DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-06-2022 07:30
SXEU31 DWAV 100800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 10.06.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: BM (Brücke Mitteleuropa)

Heute und am Wochenende weitgehend ruhiges Fahrwasser mit Azorenhochkeil und
sich z.T. deutlich erwärmender Meeresluft.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... hat sich in Deutschland leichter Druckanstieg durchgesetzt und auch
beim Geopotenzial zeigt der Zeiger nach oben. Konkret bedeutet das nichts
Anderes, dass sich von Westen her ein Höhenrücken zu uns reinschiebt, dessen
Achse heute Mittag von Marokko über die Pyrenäen und Jütland hinweg bis nach
Norwegen reicht, um von dort nochmal in Richtung Ostgrönland abzubiegen.
Korrespondierend dazu hat sich ein Keil des Azorenhochs bis nach Deutschland
reingeschoben (CENK), unter dessen Regentschaft sich die gestern und vorgestern
eingeflossene subpolare Meeresluft (T850 heute früh 4 bis 8°C) heute und am
Wochenende diabatisch erwärmen kann.
Flankiert werden Rücken und Bodenkeil von zwei hochreichenden Tiefs, von denen
das eine (namenlos) im Tagesverlauf vom Ionischen Meer auf Hellas übergreift,
während das andere in klassischem Zentraltiefcharakter (es handelt sich um den
ehemaligen Tropensturm ALEX) südlich von Island seine Kreise dreht. Es konnte
vergangene Nacht mit einem durchaus bemerkenswerten Kerndruck von etwas unter
975 hPa analysiert werden, Tendenz nur sehr langsam auffüllend. Angehängt an das
Zentraltief ist ein okkludierendes Frontensystem, das mit seiner Warmfront
aktuell auf den Vorhersageraum zusteuert. Vorlaufende WLA induziert einen
großflächigen und mehrschichtigen Wolkenschirm, der den Rücken überläuft und
bereits den äußersten Westen erreicht hat (Stand 4:30 UTC). Die Wolken werden in
den nächsten Stunden noch etwas weiter landeinwärts vorankommen und dabei vor
allem den Westen und Nordwesten traktieren, was sich dort am Ende des Tages in
einer reduzierten Sonnenscheinbilanz wiederspiegeln wird. Regenmäßig tut sich
dagegen nicht viel, weil die Front quasi keinen Support aus der Höhe bekommt und
zudem damit beschäftigt ist, sich gegen den prominenten Rücken zu behaupten, was
schwer genug ist. Kurzum, ICON13 und ICON6_Nest simulieren so gut wie nichts,
einige Externe sowie ICON-D2 wenigstens 0,X bis 1,X mm zwischen NRW und
Deutscher Bucht respektive SH.

Süd- bzw. südöstlich des frontalen Geschehens auf der unmittelbaren Vorderseite
der Rückenachse schließt sich ein breiter, von Südwesten in den Nordosten
reichender Korridor an, in dem Absinken die von Westen zaghaft anklopfenden
Hebungsversuche ziemlich erfolgreich pariert. Zwischen 750 und 700 hPa etabliert
sich eine Absinkinversion, über der sich eine trockene Mitteltroposphäre
einstellt. Aber auch die darunter liegende Grundschicht trocknet mehr und mehr
ab, so dass in dem besagten Korridor trotz flacher Kumulanten sowie einiger
Cirren häufig die Sonne scheint. Die heute früh in Vorpommern noch auftretende
SC-/ST-Bewölkung wird dabei zusehends getilgt.

Abschließend gilt es noch Wetterzone #3 zu würdigen - hier kommt nun auch das
zweite Tief ins Spiel -, die den Südosten Bayerns markiert. Zum einen halten
sich hier noch Reste feuchterer und etwas weniger stabiler Luft, zum anderen
werden zumindest anfangs noch ein paar periphere Hebungsimpulse des "Ionischen"
Tiefs geliefert. Entsprechend hält sich zwischen Alpenrand und Bayerischem Wald
noch längere Zeit starke Bewölkung und es regnet vor allem am Vormittag und am
Mittag zeitweise (insbesondere zwischen Chiemgau bzw. BGL und Gäuboden).
Interessante Randnotiz dabei: ICON-D2-EPS von 00 und 03 UTC simuliert im Bereich
der unteren Donau/südlicher Bayerischer Wald räumlich sehr eng begrenzt deutlich
erhöhte Wahrscheinlichkeiten für Starkregen bis in den WU-Bereich. Das
EPS-Maximum wird im 03-UTC-Lauf mit sage und schreibe 95 l/m² innert 6 h für 15
UTC vorhergesagt. Die Prognosen sind so hoch, dass sie mit normaler synoptischer
Argumentation nicht erklärbar sind und eher wie Artefakte wirken. Gleichwohl
lässt sich ein stehender Starkregenschauer geringerer Intensität über dem
Bajuwarischen Wald nicht gänzlich ausschließen. Am Nachmittag nimmt die
Regenwahrscheinlichkeit dann immer weiter ab und die Wolkendecke beginnt mehr
und mehr aufzubrechen.

Weniger Artefakt als vielmehr Fakt ist, dass sich die Luft heute erwärmt, am
meisten natürlich im o.e. sonnenscheinreichen Korridor, wo es in der Spitze auf
bis zu 25 oder 26°C hochgeht. Abstriche müssen an den wolkigen Flanken im
Nordwesten und Südosten gemacht werden, wo es zumindest stellenweise (direkt an
der See, Alpenrand) schwer wird, die 20°C-Marke zu knacken.

In der Nacht zum Samstag ändert sich nicht allzu viel an der großräumigen
Konstellation. Der Rücken bleibt das Maß der Dinge, wandert aber etwas nach
Osten, so dass vor allem der Westen und Norden bereits auf die Rückseite unter
eine vergleichsweise glatte südwestliche Höhenströmung gelangen. Darunter gerät
die inzwischen dort angekommene teilokkludierte Kaltfront ins Schleifen, was
sich vornehmlich in stärkerer Bewölkung, weniger in Regen widerspiegelt. Weiter
südlich gibt nach wie vor der Hochkeil den Ton an, was wenig Wolken, vielfach
sogar klaren Himmel und ein paar flache Nebelfelder bedeutet. Dabei geht die
Temperatur teilweise in den einstelligen Bereich, in einigen Kältelöchern bis zu
5°C zurück.

Samstag... gelangt Deutschland zunehmend zwischen den weiterhin leicht
progressiven Rücken und einem breiten Trog über dem nahen Atlantik. Dabei stellt
sich landesweit eine west-südwestliche Höhenströmung ein, die nach Süden hin
schwach und deutlich antizyklonal, nach Nordwesten hin flott und leicht zyklonal
ausfällt. Darunter hält sich Azorenhochkeil CENK wie ein Fels in der Brandung,
obwohl das etwas zu martialisch ausgedrückt ist, weil es nämlich überhaupt keine
Brandung gibt. Oder anders ausgedrückt, fette zyklonale Brecher sind nicht zu
erwarten, obwohl sich Zentraltief ExALEX von Westen her langsam der Norwegischen
See nähert und somit auch dem Vorhersageraum etwas dichter kommt. Immerhin hält
sich im Norden die nach Südwesten zurückhängende und weitgehend stationäre
Kaltfront, die neben einigen Wolken auch einzelne meist schwache Schauer
(Inversion bei 700 hPa, T dort nur wenig unter 0°C => keine Eisphase) induziert.
Neben dem Küstenraum und der Norddeutschen Tiefebene könnte davon auch der
nördliche Mittelgebirgsraum betroffen sein. Allerdings soll hier kein falscher
Eindruck entstehen, das Samstagswetter im Norden und in der Mitte ist alles
andere als unfreundlich oder gar unwirtlich. Neben den Wolken und den schwachen
Schauern zeigt sich auch immer mal wieder die Sonne, am häufigsten
wahrscheinlich in Küstennähe. Allerdings wird es dort aufgrund des noch frischen
Meerwassers und teils auflandiger Windkomponente mit 18 bis 23°C am wenigsten
warm, während sonst 23 bis 28°C angepeilt werden mit den höchsten Werten im
Osten.

Im Süden ist die Samstagsgeschichte ganz schnell erzählt. Die Sonne scheint von
einem locker bewölkten, nach Südwesten hin z.T. sogar wolkenlosen Himmel. Einzig
über den ostbayerischen Mittelgebirgen, vielleicht auch noch am östlichen
Alpenrand entwickeln sich aus der noch etwas feuchteren und labil geschichteten
Grenzschicht heraus ein paar dickere Quellungen, die aber über 700 hPa nicht
hinauskommen. Für Schauer dürfte das allenfalls nur noch ganz vereinzelt
reichen. Reichen wird es in den meisten Regionen auf alle Fälle für einen
Sommertag mit Maxima zwischen 25 und 29°C, für die "30" allerdings wird es trotz
steigender 850-hPa-Temperaturen auf bis zu 13°C (noch) nicht langen.

In der Nacht zum Sonntag ändert sich weiterhin eher wenig an der Großwetterlage.
Zwar kippt der Höhenrücken noch etwas nach Südosten, eine substanzielle
Veränderung hat das aber nicht zur Folge. Nach Norden und Nordwesten hin sowie
bedingt auch in der Mitte verläuft die Nacht an bzw. in der Peripherie der sich
zäh wie Leder haltenden Kaltfront mehr oder weniger bewölkt, aber meist trocken.
Weiter südlich ist der Himmel gering bewölkt oder klar, dazu hier und da ein
paar flache Nebelfelder.

Sonntag... scheint es so, als würden die Basisfelder eine Kopie der Verteilung
vom Samstag darstellen. Hochkeil, Kaltfront, Trog-Rücken-Muster, alles noch da
und zunächst nur wenig anders konfiguriert als tags zuvor. Am ehesten ändert
sich die Qualität der alternden Luftmasse, die durch den täglichen diabatischen
Eintrag und die damit verbundene Erwärmung der unteren Schichten allmählich
labiler wird. Auf der anderen Seite ist über Teilen Norddeutschlands aber auch
eine Abnahme des Wasserdampfgehaltes erkennbar. Kurzum, gebietsweise wird etwas
ML-CAPE generiert, die vor allem im Nordwesten und in der Mitte in einzelne
Schauer umgesetzt werden kann. Ob es auch für ein Gewitter reicht, ist trotz
leichter Anhebung der Inversion fraglich. Diese Aussage gilt übrigens auch für
den Süden, wo in Alpennähe sowie über dem Schwarzwald und der Alb ebenfalls CAPE
generiert wird, das tagsüber aber noch so stark gedeckelt ist, dass Gewitter
unwahrscheinlich erscheinen. So steht unter dem Strich eine sonnige bzw. nur
locker bewölkte Süd- einer heiter bis wolkigen Nordhälfte gegenüber. Während im
Nordwesten sowie im äußersten Norden 19 bis 24°C auf dem Zettel stehen, erwärmt
sich die Luft im großen Rest des Landes auf 24 bis 29°C, an Hoch- und Oberrhein
lokal auf 30°C.

In der Nacht zum Montag wird es synoptisch wieder interessanter, wenn nämlich
der o.e. Trog vom nahen Atlantik unter Verkürzung seiner Wellenlänge und
zunehmender Schärfe auf den Vorhersageraum zusteuert. Vorderseitig lässt sich
ein sehr gut definiertes PVA-Maximum ausmachen, das offensichtlich insbesondere
im Süden eine größere Wirkung entfacht. Dort wird nämlich vom Elsass und der
Schweiz her eine recht feuchte und labil geschichtete Warmluft eingesteuert, in
der es zu schauerartigen Regenfällen und Gewittern mit Starkregengefahr kommt.
Dass im Süden etwas passiert, zeigen eigentlich alle Modelle. Unsicher sind
derzeit noch die zeit-räumlichen Details sowie die genaue Intensität. So lässt
z.B. ICON die ganze Geschichte bis zur östlichen Mitte ausgreifen, während sich
IFS auf die Gebiete südlich der Donau beschränkt.

Nach Norden hin werden mit Trogannäherung ebenfalls Schauer, vielleicht sogar
einzelne Gewitter ausgelöst, allerdings ist dort die Starkregengefahr deutlich
niedriger als im Süden.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptischen Basisfelder werden von den Modellen sehr ähnlich gerechnet.
Unschärfen ergeben sich hauptsächlich bei den Niederschlägen, die aber bis
Sonntagabend keine prominente Rolle spielen (einzige Ausnahme könnte heute
Ostbayern sein). Die Entwicklung in der Nacht zum Montag ist noch nicht
vollständig ausgegoren.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann