DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-06-2022 08:01
SXEU31 DWAV 030800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 03.06.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HNa
Heute vor allem im Südwesten und Süden Gewitter, lokal Unwetter durch heftigen
Starkregen und Hagel. Nach kurzer Wetterberuhigung am Samstag am Sonntag erneut
lokal schwere Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... liegt in der Höhe von Skandinavien über die Britischen Inseln bis vor
die Portugiesische Küste eine Potentialrinne mit mehreren Drehzentren. Dem steht
über uns eine weitgehend antizyklonale Südwestströmung gegenüber, die zunächst
einmal dämpfend auf die Entstehung von Konvektion auswirkt. Erst am Abend wird
im Potentialfeld eine kurzwellige Störung simuliert, an der vom Saarland bis zum
Erzgebirge Hebung simuliert wird.
Am Boden dehnt sich über Westeuropa ein flaches Tief weiter nach Norden aus.
Darin eingebettet befindet sich ein Frontensystem, die den Übergang zwischen der
warm-instabilen Luft im Süden gegen die etwas kühleren und trockenen Luft im
Norden andeutet. Die im Süden und Südwesten eingeflossene Luftmasse ist recht
warm (T850 10 bis 15°C), feucht (PPW bis 35 mm) und instabil (ML Cape >1000
J/kg). So richtig die Schwergewitterlage ist heute jedoch nicht in Sicht. Bei
den Prognosetemps fehlen 2 bis 3 K zur Auslösung, das HKN und KKN ist recht
hoch, was für eine trockene Grundschicht spricht und die Strömung in der Höhe
ist eher antizyklonal konturiert. Daher hilft bei der Auslösung von Gewittern
zuerst vor allem die Orografie. So sollten sich die ersten Gewitter gegen Mittag
im südwestlichen Bergland entwickeln. Später folgt der Alpenrand und die
Gewitter breiten sich in Richtung Norden und Osten aus. Dabei besteht
Unwettergefahr, bedingt vor allem durch heftigen Starkregen bis 30 mm, Hagel von
2 bis 3 cm und Hagelansammlungen. Sturmböen sind zwar vorstellbar, für schwere
Sturmböen oder staffelartige Strukturen ist der Organisationsgrad wahrscheinlich
zu gering. Die Gewitter sollen zum Abend etwa einen Bereich von der Eifel über
Franken bis Niederbayern erreichen.

Im Nordosten dagegen steht noch im Einflussbereich der sich langsam
zurückziehende Hochdruckzone über Südskandinavien und dem östlichen
Mitteleuropa. Daher scheint dort den ganzen Tag die Sonne. Die Temperaturen
steigen auf 18 bis 24°C. Dagegen ist es in der Südhälfte sommerlich warm und
zunehmend auch schwül bei 25 bis 29°C.

In der Nacht zum Samstag wird das Höhentief über den Britischen Inseln in
Richtung Südwest gesteuert. Der Resttrog über Skandinavien schwenkt südostwärts
und tangiert dabei unseren Nordosten. Zwischen diesen beiden Gebilden hat sich
ein flacher Höhenrücken etabliert, der sich von Frankreich her nähert und bei
uns für eine kurze Wetterberuhigung sorgt. Somit kann sich im Norden der
Hochkeil von Schottland her wieder weiter ostwärts zu uns ausbreiten.
Bevor die Konvektion über dem Süden und Teilen der Mitte nachlässt, sind noch
weitere Gewitter, teils unwetterartig, denkbar. Dabei hilft die Dynamik der oben
beschriebenen kurzwelligen Störung, die für weitere kräftige Gewitter zwischen
der Pfalz, Unterfranken bis hin zum Vogtland und Erzgebirge sorgt.
Gegen Morgen können sich dort, wo es zuvor viel geregnet hatte, flache
Nebelfelder bilden. Im Norden Deutschlands klart es dagegen teilweise auf und
die Tiefsttemperaturen liegen teils im einstelligen Bereich. Im Süden werden
regional die 13°C nicht unterschritten. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass sich
im Laufe der zweiten Nachthälfte die nächsten kräftigen Gewitter über Frankreich
und Benelux nähern und auf den Westen und Südwesten übergreifen. Auch dann wäre
(teils unwetterartiger) Starkregen möglich.


Samstag... zieht der Trog, der sich von Skandinavien bis in den Nordosten
erstreckt in Richtung Osten ab. Er ist jedoch nur wenig wetterwirksam, da er von
KLA überlaufen ist. Somit wird auch der Bodenhochkeil nicht abgetragen.
Der über dem nahen Ostatlantik liegende Trog schwenkt in seinem Südteil in
Richtung Nordwest-Spanien und dadurch steilt sich die Strömung über Frankreich
auf. Dies kräftigt den Rücken, der sich vom Mittelmeer bis in unseren äußersten
Westen erstreckt. Am Boden sorgt das für Druckanstieg und dämpft die Konvektion
in der weiterhin feucht-labilen Luftmasse. An der hat sich nur wenig geändert.
Die PPW Werte liegen weiterhin zwischen 30 und 35 mm und vor allem im Süden
steigen die CAPE Werte bis auf über 1000 J/kg an.

Vor allem getriggert von der Orografie gibt es im Bergland im Süden erneut
Gewitter. Die Dynamik ist jedoch noch weniger gut entwickelt wie am Freitag, da
sich der antizyklonale Einfluss in der Höhe sogar noch etwas verstärkt hat. Dort
wo sich Gewitter entwickeln, muss allerdings erneut mit vereinzelt auftretenden
unwetterartigen Entwicklungen aufgrund von heftigem Starkregen, Hagel und
Sturmböen gerechnet werden. Zuvor werden im Süden nochmals 27 bis 29 Grad
erreicht.

Im Gegensatz dazu bleibt der Norden unter Hochdruckeinfluss und es ist
verbreitet wolkenfrei oder nur schwach bewölkt. Die Temperaturen erreichen dort
18 bis 24 Grad.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich die Achse des Rückens in Richtung
Ostdeutschland. Die Gewittertätigkeit klingt tagesgangbedingt ab. Allerdings
können ausgelöst durch kurzwellige Störung in der Strömung über Frankreich ein
weiteres Hebungsgebiet auf den Südwesten und Westen übergreifen. Damit verbunden
sind erneut kräftige Gewitter und in der herangeführten subtropischen Luft mit
PPW-Werten bis 40 mm sind erneut Starkregenmengen bis in den Unwetterbereich
nicht auszuschließen.


Sonntag... liegt Deutschland zunächst noch unter dem Rücken. Dessen Achse
verlagert sich jedoch rasch ostwärts und so kommen wir in den
Zirkulationsbereich des Höhentiefs über den Britischen Inseln. Der davon
ausgehende Trog erreicht Frankreich. Der Trog stützt ein flaches Bodentief über
dem Westen mit einer eingelagerten Luftmassengrenze.
Diese verlagert sich im Tagesverlauf weiter nordwärts. Dadurch wird erneut ein
Schwall feuchtwarme Luft mit Temperaturen in 850 hPa von über 16 Grad in den
Westen und Süden geführt. Dagegen hält sich im Norden noch die kühlere und
trockenere Luft mit Temperaturen (in 850 hPa) von 8 bis 12 Grad. Die in den
Süden und Westen eingeströmte Luftmasse hat es in sich mit PPW-Werten bis 40 mm
und CAPEs die teilweise über 2000 J/kg liegen, allerdings diesmal kommt auch
noch die Dynamik dazu!

In der feucht-labilen Luft im Südwesten und Süden können sich im Tagesverlauf
kräftige Gewitter entwickeln, die mit Hagel und Starkregen bis in den
Unwetterbereich verbunden sind. Dagegen ist es in der Nordosthälfte Deutschlands
heiter oder sogar wolkenlos und trocken, auch wenn im Tagesverlauf von Südwesten
Bewölkung aufzieht. In weiten Teilen des Südens und des Ostens sind sommerliche
Temperaturen bis in den hohen 20er Bereich zu erwarten, während es im Westen und
Norden nur 19 bis 24°C erreicht werden.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder der Modelle stimmen im Wesentlichen überein. Unschärfen ergeben
sich wie oft bei der räumlichen Verteilung und der Intensität der Niederschläge.
Bei der Einschätzung des signifikanten Wetters fällt auf, dass ICON-D2 am
Samstag deutlich defensiver aufgestellt ist als ICON6 oder IFS.
Als Quintessenz bleibt, wie eigentlich immer bei Gewitterlagen, die
Notwendigkeit, den Nowcasting-Werkzeugkasten bereit zu halten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Rolf Ullrich