DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-06-2022 08:01
SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 12.06.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: BM (Brücke Mitteleuropa), ab Dienstag eher HM (Hoch Mitteleuropa)

Heute tagsüber noch relativ ruhige Schiene. Ab dem Abend im Süden schauerartiger
Regen und Gewitter mit Starkregengefahr (WU nicht ausgeschlossen), später auch
im Nordwesten einzelne Gewitter. Morgen Trogpassage mit Schauern und kurzen
Gewittern vornehmlich im Norden und Osten, dazu böiger W-NW-Wind. Dahinter
Druck- und Potenzialanstieg => Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... verbringt Deutschland inmitten einer schier endlosen, brückenartig
angelegten Hochdruckzone. Ausgangspunkt ist ein mit seinem Schwerpunkt nördlich
der Azoren liegendes Hoch - man nennt es DAVID -, von dem aus sich keilförmig
der gute CENK bis zum östlichen Mitteleuropa erstreckt, um von dort leicht
schlauchartig nach Nordosten abzubiegen und schlussendlich über Nordwestrussland
und Nowaja Semlja in das Hoch BURKHART zu münden. Nicht schlecht Herr Specht,
eine dreinamige Hochdruckzone, wie sie nicht alle Tage zu sehen ist. Da wirkt
die Kaltfront, die sich ausgehend vom Tief NANA unweit des Nordkaps via Baltikum
bis fast in den Westen unseres Landes erstreckt, fast ein wenig deplatziert, als
hätte sie sich in die Keilachse "reingefresen". Trotzdem, ganz unberechtigt ist
ihr Dasein nicht, auch wenn sie sicherlich nicht zu den klassischen Vertretern
ihrer Zunft gehört. So lässt sich z.B. ein leidlicher Gradient der
pseudopotenziellen Temperatur zwischen dem Nordwesten und dem Rest des Landes
ausmachen. Außerdem kam es in den Frühstunden im Osten zu einigen Schauern, die
zumindest partiell auf das Konto der Front gingen. Man kann den Eindruck
gewinnen, dass die Front ein bisschen unter dem Radar verläuft (auch wenn das
Regenradar heute Morgen was angezeigt hat) und phasenweise mehr oder weniger
inaktiv vor sich hinschlummert.

Wie auch immer, überlagert werden Front und Hochdruckzone von einer mäßigen,
nach Süden eher schwachen west-südwestlichen Höhenströmung. Sie generiert sich
aus einem recht breit angelegten Trog über dem nahen Atlantik respektive des
Europäischen Nordmeer auf der einen und einem sich von Nordwestafrika bis
hinüber zum nahen Osteuropa erstreckenden Rücken. Klingt zunächst mal
unspektakulär und auch wenig dynamisch, wird sich in den nächsten Stunden
langsam aber kontinuierlich ändern. So wird ein aus dem Raum Island südostwärts
vorstoßender kurzwelliger Troganteil dem bis dato eher bräsigen Habitus des
Haupttroges den Garaus machen und etwas Würze oder besser Schärfe in Form
stärkerer Krümmung ins Spiel bringen. Der Trog wird also nicht nur schärfer, er
verkürzt dadurch auch seine Wellenlänge respektive erhöht die
Wellengeschwindigkeit, was ihn allmählich in Richtung Nordsee vorankommen lässt.
Um 18 UTC soll seine Achse (300 hPa) über dem Westteil des atlantischen
Randmeeres aufschlagen. Vorderseitig fangen die Höhenwinde bei uns an, leicht
rückzudrehen, was zunächst noch keine große Wirkung induziert. Allerdings kommt
es im Südwesten und Süden von Frankreich her zu einer permanenten Anfeuchtung
und Labilisierung (niedertroposphärische WLA mit bis zu 16/17°C auf 850 hPa +
Diabasie durch Dauereinstrahlung) der gealterten, ursprünglich mal aus
subpolaren Breiten eingeflossenen Meeresluft. Von daher verwundert es nicht,
dass mit zunehmender Tageslänge und dem entsprechenden Energieinput ein gewisses
Quantum ML-CAPE erzeugt wird, das über dem Schwarzwald und der Schwäbischen Alb
immerhin Werte von 500 bis 750 J/kg erreicht. Damit wäre ein Teil zwingend
notwendiger Voraussetzungen für konvektive Umlagerungen gegeben, was fehlt sind
die Antriebe. Schaut man sich beispielsweise die Prognosesoundings von 15 UTC
an, fällt einem ein Deckel bei 650 bis 600 hPa ins Auge, über dem sich zudem
eine relativ trockene Mitteltroposphäre befindet. Diesen Deckel zu durchrechen
wird ohne Dynamik respektive synoptisch-skaliges Forcing (der Trog ist noch zu
weit entfernt) extrem schwierig und auch die ansonsten keine Gelegenheit zum
Zündeln auslassende Orografie dürfte mit solchen Vertikalprofilen überfordert
sein. Gleichwohl heißt es im Südwesten ab den Abendstunden "Spitz pass auf", um
im Fall der Fälle gewappnet zu sein.

Zuvor gilt es im Süden und in der Mitte zunächst aber mal einen
sonnenscheinreichen, mit nur wenigen Wolken versehenen Sonntag zu verwalten, an
dem die Temperatur auf sommerliche 25 bis 31°C steigt. Je weiter man dem
nördlichen Drittel unseres Landes kommt, desto eher trifft man auch mal etwas
kräftigere Kumulusbewölkung, wobei sich aber auch dort die Sonne nicht lumpen
lässt. Bis in den Vormittag hinein treten im Osten noch einige Schauer auf,
später ist vor allem der Nordwesten dafür prädestiniert. SuperHD bietet sogar
vereinzelte kurze Gewitter an, was wohl aber alles andere als wahrscheinlich
ist. Zwar wird die bei 750 bis 700 hPa recht niedrig liegende Inversion mit
Annäherung des Troges etwas "angeknabbert", für einen Durchbruch dürfte es aber
(noch) nicht reichen, so dass nur von einzelnen Schauern auszugehen ist. Diese
können in Einzelfällen von steifen Böen 7 Bft begleitet sein, für die Ausgabe
einer Windwarnung ist das aber zu wenig. Tatsache ist, dass etwa nordwestlich
einer Linie Ruhrpott-Hannover-Oderhaff die Wahrscheinlichkeit, einen Sommertag
zu erreichen, deutlich sinkt, die avisierte Spanne der Höchsttemperatur liegt
zwischen rund 19°C auf den Nordseeinseln und bis zu 25°C weiter landeinwärts.

In der Nacht zum Montag passiert dann doch was, auch wenn die Tageszeit zunächst
mal dagegenspricht. Entscheidend ist die weitere Annäherung des noch weiter an
Kontur gewinnenden Troges, dem zwar KLA vorausläuft, der auf seiner diffluenten
Vorderseite aber auch ein ordentliches PVA-Maximum aufweist. Trotz
Teilkompensierung bleiben unter dem Strich noch genügend Hebungsimpulse übrig,
die sich vor allem im Süden sowie im Nordwesten bemerkbar machen. Die größte
bzw. intensivste Wetteraktivität ist eindeutig im Süden, vor allem südlich der
Donau zu verzeichnen, etwas abgeschwächt vielleicht auch noch bis zur Hohenloher
Ebene bzw. bis nach Mittelfranken und zur Oberpfalz. Teilweise ausgelöst bei
uns, teils aus Frankreich oder der Schweiz importiert, kommt es zu Schauern und
Gewittern, die auf ihrem Weg nach Osten verclustern können. Dabei steht
Starkregen ganz oben auf der Agenda (PPWs um oder etwas über 30 mm), sei es
einstündig oder in noch kürzerer Zeit, aber auch mehrstündig. In der Basis
dürften die Nachtdienste mit markanten Warnungen auskommen, z.T. könnte aber
auch die rote Karte zum Einsatz kommen mit etwas über 25 l/m² innert kurzer Zeit
bzw. über 35 l/m² innert weniger Stunden. Nimmt man z.B. ICON-D2-EPS als
Referenz, wäre vornehmlich das Allgäu der Favorit für unwetterartigen
Starkregen, aber auch sonst gilt es die Augen offenzuhalten und die
Radarsignaturen genaustens zum monitoren. Nicht ganz unterschätzt werden sollte
auch der Wind. Zwar ist die Labilität etwas abgehoben, auf der anderen Seite ist
aber etwas Scherung und anfangs auch noch eine inverse V-Struktur in der
Grundschicht vorhanden, so dass eine gewisse Organisation der Gewitter sowie die
Bereitschaft zum Runtermischen angenommen werden kann. Böen 8 Bft, im worst case
9 Bft sollten von daher ebenso wie kleinerer Hagel keine Überraschung sein.

Während in weiten Teilen der Mitte und des Ostens wenig bis nichts passiert,
gilt es noch ein, zwei Sätzchen zum Nordwesten zu verlieren. Dort fördert die
Annäherung des Troges nebst des korrespondierenden thermischen Troges (Rückgang
T500 auf bis zu -25°C, T850 bei rund 3°C) die Labilität, was sich insbesondere
in der zweiten Nachthälfte in Form von Schauern und einzelnen Gewittern der
Marke Kaltluft widerspiegelt. Für Starkregen und auch stürmische Böen spricht
eher wenig, weshalb grundsätzlich von gelben Warnungen ausgegangen werden kann.
Allerdings gibt es zumindest an der Nordsee zaghafte Hinweise seitens ID2-EPS,
dass die 15 l/m² binnen kurzer Zeit bzw. Böen 8 Bft mal angekratzt werden können
- klassischer Fall von Nowcast.

Montag... steht zunächst im Zeichen der Trogpassage von West nach Ost, die
ziemlich zügig vonstattengeht. Bereits zur Mittagszeit erreicht die Achse die
deutsch-polnische Grenze und das Potenzial beginnt wieder zu steigen. Zunächst
mal fällt der Süden rasch aus der hebungsaffinen Trogvorderseite heraus, so dass
sich die anfangs teils gewittrigen Regenfälle noch im Laufe des Vormittags mehr
und mehr an und später dann in die Alpen zurückziehen. Dahinter reißt die
Wolkendecke absinkbedingt von Südwesten her auf und die Sonne gibt sich wie
zuvor schon in weiten Teilen BaWüs die Ehre. Zwischen Alpenrand und
Bajuwarischem Wald dürfte sich stärkere Bewölkung allerdings noch bis in den
Nachmittag halten.

Vom Süden in die Mitte und in den Norden, wo sich der Trogdurchgang vielerorts
durch wechselnde Bewölkung und Schauer bzw. kurze Gewitter bemerkbar macht. In
der südlichen Mitte sowie in großen Teilen Westdeutschlands kommt wahrscheinlich
kein oder nur marginaler Niederschlag an, weil dort schon die Stabilisierung
respektive der sich nähernde Höhenrücken greifen. Ansonsten gilt es bei den
Schauern und Gewittern seine Aufmerksamkeit vor allem auf den Wind zu richten.
Zwar sind die Oberwinde und auch der Gradient nicht überbordend ausgeprägt,
trotzdem fallen nicht wenige numerische Produkte (ganz vorn ID2-EPS) durch eine
hohe Signaldichte für Böen 7-8 Bft, im Osten und der östlichen Mitte gar bis 9
Bft auf. Offensichtlich gehen Eigendynamik durch gewisse Organisation (etwas
Scherung vorhanden), eine sehr labile und recht trockene Grundschicht sowie die
Passage eines trogrückseitigen Jetstreaks eine windfördernde Symbiose ein, dass
am Ende neben den In-situ-Gewitterwarnungen sogar eine großflächige gelbe
Windwarnung nach dem Motto "vor allem in Schauernähe Böen 7 Bft aus
West-Nordwest" stehen könnte. Aufgrund der Mobilität der Zellen ist Starkregen
eher nicht zu erwarten, Graupel bzw. kleiner Hagel sind als kostenlose Beilage
selbstverständlich möglich.

Thermisch geht´s gegenüber heute ein bis zwei Stufen nach unten, wird doch mit
dem auf West bis Nordwest drehenden Wind ein neuer Schwall subpolarer Meeresluft
advehiert, in der T850 bis zum Abend auf rund 2°C an der Nordsee und rund 10°C
an den Grenzen zu A und CH zurückgeht. In 2 Meter Höhe bedeutet das Maxima von
z.T. nur 15 oder 16°C auf den Inseln bzw. direkt an der Küste bis zu 25 oder
26°C am Hochrhein sowie im Breisgau.

In der Nacht zum Dienstag nähert sich ein flacher Rücken, der die vorübergehend
etwas in den Hintergrund getretene Hochdruckzone regeneriert und mit
Unterstützung des Tagesgangs für eine rasche Wetterberuhigung sorgt. Die
Konvektion fällt zügig zusammen, allenfalls an der Ostsee reicht es bis zum
Morgen noch für den einen oder anderen Schauer sowie einen mäßigen bis frischen
West-Nordwestwind (einzelne Böen 7 Bft). In der Südwesthälfte verschwindet die
Bewölkung fast gänzlich, hier und bilden sich ein paar flache Nebelfelder. Mit
Tiefstwerten von 12 bis 5°C, in einigen Mittelgebirgssenken sogar noch etwas
darunter, wird die Nacht äußerst lüftungsfreundlich.

Dienstag... kommt der Rücken noch etwas dichter an den Vorhersageraum heran, die
Achse verbleibt aber noch knapp westlich. Vorderseitiges Absinken sowie der nun
wieder stabiler auf dem Sockel stehende Hochkeil (der Brückencharakter bzw. die
Verbindung nach Nordwestrussland wurde inzwischen gekappt) bescheren weiten
Teilen Deutschlands einen sonnigen oder nur locker bewölkten Tag. Dabei kann
sich die Temperatur nicht nur niedertroposphärisch erholen (5°C im Norden und
Nordosten, 10 bis 14°C im Süden und Südwesten), auch im 2m-Niveau geht es wieder
um 2-3 Grad nach oben. Lediglich im Norden und Nordosten, quasi am Rande des
Keils, bleibt es mit 17 bis 21°c nicht nur frischer, sondern auch wolkiger und
vor allem an der Ostsee windiger. Sogar einzelne kurze Schauer sollten bei der
Tagesplanung mit ins Kalkül gezogen werden.

Diese fallen in der antizyklonal geprägten Nacht zum Mittwoch zusammen, so dass
es landesweit trocken bleibt. Im Südwesten bleibt es teilweise 14/15°C mild,
ansonsten kühlt die Luft auf 12 bis 5°C ab.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle ziehen an einem Strang und unterschieden sich in den Basisfeldern
kaum. Was die Regenfälle und Gewitter in der kommenden Nacht im Süden angeht,
hat sich die deutsche Modellkette den externen Lösungen angepasst. Konkret
greifen Niederschläge und Gewitter nicht mehr so weit nach Norden aus wie bisher
simuliert. Warntechnisch sollte man sich dabei nicht zu stark auf die einzelnen
Gewitter fokussieren, sondern in Abhängigkeit von Radarsignaturen und ggf.
Messungen über einen etwas längeren Zeitraum und auf etwas größerer Fläche vor
Starkregen bzw. Gewitter mit Starkregen warnen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann