DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-06-2022 07:30
SXEU31 DWAV 260800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 26.06.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
S z, Übergang zu HF z
Heute zunächst einzelne Gewitter, vor allem über dem Bergland und im Nordosten,
Unwetter (teils auch durch extremen Starkregen) nicht ausgeschlossen. Ab dem
Abend im Westen aufkommend und weiter in Richtung Nordwesten sowie auf Teile der
Mitte übergreifend heftige Gewitter mit erhöhter Unwettergefahr durch
Starkregen, (schwere) Sturmböen und größeren Hagel, bis Montagfrüh unter
zögernder Abschwächung bis zur Nordsee vorankommend.
Nach vorübergehender Wetterberuhigung am Montag im Südwesten einsetzend
Gewitter, wiederum mit Unwettergefahr durch heftigen Starkregen, größeren Hagel
und (schweren) Sturmböen. Abends auf den Südosten und in der Nacht zum Dienstag
auf den Osten übergreifend.
Am Dienstag im Süden und über dem Bergland Gewitter, aber Unwetter nur noch
wenig wahrscheinlich.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... liegt Deutschland unter der Vorderseite eines Troges, dessen Achse
von Ostgrönland über die Irische See bis nach Galizien reicht. Nach Osten hin
hält sich ein blockierendes Hoch über Westrussland, so dass dieser Trog keine
Chance hat, nach Osten voranzukommen. In der über Mitteleuropa anliegenden
süd-südwestlichen Strömung laufen kurzwellige Anteile nach Norden ab, die
regional die Gewittertätigkeit bis hin zum Unwetter aufleben oder abebben
lassen. Abgesehen aktuell vom Nordwesten und Westen hat sich feuchtlabile Luft
durchgesetzt, die ein CAPE (MU, KK) von 1000 bis 1500, im Nordosten und ab dem
Abend auch im Südwesten bis über 2000 J/kg aufweist. In diesen Gebieten weist
auch die Luftmasse mit einem Gehalt an niederschlagbarem Wasser von 30 bis über
35 mm die höchsten Werte auf. Damit sind auch die Schwerpunkte der heutigen
Gewittertätigkeit bereits skizziert. Das ist zum einen der Nordosten, wo ein
ablaufender Kurzwellentrog zur tagesgangsbedingt aktivsten Zeit Hebung generiert
und somit hochreichende Konvektion auslöst. Aufgrund kaum vorhandener Scherung
dürfte es sich dabei im wesentlichen um wenig organisierte Einzel- oder
Multizellen handeln, wodurch Starkregen auftreten kann. Unwetter sind aufgrund
der geringen Verlagerung der Gewitter vorstellbar; auch größerer Hagel sollte
kaum zustande kommen. Ähnliches gilt auch für die Mittelgebirge und den
Alpenrand. Dort liegt der Flüssigwassergehalt zwischen 20 und etwas über 30 mm;
auch wird nicht so viel CAPE wie im Nordosten generiert; demzufolge sollte
hochreichende Konvektion nicht allzu verbreitet auftreten. Zuvor sind von der
Ostsee bis hin zu den Alpen und zum Hochrhein längere sonnige Abschnitte zu
erwarten.
Für den äußersten Südwesten ergibt sich ab dem späten Nachmittag, vielmehr ab
dem Abend ein anderes Bild. In diese Gebiete gelangt feuchtere Luft mit einem
Gehalt an niederschlagbarem Wasser bis 40 mm; zudem setzt ein weiterer
Kurzwellentrog an. Hierdurch nimmt die Scherung - sowohl niedertroposphärisch
als auch hochreichend - zu. Die Folge ist dann eine verstärkt einsetzende
Gewittertätigkeit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für unwetterartige
Entwicklungen.
Hinsichtlich der Temperaturen ergibt sich eine ausgeprägte
Nordwest-Ost-Staffelung. Während westlich der Weser und westlich des Rheins nur
19 bis 25 Grad erreicht werden, sind ansonsten 26 bis 31, im Nordosten
schwülheiß 33 Grad zu erwarten.

In der Nacht zum Montag dürften die Gewitter, wahrscheinlich in Form eines MCS,
vom äußersten Südwesten rasch auf den gesamten Westen und von dort aus meist
westlich der Weser bis Montagfrüh bis zur Nordsee vorankommen. Eine ausgeprägte
Scherung lässt organisiertere Strukturen erwarten. In Richtung Warmluft, d.h.
weiter nach Osten, ablaufende Strukturen können nicht ausgeschlossen werden. Im
Südwesten besteht zudem die Gefahr (schwerer) Sturmböen und größeren Hagels, in
der zweiten Nachthälfte dürfte es sich dabei (in den westlichen und
nordwestlichen Landesteilen) hauptsächlich um abgehobene Konvektion handeln. In
diesen Gebieten sollte daher Fokus auf teils mehrstündigen Starkregen (bis hin
zum Unwetter) gelegt werden. Aufgrund der vorhandenen Zutaten wird eine
Unwetter-Vorabinformation ausgegeben.
In den anderen Gebieten sollte es in der Nacht ruhig bleiben. Kompensierendes
Absinken lässt die Bewölkung auflockern. Stellenweise können sich flache
Nebelfelder bilden.

Montag... rückt der o.g. Trog nur wenig nach Osten vor, so dass die steile
süd-südwestliche Strömung erhalten bleibt. Hierdurch verschiebt sich die
Luftmassenstruktur ein wenig nach Osten, d.h. in den Nordwesten und Westen
gelangt trockenere und stabilere Luft, was für diese Gebiete Entspannung
bedeutet.
Im weitaus größten Teil Deutschlands, grob gesagt vom Hochrhein und von den
Alpen bis zur Ostsee, ist die Luftmasse nach wie vor feuchtlabil geschichtet und
weist einen Gehalt an niederschlagbarem Wasser bis über 40 mm und CAPE von 2000
bis ca. 3000 J/kg auf. Da wird nicht viel gebraucht, um erneut hochreichende
Konvektion bis hin zum Unwetter auszulösen. Zwar setzt ein neuer, nach
Nord-Nordost ablaufender Kurzwellentrog im Westen und Nordwesten und somit in
der stabil geschichteten Luftmasse an, aber vom östlichen Alpenrand bis in den
Nordosten hinein entwickelt sich eine flache Tiefdruckrinne, so dass durch
bodennahe Konvergenz die Konvektion getriggert wird. Wenngleich die schwach
ausgeprägte Scherung nicht unbedingt für einen hohen Organisationsgrad der
konvektiven Umlagerungen spricht, so besteht doch Unwettergefahr durch heftigen
Starkregen und größere Hagelansammlungen. Von Seiten der Modelle liegt der
Schwerpunkt konvektiver Entwicklungen über dem Südwesten, aber aufgrund des
hohen Feuchtedargebots sind im Nordosten sowie über dem östlichen Bergland
ähnlich heftige Entwicklungen vorstellbar.
Hinsichtlich der Temperaturentwicklung kann sich die gemäßigtere Luftmasse nur
wenig über die Weser hinweg weiter nach Osten durchsetzen. Von der Ostsee bis
zum Alpenrand sind erneut Maxima zwischen 28 und 33, vom Berliner Raum bis in
die Lausitz bis 35 Grad zu erwarten.

In der Nacht zum Dienstag tropft der über Westeuropa liegende Trog zum
westlichen Mittelmeer aus. Der noch kräftig ausgeprägte Resttrog schwenkt nach
Südnorwegen. Zwar verbleibt Deutschland noch unter einer südwestlichen Strömung,
aber da sich das gesamte Zirkulationsmuster nach Osten verlagert, kann sich dann
in weiten Landesteilen bis hin zum Oderhaff trockenere und stabilere Luft
durchsetzen. Eine Ausnahme stellen noch die Gebiete vom Oderbruch bis in die
Lausitz hinein sowie der äußerste Südosten Deutschlands dar. In diesen Gebieten
hält sich noch feuchtlabile Luft, die jedoch durch Entrainmentprozesse zusehends
entschärft wird. Demzufolge wird die Konvektion bis Dienstagfrüh in diesen
Gebieten noch nicht so recht zur Ruhe kommen. Ob dann im Südwesten erneut
konvektive Umlagerungen erfolgen, wie es z.B. ICON zeigt, ist noch nicht sicher.
Im weitaus größten Teil Deutschlands sollte jedoch im Bereich eines sich von
Frankreich ausweitenden Bodenhochkeils Wetterberuhigung einsetzen. Stellenweise
können sich flache Nebelfelder bilden.


Dienstag... stößt aus dem von Ostgrönland nach Süden reichenden Langwellentrog,
dessen Achse dann ein wenig weiter westlich als bisher zu finden ist, ein
weiterer Kurzwellentrog in Richtung Bretagne vor. Dies lässt die südwestliche
Strömung erneut aufsteilen, wobei diese gegenüber den Vortagen deutlich
schwächer ausgeprägt ist. Dabei wird der Norden und Westen Deutschlands von
nordostwärts ablaufenden Kurzwellentrögen gestreift. Diese Tröge können aufgrund
der dort eingeflossenen relativ trockenen und stabil geschichteten Luft nicht
viel ausrichten. Zudem hält sich dort noch der Einfluss des mit Schwerpunkt über
den dänischen Inseln liegenden Zwischenhochs.
Ein anderes Bild ergibt sich im Süden und Südosten. In diese Gebiete gelangt
erneut feuchtlabile Luft bzw. die dort noch vorhandene Luftmasse arbeitet sich
wieder bis etwa zur Mainlinie und bis zu den östlichen Mittelgebirgen nach
Norden vor. Daher wird in diesen Gebieten die Gewittertätigkeit erneut aufleben.
Die Scherung ist vor allem niedertroposphärisch ausgeprägt, so dass
organisiertere Strukturen hochreichender Konvektion zustande kommen können. Die
Wahrscheinlichkeit für Unwetter ist gegenüber dem Vortag etwas verringert;
dennoch können Unwetter durch heftigen Starkregen und/oder größere
Hagelansammlungen nicht ausgeschlossen werden.
Im Nordwesten und im Norden ergibt sich noch Absinken im Randbereich des
Zwischenhochs, was längere sonnige Abschnitte ergibt. Ansonsten dürfte rasch
konvektive Bewölkung entstehen. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 25 bis 29,
in Küstennähe und im südwestdeutschen Bergland 20 bis 24 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch greift ein weiterer und relativ markanter
Kurzwellentrog auf Oberitalien über und tropft dort aus. Dies lässt die Strömung
über Mitteleuropa vollends auf Süd rückdrehen. Hierdurch gewinnt die
feuchtlabile Luft weiter an Raum, im Genuss der trockenen und stabil
geschichteten Luftmasse verbleiben dann nur noch der Nordwesten und der Norden
Deutschlands. In diesen Gebieten dauert das Absinken an, wodurch konvektive
Umlagerungen ausbleiben. Ansonsten entwickeln sich erneut Gewitter bis hin zum
Unwetter, wobei dann auch verstärkt mehrstündiger heftiger Starkregen in den
Fokus rücken sollte. Ob der Schwerpunkt der Konvektion dann über der Westpfalz
liegt (ICON) oder mehr über Mitteldeutschland, wo auch ausgeprägte Scherung
auftritt (EZMW, GFS) ist noch unsicher.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten. Allerdings ergeben sich mit zunehmendem
Vorhersagezeitraum durchaus Differenzen hinsichtlich der Phasenlage und
Amplitude der Kurzwellentröge.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann