DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-06-2022 17:01
SXEU31 DWAV 171800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 17.06.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Wochenende - außer im Norden und Nordwesten - ungewöhnlich heiß mit starker
Wärmebelastung. In der Nacht zum Sonntag zunächst ganz im Norden, am Sonntag
bzw. in der Nacht zum Montag dann vor allem in der "breiten" Mitte einzelne
Gewitter, teils mit Unwetterpotenzial, aber wohl keine großräumige Unwetterlage.


Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland nach wie vor im Einflussbereiches eines
Höhenkeiles, der - ausgehend von einem umfangreichen, sich von Nordafrika über
den Osten der Iberischen Halbinsel bzw. das westliche Mittelmeer bis nach
Frankreich erstreckenden Höhenrücken - über Mitteleuropa hinweg bis in den
Norden Skandinaviens reicht. Als Gegenpart fungiert ein hochreichendes und
zentralsteuerndes Tiefdruckgebiet über dem Nordatlantik, welches sein
Drehzentrum in 500 hPa allmählich vom Seegebiet südlich Islands Richtung
Nordmeer verlagert. An dessen Südflanke weitet sich eine kräftige Frontalzone im
Laufe der Nacht von Schottland über die nördliche Nordsee bis nach Südnorwegen
aus, wodurch der Höhenkeil nach Ostsüdost abgedrängt wird und Samstagfrüh mit
seiner Achse über die Mitte bzw. den Osten Deutschlands sowie Nordpolen und das
Baltikum bis nach Finnland reicht. Dadurch dreht die leicht diffluent
konturierte, ansonsten aber glatte Höhenströmung über Norddeutschland allmählich
aus Westsüdwest.
Das hat zwei Effekte zur Folge: Einerseits wird die mitteltroposphärische WLA,
die, im Bodenfeld durch eine Warmfront markiert, aktuell mit recht dichten hohen
und mittelhohen Wolkenfeldern (die wiederum auch, wenngleich nach Süden zu immer
dünner werdend, den Osten und die Mitte des Landes überqueren) allmählich nach
Osten bzw. Südosten abgedrängt, wodurch die Wolken, außer ganz im
Norden/Nordwesten, von Westen her wieder weniger werden und die zweite
Nachthälfte vielerorts nur noch gering bewölkt, teils auch wolkenlos verläuft.
Andererseits dreht auch niedertroposphärisch die Strömung mehr und mehr auf
Westsüdwest, wodurch der Weg in weite Teile des Vorhersagegebietes frei wird
(bzw. heute tagsüber bereits wurde) für die über Südwesteuropa lagernde heiße
und trockene Luftmasse tropischen Ursprungs, die auf der Vorderseite eines seit
Tagen quasistationären Höhentiefs aus dem nordafrikanischen Raum dorthin gelangt
ist. Bis Samstagfrüh steigt die Temperatur in 850 hPa auf Werte zwischen knapp
20 Grad im südlichen Oberrheingraben und 12 Grad im Nordseeumfeld.
Im Bodenfeld gehen diese Prozesse mit leichtem Druckfall einher. Das flache
Hochdruckgebiet mit Schwerpunkt über dem Südosten Deutschlands wird zögernd
Richtung Alpenraum und Slowakei angedrängt, gleichzeitig greift die Kaltfront
des Zentraltiefs morgens auf die mittlere Nordsee über. Sie erweist sich mangels
dynamischen Hebungsantrieb als wenig wetteraktiv und macht sich zunächst nur
durch gebietsweise dichtere Wolkenfelder an den Küsten bzw. in
Schleswig-Holstein bemerkbar. Zugleich - was auch ihre Wetterwirksamkeit
zusätzlich mindert - eilt ihr bereits ein flacher Bodentrog voraus, der morgens
auf den äußersten Norden des Landes übergreift. Dadurch verschärft sich der
Gradient und der Wind frischt aus Südwest auf, was sich aber warntechnisch nicht
auswirkt, lediglich auf dem Brocken reicht es für einzelne Böen Bft 7 bis 8. An
der Nordsee und in Schleswig-Holstein dreht der Wind nach Trogpassage bereits
auf Nordwest.
Ansonsten verläuft die Nacht wettertechnisch ruhig und warnfrei. Vor allem im
Westen und Nordwesten sowie in Teilen der Mitte und der Osthälfte bleibt es
aufgrund der WLA und anfangs noch vorhandener Wolkenfelder bereits deutlich
milder als in der Vornacht, während es im Süden und Südosten noch stärker
auskühlen kann. Die Tiefstwerte liegen somit zwischen knapp 20 Grad in einigen
Ballungszentren am Rhein bzw. in mittleren Höhenlagen, wo ein leichter Wind für
Durchmischung sorgt und 10 Grad in einigen Tälern der süddeutschen
Mittelgebirge.

Samstag ... verlagert sich einmal mehr ein umfangreicher Höhenrücken, der vom
Azorenhoch bis nach Südgrönland reicht, etwas ostsüdostwärts, Richtung Irminger
See und Dänemarkstraße, wodurch das Zentraltief über dem Nordmeer mit seinem
Drehzentrum ein wenig nach Süden abgedrängt wird. Es befindet sich in 500 hPa
gegen Abend nur noch knapp nordwestlich der Shetlands. Von ihm ausgehend, greift
ein mit positiver Achsneigung versehener Randtrog im Tagesverlauf auf Schottland
und Irland über und nimmt Kontakt auf zum Höhentief vor der portugiesischen
Küste. Dadurch steilt die nach wie vor recht glatt konturierte westsüdwestliche
Höhenströmung über der Nordsee und Norddeutschland noch etwas auf und der
vorgelagerte Höhenkeil wird peu à peu südostwärts abgedrängt, insgesamt bleibt
das Geopotenzialfeld über weiten Teilen des Vorhersagegebietes aber noch
antizyklonal konturiert.
Niedertroposphärisch verstärkt sich die Advektion der heißen Tropikluft von
Frankreich vor allem in den Süden und die Mitte des Vorhersagegebietes weiter.
Am Abend reicht die 15 hPa-Isotherme in 850 hPa etwa vom südlichen Emsland bis
zum Oderbruch, während die 20 Grad den Niederrhein und das Vogtland erreicht und
im Südwesten wohl sogar die 22 Grad knapp überschritten werden. Bei nahezu
ungehinderter Sonneneinstrahlung (im Einflussbereich des Keiles dominiert
Absinken, zudem ist die Luftmasse hochreichend trocken, so dass sich trotz
zunehmender Labilität kaum Quellwolken ausbilden dürften) werden trotz nicht
allzu heißer Vorgeschichte somit etwa südlich einer Linie
Lingen-Lüneburg-Pasewalk die 30 Grad locker überschritten. Im Westen, Südwesten
und in einigen Regionen der mittleren Landesteile werden die 35 Grad erreicht
bzw. überschritten, eventuell sogar mit Spitzenwerten bis 38 Grad in den
wärmebegünstigten Regionen Südwestdeutschlands. Eventuell deshalb, da von
Frankreich her im Tagesverlauf von den einschlägigen Modellen ein erhöhter
Saharastaubeintrag simuliert wird, der zusammen mit eventueller und in den
aktuellen Modellsimulationen noch nicht auftauchender dichterer Cirrusbewölkung
die Einstrahlung hemmt und somit für (deutlich?) niedrigere Maxima sorgen
könnte. Wie auch immer, lediglich bei nahezu ungehinderter Einstrahlung könnte
es für einzelne neue Dekaden- oder gar Monatsrekorde reichen.

Während im Süden und in der Mitte aus den genannten Gründen wettertechnisch
ansonsten nichts passiert, gehört der Norden einer gesonderten Betrachtung
unterzogen. Die Kaltfront ist zunehmend höhenströmungsparallel positioniert und
zeigt nur wenig Tendenz, nach Süden voranzukommen. Im Gegenteil, da sich über
Frankreich im Tagesverlauf ein diabatisches Tief ("Hitzetief") ausbildet und
sich nach Westdeutschland ausweitet, wird sie ab den späten Nachmittagsstunden
sogar ein wenig nach Norden zurückgedrängt. Bodennah kommt die etwas kühlere
Luftmasse mit zunächst westlichem bis nordwestlichem, im Nordwesten mit
Annäherung der Tiefdruckrinne auf Nordost drehendem und etwas auffrischendem
Wind (Bft 5 bis 6, ganz vereinzelt vielleicht sogar 7) dagegen etwas weiter nach
Süden, bis in die norddeutsche Tiefebene voran, so dass es nördlich der
genannten Linie nur noch für etwa 25 Grad reicht, an den Küsten gar für kaum 20
Grad. Dazu kann lockere, vorübergehend, am Nachmittag und Abend dann im
Nordwesten zunehmend dichte Bewölkung bis in die Norddeutsche Tiefebene
vordringen. Regen fällt aber bis zum Abend voraussichtlich auch im Nordseeumfeld
(noch) nicht. Allerdings verschärft sich niedertroposphärisch der
Temperaturgradient weiter, in 850 hPa bewegen sich die Werte abends zwischen 8
Grad in Nordfriesland und 14 Grad im mittleren Niedersachsen bzw. in
Nordbrandenburg, wodurch sich in Verbindung mit den zunehmenden Höhenwinden die
Baroklinität zum Abend hin deutlich verstärkt. Dabei kann sich im Bodenfeld im
Zusammenspiel mit der sich ausweitenden Tiefdruckrinne etwa vom nördlichen NRW
bzw. südlichen Niedersachsen bis nach Nordbrandenburg bzw. Ostvorpommern eine
veritable Feuchteflusskonvergenz etablieren, die PPW-Werte steigen dort auf 30
bis 35 mm, nach Westen zu auch darüber. Allerdings passt die Überlappung mit der
vom Boden ausgehenden Labilität nicht gut, die Luftmasse bleibt in diesem
Bereich, auch, wenn zum Abend hin in Teilen von NRW seitens der Konvektion
erlaubenden Modelle bis an die 1000 J/kg MU-Cape simuliert werden, stark
gedeckelt. Entstehenden Zellen stünde aufgrund der günstigen Richtungsscherung
im Bodenfeld und am Abend langsam zunehmender niedertroposphärischen
Geschwindigkeitsscherung (gekurvte, zum Abend hin auch länger werdende
Hodografen in den simulierten Temps) eine enorme sturmrelative Helizität (teils
über 400 m²/s²) zur Verfügung, letztendlich fehlt aber jeglicher Trigger für die
Auslöse und aktuell hat auch kein konvektives Modell derartiges auf der Agenda.

Das sollte sich in der Nacht zum Sonntag ändern. Denn dann könnte und dürfte
auch dynamischer Hebungsinput mit ins Spiel. Das Drehzentrum des
zentralsteuernden Höhentroges kommt noch etwas nach Südosten voran und erreicht
bereits das Seegebiet vor der Südwestküste Norwegens, während der Höhenrücken
kaum nach Südosten vorankommt, wodurch sich die Höhnströmung vor allem über
Norddeutschland weiter verschärft. Gleichzeitig kommt das Hitzetief über
Frankreich als langgestreckte Tiefdruckzone nach Nordosten voran und erstreckt
sich morgens von der Eifel bis zur Uckermark. Der über Norddeutschland
schleifende Frontenzug wird dadurch als Warmfront noch etwas nach Norden
zurückgedrückt, womit sich der Temperaturgradient niedertroposphärisch
vorübergehend noch einmal deutlich verschärft; um 03 UTC simuliert ICON-EU in
850 hPa 20 Grad bei Hannover und gleichzeitig nur noch 5 Grad über Sylt, erst
danach "entspannt" sich die Situation etwas. Die dadurch induzierte extreme
Baroklinität wird frontogenetisch und in erster Linie postfrontal
("Anafrontcharakter") setzen schauerartige Niederschläge ein, wobei angesichts
vorhandener MU-Cape auch eingelagerte Gewitter nicht ausgeschlossen sind. Die
deutsche Modellkette (ICON-EU, I-D2), aber auch der 00 UTC-Lauf des IFS
simulieren vorrangig von Ostfriesland bis nach Schleswig-Holstein im Zeitraum 00
bis 06 UTC Mengen zwischen 20 und 35 l/qm in 6 Stunden (Starkregen), GFS dagegen
deutlich weniger.
Entlang und südlich der Kaltfront herrschen zwar weiterhin - zumindest bis zur
weiter südlich verlaufenden Tiefdruckrinne - nördliche bis nordöstliche
Bodenwinde, die für eine relativ kühle Grundschicht sorgen, darüber (in etwa
oberhalb von 850 bis 800 hPa) befindet sich aber in etwa von Niedersachsen bis
nach Vorpommern nach wie vor eine halbwegs gut durchmischte Labilitätsschicht
("elevated mixed layer") mit mehreren 100 bis über 500 J/kg MU-Cape bei nach wie
vor hohen PPW-Werten (über 35 mm). Aktuell ist noch unklar, ob die nun
vorhandene dynamischer Hebung (sei es durch die Baroklinität induziert, sei es
durch eine flache Kurzwelle) zur Auslöse reicht (von "unten" kann ja aufgrund
des "Deckels" bzw. der Inversion nichts passieren), allerdings haben sowohl I-D2
als auch SuperHD Konvektion auf der Agenda, so dass die Wahrscheinlichkeit dafür
relativ hoch ist. So lange die Gewitter "elevated", also von der Grundschicht
abgekoppelt bleiben, dürften sich die Begleiterscheinungen weitgehend im
markanten Bereich bewegen (Starkregen in erster Linie, vielleicht aber auch
Sturmböen und kleinkörniger Hagel). Die markante Geschwindigkeitsscherung (über
30 m/s 0 bis 6 km; durch einen zunehmenden Low Level Jet werden in 850 hPa
teilweise mehr als 50 kn simuliert) lässt auch langlebigere Systeme zu
(ausgestattet mit durchaus fotogenen Shelf Clouds), die rasch von West nach Ost
ziehen.
Dieses Szenario hat vor allem SuperHD auf der Agenda, etwa von den
Ostfriesischen Inseln über das südliche Schleswig-Holstein bzw. Hamburg bis zur
vorpommerschen Küste. I-D2 setzt dagegen mit den Gewittern etwas weiter südlich,
ein wenig abgesetzt von der Kaltfront an (etwa vom Emsland bis nach
Ostvorpommern), was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass diese Gewitter auch
"geerdet" werden könnten. Entsprechend hat das Modell auch mehrere über einen
längeren Zeitraum hinweg rotierende Aufwindbereiche auf der Agenda. Damit wäre
das Unwetterpotenzial höher anzusetzen als nach SuperHD, nicht nur aufgrund von
Starkregen (die Zellen ziehen etwas langsamer) sondern auch aufgrund von Hagel,
der bei der günstigen Richtungsscherung in den unteren 2 km (lange, gekurvte
Hodografen) schnell mal 2 bis 3 cm Korngröße erreichen könnte, je nach
Überlappung mit der Cape.

Im übrigen Land passiert im Laufe der Nacht wettertechnisch nicht wirklich viel.
Allerdings verschärft sich mit Durchzug der Tiefdruckrinne auch an deren
Südflanke der Druckgradient, wodurch vor allem oberhalb der Grundschicht der
Wind deutlich aus Süd bis Südwest auffrischt. Auf einigen Mittelgebirgsgipfeln
bzw. -kammlagen kann es stürmische Böen, vielleicht sogar Sturmböen geben.
Innerhalb der tropischen Luftmasse sorgen diese Effekte gebietsweise für extrem
warme Nächte. Sowohl in einigen Ballungszentren als auch an windexponierten
Hängen im Westen, in der Mitte und im Südwesten liegen die Minima teilweise
zwischen 25 und 20 Grad. Auch sonst bleibt es in der Mitte und im Süden mit 20
bis 15 Grad sehr mild, lediglich im Südosten, an den Alpen und in
windgeschützten Tälern der süddeutschen Mittelgebirge kühlt es auch unter 15
Grad ab. Ganz im Norden natürlich ebenfalls.

Sonntag ... greift das Höhentief auf die nördliche Nordsee über, wobei es sich
splittet (mit einem Teiltief über dem Oslo-Fjord) und dadurch etwas auffüllt.
Vorderseitig steilt die Höhenströmung über der Nordsee und dem Vorhersagegebiet
noch etwas auf, bleibt aber nach wie vor recht glatt konturiert.
Das Bodentief zieht im Tagesverlauf rasch ostsüdostwärts ab, wobei nach Westen
zu eine Tiefdruckrinne zurückhängt, die allmählich nach Süden vorankommt und
abends in etwa von Nordbaden bis nach Oberfranken verläuft. Somit kann auch die
Kaltfront an Fahrt aufnehmen, hängt aber gegenüber der Tiefdruckrinne weiterhin
etwas nach Norden zurück. Postfrontal weitet sich ein flacher Hochkeil über
Norddeutschland nach Osten aus.
Mit Vordringen der niedertroposphärisch kühleren Luftmasse nach Süden (abends
ca. 3 Grad in Nordfriesland und 23 Grad in Süddeutschland in 850 hPa) fächert
der Temperaturgradient ab dem frühen Vormittag vor allem im unmittelbaren
Frontbereich deutlich auf, wodurch Baroklinität und vor allem der frontale
Hebungsantrieb deutlich nachlassen. Innerhalb der Höhenströmung sind zudem keine
signifikanten Kurzwellentröge auszumachen. Somit klingen die nach wie vor eher
postfrontal auftretenden Regenfälle auf ihrem zögernden Weg nach Süden (etwa bis
nach NRW, Nordhessen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg; wo genau, darüber lassen sich
im Detail noch keine Aussagen treffen) bereits ausgangs der Nacht rasch ab,
tagsüber fallen meist nur noch wenige mm, wenn überhaupt. Aktuell gibt es auch
noch gewisse Modelldifferenzen, was das Vorankommen der Front bzw.
Tiefdruckrinne nach Süden angeht, wobei ICON-EU und vor allem GFS ein wenig
progressiver aufgestellt sind als IFS und vor allem UKMO, das die mittleren
Landesteile und vor allem weite Teile der Osthälfte noch bis zum Abend im
Einflussbereich der "Heißluft" belässt.
Während es nach Abzug des postfrontalen Regens ganz im Nordwesten wieder
auflockert, ist es noch unklar, was genau präfrontal im Bereich der Rinne bzw.
entlang der Front selbst passiert. Die instabilste Luftmasse eilt der günstigen
Scherung mehr und mehr voraus, zudem bleibt die Luftmasse präfrontal zwar
hochreichend labil geschichtet, aber relativ trocken. Bei zunächst noch fast
ungehinderter Sonneneinstrahlung können vor allem im Bereich der Tiefdruckrinne
nach SuperHD gebietsweise 1000 bis nahe 2000 J/kg ML-Cape generiert werden,
zudem bleiben die PPW-Werte mit teils über 30 mm ziemlich hoch. Ob es zur
Auslöse reicht, ist noch unklar, als Trigger könnte die Orographie im
Zusammenspiel mit dem konvergenten Windfeld im Bereich der Rinne herhalten. Dann
dürften sich die einzelnen Gewitter rasch zu Multizellen organisieren, die
Wahrscheinlichkeit für Superzellen erscheint mangels Scherung eher gering.
Begleiterscheinungen sind in erster Linie Starkregen (auch mit
Unwetterpotenzial) und kleinkörniger Hagel, die "inverted V"-Profile der
Prognosetemps lassen aber auch (teils schwere) Sturmböen erwarten.
SuperHD simuliert in der Tat vor allem ausgehend von den zentralen
Mittelgebirgen bis in die Osthälfte ziehend einzelne Gewitter, vereinzelt auch
an den Alpen. Es bleibt abzuwarten, was ab morgen das ICON-D2 diesbezüglich auf
der Agenda hat.
Anzusprechen ist auch noch der Wind. Der Gradient fächert erst am Nachmittag
langsam auf, der Tagesgang tut noch sein Übriges dazu. Vor allem mit Passage der
Tiefdruckrinne frischt der Wind aus Südwest auf und dreht dahinter auf Nordwest
bis Nord, dabei kann es auch in den Niederungen steife, in einigen Höhenlagen
stürmische Böen geben.
Schwierig dürften sich auch die Temperaturprognosen im Detail vor allem in
Frontnähe gestalten. Präfrontal wird es aber noch einmal richtig heiß, in
einigen Regionen (vor allem von der Lausitz bis nach Bayern) sogar heißer als am
Vortag. Erneut werden Höchstwerte zwischen 31 und 38 Grad erreicht, wobei der
Saharastaub allerdings nach wie vor in einigen Regionen auch einen Strich durch
die (Monatsrekord)rechnung machen könnte. Wo genau die 30 Grad-Isotherme der
Maxima verläuft, lässt sich noch nicht vorhersagen; es dürfte grob eine Region
von der Eifel bis nach Brandenburg sein. Nordwestlich davon bleibt es teils
deutlich kühler, vom Emsland bis zur Ostseeküste werden nicht einmal die 20 Grad
erreicht, direkt an der Nordseeküste bei frischem Nordwestwind nur knapp über 15
Grad.

In der Nacht zum Montag erreicht das Höhentief nach Lesart des ICON-EU das
Seegebiet Fischer, während der Trog bis zum Ärmelkanal reicht. Dadurch stellt
sich über dem Vorhersagegebiet eine zyklonale Südwestströmung ein und aufgrund
von PVA kann dynamische Hebung generiert werden, die die Kaltfront aktiviert.
Mit der erneut etwas aufsteilenden Strömung wird sie allerdings vorübergehend
geringfügig nach Norden abgedrängt, ebenso wie die vorgelagerte Tiefdruckrinne,
wobei sich nach Lesart des aktuellen ICON-EU-Laufes ausgangs der Nacht ein
flaches Bodentief in etwa über Unterfranken etablieren kann. Die Kaltfront
selbst verläuft dann ungefähr von der Eifel bis zur Lausitz. Nach wie vor fährt
GFS auch gegenüber dem ICON-EU eine etwas progressivere Variante und hat auch
das kleinräumige Bodentief nicht auf der Agenda, während IFS von 00 UTC eher
Richtung ICON-EU tendiert.
Allen Modellen gemein ist allerdings die Zunahme der schauerartigen
Niederschläge im Frontbereich im Laufe der Nacht vor allem im Westteil der
Front, wobei dann auch Gewitter auftreten können. Mit Annäherung des Troges
nimmt dort auch wieder die Scherung zu, zudem ist die Luftmasse oberhalb der
Grundschicht unmittelbar präfrontal weiterhin labil geschichtet und es kann auch
MU-Cape generiert werden, was kräftigere Entwicklungen zulässt, die SuperHD vor
allem für die zweite Nachthälfte und den Westen sowie die Mitte des Landes auch
durchaus auf der Agenda hat. Ob es tatsächlich häufiger auch für unwetterartige
Entwicklungen reicht, darüber lässt sich aktuell aber nur spekulieren.
Im äußersten Süden und Südosten, aber auch postfrontal in der Nordwesthälfte
passiert dagegen nicht viel. In die Nordhälfte gelangt ein Schwall maritimer
Polarluft und die Temperatur in 850 hPa sinkt auf 3 bis 5 Grad. Dort fällt die
Nacht mit teils einstelligen Minima recht frisch aus. Präfrontal verläuft die
Nacht im Süden und Südosten dagegen mit 22 bis 15 Grad nochmals sehr mild bis
warm.

Montag ... greift der Höhentrog auf das Vorhersagegebiet über, dessen
Drehzentrum befindet sich abends in etwa über Schleswig-Holstein, nach GFS
dagegen schon über der südlichen Ostsee.
Das kleinräumige Bodentief zieht rasch ab nach Polen, an dessen Nordwestflanke
treten nach Lesart des ICON-EU vor allem vormittags noch kräftige schauerartige,
teils gewittrige Regenfälle (inklusive mehrstündigem Starkregen) auf, die sich
bis zum frühen Nachmittag über die Mitte und die Osthälfte des Landes nach Polen
verlagert haben. Während UKMO ein ähnliches Szenario auf der Agenda hat, fehlen
in der aktuellen Simulation des GFS, aber auch im IFS von 00 UTC sowohl das
Bodentief als auch die kräftigen Regenfälle an deren Nordwestflanke.
Nach Abzug des Tiefs kommt die Kaltfront über der Mitte des Landes nach Süden
voran und erreicht abends in etwa Nordbaden bzw. Oberfranken. Präfrontal
verbleibt der Süden und Südosten des Landes noch im Einflussbereich potenziell
instabiler Luftmassen, wobei seitens ICON-EU 500 bis 1000 J/kg ML-Cape (GFS bei
ähnlicher räumlicher Verteilung naturgemäß aufgrund höher simulierter Taupunkte
etwas mehr) und PPW-Werte von über 30 mm bei mäßiger hochreichender Scherung
simuliert werden. Mit Unterstützung durch die Orographie dürfte das bei nur
schwachem Deckel vor allem vom Schwarzwald bis zum ostbayerischen
Mittelgebirgsraum sowie an den Alpen zur Auslöse reichen, auch wenn bereits weit
präfrontal bodennah schwache Kaltluftadvektion aktiv ist. Zwar fällt die
bodennahe Richtungsscherung aufgrund des vorherrschenden westlichen Windes
ungünstig aus, trotzdem sind auftretende Gewitter zumindest mit markanten
Begleiterscheinungen ausgestattet, aufgrund von Hagel und Starkregen kann auch
Unwetter nicht ausgeschlossen werden. Eine großräumige Unwetterlage steht aber
aus aktueller Sicht definitiv nicht ins Haus.
Einzelne gewittrige Schauer, die dann organisierter auftreten dürften, sind auch
mit Frontpassage möglich.
Postfrontal lockern die Wolken (nach Abzug des schauerartigen Regens) vor allem
im Westen, später auch in der Mitte wieder auf. Mit Übergreifen des Höhentroges
bzw. der Höhenkaltluft (-22 bis -27 Grad in 500 hPa bei +3 bis +4 Grad in 850
hPa) gibt es im Tagesverlauf aber vor allem im Norden und Nordosten erneut
Schauer und auch kurze Gewitter (mit Graupel und Böen Bft 7 bis 8).
Anzusprechen ist ansonsten noch der Wind: Mit Abzug des Bodentiefs verschärft
sich vor allem in der Südosthälfte des Landes erneut der Gradient. Bereits
präfrontal, in erster Linie aber mit Frontpassage kann es dann nach Lesart des
ICON-EU steife, teilweise auch stürmische Böen (Bft 7 bis 8) aus Südwest, später
Nordwest geben, bei Gewittern natürlich auch Sturmböen (Bft 9). GFS und IFS
tragen diese Windentwicklung mangels Bodentief aber nicht mit.
Die größte Hitze ist nun, auch, wenn noch präfrontal gelegen, aus Süddeutschland
raus, mittags werden in 850 hPa Temperaturen zwischen 3 Grad im Nordseeumfeld
und etwa 18 Grad an den Alpen simuliert. Dennoch wird es bei noch recht viel
Sonnenschein im Süden mit 26 bis 32 Grad erneut sommerlich warm, in der Mitte
werden angenehme 20 bis 25 Grad erreicht, im Norden dagegen nur 16 bis 20 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Nach wie vor gibt es vor allem ab der Nacht zum Sonntag Modelldifferenzen;
einerseits, was die Konvektion im präfrontalen Bereich bzw. entlang der
Kaltfront betrifft, andererseits wird die Verlagerung der Kaltfront selbst noch
leicht unterschiedlich simuliert, vor allem am Sonntag und in der Nacht zum
Montag.
Im Text wurden diese Unterschiede bereits etwas detaillierter angesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff