DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-06-2022 08:01
SXEU31 DWAV 060800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 06.06.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNz (Hoch Nordmeer zyklonal)

Wechselhaft mit Schauern und (maximal markanten) Gewittern, im Nordwesten
windig. Am Mittwoch Kaltfrontdurchgang mit Regen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... verbringt Deutschland am Rande eines hochreichenden Tiefs (MAYA) über
der Nordsee, wobei Boden- und Höhentief aber erstmal zueinander finden müssen.
Ein kurzer Rückblick: Gestern ist innerhalb einer Tiefdruckrinne über BeLux das
flache Tief MAYA entstanden, das langsam gen Niederlande und in den heutigen
Frühstunden auf die Nordsee (03 UTC unweit von Borkum) gezogen ist. Von einem
korrespondierendem Höhentief war da noch nicht die Rede, dafür befand sich ein
anderes Höhentief am Westeingang des Ärmelkanals. Dieses Exemplar hat inzwischen
die südwestliche Nordsee erreicht und nähert sich somit immer weiter dem
Bodentief an. Im Laufe des Tages wird es dann soweit sein, dass sich das Höhen-
ziemlich genau über das Bodentief schiebt, welches sich zuvor noch um ein paar
Hektopascal vertieft. Heute Abend 18 UTC soll es mit knapp über 1000 hPa
Kerndruck im Bereich des Drei-Seegebieten-Ecks Deutsche Bucht-Humber-Dogger
liegen.

Vorderseitig des Tiefs wird bei uns eine zyklonal konturierte südwestliche
Höhenströmung induziert, in der kurzwellige Anteile nordostwärts schwenken.
Dabei treffen sie auf eine gemäßigte maritime Luftmasse, die die gestern vor
allem in Süddeutschland noch präsente feucht-labile Subtropikluft ersetzt hat
(T850 heute Mittag zwischen 5°C im westlichen NDS und 12°C am östlichen
Alpenrand). Die Kaltfront, die den Luftmassenwechsel eingeleitet hat, hat
inzwischen den Osten und Nordosten erreicht, was sehr schön an der Radarsignatur
des zugehörigen Regenbandes zu erkennen ist. Überhaupt ist gut zu sehen, wie
sich das gesamt Regengebiet über Jütland und die Nordsee hinweg in das Höhentief
hineindreht und die Kaltfront in eine Okklusion übergeht.

Zur Entwicklung des Tages, die in der einfließenden Meeresluft zunächst mal
landesweit einen wechselnden Wolkencharakter zu Tage fördert. Das schauerartig
verstärke Regenband im Osten und Nordosten wird in den nächsten Stunden peu a
peu aus unserem Hoheitsgebiet herausgedrückt, wobei nicht ausgeschlossen werden
kann, dass dabei noch mal ein kurzes Gewitter eingelagert ist. Im weiteren
Verlauf helfen dann der Tagesgang und die Orografie mit, etwas Konvektion in
Gang zu bringen, wobei zunächst die Nordhälfte im Blickpunkt steht. Die
Luftmasse ist mit Ausnahme des Nordwestens zwar nicht überbordend labil
geschichtet und auch nicht über die Maße feucht (PPW häufig um 20 mm, nur nach
Osten und Nordosten hin noch höher). Trotzdem reicht es, um etwas ML-CAPE von
etwa 100 bis 250 J/kg zu generieren, die wiederum in konvektive Umlagerungen bis
hin zu einzelnen Gewittern umgesetzt werden kann. Vor allem im Nordwesten, wo
etwas Gradient und Höhenwind vorhanden sind (925 hPa bis 30 Kt, 850 hPa bis 35
Kt), können stürmische Böen 8 Bft mit von der Partie sein. Grundsätzlich lässt
sich aber sagen, dass die Gewitter qualitativ bei Weitem nicht an die Kaliber
herankommen, die gestern vorzugsweise im Süden aufgetreten sind und z.T. sogar
mit gelb abgewarnt werden können. Die typischen Begleitparameter sind maximal
Starkregen um oder etwas über 15 l/qm innert kurzer Zeit, Böen 7-8 Bft sowie
kleinkörniger Hagel. Am Spätnachmittag/Abend greift dann stratiformer, sozusagen
"herumgeholter" Regen auf den Nordwesten über (WLA). Apropos Nordwesten, dort
wird heute eine kleine Windwarnung mit Haken fällig, weil der Südwestwind
gradientbedingt, aber auch konvektiv verstärkt anzieht mit Böen 7 Bft, in
Schauernähe sowie exponiert 8 Bft.

Kurz noch einen Exkurs in den Süden, wo zwar ebenfalls einzelne Schauer
auftreten können, die Gewitterneigung aber gering ist (Labilität bei 650 hPa
gedeckelt). Lediglich aus den Alpen heraus, wo noch Reste der labileren Warmluft
vorhanden sind, könnte es am Nachmittag und Abend für die eine oder andere Zelle
reichen, wobei Starkregen um 20 l/m²/h, Böen 7 Bft und kleinkörniger Hagel
denkbar sind.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte um oder etwas unter 20°C im westlichen NDS
und bis zu 26 oder 27°C im Osten und Südosten.

In der Nacht zum Dienstag setzt über Frankreich eine Austrogung an, die
insbesondere über Süddeutschland zu einer diffluenten Isohypsenstruktur und
somit auch hebungsgünstigen Rahmenbedingungen führt. Die Gewitter am Alpenrand
gehen in schauerartigen Regen über, der durch eine Kurzwelle von BaWü her noch
verstärkt und räumlich ausgedehnt wird. Vom südlichen BaWü bis hinüber ins
nördliche Alpenvorland respektive bis zum Bayerischen Wald fällt zeitweise
Regen, in den auch immer noch einzelne Gewitter eingelagert sein können. Ganz im
Süden können gebietsweise 5 bis 10 l/m², lokal um 15 l/m² und nach Osten hin mit
anfänglichen Gewittern noch etwas größere Mengen binnen 12 h Stunden
zusammenkommen. Vor dem Hintergrund weiterer Regenfälle am Dienstag,
schwerpunktmäßig am Vormittag, könnte man vom östlichen Alpenrand bis etwa
hinüber zum Werdenfelser Land über eine etwa 24-stündige Dauerregenwarnung bis
Dienstagabend (30-40 l/m²) oder eine mehrstündige Starkregenwarnung
Dienstagmorgen/-vormittag (20-30 l/m² in 6-9 Stunden) nachdenken. Gegen eine
Dauerregenwarnung sprechen ein wenig die staffelartig, also zeitweilig
auftretenden Regenfälle, so dass man vielleicht - wenn erforderlich und von
Radar und Messungen gezeigt - eine In-Situ-Starkregenwarnung für einige Stunden
ausgibt.

Vom Süden in den Norden, wo sich unser Tief zäh bei 1000 hPa hält und
gleichzeitig auf die Idee kommt, die schöne Insel Sylt anzusteuern. Natürlich
von der Seeseite, von Land wird derzeit ja alles von den
9-Euronen-Ticket-Nahverkehrsfahrern blockiert;-). Die zugehörigen Regenfälle
breiten sich über Norddeutschland noch etwas weiter nach Osten aus, dürften MV
aber nicht erreichen. An der Nordsee sowie im küstennahen Binnenland können 5
bis 10, teils um 15 l/m² Niederschlag fallen, wobei die Fallrichtung eine nicht
unerhebliche waagerechte Komponente erfahren könnte. Grund ist der mit
Annäherung des Tiefs weiter auffrischende, an der Küste zunehmend stürmische
Süd-Südwestwind.

Dienstag... lässt unser "Nordseetief" Sylt dann doch rechts liegen - einfach zu
voll die Insel - und versucht es mit Nordjütland, wo es in den Abendstunden im
wahrsten Sinne des Wortes anlandet. Auf seiner Südflanke wird nicht nur
weiterhin ein flotter, in Böen steifer bis stürmischer südwestlicher Wind
generiert. Es kommt nach wie vor auch zu Schauern, vereinzelt und mit
Fragezeichen zu kurzen Gewittern (wenn, dann mit Böen 8 Bft). Fraglich ist auch,
wie weit die Konvektion nach Süden ausgreift. ICON fokussiert sich sehr auf
Küstennähe und küstennahes Binnenland, andere Modell sind etwas großzügiger in
ihrer räumlichen Exposition.

Wie auch immer, Fakt ist, dass von Frankreich her besagter Höhentrog immer
dichter an den Vorhersageraum heranrückt, wobei er etwas an Schärfe (nicht mehr
so breit, zunehmende Krümmung) zulegt. Vorderseitig werden weiterhin
Hebungsimpulse angeboten, die insbesondere im Süden, teils aber auch in der
Mitte (vornehmlich nach Westen hin) Schauer, schauerartigen Regen sowie einzelne
Gewitter generieren. Die größten Mengen werden vom mittleren und östlichen
Alpenrand bis hoch zum Bajuwarischen Wald angeboten mit bis zu 20, lokal um 25
l/m² in 12 h, wobei ein Großteil davon am Vormittag fallen soll. Ansonsten
spielen die Gewitter einmal mehr in der Einzel- bis Multizellen-Liga mit
Starkregen, Böen 7-8 Bft und kleinkörnigem Hagel. Aufgrund zunehmender Labilität
und Anfeuchtung der Luftmasse (PPW steigt auf rund 25 mm) rückt vor allem der
Starkregen wieder mehr in den Fokus des Warnbetrachters. Zwar stehen die Zellen
nicht, durch rückwärtigen Anbau sowie Mehrfachtreffer sind aber schnell mal 20
oder gar 25 l/m² binnen kurzer Zeit gefallen.

Die meisten sonnigen Abschnitte dürften morgen im Nordosten anzutreffen sein, wo
etwas kompensatorisches Absinken wirksam ist. Dort wird es mit bis zu 24°C auch
am wärmsten. Ansonsten stehen Tageshöchsttemperaturen von 19 bis 23°C auf dem
Tableau, in Südostbayern sowie vom Emsland bis hinüber nach Ostholstein etwas
darunter.

In der Nacht zum Mittwoch zieht das Tief über den Skagerrak hinweg in Richtung
schwedische Westküste. Damit nimmt seine Einflussnahme auf unser Wetter immer
mehr ab, sprich, Wind und Schauerneigung lassen nach. Letzteres gilt aber auch
weiter südlich, wo Schauer und Gewitter nach Osten abziehen bzw. dem Tagesgang
zum Opfer fallen. Kurzzeitig schiebt sich sogar ein schmaler Azorenhochkeil bis
zu den Alpen respektive Süddeutschland vor, der - wie wir gleich sehen werden -
aber nicht allzu viel taugt. Immerhin, dort, wo es mal für einige Stunden
aufreißt und es zuvor ausreichend geregnet hat, kann sich Nebel bilden.

Mittwoch... ist es mit der Herrlichkeit des Keils ganz schnell wieder vorbei.
Über Frankreich etabliert sich ein neuer Trog, dessen Drehzentrum über UK liegt.
Dort korrespondiert es mit einem Bodentief, das aus einer flachen Welle
hervorgegangen ist und NANA heißen müsste. Wichtiger als der Name ist aber die
zughörige teilokkludierte Kaltfront, die sich zügig von Westen her nähert. Daran
gekoppelt ist ein großräumiges Regengebiet, das den Westen allerspätestens am
Vormittag erfasst, um sich von dort ostwärts auszubreiten. Im Westen können bis
zum Abend gebietsweise 5 bis 10 l/m² Niederschlag zusammenkommen. Rückseitig
wird ein Schwall leidlich labil geschichteter Meeresluft subpolaren Ursprungs
(T850 um 7°C) advehiert, in der der Regen in einzelne Schauer und Gewitter (max.
markant) übergeht. Weitgehend trocken bleibt es tagsüber noch zwischen
Vorpommern und Erzgebirge sowie in Ostbayern, wo zudem zeitweise die Sonne
scheint. Ganz im Osten, wo die Aufzugsbewölkung zuletzt ankommt, reicht es
stellenweise sogar für einen Sommertag (25/26°C). Ansonsten werden Maxima von 18
bis 24°C anvisiert mit den niedrigsten Werten im westlichen Bergland.

In der Nacht zum Donnerstag greift er Höhentrog auf Deutschland über, wohingegen
das Drehzentrum nebst Bodentief zur Nordsee ziehen. Die Kaltfront schwenkt nach
Osten und die rückseitig einfließende maritime Subpolarluft breitet sich im
ganzen Land aus (Rückgang T850 auf 7 bis 4°C). Nach Abzug des frontalen Regens
noch vor Mitternacht kommt es noch zu Schauern und einzelnen Gewittern, die sich
z.T. bis in die zweite Nachthälfte retten.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle bieten im Großen und Ganzen kongruente Basisfelder an, die die
beschriebene Entwicklung stützen. Gewisse Unschärfen beispielsweise beim Thema
Niederschlag und Konvektion lassen sich damit zwar nicht ausräumen, wirklich
entscheidend sind sie aber kaum. Gerade bei den Gewittern ist Nowcasting
gefragt, ebenso in Bezug auf eine mögliche Starkregenwarnung
Dienstagfrüh/-vormittag im äußersten Süden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann