DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-06-2022 07:30
SXEU31 DWAV 160800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 16.06.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Zunächst noch HM
Außer im Norden vor allem am Samstag verbreitet heiß. Heute im Südosten einzelne
kräftige Gewitter (Unwetter nicht ausgeschlossen), ab Samstagabend dann im
Westen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland an der Südwestflanke eines
umfangreichen, aber relativ flachen Langwellentroges über Nordost- und Osteuropa
unterhalb einer flauen, westnordwestlichen Höhenströmung. Darin eingebettet,
überquert ein kurzwelliger Troganteil bis zum Mittag bzw. zum frühen Nachmittag
den Süden und Osten des Landes.
Der auf dessen Vorderseite induzierte, aus DPVA resultierende dynamische
Hebungsantrieb bleibt zwar eher schwach, allerdings befindet sich in erster
Linie der Süden und Osten Bayerns noch im Einflussbereich einer sehr warmen und
potenziell instabilen Luftmasse. Die Prognosetemps zeigen dort eine abgehobene
Mischungsschicht (EML) oberhalb von etwa 800 hPa, die im Laufe des
Vormittags/Mittags Verbindung mit der dann zunächst vor allem im Alpenvorland
gut durchmischten Grenzschicht aufnehmen kann. Bereits in der vergangenen Nacht
bzw. in den Frühstunden gab es von Südbaden bis in den Bodenseeraum erste
Gewitter, die zunächst ins "frühvormittägliche Minimum" gelaufen sind und sich
aufgelöst haben. Ab dem späten Vormittag simulieren dann ICON-D2 und SuperHD
Auslöse an einer schwachen Konvergenz (von Südwest auf Nordwest drehender Wind)
in Oberschwaben bzw. im Unterallgäu; die daraus resultierenden Gewitter
verlagern sich über das südliche Alpenvorland rasch ostsüdostwärts. Diese finden
allerdings bereits aktuell statt. Im Vorfeld werden teilweise mehr als 1000
J/kg, gebietsweise um 1500 J/kg ML-Cape simuliert, zudem zeichnet sich die
Umgebung durch eine hochreichende Scherung von 15 bis 20 m/s (0 bis 6 km) und
auch eine nicht zu vernachlässigende bodennahe Richtungsscherung aus. Etwas
hinderlich für kräftigere Entwicklungen sind dagegen einerseits die bodennahe
Advektion deutlich trockenerer Luftmassen rückseitig der Gewitter von Nordwesten
her (Rückgang der PPW-Werte von über 25 mm auf nahe 20 mm) und auch
mitteltroposphärisch das Entrainment recht trockener Luft auf der Rückseite des
abziehenden Kurzwellentroges. Zwar lässt die (hochreichende) Scherung durchaus
auch einzelne Superzellen zu, der überwiegende Zellmodus dürfte sich aber auf
Einzel- und Multizellen beschränken. Begleiterscheinungen sind neben markantem
Starkregen in erster Linie kleinkörniger Hagel und (siehe inverse V-Struktur der
Temps) (schwere) Sturmböen. Unwetterartige Entwicklungen sind bei vereinzelten
Superzellen aufgrund von Hagel nicht komplett ausgeschlossen. Im Laufe des
späteren Nachmittags klingen diese Gewitter mit dem Einmischen der trockeneren
Luftmasse aber rasch ab bzw. ziehen ostwärts ab.
Ein zweiter Gewitterschwerpunkt zeichnet sich in Teilen Ostbayerns (vor allem
Oberpfalz und Niederbayern, vielleicht noch nördliches bzw. östliches
Oberbayern) ab. Dort kann sich eine schwache Tiefdruckrinne etablieren,
innerhalb derer im Bereich einer Feuchteflusskonvergenz ICON-D2 unterhalb des
dort vorhandenen, im Vergleich zum Alpenvorland etwas kräftigeren Deckels
ICON-D2 aufgrund der höheren Taupunkte gebietsweise mehr als 2000 J/kg ML-Cape
simuliert (untere Donau, Bayerwald). Bei ähnlichen PPW-Werten dürfte dort
aufgrund der günstigeren bodennahen Winddrehung (leicht gekurvte, aber relativ
kurze Hodografen in 0 bis 2 km) und der höheren Cape das Potenzial für einzelne
Superzellen etwas höher sein als im Alpenvorland. Neben größerem Hagel kann dann
bei etwas geringerer Zuggeschwindigkeit auch unwetterartiger Starkregen
auftreten. Allerdings zeichnet sich auch dort am Nachmittag ein Einmischen
trockenerer Luftmassen von Nordwesten her ab, so dass die
Unwetterwahrscheinlichkeit nicht allzu hoch anzusetzen ist und eine
Vorabinformation nicht angebracht erscheint.
Ansonsten macht sich der Kurzwellentrog wettertechnisch lediglich in Form
dichterer Wolkenfelder und höchstens einzelne kurzer Schauer (neben Oberfranken
am ehesten östliche Mittelgebirge und Lausitz, ganz vereinzelte Gewitter nicht
ausgeschlossen) am Vormittag bzw. um die Mittagszeit bemerkbar. Nachmittags
bleibt es dort dann meist trocken und die Wolken lockern auf.
Im Rest des Landes machen sich dagegen vorderseitig eines sich über dem
westlichen Mittelmeerraum bzw. Ostspanien nordwärts bis nach Frankreich und
Südengland aufwölbenden Höhenrückens schwache mitteltroposphärische KLA und
Absinken bemerkbar. Im Bodenfeld kann sich ein Hochdruckgebiet über England und
der Nordsee verstärken und verlagert seinen Schwerpunkt bis zum Abend allmählich
zur Deutschen Bucht. An dessen Ostflanke wurde die sehr warme bis heiße
Luftmasse, die gestern weite Teile des Landes (außer die Nordhälfte) beeinflusst
hat, etwas nach Süden abgedrängt. Die Temperatur in 850 hPa sinkt sogar noch
etwas, bis zur Mittagszeit auf Werte zwischen 5 Grad im Norden und 16 Grad im
Südwesten. Entsprechend werden die 30 Grad heute wohl lediglich entlang von
Oberrhein und Neckar sowie in Südbaden erreicht bzw. knapp überschritten.
Ansonsten werden etwa 24 bis 29 Grad erreicht, in der Nordhälfte lediglich 19
bis 23 Grad, an den Küsten bleibt es bei auflandigem Wind teilweise noch etwas
kühler. Dabei scheint vor allem im Westen und Südwesten im Tagesverlauf fast
durchgehend die Sonne, während es im Nordosten noch bis in den Nachmittag hinein
teils stärker bewölkt bleibt.

In der Nacht zum Freitag verstärkt sich der Höhenrücken über Südwesteuropa
einerseits durch kräftige WLA vorderseitig eines quasistationären Höhentiefs
westlich der Iberischen Halbinsel und wölbt sich andererseits durch WLA an der
Ostflanke eines umfangreichen und zunehmend zentralsteuernde Position
einnehmenden hochreichenden Tiefs bei Island über die Nordsee nordwärts bis zur
Norwegischen See auf. Die nordwestliche Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet
steilt dadurch noch etwas auf, bleibt aber glatt bzw. leicht antizyklonal
konturiert, so dass trotz über dem Nordwesten des Landes beginnender
mitteltroposphärischer WLA weiterhin schwaches Absinken dominiert. Das Bodenhoch
verlagert seinen Schwerpunkt bis Freitagfrüh allmählich in die Mitte des
Vorhersagegebietes. Somit lösen sich die Wolkenfelder auch in der Osthälfte mehr
und mehr auf. Zwar machen sich von Westen her zeitweise dünne hohe Wolkenfelder
bemerkbar, in vielen Regionen bleibt es aber gering bewölkt, teilweise auch
wolkenlos. Da die sehr warme Luftmasse vorübergehend auch aus Süddeutschland
verdrängt wird, steht allgemein eine recht frische Nacht ins Haus. Die Minima
liegen vielerorts zwischen 14 und 9 Grad, in einigen Mulden- und Senken kann es
auch auf nahe 5 Grad zurückgehen, während es an Ober- und Hochrhein, aber auch
in einigen mittleren Höhenlagen etwas milder bleibt.

Freitag... verlagert sich das hochreichende Zentraltief in 500 hPa über das
Seegebiet knapp südlich von Island allmählich ostwärts, das korrespondierende
Bodentief erreicht abends einen Kerndruck von nahe 985 hPa. Der vorgelagerte
Höhenkeil über der Nordsee und der Norwegischen See wird bis zum Abend nach
Norddeutschland und Schweden abgedrängt, während der Höhenrücken über dem Westen
der Iberischen Halbinsel und Frankreich nahezu quasistationär bleibt.
Das Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt bis zum Abend in den Ostalpenraum,
die Warmfront des Tiefs bei Island überquert im Tagesverlauf die Nordsee und
streift am Abend auch Norddeutschland. Im Vorfeld ziehen dort dichtere,
mehrschichtige Wolkenfelder auf, die sich bis in die mittleren Landesteile
ausweiten können. Nachmittags und abends kann es im Nordseeumfeld sowie in
Schleswig-Holstein gebietsweise auch etwas regnen, meist bleibt es aber auch
dort trocken.
Weiter nach Süden und Südwesten scheint dagegen meist die Sonne, wobei sich
innerhalb der noch recht feuchten Grundschicht vor allem nach Osten zu flache
Quellwolken ausbilden, die aber keine Schauer bringen dürften.
Niedertroposphärisch bleibt es bei einer eher westlichen Strömungsrichtung, so
dass sich die über Südwesteuropa lagernde heiße Luftmasse nur zögernd
nordostwärts in Bewegung setzen kann. Immerhin steigt die Temperatur in 850 hPa
bis zum Abend über dem Vorhersagegebiet auf Werte zwischen 18 Grad im äußersten
Westen und 9 Grad in Ostvorpommern. Entlang und westlich des Rheins, in Südbaden
sowie am Untermain und am Neckar werden die 30 Grad überschritten, sonst liegen
die Höchstwerte zwischen 24 und 29 Grad, im äußersten Norden und im Nordosten
zwischen 19 und 24 Grad.

In der Nacht zum Samstag verlagert sich das Zentraltief allmählich Richtung
Nordmeer, der Höhenkeil wird nach Osteuropa abgedrängt und an der Nordflanke des
Höhenrückens über Südwesteuropa dreht die Höhenströmung über dem Norden und der
Mitte des Vorhersagegebietes auf West. Die Warmfront des Tiefs überquert
Norddeutschland mit kaum nennenswerten Niederschlägen ostwärts, die Kaltfront
erreicht morgens die Deutsche Bucht bzw. Schleswig-Holstein. Sie wird bereits
von einem Bodentrog überlaufen, so dass die bodennahe Strömung schon weit im
Vorfeld über Norddeutschland auf Südwest bis Nordwest dreht (Brocken eventuell
mit Böen Bft 8) und erweist sich somit als wenig wetterwirksam.
Das Bodenhoch wird allmählich nach Südosten abgedrängt, bleibt aber noch für
weite Teile des Landes wetterbestimmend, wobei sich an dessen Nordflanke die
Advektion sehr warmer Luftmassen verstärkt. Zudem verläuft die Nacht auch nicht
mehr so gering bewölkt wie die Vornacht, da sich die WLA vielerorts mit dem
Durchzug hoher, teilweise mittelhoher Wolkenfelder bemerkbar macht, die
allerdings von Westen bzw. Südwesten her wieder auflockern. Somit fällt die
Nacht deutlich milder als die Vornacht aus, am Rhein werden die 20 Grad
gebietsweise nicht mehr unterschritten.

Samstag... verlagert der zentralsteuernde Höhentrog sein Drehzentrum ins
Seegebiet westlich der Haltenbank, ein Randtrog an dessen Westflanke überquert
Irland und Schottland und nimmt Kontakt zum nach wie vor quasistationären
Höhentief bzw. Kaltlufttropfen westlich der Iberischen Halbinsel auf. Somit
kippt die Achse des Höhenrückens allmählich Richtung Schweiz und Süddeutschland
und die Höhenströmung überweiten Teilen des Landes dreht auf Westsüdwest.
Dadurch kann die heiße Luft über Südwesteuropa nun doch zumindest in den Süden
und in die Mitte des Vorhersagegebietes vordrängen, während die Kaltfront über
der Deutschen Bucht und Schleswig-Holstein aufgrund zunehmend
höhenströmungsparalleler Exposition nur zögernd auf Norddeutschland übergreift.
Sie wird allerdings mit Annäherung des oben angesprochenen Randtroges von Westen
her aktiviert, so dass es zumindest nach Lesart des ICON-EU im Laufe des
Nachmittags vom nördlichen Emsland bis nach Ostholstein zu leichten
Niederschlägen kommt, die aufgrund des bereits stattfindenden Unterlaufen der
Front von kühleren Luftmassen hauptsächlich rückseitig der Front auftreten
("Anafrontcharakter"). GFS und vor allem IFS, das die Front noch weiter im
Norden zurückhängen lässt, simulieren dagegen keine nennenswerten Niederschläge.

Mit der Front dringen die dichteren Wolkenfelder noch etwas weiter nach Süden,
in die Norddeutsche Tiefebene vor. Ansonsten dominiert aber nach wie vor der
Einfluss des nur zögernd nach Südosteuropa abgedrängten Hochs und es steht in
weiten Teilen des Landes ein sonniger Tag ins Haus, wobei der WLA geschuldete
durchziehende hohe Wolkenfelder nur wenig stören. Über Frankreich entwickelt
sich ein Hitzetief, so dass weit im Vorfeld der Kaltfront auch im Westen bzw.
Südwesten und in der Mitte des Landes etwas kräftigerer Druckfall einsetzt.
Dabei macht sich eine zunehmend potenziell instabile Luftmasse auf den Weg
dorthin, die sich vor allem direkt im Vorfeld zur Kaltfront über dem Westen und
der nördlichen Mitte des Landes durch sehr hohe PPW-Werte von über 35 mm
auszeichnet. Zudem können mit Einstrahlung nach Lesart des SuperHD dort auch
mehr als 1500 J/kg ML-Cape generiert werden. Allerdings verhindert ein durch die
kräftige niedertroposphärische WLA generierter starker Deckel lange Zeit
Auslöse. Dennoch hat SuperHD im Laufe des späten Nachmittags und Abends über NRW
und dem südlichen Weser-Ems-Gebiet einzelne Gewitter auf der Agenda, die zudem
noch in ein Gebiet mit hochreichend markanter Scherung (über 20 m/s) laufen.
Sollte es dafür reichen, besteht jedenfalls Unwetterpotenzial vor allem aufgrund
von Hagel und Starkregen, einzelne Superzellen sind nicht ausgeschlossen. Noch
ist aber sehr fraglich, ob es überhaupt zur Auslöse reicht.
Ansonsten steht vor allem der Höhepunkt der kurzen Hitzewelle ins Haus. Während
die 850 hPa-Temperatur über Norddeutschland im Bereich der Kaltfront zwischen 7
und 10 Grad verharrt und sich dort die Höchstwerte meist zwischen 18 und 23 Grad
bewegen, baut sich knapp weiter südlich ein enormer Gradient auf mit Werten
zwischen 14 Grad in der Norddeutschen Tiefebene und 24 Grad im Südwesten. Etwa
ab dem südlichen Emsland und Nordbrandenburg südwärts werden die 30 Grad
überschritten mit Werten bis 38, vielleicht sogar knapp 39 Grad gebietsweise im
Südwesten.

Bereits ab den Nachmittagsstunden des Samstags, vor allem aber in der Nacht zum
Sonntag beginnen dann die Modellsimulationen deutlicher auseinanderzulaufen,
insbesondere, was die Südverlagerung der Kaltfront angeht. Diese wird (und das
nach Lesart aller vorliegenden Modelle) aufgrund dynamischer Hebung vorderseitig
des auf die südliche und mittlere Nordsee übergreifenden Randtroges vor allem im
Laufe der zweiten Nachthälfte weiter aktiviert, so dass in erster Linie
postfrontal schauerartig verstärkte, eventuell mit Gewittern durchsetzte
Regenfälle auftreten, wobei gebietsweise die Kriterien für Starkregen erreicht
werden (nach ICON-EU sogar unwetterartig). Die progressivste Variante hat dabei
das GFS auf der Agenda, das die Kaltfront bis etwa zum Niederrhein bzw. bis zum
Oderbruch vorankommen lässt und in einem Streifen vom Emsland bis zur Lüneburger
Heide verbreitet mehr als 20 l/qm zwischen 00 und 06 UTC simuliert, gebietsweise
auch nahe 35 l/qm. ICON lässt die Front aber nur wenig zurückhängen (etwa
Niederrhein-Uckermark), simuliert die höchsten Mengen mit 25 bis 55 l/qm vom
nördlichen Niedersachsen bis nach Ostvorpommern, nach Lesart des IFS schleift
dagegen die Front knapp nördlich des Vorhersagegebietes und es bleibt weitgehend
trocken.
Im Rest des Landes verläuft die Nacht dagegen recht ruhig, wobei sich eventuelle
Gewitter im Vorfeld der Front im Laufe der ersten Nachthälfte abschwächen bzw.
auflösen dürften. Während es im Norden schon auf unter 15 Grad abkühlt, verläuft
die Nacht im Rest des Landes sehr mild, teilweise auch ungewöhnlich warm mit
Tiefstwerte zwischen 20 und 15 Grad, in einigen Ballungszentren sowie in
mittleren Höhenlagen bleibt es mit 23 bis 20 Grad noch etwas wärmer.


Modellvergleich und -einschätzung
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Bis in den Samstag hinein lassen sich keine relevanten Modellunterschiede
ausmachen. Dann aber beginnen die Modelle doch mehr oder weniger
auseinanderzulaufen. Einerseits, was die Konvektion ab dem späten
Samstagnachmittag betrifft, andererseits die Südverlagerung der Kaltfront
betreffend. Die Unterschiede wurden im Text aber bereits grob angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff