DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

09-06-2022 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 09.06.2022 um 10.30 UTC



Leicht Wechselhaft aber nicht durchweg unfreundlich bei tendenziell gemäßigten
Temperaturen.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 16.06.2022


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Sonntag befindet
sich Deutschland auf der Vorderseite eines sich formierenden und zunehmend an
Schärfe gewinnenden Höhentrogs über dem nahen Atlantik. Unter Verkürzung seiner
Wellenlänge erreicht dieser zum Datumswechsel die Nordsee, wodurch die
Höhenströmung bereits zuvor beginnt von anfangs West auf Südwest rückzudrehen.
Trotz der trogvorderseitigen Position hält sich die Wetteraktivität zumindest
tagsüber stark in Grenzen, was im Wesentlichen zwei Gründe hat. Da wäre zum
einen eine nicht besonders labil geschichtete, im Süden warme (T850 am Mittag 10
bis 15°C), nach Norden und Nordwesten hin gemäßigte (T850 5 bis 8°C) Luftmasse,
deren Interesse am höhenflugartigen Aufsteigen limitiert ist. Zum anderen sorgt
ein sich bis nach Mitteleuropa erstreckender Azorenhochkeil für eine gewisse
Stabilität. Erst in der Nacht zum Montag, wenn der Trog an Schärfe und Kontur
gewinnt, kommt es im Süden und Südosten verstärkt zu schauerartigen Regenfällen
und Gewittern.

Am Montag schwenkt der Trog über Deutschland hinweg ostwärts, während sich der
Hochkeil vorübergehend etwas nach Westen zurückzieht. Dadurch kann mit auf
Nordwest drehenden Winden ein Schwall subpolarer Meeresluft von der Nordsee her
einströmen, was mit einem leichten Temperaturrückgang verbunden ist (T850 am
Abend zwischen rund 2°C in Nordseenähe und um 11°C am Alpenrand). Außerdem
entwickeln sich vornehmlich in der Nordhälfte Schauer und vereinzelte kurze
Gewitter (Marke Kaltluft), während sich die trogvorderseitigen Regenfälle und
Gewitter im Süden mehr und mehr an bzw. in die Alpen sowie nach Österreich
zurückziehen.

Am Dienstag weitet sich der Azorenhochkeil wieder ostwärts aus, bevor sich zum
Mittwoch sogar eine eigenständige Parzelle (etwas über 1020 hPa) abspaltet.
Ursache ist ein auf den Trog folgender flacher Rücken, der sich im Verlauf etwas
aufwölbt und am Mittwoch genau über dem Vorhersageraum liegt. Entsprechend
stellt sich Zwischenhocheinfluss ein, unter dem die
Niederschlagswahrscheinlichkeit abnimmt (am ehesten einzelne Schauer im
äußersten Norden und vielleicht mal ein Gewitter am Alpenrand). Die Luftmasse
kann sich wieder etwas erwärmen, wobei das Süd-Nord-Gefälle erhalten bleibt
(T850 am Mittwoch 18 UTC zwischen 5°C an der Grenze zu Dänemark und rund 15°C am
Hochrhein sowie am Alpenrand).

Am Donnerstag wird der Rücken zügig nach Osten abgedrängt und der nächste Trog
macht sich bei uns breit - im wortwörtlichen Sinne, denn was mit einer Kurzwelle
startet, mündet in der erweiterten Mittelfrist in einen Langwellentrog mit Achse
über dem östlichen Mitteleuropa. Die Folgen sind eindeutig: Es wird deutlich
kühler und unbeständiger mit zeitweiligen, teils gewittrigen Regenfällen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Begutachtet man die letzten Modellläufe vor dem Hintergrund, dass der
Witterungscharakter in der nächsten Woche wechselhaft simuliert wird, kann man
großzügig von einer guten Konsistenz sprechen. Legt man hingegen einen
strengeren Maßstab an und geht mehr ins Detail, sind schon Unterschiede
erkennbar. Die Phasen der abwechselnd agierenden Tiefs/Tröge mit
Zwischenhochs/Rücken bereiten der Numerik gewisse Probleme, die sich natürlich
auch im Wetterablauf widerspiegeln. Am stärksten fällt dabei der kommende
Mittwoch ins Auge, der nach neuester Berechnung deutlich antizyklonaler ausfällt
als gestern noch angenommen. Das verantwortliche Hoch kommt nicht nur etwas
später, sondern fällt zudem auch noch kräftiger aus. Entsprechend verläuft der
Tag verbreitet trocken, was übrigens von anderen Globalmodellen ähnlich gesehen
wird.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Wie man überhaupt sagen muss, dass sich die verschiedenen Globalmodelle in den
Basisfeldern sehr ähneln. Klar, auch im Modellvergleich treten gewisse
Phasenunterschiede der Wellen auf. Allerdings fallen diese zunächst nur sehr
klein aus ohne größere Auswirkungen. Okay, beim Niederschlag tritt die eine oder
andere Unschärfe auf, so z.B. am Mittwoch, wo ICON und GEM (beide von 00 UTC) im
Süden mehr Schauer und Gewitter als IFS, GFS und UKMO. Erst beim Übergang in die
erweiterte Mittelfrist ab Donnerstag werden die Diskrepanzen größer. Während IFS
auf Trog und Abkühlung setzt, favorisieren die "Nordamerikaner" (GFS/GEM)
zumindest im Süden und in der Mitte Hochdruckeinfluss und im Falle von GFS sogar
eine Hitzewelle (20°C-Isotherme auf 850 hPa überschreitet die Mainlinie
nordwärts).
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen bis einschließlich
Dienstag einen ziemlich eng gebündelten Kurvenverlauf, der kaum Spielraum für
vom Hauptlauf abweichende Varianten zulässt. Auffallend sind die geringen
RR-Signale zu Beginn der neuen Woche in Teilen der Mitte (hier am Beispiel
Offenbach). Offensichtlich greift hier wieder mal kompensatorisches Absinken
zwischen der trogbezogenen Konvektion knapp weiter nördlich und dem abziehenden,
teils gewittrigen Regen im Süden. Ab Mittwoch beginnen die Lösungen mehr und
mehr zu divergieren, wobei sich ein klassisches, nach hinten raus immer
breiteres Delta der Kurvenschar herauskristallisiert. Während beim Geopotenzial
eine klare Trendaussage nicht möglich ist, lässt sich diese bei der Temperatur
sehr wohl aufstellen. Nur wenige Lösungen riskieren den Weg steil nach oben in
Richtung Hitze, das Gros der Ensemblemitglieder neigt zu kühlen oder gemäßigten,
im Süden vielleicht auch mal warmen Bedingungen. In diesem Zusammenhang soll
nicht unerwähnt bleiben, dass die von GFS zum Ende der nächsten Woche
propagierte Hitze von eigenen Ensemble kaum gestützt wird.

Aufgrund des Kurvenverlaufs bei IFS-EPS ist es keine ganz große Überraschung,
dass bei der Clusterung für die Zeiträume T+72...96h (Sonntag/Montag) und
T+120...168h (Dienstag bis Donnerstag) jeweils nur ein einziger Cluster angeboten
wird. Erst danach erhöht sich die Zahl der Angebote auf vier, wobei noch nicht
klar ist, in welche Richtung der Hase läuft. Am heißesten geht es in CL 3 zu, wo
wir auf die Westflanke eines Hochs in den Zustrom sehr warmer bis heißer
Luftmassen gelangen. Gefördert wird das Ganze aber lediglich von 9 Ensembles,
während der große Rest kühler und auch wechselhafter aufgestellt ist. In dieses
Horn stößt übrigens auch die hausinterne Großwetterlagenklassifikation nach Paul
James, bei der Süd- oder Südwestlagen deutlich unterrepräsentiert sind.

FAZIT: Trotz nicht wegzudiskutierender Unschärfen steht das Korsett für die
mittelfristige Wettervorhersage. Unklar ist derzeit noch, wie es Ende der
kommenden Woche weitergeht. Mehrheitlich deutet sich aber ein wechselhafter und
nicht überbordend warmer oder gar heißer Witterungsabschnitt an.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Die Liste potenzieller markanter Wettererscheinungen ist vergleichsweise kurz
und beschränkt sich im Wesentlichen auf konvektive Umlagerungen in Form von
Gewittern. Ab Sonntagabend ist davon zunächst der Süden betroffen, wobei
Starkregen das Hauptbegleitkriterium sein sollte. Ob es gar für lokale Unwetter
reicht, ist fraglich. Die Signaldichte seitens der Numerik ist jedenfalls
ziemlich dünn. Am Montag stehen dann in der Nordhälfte einzelne kurze
Troggewitter auf der Karte, die neben kleinem Hagel von der einen oder anderen
stürmischen Böe begleitet sein können.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und IFS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann