DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-05-2022 08:01
SXEU31 DWAV 310800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 31.05.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNz (Hoch Nordmeer zyklonal)

Wechselhafter Frühlingsausklang mit Schauern und Gewittern im Westen und in der
Mitte sowie im äußersten Süden. Morgen Beginn des meteorologischen Sommers, in
der Mitte und im Süden einigermaßen standesgemäß, im Norden deutlich unter den
Erwartungen (=> Schauer, Gewitter, kühl).

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... endet der meteorologische Frühling 2022 und das tut er mit einem
regelrechten Gemischtwarenladen, in dem für jeden (oder sagen wir fast jeden)
was dabei ist. Zunächst geht der Blick mal auf die Potenzialverteilung, die von
zwei Höhentiefs geprägt ist: eins über der Ostsee, das andere über Schottland.
Während sich die #1 im Laufe des Tages einschließlich des korrespondierenden
Bodentiefs KERSTIN in Richtung Bottnischen Meerbusen verzieht und damit das
Interesse an unserem Wetter verliert, gilt es sich etwas näher mit der #2 zu
beschäftigen. Hierbei handelt es sich um ein stark elliptisch konfiguriertes
Exemplar, dessen große Halbachse heute früh noch nahezu von Nord nach Süd
exponiert ist. Allerdings wird sich das in den nächsten Stunden ändern, wenn
sich das Tief gegen den Uhrzeigersinn dreht und dabei seinen südlichen Teil in
Form eines Troges zur Nordsee verlagert. Wichtiger für uns sind aber die
Geschehnisse südlich des Tiefs respektive Troges. Zunächst mal überquert ein
flacher Rücken, der sich quasi als trennendes Element zwischen die beiden
Höhentiefs geschoben hatte, den äußersten Osten und Nordosten gen Ostsee und
Polen. Dahinter stellt sich eine zyklonal konturierte West-Südwestströmung ein,
in der kurzwellige Troganteile ost-nordost geschleust werden. Genau genommen
gilt es zwei KW-Tröge in Augenschein zu nehmen, von denen einer den Alpenraum
sowie Teile von Süddeutschland, der andere die mittleren Landesteile überquert.
Beide Tröge verfügen über wohldefinierte PVA-Maxima, die ein gewisses Quantum
synoptisch-skaliger Hebung generieren. Die Frage ist nur, spielt die Luftmasse
mit, um letztlich auch was zu produzieren.

Nun, die letzten Tage waren nicht gerade von großen Luftdruckgegensätzen
geprägt, im Gegenteil, das Druckfeld zeigte eher amorphe Züge. Entsprechend
wurde die ursprünglich mal eingeflossene maritime Polarluft auch nicht wirklich
ausgetauscht, sondern alterte mehr und mehr vor sich hin. Einzig im Süden hat
mittlerweile eine gewisse Milderung stattgefunden, die heute früh vor allem an
den 850-hPa-Temperaturen ablesbar ist (6-10°C, im Norden dagegen nur 0°C oder
etwas darüber). So oder so, der gesamten Luftmasse kann von den Küsten bis
hinunter zu den Alpen eine gewisse Labilität attestiert werden, die allerdings
nicht überall gleich ausgestattet ist. Gleiches gilt für den Wasserdampfgehalt,
der ebenfalls unterschiedlich verteilt ist. Am feuchtesten ist die Luft im
äußersten Süden, wo das PPW heute sogar auf bis zu 25 mm ansteigt, sowie im
Westen und in Teilen der Mitte, wo es auf 15 bis 20 mm hochgeht. Folgerichtig
wird in diesen Regionen auch etwas CAPE vorhergesagt, allerdings kaum mehr als
100 bis 200, maximal 250 J/kg. Zum einen sprechen wir hier nicht von
wasserdampfgeschwängerter Subtropikluft, sondern von gealterter Polarluft, zum
anderen dämpft die zunächst noch vorhandene Bewölkung die Einstrahlung und damit
den Energieinput. Entsprechend schmal fällt die Labilitätsfläche aus, sie reicht
aber hoch genug, um konvektive Umlagerungen in Form von Gewittern loszutreten.

Etwa gegen Mittag werden im Westen die ersten Gewitter auftreten und sich von
dort über die Mitte ostwärts ausbreiten. Bei überschaubarer Scherung ist von
Einzel- und Multizellen auszugehen, die durchaus ziehen, was gegen Starkregen
spricht. Trotzdem, 15 l/m² innert kurzer Zeit sind schnell erreicht, und auch
Böen 8 Bft sowie kleinkörniger Hagel müssen ins Kalkül gezogen werden. Ob es
auch im Süden für Gewitter reicht, lässt sich noch nicht abschließend
beantworten. Es deutet sich an, dass aus der Schweiz heraus ein mesoskaliges
Regengebiet auf die Gebiete südlich der Donau übergreift. Je nach Modell deuten
sich konvektive Einlagerungen bis hin zu einzelnen Gewittern an und auch vor dem
Regen könnte es lokal krachen. Aufgrund der höheren Feuchte ist die
Starkregengefahr höher als weiter im Norden (um 20 l/m² binnen kurzer Zeit
denkbar), kleiner Hagel und Böen 7-8 Bft sind ebenfalls drin.

Wenig bis nichts tut sich heute in einem breiten Streifen etwa zwischen Main und
Donau, wo kompensatorisches Absinken und trockenere Luft einen hohen
Sonnenanteil garantieren. Weitgehend trocken, aber weniger sonnig auch der
Nordosten, wohingegen nach Nordwesten hin einzelne Schauer, vielleicht sogar mal
ein kurzes Gewitter keine Verwunderung auslösen sollten. Die Temperatur erreicht
im Süden 20 bis 24°C, sonst 17 bis 21°C, direkt an der See noch etwas darunter.


In der Nacht zum Mittwoch verlagert sich der Kern des Höhentiefs (die Rede ist
von #2) zur westlichen Nordsee, wo aus sich der zugehörige Trog bis zur
westlichen Ostsee erstreckt. Damit kommt es nicht zur Glättung, sondern auch zu
einer leichten Intensivierung der auf glatt West drehenden Höhenströmung. Es
schiebt sich sogar ein schwacher Jetstreak zu uns rein, an dessen linken Ausgang
insbesondere in Norddeutschland etwas dynamische Hebung initiiert wird. Und da
sich gleichzeitig das Maximum der Labilität in den Norden verlagert, verwundert
es nicht, dass dort quasi alle Modelle die Nacht über eine mehr oder weniger
rege konvektive Geschäftigkeit simulieren, bei der auch einzelne Gewitter eine
Rolle spielen. Diese dürften sich im Wesentlichen im gelben Bereich abspielen,
die Wahrscheinlichkeit für Starkregen und/oder Böen 8 Bft ist gering.

Anfängliche Gewitter sind auch im Süden noch drin, bevor sich diese ebenso wie
der schauerartig verstärkte Regen in die Alpen respektive nach Austria
zurückziehen. Zum Teil lockert die Wolkendecke auf, was freilich auch für die
breite Mitte des Landes gilt. Vorzugsweise dort, wo es tagsüber geregnet hat,
bilden sich ein paar Nebelfelder. Die Bodenfrostgefahr dagegen nimmt nicht
zuletzt aufgrund der höheren Startwerte am Abend ab.

Mittwoch... orientiert sich das Höhentief zur Kimbrischen Halbinsel, wobei es
möglicherweise gar nicht der ursprüngliche Kern ist, der dort anlandet, sondern
eine Neubildung. Ist aber nur von akademischen Interesse. Wichtiger ist die
Tatsache, dass auf der Südflanke eine gar nicht mal so unflotte
west-südwestliche Höhenströmung erhalten bleibt, mit der über den Norden
kurzwellige, im Potenzialfeld mit dem bloßen Auge kaum erkennbare Troganteile
geschleust werden. Und da die Luftmasse dort weiterhin hochreichend labil ist
(bis etwa 400 hPa) und ausreichend Feuchte vorhanden ist, entwickeln sich
zahlreiche Schauer und Gewitter in Form von Einzel-, teils auch Multizellen. Als
begleitende Parameter stehen stürmische Böen 8 Bft ganz oben auf der Agenda,
während das Starkregenkriterium wohl nur im Falle von "Wiederholungstätern"
(mehrere Schauer/Gewitter an einem Ort) gerissen wird. Graupel bzw. kleinerer
Hagel ist in dieser Jahreszeit fast immer dabei, zumal zumindest im südlichen
Teil Norddeutschlands DLS vorhanden ist und zudem die 0°C-Grenze noch immer
relativ weit unten ist (um 800 hPa, etwa bei 2000 m).

Während als der meteorologische Sommer im Norden ziemlich wechselhaft und mit 15
bis maximal 20°C nicht gerade standesgemäß begrüßt wird, kommt man den
landläufigen Erwartungen nach Süden hin schon näher. Zwar lässt bei nach wie vor
geringen Luftdruckgegensätzen ein "echtes" Hoch weiterhin auf sich warten, das
ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich weite Teile der Mitte und des
Südens auf einen trockenen, sonnenscheinreichen und zumindest einigermaßen
warmen Mittwoch mit 20 bis 25°C freuen können. Eine kleine Einschränkung muss
allerdings für den äußersten Süden (Grenzbereich zur Schweiz, Alpenrand,
südliches Vorland) gemacht werden, wo sich ausgehend von einem Tief westlich der
Iberischen Halbinsel (JASNA) zunehmend eine Luftmassengrenze etabliert. Sie
trennt sehr warme bis heiße Subtropikluft südlich der Alpen von den gemäßigteren
Luftmassen weiter nördlich. Dabei ist es in den genannten Gebieten tendenziell
nicht nur wolkiger, es kann im Tagesverlauf hier und da auch mal etwas regnen.

In der Nacht zum Donnerstag zieht das Höhentief weiter in Richtung Südschweden.
An der Konfiguration der Höhenströmung ändert das aber nur wenig. Ein weiterer
KW-Trog schwenkt über Norddeutschland rasch ostwärts, so dass zunächst noch
weitere Schauer und Gewitter auftreten. Im weiteren Verlauf ziehen diese aber
nach Nordosten ab und die Lage beruhigt sich von Westen her. Diametral
entgegengesetzt die Entwicklung im äußersten Süden, wo sich eine flache Welle an
der Luftmassengrenze entlanghangelt. Dabei kommt es im Laufe der Nacht aus der
Schweiz und den Alpen heraus erneut zu schauerartigen Regenfällen und einzelnen
Gewittern mit erhöhter Starkregengefahr.

Donnerstag... verschwindet das Höhentief mehr und mehr aus unserem Dunstkreis in
Richtung Finnland. Von Südnorwegen und Jütland folgt aber noch ein Randtrog
nach, der zur Ostsee zieht und zumindest im äußersten Norden und Nordosten eine
leichte Schauerneigung aufrecht hält. Für Gewitter wird es sehr wahrscheinlich
aber nicht mehr reichen. Dafür frischt der westliche Wind vornehmlich im Norden
SHs vorübergehend so stark auf, dass die eine oder andere Böe 7 Bft am Start
ist.

Weiter südlich schiebt sich vom nahen Atlantik ein schwacher Hochkeil bis in die
Nordhälfte vor, der von einen flachen Höhenrücken über Frankreich induziert
wird. Er sorgt im Norden für einen heiter bis wolkigen, zur Mitte und nach Süden
hin vielfach sogar sonnigen oder nur locker bewölkten Donnerstag. Einzig im
äußersten Süden, grob südlich der Donau, sorgt die quasistationäre
Luftmassengrenze für andauernde Hebungsantriebe. Und da die dortige Luftmasse
potenziell instabil geschichtet ist und immer feuchter wird (PPW bis zu 30 mm),
ist ausreichend CAPE vorhanden 500-750 J/kg, die wiederum in konvektive
Umlagerungen umgesetzt werden kann. Dabei steht Starkregen ganz oben auf der
Liste der Begleiter, wobei sogar mehr als 25 l/m² innert kurzer Zeit (WU) keine
wirkliche Sensation wären. Kleinerer Hagel und/oder Böen 7-8 Bft sind ebenso
möglich. In der Mitte und im Süden steigt die Temperatur auf 20 bis 26°C mit den
höchsten Werten im Oberrheingraben. Im Norden hingegen will der thermische
Durchbruch nicht so recht gelingen, nach wie vor geht es über 15 bis 20°C nicht
hinaus.

In der Nacht zum Freitag nimmt die westliche Höhenströmung eine leicht
antizyklonale Kontur an und auch der Bodenhochkeil weitet sich noch etwas nach
Osten aus. Entsprechend ruhig gestaltet sich der Wetterablauf. Meist bleibt es
trocken unter einem vielfach gering bewölkten oder klaren Himmel. Hier und da
noch ein Nebelfeld, das war´s weitgehend. Lediglich im äußersten Süden ist noch
nicht ganz klar, ob die Luftmassengrenze noch mal aktiviert wird. Zunächst mal
lasen die abendlichen Schauer und Gewitter aber rasch nach.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden modellübergreifend kongruent gerechnet. Die üblichen
Fragezeichen konzentrieren sich im Wesentlichen auf das konvektive Geschehen
(wo, wie stark und ob überhaupt etc.).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann