Gewitterböen bei linienhafter Organisation. Vor allem im Nordwesten werden teils
hohe SRH Werte, verbunden mit einem deutlichen Rückgang des HKN simuliert. Diese
überlappen zwar nicht optimal mit der Labilität, einige Gewitter werden dort
aber simuliert, die demnach ein gewisses Tornadopotential besitzen. Zuvor wird
es verbreitet sehr warm bis heiß bei Höchstwerten zwischen 26 und 33 Grad,
kühler ist es nur an der Küste.

In der Nacht zum Freitag kommen Kaltfront, Konvergenz und damit auch die
Gewitter ostwärts voran. Vor allem durch heftigen Starkregen, anfangs auch durch
Hagel und Sturmböen besteht Unwettergefahr. Zwischen Ostsee und Sachsen bleibt
es wahrscheinlich noch trocken und auch im Westen lässt der Regen hinter der
Kaltfront später nach und über Frankreich baut sich ein Bodenhochdruckgebiet
aus, das seine Fühler durch kräftige KLA nach Deutschland hinein austreckt.

Im Westen geht die Temperatur bei Auflockerungen auf 13 bis 7 Grad zurück, sonst
liegen die Tiefsttemperaturen meist zwischen 19 und 14 Grad.


Freitag... greift die Trogachse auf Deutschlands über, dahinter wölbt sich über
Südwesteuropa ein flacher Rücken auf, der eine Bodenhochdruckzone stützt, die
über Süddeutschland nach Osten ausgreift. Die Tiefdruckrinne zieht mitsamt
Konvergenz und nachfolgender Kaltfront im Tagesverlauf über die Osthälfte des
Landes nach Osten ab. Inwieweit sich der Osten und Südosten bis zur
Nachmittagszeit in der Warmluft befindet, bleibt abzuwarten. Sollte es der Fall
sein und Einstrahlung vorherrschen, könnte nochmal CAPE in der Größenordnung von
1000 J/kg aufgebaut werden. Bei moderater Scherung sind organisierte Gewitter
möglich, die in allen Belangen unwetterträchtig sein können.
Von Westen her stellt sich nach Abzug der frontalen Regenfälle im
Einflussbereich des sich von Westen hereinschiebenden Hochkeils ein trockener
Sonne-Wolken-Mix ein.
Während an Oder und Neiße 30 Grad erreicht werden könnten, sind in postfrontal
einfließender, frischer Meeresluft (T850 auf 8 bis 5 Grad) nur 18 bis 23
möglich.

In der Nacht zum Samstag ziehen die letzten Regenfälle, geknüpft an den
Höhentrog aus dem Nordosten ab und dahinter stellt sich landesweit
Hochdruckeinfluss ein. Bei teils längerem Aufklaren kann sich örtlich Nebel
bilden und die Luft kühlt auf 15 (Nordosten, wolkiger) bis 5°C (Eifel) ab.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren den Ablauf ähnlich mit den üblichen Unterschieden bei den
Niederschlägen. Angesichts der nur lokalen Starkregenunwetter wird heute keine
Vorabinformation benötigt. Besser passen würde sie für die Kaltfrontpassage ab
morgen Abend.
Hierüber kann am Donnerstagvormittag entschieden werden, fraglich bleibt
zunächst ob die möglichen Unwetter auch dann wirklich überregional auftreten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner