DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-05-2022 07:30
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 29.05.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Nord zyklonal (Nz), oder doch Trog Mitteleuropa (TrM)?
Unter dem Einfluss eines Höhentiefs kühl mit gebietsweisen Schauern und
Gewittern, aber nur geringer Starkregengefahr. Kommende Nacht geringe
Frostgefahr, danach wieder allmählich ansteigende Temperatur.


Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Am heutigen Sonntag... liegen große Teile Mittel- und Nordeuropas im Bereich
eines Langwellentroges, in den gleich mehrere Höhentiefs eingebettet sind. Das
für uns wichtigste Drehzentrum liegt heute früh über dem Westen Deutschlands und
soll bis zum Abend nur wenig bis zur Mitte vorankommen. Gleichzeitig schwenkt an
der Westflanke des Langwellentroges ein markanter Kurzwellentrog über die
Britischen Inseln nach Süden und erreicht am Abend die französische Kanalküste.
Nicht unerwähnt bleiben sollen auch ein Höhenrücken, der sich von der Iberischen
Halbinsel ausgehend im Uhrzeigersinn gebogen bis nach Island und in die
Ostgrönlandsee erstreckt. Dieser stützt ein kräftiges Hoch bis Island, das nach
Südosten einen Keil bis nach Frankreich erstreckt. Zwischen diesem Keil und
einem Tief über Nordosteuropa (sowie tiefem Druck über Italien) herrscht vor
allem im Bereich der Nordsee noch eine kräftige nördliche Strömung. Über dem
deutschen Binnenland ist der Gradient dagegen schwach. Zwischen einen kleinen
Bodentrog/Randtief im Ostseeraum und höherem Druck im Westen weht schwacher bis
mäßiger Wind im Nordwest. Im Süden sorgt der Einfluss des südlichen Tiefs für
schwache nördliche Winde. Anfangs weht der Wind im Nordseebereich noch frisch
und rund um die Ostfriesischen Inseln können noch steife Böen auftreten, im
Laufe des Tages reicht es dann dazu aber nicht mehr.

Wenig überraschend ist, dass sich bei dieser Konstellation ein sehr kühles
Temperaturniveau eingestellt hat, wobei es heute früh sogar vereinzelt (wo es
länger klar war) zu Frost in 2 m Höhe gekommen ist. In 850 hPa liegt die
Temperatur heute noch zwischen 0°C im Nordwesten und 4°C an den Alpen. Bei auch
nicht gerade maximaler Sonnenscheinausbeute (dazu später mehr) reicht das heute
nur für Höchstwerte zwischen 13°C im Nordwesten und maximal 18°C im Südwesten
und Osten.

Das wetterbestimmende Höhentief ist auch mit Höhenkaltluft angefüllt (in etwa
-28°C im Zentrum), dementsprechend ist der vertikale Temperaturgradient recht
hoch, nimmt aber nach Süden und Nordwesten hin etwas ab. Die Labilitätsenergie
wird natürlich auch durch die Feuchte mitbestimmt, die vor allem im Norden und
Nordwesten recht hoch ist, aber auch im Süden gibt es ein Maximum. Dadurch
ergeben sich 100 bis 200 J/kg CAPE vor allem von Süden bis zur Mitte und ganz im
Norden, so dass in diesen Regionen nicht nur reichlich Quellwolken den Himmel
bevölkern, sondern auch Schauer und einzelne Gewitter sich bilden können. Zudem
kommt im Süden auf der Vorderseite des Höhentiefs noch dynamische Hebung durch
PVA hinzu, auch im Norden wird Hebung simuliert. Bei den Gewittern handelt es
sich um solche der Marke "Kaltluft". Nennenswerte Scherung ist nur noch ganz im
Süden unmittelbar an den Alpen vorhanden. Bei den Begleiterscheinungen spielen
dann aufgrund geringer Zuggeschwindigkeiten trotz recht niedriger PPWS (im
Norden aber immerhin bis zu 20 l/qm) markante Starkregenereignisse eine gewisse
Rolle, was auch vom ICON-D2-EPS vor allem über Bayern und in Schleswig-Holstein
simuliert wird. Bei den Böen sollte es mangels Höhenwind und bei nur geringen
DCAPE-Werten (maximal wenige 100 J/kg) meistens bei steifen Böen bleiben. Hier
und da kann es auch kleinkörnigen Hagel geben. In der Fläche bleiben die
Niederschlagssummen überschaubar. Dass bei entsprechend niedrigem
Temperaturniveau und zu erwartenden Niederschlägen in den Hochlagen der Alpen
Schnee fällt, vermag keinen Meteorologen zu überraschen, wohl aber vielleicht
den einen oder anderen Sommerfrischler, so dass sich heute noch eine
Schneefallwarnung auf die Warnkarte gemogelt hat. Bei einer Nullgradgrenze von
etwa 1900 bis 2000 m kann es dann durchaus bis 1700 m runter etwas Schnee geben.
Stellt sich noch die Frage nach etwas Sonne: Diese dürfte heute am längsten im
Bereich des Höhentiefs selbst in der südlichen Mitte scheinen, wo die
Luftfeuchtigkeit am geringsten ist, auch im Südwesten herrscht etwas dynamisches
Absinken, was für etwas mehr Sonne gut ist. Am schlechtesten sieht es dagegen an
der Nordflanke des Höhentiefkerns aus.

In der Nacht zum Montag zieht der erwähnte Höhentiefkern Richtung
Nordostdeutschland, der Randtrog im Westen zieht über Frankreich hinweg. Damit
gibt es anfangs noch etwas Hebung im Südwesten, später vor allem Osten und recht
anhaltend im Norden. Absinken wird dagegen zunehmend im Süden und Westen
dominant. Die Niederschläge fokussieren sich somit in der Nacht zunehmend auf
den Osten, vor allem um das Erzgebirge, sowie Schleswig-Holstein und
Mecklenburg. Zwar lässt die Gewitterneigung in der Nacht etwas nach, die
geringen Zuggeschwindigkeiten der Schauer sind aber immer noch für einen lokalen
Starkregen gut, was von ICON-D2-EPS auch simuliert wird. Ein Großteil der
nächtlichen Schauer wird aber warnfrei über die Bühne gehen.

Die Druckgebilde werden immer flacher, so dass sich über Deutschland ein
Gradient zwischen einem 1009er Tief bei Fehmarn und 1013 hPa im Westen ergibt.
Der vorwiegend westliche bis nördliche Wind weht also schwach bzw. schläft ganz
ein. Damit kann sich in der teils feuchten Luft (vor allem im Süden bei nahezu
Windstille) mal ein Nebelfeld bilden, zudem kann es bei Aufklaren auch wieder
Richtung 0°C gehen. Auch fürs Aufklaren ist der Süden eher prädestiniert, da an
der Nord- und Nordwestflanke des Höhentiefs weiter viel Bewölkung erhalten
bleibt. In einigen ungünstigen Tallagen Süddeutschlands kann es dann auch in 2 m
Höhe knapp unter 0°C gehen, Frost in Bodennähe dürfte durchaus häufiger
auftreten. Ansonsten kühlt es im Süden allgemein auf frische 4 bis 1°C ab, nach
Norden zu sind es meist 8 bis 4°C.


Am Montag... zieht unser Höhentief langsam Richtung Ostsee und sein Bodentrog
schwenkt über den Süden Deutschlands hinweg ostwärts. Zum Ausgleich hierzu zieht
ein weiteres Höhentief von der Norwegischen See her Richtung Schottland. Während
im Osten im Bereich des Höhentiefs zumindest anfangs noch geringfügig Hebung
generiert wird und auch etwas mehr Feuchte sowie etwas steilere vertikale
Temperaturgradienten (im Höhentiefkern in 500 hPa werden immer noch -26°C
erwartet) für etwas Labilitätsenergie sorgen, steht der Westen des Landes im
Zeichen von Absinken, trockenerer Luft und stabilerer Schichtung. Somit bleibt
es im Westen und Südwesten meist trocken, die Sonne kommt aber vor allem im
Süden zum Vorschein, weil im Westen unter einer Sperrschicht bei etwa 700 hPa
recht viel Feuchte erwartet wird und sich die Quellwolken ausbreiten. Schauer
und abermals einzelne Gewitter gibt es vor allem von Franken über den ganzen
Osten hinweg bis nach Schleswig-Holstein. In der Fläche kommt wiederum nicht
allzu viel Regen zusammen. Allerdings könnte es zumindest nach dem deutschen
Modell im Osten Schleswig-Holsteins bis morgen Abend teils über 20 l/qm in der
Fläche geben, was zwar nicht warnwürdig ist, aber trotzdem eine erwähnenswerte
Regensumme. Andere Modelle zeigen das aber nicht. Kleinräumig besteht bei sehr
langsam ziehenden Gewitterzellen natürlich wieder ein gewisses Starkregenrisiko
(markant), wobei ICON-D2-EPS den Fokus in Vorpommern und im Erzgebirge sieht,
aber durchaus auch in Schleswig-Holstein geringe Signale zeigt. Was weitere
Gewitterbegleiterscheinungen angeht, dürfte es eher noch etwas ruhiger werden
als heute. Wo Konvektionen auftreten, sind einzelne steife Böen nie
ausgeschlossen, auch etwas kleinkörniger Hagel kann nicht ganz ausgeschlossen
werden.

Das Bodendruckfeld ist weiter von dem kleinen Randtief dominiert, das zum
Dänischen Archipel zieht. Des Weiteren schiebt sich von Westen ein flacher
Hochkeil in die nördliche Mitte, über dem Mittelmeerraum ist dagegen weiter
tieferer Luftdruck zu finden. Insgesamt sprechen wir aber von wenigen hPa
Druckunterschied, die im Norden für schwache westliche bis nordwestliche Wind
sorgen, im Süden für nördliche.

Zuletzt noch zu den Temperaturen: Während sich in der Nordhälfte nicht viel
ändert, kann im Süden nachdem sich der Höhentiefkern etwas entfernt in 850 hPa
die Temperatur wieder leicht ansteigen, auf bis zu 8°C am Alpenrand. Am
Oberrhein sind dann auch schon wieder 20°C möglich, meist sind es aber eher 16
bis 19°C, im nach wie vor kühlsten Nordwesten nur 14 bis 16°C.

In der Nacht zum Dienstag liegt der Höhentiefkern I im Bereich der zentralen
Ostsee, während der immer kräftigere Höhentiefkern II über Schottland erwartet
wird. Letzterer sorgt auf seiner Vorderseite vor allem über Teilen Deutschlands
für etwas PVA, auch etwas WLA kommt im Süden ins Spiel. Dies dürfte nach
vorübergehender Wolkenauflockerung in der ersten Nachthälfte nachfolgend für den
Aufzug hoher und mittelhoher Wolken sorgen. Die hochreichende Konvektion zieht
zur Ostsee ab, allerdings können sich in der Nacht von Westen her wieder
abgehobene Luftschichten mit etwas Labilität ausbilden, so dass hier und da
etwas schauerartiger Regen auftreten kann, allerdings nicht mit nennenswerten
Mengen. Der Wind bleibt weiterhin sehr schwach, so dass bei längerem Aufklaren
zumindest dort, wo vorher Regen gefallen ist, wieder örtlich Nebel möglich ist.
Vor allem ist aber die Kaltluft immer noch nicht ausgeräumt, so dass es
zumindest in ungünstigen Lagen des Mittelgebirgsraumes auch mal wieder
Bodenfrost geben kann. In 2 m liegen die Tiefstwerte meist zwischen 7 und 4°C,
in den Mittelgebirgen knapp darunter.

Am Dienstag... ändert sich die großräumige Konstellation nur sehr langsam. Das
nunmehr bestimmende Höhentief II bleibt über Schottland hängen, während
Höhentief I unter Abschwächung in der Ostsee nordwärts zieht. Allerdings betritt
nun ein neuer Mitspieler das Spielfeld, nämlich ein Höhentief östlich der
Azoren. Dieses sorgt durch WLA für einen Keil im Bereich der Iberischen
Halbinsel und auch im Bereich Deutschlands, bzw. insbesondere über unserem
Süden, wird etwas Geopotentialanstieg erzwungen. Mit einer westlichen Strömung
gelangt wieder etwas wärmere Luft ins Land und in 850 hPa steigt die Temperatur
bis zum Abend auf 2°C über Sylt und 10°C am Bodensee.

Trotz des Geopotentialanstiegs ist bei uns die Höhenströmung noch etwas zyklonal
konturiert, da südlich des Höhentiefs ein kurzwelliger Trog ostwärts läuft, der
bei uns auch für leichten Hebungsantrieb durch PVA sorgt. In recht großen
Landesteilen dürfte ein weiterhin recht steiler vertikaler Temperaturgradient
und mäßige Feuchte für das Generieren von etwas CAPE ausreichen, so dass es
wieder zu Schauern und Gewittern kommt, wobei deren Stärke sich wohl an den
Vortagen orientiert. Die Starkregengefahr nimmt sogar eher noch etwas ab, da
leicht zunehmende Höhenwinde wieder für etwas schneller ziehende Zellen sorgen.
Ausgenommen von der Konvektion könnten der Südwesten und Nordosten bleiben, wo
nach aktuellem Stand eine etwas trocknere Luftmasse erwartet wird. Vor allem im
Südwesten sollte dann auch ein Minimum an Bewölkung für etwas mehr Sonnenanteile
sorgen, aber auch in den übrigen Landesteilen kommt zwischen den Wolken immer
wieder die Sonne zum Vorschein.

Etwas mehr Sonne und Advektion etwas höherer Temperaturen lassen die 2-m-Maxima
im Vergleich zum Vortag weiter ansteigen, nämlich auf bis zu 23°C im Südwesten,
sonst allgemein auf 17 bis 20°C und nur noch unmittelbar in Seenähe etwas
weniger.

Zuletzt noch ein Blick auf die wenig spektakuläre Druckverteilung: Während über
dem Süden ein äußerst flaches Tief ostwärts zieht, befindet sich in der
nördlichen Mitte ein ebenso flaches Hoch. Um diese Systeme herum weht der Wind
den altbekannten Regeln nach sehr schwach.

In der Nacht zum Mittwoch zieht die oben erwähnte Kurzwelle nach Osten ab und es
stellt sich bei uns eine recht glatte, tendenziell sogar eher leicht
antizyklonale westliche Höhenströmung ein, wobei das Geopotential weiterhin
leicht steigt. Östlich unseres Landes soll ein schwaches Hoch entstehen, während
der nach Westen hin der Druck etwas geringer bleibt, so dass der schwache Wind
eher in Richtung Südost bis Süd dreht.

Mit Abzug des Kurzwellentroges fehlt der dynamische Hebungsantrieb zunächst
weitgehend, von Südwesten setzt aber starke Warmluftadvektion ein. Diese sorgt
zwar für Hebung, gleichzeitig aber für Stabilisierung, so dass die Schauer und
Gewitter meist zusammenfallen und nachfolgend die Wolken auflockern, bevor dann
wieder Schichtbewölkung aufzieht, aus der aber meist kein Regen fällt.
Diesbezüglich gibt es aber durchaus auch noch kleinere Modellunterschiede.

Wo es länger klar wird und vorher geregnet hat, ist wieder das eine oder andere
Nebelfeld denkbar. Die Temperatur sinkt in der Nacht zum Mittwoch dank höheren
Ausgangsniveaus und allgemein wärmer temperierter Luftmasse nur noch auf 10 bis
6° ab, in einigen ungünstigen Lagen vielleicht noch einmal bis 3°C. Bodenfrost
dürfte dann wohl weitgehend kein Thema mehr sein. Schließlich verabschiedet sich
in dieser Nacht ja auch der meteorologische Frühling und muss dem Sommer Platz
machen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptische Lage wird bis Montag sehr einheitlich simuliert. Am Dienstag
ergeben sich leichte Unsicherheiten: So zeigt GFS den Trog an der Südostflanke
des Höhentiefs etwas stärker ausgeprägt und lässt ihn etwas langsamer ostwärts
ziehen. Dies hat auch zur Folge, dass am Dienstag die Niederschlagsverteilung
mit gewissen Unsicherheiten behaftet ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann