DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-06-2022 08:01
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 25.06.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Heute im Nordosten Gewitter mit lokalem Unwetterpotential (Starkregen). Morgen
vor allem vom Südwesten bis in den Norden und Nordosten teils kräftige Gewitter,
erneut mit Unwetterpotential bezüglich Starkregen. In der Nacht zum Montag dann
in der Westhälfte teils kräftiger und gewittrig durchsetzter Stark- oder
Dauerregen. Am Montag abgesehen vom Nordwesten wieder verbreitet Gewitter mit
erhöhtem (Starkregen-)Unwetterpotential.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Samstag... liegt im 500 hPa ein Langwellentrog über Westeuropa, das eingebettete
abgeschlossene Höhentief zirkuliert dabei über bei Irland und weist allenfalls
eine schwache nördliche Verlagerungstendenz auf. Von diesem zentralen
Geopotentialgebilde erstreckt sich in ost-südöstlicher Richtung ein Troganteil
über die Mitte Deutschlands hinweg bis nach Rumänien, um dort eine Verbindung zu
einem Höhentief über dem Schwarzen Meer herzustellen. Akademisch betrachtet
könnte man die über Rumänien liegende schwächste Stelle der Geopotentialrinne
auch als von Nord nach Süd orientierte Geopotentialbrücke betrachten, welche ein
Höhenhoch über Nordwestrussland mit einem ebensolchen über Libyen verbindet. Für
das Wetter in Deutschland ist diese Überlegung aber irrelevant, hier ist die
Rinne der entscheidende Faktor, die langsam nach Nordosten vorankommt, im Laufe
des Nachmittags allerdings in einzelne kleine Höhentiefs zerfallen soll.
Vorderseitig der Geopotentialrinne liegt über dem Osten und Nordosten, aktuell
etwa von der Lübecker Bucht bis zur Lausitz verlaufend, im Bodendruckfeld eine
Tiefdruckrinne. Diese verlagert sich im Verlauf ebenfalls nach Nordosten und
erreicht zum Abend den Nordwesten Polens. Dies bedeutet aber nicht, dass auch
die in die Rinne eingelagerte, feucht-warme Luft bis zum Abend schon ausgeräumt
ist. Vielmehr erreichen im Nordosten die PPW-Werte bis zum Abend und in die
Nacht hinein laut ICON-EU Werte von bis zu 40 mm, dazu wird auch etwas CAPE
simuliert, in der Fläche um 500 J/kg, in der Spitze sogar um 900 J/kg. Was fehlt
sind eine deutlich labile Schichtungskonfiguration sowie, für alle die an
organisierten Gewitterentwicklungen interessiert sind, eine ausgeprägte
Scherung. So sollten in der genannten Region, also von Sachsen bis zur Ostsee,
im Tagesverlauf zwar Gewitter auftreten, die aufgrund der langsamen Verlagerung
auch durchaus Starkregenpotential besitzen, allerdings ist mit Unwettern (>25
l/qm in einer Stunde) allenfalls lokal zu rechnen. Dafür können die Gewitter
durchaus von kleinerem Hagel und Sturmböen begleitet sein. In den übrigen
Gebieten geht es vergleichsweise ruhig zu. Die Luftdruckgegensätze sind
allgemein gering, der Süden liegt sogar unter leichtem Hochdruckeinfluss und
dort sorgt auch ein flacher Rücken im Geopotentialfeld für eine Stabilisierung.
Entsprechend sollte es dort trocken bleiben - es sei denn, eine sich von Westen
nähernde Kaltfront kann mit ihren Niederschlägen bis zum Abend auf den äußersten
Westen übergreifen. Dies könnten sich zumindest die externen Modelle (UK10,
Arome oder auch GFS vorstellen, die Deutschen Modelle verlagern die Front etwas
langsamer. Trotzdem machen sich dort schon die Wolken der Front bemerkbar. So
soll es von der Saar bis nach Borkum zwar sonnig, aber nicht ganz so sonnig wie
von den Alpen und dem Hochrhein im Süden bis zur Nordsee und nach
Schleswig-Holstein im Norden werden. Bezüglich Sonne in der Hinterhand ist der
aufgrund der Tiefdruckrinne bewölktere Osten und Nordosten. Bei den Temperaturen
zeigen sich keine großen Unterschiede. Bei 25 bis 30°C sollen die Höchstwerte
liegen, in den Bergen und an den Küsten reicht es dafür wohl nicht ganz.

In der Nacht zum Sonntag bricht die Geopotentialrinne über Deutschland endgültig
zusammen, ihr anfangs noch über der nördlichen Mitte liegendes westliches
Residuum wird mit der Zirkulation des steuernden westeuropäischen Zentraltiefs
nach Norden geführt. Da damit auch die Höhenströmung aufsteilt, wird die
Verlagerung der westlich von uns liegenden Kaltfront weiter verzögert.
Vorderseitig eines neuen kurzwelligen Troganteils sinkt über Benelux und
Norddeutschland der Druck. In der Folge bildet sich über Benelux ein
kleinräumiges Tief, das bis zum Morgen in die deutsche Bucht zieht. Durch dieses
Tief beginnt die weiterhin weitgehend westlich von uns liegende Kaltfront zu
wellen. Trotzdem kann es in einem Streifen von Baden bis ins westliche Emsland
zu Schauern und Gewittern kommen. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass im
Bereich der Front feuchtere Luft mit PPW-Werten bis knapp über 30 mm einsickert.
Die Feuchte wie auch der Kurzwellentrog tragen zur Labilisierung ebenso bei wie
höhere Lapse-Rates von lokal unter -0,65 K/100m. Auch steigt die Scherung, was
aber, natürlich auch tagesgangbedingt fehlt, ist die potentielle Energie. Somit
ist Unwetterpotential kaum vorhanden, für Starkregen, kleineren Hagel und auch
Sturmböen könnte es lokal aber dennoch reichen. Ansonsten ist es weitgehend
ruhig. Der Druckfall und die damit verbundene Hebung sorgen für Wolken, die bis
zum Morgen bis nach Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg ausgreifen. Im Süden im
Bereich schwachen Hochdruckeinflusses ist es dagegen wolkenarm, und auch im
äußersten Nordosten zeigen sich im Nachtverlauf häufiger die Sterne. Im
Nordosten bildet sich allerdings teils dichter Nebel - dann wird es mit dem
Sternegucken natürlich nix! Die Tiefstwerte liegen unter Wolken bei bis zu 18°C,
im Südosten, wo es deutlicher auskühlt, teils nur bei 11°C.


Sonntag... ändert sich, zumindest bei grober Betrachtung, im Geopotentialfeld
nicht viel. Weiterhin dominiert der Westeuropäische Trog das Geschehen.
Allerdings wird der kurzwellige Troganteil über Norddeutschland nach
Skandinavien geführt. Der Trog selbst wird in seinem südlichen Teil regeneriert
und weitet sich dadurch zumindest vorübergehend etwas nach Süden aus. In der
Folge steilt die Höhenströmung etwas auf. Das bedeutet, dass die Kaltfront
weiterhin wenig Schwung besitzt. Sie ist dabei in einer Tiefdruckrinne
eingelagert und soll bis zum Abend nach Schleswig-Holstein und in den Südwesten
vorankommen. Die Modelle reagieren darauf postfrontal, also im äußersten Westen
und Nordwesten, mit einer deutlichen Stabilisierung der Schichtung. Dort
trocknet die Luft aus, entsprechend wird, wenn überhaupt, nur wenig Niederschlag
simuliert. In den übrigen Gebieten bleibt es feucht (PPWs bis 35 mm), labil
(Lapse-Rates bis regional unter -0,7 K/100m) und es wird auch nennenswert CAPE
simuliert, im Nordosten liegen die entsprechenden Werte lokal über 1500 J/kg.
Allerdings fehlen im Südosten (mit Ausnahme der Alpen) und in Mitteldeutschland
die Hebungsantriebe, da diese Bereiche außerhalb der Tiefdruckrinne liegen.
Letztendich setzen die Modelle an der Front bzw. innerhalb der Tiefdruckrinne,
also von Schleswig-Holstein bis in den Südwesten auf teils schwere Gewitter.
Aber auch der CAPE-Schwerpunkt über dem Nordosten wird z.B. von den Pseudosynops
entsprechend gewittrig hervorgehoben. Als Begleiterscheinungen sind wieder
Starkregen, kleinerer Hagel (an der Front bei entsprechender Scherung auch
größerer Hagel) und Sturmböen mit von der Partie. Mit einzelnen unwetterartigen
Entwicklungen ist erneut zu rechnen. Im Bereich der Front und auch postfrontal
sorgen vielen Wolken für nur geringe Sonnenanteile. In der Osthälfte und im
Süden wird es dagegen erneut sehr sonnig, teils auch wolkenlos. Mit
Sonnenunterstützung erreichen die Höchstwerte im Osten bis 33°C, im Westen sind
es dagegen teils nur noch 23°C.

In der Nacht zum Montag bleibt der westeuropäische Langwellentrog weiterhin
weitgehend ortsfest. Auf seiner Vorderseite wird aber erneut ein Kurzwellentrog
herangeführt, der bis zum Morgen laut ICON Belgien und den Südwesten
Deutschlands erreichen soll. Da vor dem Kurzwellentrog der Druck sinkt, bildet
sich ein flaches Tief aus, dass über den Südwesten Deutschlands in die Mitte
zieht. Die Front wird dadurch weiterhin und erneut an einer Verlagerung nach
Osten gehindert. Allerdings erfährt sie durch das Tief eine Aktivierung, wird
zumindest vorübergehend auch rückläufig, so dass dann auch der Westen und
Nordwesten wieder von Niederschlägen betroffen sein sollen (das sehen zumindest
ICON, EZMW oder auch GFS so, UK10 ist bezüglich des Rückläufig-Werdens der Front
eine Nuance zurückhaltender. Dabei lassen die Modelle den anfangs aus dem Tag
heraus gewittrigen Regen mehr und mehr in ein mesoskaliges System übergehen, bei
dem immer weniger die Gewitter sondern immer mehr der Stark- bzw- Dauerregen im
Fokus stehen. Das heißt nicht, dass nicht weiterhin Gewitter bis hin zur oder
knapp über die Unwetterschwelle (bzgl. Starkregen > 25 l/qm) möglich sind. Aber
in der Fläche kommen dann die 6- bzw. 12-stündigen Dauerregenkriterien in
Betracht (>20 l/qm in 6 Stunden oder 25-40 l/qm in 12 Stunden). Das Erreichen
von Unwetterschwellen ist diesbezüglich nicht ausgeschlossen, aber
unwahrscheinlich.

Montag... läuft ein weiterer kurzwelliger Troganteil von Süd nach Nord über die
Westhälfte Deutschlands hinweg. Dabei werden sowohl die Kaltfront als auch das
flache Tief etwas nach Osten geschoben. Im Tagesverlauf kommt es an der Front
und in der präfrontal liegenden feucht-warmen und labilen Luft zu gewittrigen
Umlagerungen, wobei die Front im Süden zu schleifen beginnt bzw. etwas
zurückhängt. Lokal liegen die CAPE-Werte bei über 2000 J/kg, die PPW-Werte
übersteigen in der Spitze die 40 mm, und auch Labilität ist, vor allem je weiter
man nach Osten kommt, auch aus der Schichtung heraus vorhanden. Damit ist auch
Unwetterpotential vorhanden, wobei im Frontbereich noch hohe Scherungswerte
(Deep-Layer-Sheer bis 30 m/s) zu beobachten sind. Damit können erneut
Starkregen, Sturmböen und Hagel auftreten, beim Starkregen ist das
Unwetterpotential am höchsten. Zu diesem Zeitpunkt zeigen sich auch schon
deutlichere Modellunterschiede. So soll es laut ICON oder UK10 im Westen und
Nordwesten trocken bleiben, EZMW oder auch GFS simulieren dagegen auch im Westen
Niederschläge.

In der Nacht zum Dienstag zieht der Kurzwellentrog nach Norden ab. Die Front
schafft es im Nordosten bis fast an die Oder, während sie im Südwesten noch an
den Alpen hängt. Entlang der Front kommt es zu weiteren, teils gewittrigen
Regenfällen. Rückseitig der Front steigt über dem Nordwesten der Druck, was dort
mit Wolkenauflockerungen verbunden ist.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die Modelle simulieren die Abläufe der kommenden Tage recht ähnlich. Aber der
Teufel steckt im Detail, und so werden die Niederschlagsschwerpunkte und die
zugehörige Niederschlagsintensität durchaus unterschiedlich eingeschätzt. Das
Unwetterpotential bezüglich der Gewitter ist aber bei allen Modellen vorhanden.


Die Modellunterschiede wurden z.T. im Text erwähnt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas