DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-05-2022 07:01
SXEU31 DWAV 270800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 27.05.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
NW z - Wechselhaft und kühl. Sommer vorerst auf Sparflamme

WIND/STURM:
Zunächst an Nord- und Ostsee West-Nordwestwind mit Wind- und stürmischen Böen
7-8 Bft (50 bis 70 km/h), an exponierten Küstenabschnitten sowie auf dem Brocken
auch Sturmböen 9 Bft (bis 85 km/h). Im Tagesverlauf in der gesamten Nordhälfte
steife bis stürmische Böen 7-8 Bft (50 bis 70 km/h) aus West bis Nordwest. In
Verbindung mit kräftigen Schauern sowie an den Küsten Sturmböen 9 Bft (bis 85
km/h). Auch im höheren Bergland starker bis stürmischer Nordwestwind, auf dem
Brocken Sturmböen 9 Bft. Im Süden nur in anfälligen Lagen stark böiger Wind mit
Böen 7 Bft (um 55 km/h).
In der Nacht zum Samstag im Binnenland rasch abnehmender Wind und nur noch
vereinzelt Böen Bft 7 (um 55 km/h). An den Küsten dagegen weiterhin stürmische
Böen oder Sturmböen Bft 8 bis 9 (60 bis 85 km/h).

Am Samstag an der Küste und in den Hochlagen der nördlichen und östlichen
Mittelgebirge und sonst im Binnenland nur mit geringer Wahrscheinlichkeit
stürmische Böen Bft 8.

GEWITTER:
Heute im Norden und Nordosten einzelne Gewitter mit stürmischen Böen oder
Sturmböen 8-9 Bft (65 bis 90 km/h). In der Nacht zum Samstag im Norden abseits
der Küste nachlassende Gewitterneigung. Am Samstag im Westen und in Teilen der
Mitte einzelne Gewitter wenig wahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen.
Am Sonntag an und in den Alpen sowie aus den Alpen heraus einzelne Gewitter,
dabei Gefahr von Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... gelangt Deutschland an die Südflanke eines breiten, über Skandinavien
liegenden Troges und somit unter eine kräftige west- nordwestliche Strömung, was
gleichbedeutend mit der Frontalzone ist. Über dem nahen Ostatlantik hat sich ein
Höhenkeil in Position gebracht, der sich infolge von Warmluftadvektion, die bis
nach Südgrönland ausgreift, noch nach Norden ausweitet. Durch diesen Keil wird
ein ausgedehntes Bodenhoch mit Schwerpunkt nahe Irland gestützt, von welchem
ausgehend ein Keil bis nach Ostgrönland gerichtet ist. Zwischen diesem Keil und
einem Tiefdruckkomplex über Fennoskandien wird auf zusehends kürzerem Wege
maritime Polarluft nach Mitteleuropa geführt. Dies geht durch den heute
zunehmenden Gradienten beschleunigt vonstatten. Dabei frischt im Norden,
Nordosten sowie in der Mitte Deutschlands der Wind mit steifen bis stürmischen
Böen auf, an der Küste, im küstennahen Binnenland und in höheren Berglagen der
nördlichen und östlichen Mittelgebirge kommen Sturmböen Bft 9 zustande. Bedingt
durch den sich noch etwas nach Süden ausweitenden Trog wird die Schichtung in
Nordseenähe und im Nordosten bis zur unteren Oder labiler. Im 500 hPa-Niveau
erfolgt ein Temperaturrückgang auf -28 Grad, in 850 hPa auf etwa bzw. nahe null
Grad - das reicht für kurze Kaltluftgewitter, die dann auch weiter landeinwärts
mit Böen bis Sturmstärke einhergehen können. Ein Oberwind bis 40 kt ist hierfür
hinreichend.
Im Südwesten und im Süden wird das Wettergeschehen durch einen Hochkeil, der von
dem Hoch bei Irland ins südöstliche Mitteleuropa gerichtet ist, antizyklonal
beeinflusst. Dieser Keil macht auch der Kaltfront, die dem Trog vorgelagert ist,
den Garaus. Diese Front schafft es nur mit Mühe über die Mittelgebirgsschwelle
und bringt im östlichen Bergland noch ein paar Millimeter Niederschlag zustande.

Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 18 bis 22, in Alpennähe bis 24 Grad. Im
Norden macht sich bereits die kühlere Luft mit Höchstwerten zwischen 13 Grad (an
der Nordsee) und bis 17 Grad (etwas weiter landeinwärts) bemerkbar.

In der Nacht zum Samstag bleibt der kräftige Gradient im Norden und Nordosten
Deutschlands bestehen. Die Windabnahme ist dann tagesgangsbedingt und weniger
auf eine Abnahme der Luftdruckgegensätze zurückzuführen. Daher sind im Norden
und Nordosten bis in den Erzgebirgsraum hinein weiterhin Windböen und an der
Küste sowie auf exponierten Berggipfeln der nördlichen und östlichen
Mittelgebirge Sturmböen Bft 8/9 zu erwarten. Im Binnenland nimmt die
Gewitterneigung ab, an der See muss jedoch weiterhin und zum Teil wiederholt mit
kurzen Gewittern gerechnet werden.
Für den weitaus größten Teil West- und Süddeutschlands ergibt sich gegenüber
heute keine wesentliche Änderung. Dort bleibt der antizyklonale Einfluss
bestehen. Gebietsweise klart es auf, wobei für die Bildung von Nebelfeldern noch
zu viel Gradient vorhanden ist.
Eine Ausnahme stellt der Alpenrand dar. Auf diesen greift die Kaltfront über,
die dort aktiviert wird. Wenngleich die Niederschläge dort nicht warnrelevant
sind, so können dennoch in Staulagen 10 bis 20 mm zusammenkommen. Abgesehen von
einigen tieferen Lagen Süddeutschlands stellen sich ansonsten deutschlandweit
einstellige Temperaturminima ein.

Samstag... verbleibt Deutschland unter einer nordwestlichen und sehr zyklonal
geprägten Strömung. Das o.g. Bodenhoch hat sich mittlerweile gekräftigt und mit
seinem Schwerpunkt in das Seegebiet zwischen Schottland und Island verlagert.
Zwischen diesem Hoch und dem über Fennoskandien liegenden Tiefdruckkomplex wird
mit einer vom Nordmeer und über die Nordsee hinweg nach Deutschland reichenden
nördlichen Strömung zusehends kühlere Luft herangeführt. Dabei weicht der
Gradient etwas auf, so dass die Böen im Durchschnitt um 1 Bft niedriger
ausfallen als dass es heute der Fall ist. Im Norden, Nordosten und in Teilen der
Mitte sind daher Windböen, an der See, in freien Lagen sowie im höheren Bergland
vor allem der nördlichen und östlichen Mittelgebirge einzelne stürmische Böen zu
erwarten.
Ein Sekundärtrog, der an der Westflanke des Troges nach Süden abläuft und von
Norden her auf die mittleren Gebiete übergreift, lässt die Gewittertätigkeit
aufleben. Dieser Trog sah bei weiter zurückliegenden Modellläufen kräftiger aus.
Daher sollten Gewitter nicht so häufig auftreten wie dies heute der Fall sein
dürfte. Im Norden Deutschlands fehlt hierzu die tagesgangsbedingte
Unterstützung. Die labilste Luft greift dann in einem breiten Streifen vom
Münsterland über die Mitte Deutschlands bis in die Lausitz hinein über, wobei im
Tagesverlauf von diesen kurzen Gewittern (Typ Kaltluftgewitter) der gesamte
Erzgebirgsraum und vielleicht auch noch der Oberpfälzer Wald erfasst wird. Mit
geringer Wahrscheinlichkeit können diese Gewitter mit stürmischen Böen
einhergehen; meist sollte es sich dabei um Gewitter der untersten Warnstufe
handeln.
Im Westen und Süden ist dagegen weiterhin schwacher antizyklonaler Einfluss
wetterwirksam. An den Alpen lassen die Niederschläge, die aus der längst weiter
nach Süden abgezogenen Kaltfront resultieren, im Tagesverlauf nach. Zuvor sinkt
die Schneefallgrenze durchaus auf Lagen zwischen 1500 und 1800 m, oberhalb davon
kommen zuvor durchaus einige Zentimeter Schnee zusammen.
Abgesehen vom Küstenbereich, den nordöstlichen Landesteilen und auch dem
Alpenrand sind größere Auflockerungen zu erwarten. Gegenüber den Vortagen
erfolgt ein Temperaturrückgang, so dass nur noch 13 bis 19 Grad (mit den
höchsten Werten an Ober- und Hochrhein) erreicht werden.

In der Nacht zum Sonntag weitet sich der Trog über Mitteleuropa etwas nach Süden
aus, wodurch im Nordwesten und Norden sowie an den Alpen weitere Schauer (mit
der höchsten Wahrscheinlichkeit an der Küste) auftreten können. Für Gewitter
fehlt die Labilität, auch fehlt die tagesgangsbedingte Unterstützung. Insgesamt
nehmen die Luftdruckgegensätze ab, der Wind ist dann allenfalls noch an der
Nordfriesischen Küste warnrelevant. Deutschlandweit sind dann zum Teil niedrige
einstellige Temperaturminima zu erwarten. Im östlichen Bergland kann bei
längerem Aufklaren leichter Frost in Bodennähe nicht ganz ausgeschlossen werden.


Sonntag... rückt das gesamte Zirkulationsmuster nach Südwesten, d.h. es zeichnet
sich eine retrograde Bewegung ab. Was einst ein breiter Trog war, ist dann ein
Höhentiefkomplex mit mehreren eingelagerten Tiefs, die über der Norwegischen
See, Südwestengland, Deutschland und den Baltischen Staaten liegen und deren
Drehpunkt über den Dänischen Inseln liegt. Der Höhenkeil hat sich bis dahin
abgeschnürt und in ein blockierendes Höhenhoch über der Irminger-See
umgewandelt. Durch dieses wird ein Bodenhoch mit Schwerpunkt zwischen Island und
Grönland gestützt. Über Mitteleuropa ergibt sich aus dieser Konstellation eine
nördliche Strömung, wobei die Luftdruckgegensätze gering sind.
Durch den sich nach Süden ausweitenden Trog gelangt die labilste Luft (mit einer
Temperaturdifferenz zwischen 500 und 850 hPa von 30 K) in den Süden
Deutschlands. Dort wird zudem etwas CAPE (bis 200, MU-CAPE bis 500 J/kg)
generiert, allerdings erreicht der Gehalt an niederschlagbarem Wasser kaum 15
mm. Etwas Hebung wird noch durch den Trog spendiert. Demzufolge können sich im
Süden und Südosten einzelne Gewitter entwickeln, wobei die Wahrscheinlichkeit an
und in den Alpen hierfür am größten ist. Aber auch im Nordosten können einzelne
kurze Gewitter nicht ausgeschlossen werden, wenngleich die Labilität dort nicht
ganz so ausgeprägt ist wie im Süden Deutschlands. Wie bereits an den Tagen zuvor
handelt es sich dabei im Wesentlichen um Kaltluftgewitter. Sollten diese jedoch
wiederholt auftreten, kann vor allem am Alpenrand Starkregen nicht ganz
ausgeschlossen werden.
Während im Nordwesten und Norden abseits der Küste (wo noch leichte
Durchmischung zu verzeichnen ist) meist kompakte Bewölkung zu erwarten ist,
dürften von den Gebieten südlich der westlichen Mittelgebirge bis in die Lausitz
hinein die Wolken auflockern, wenn man den Alpenrand außer Acht lässt. Mit
Tageshöchsttemperaturen zwischen 13 und 17 Grad und 11 Grad an der Nordsee sowie
in Alpennähe bleibt es kühl bis sehr kühl.

In der Nacht zum Montag setzt sich die Rotationsbewegung innerhalb des über
Nord- und dem nördlichen Mitteleuropa liegenden Höhentiefkomplexes fort. Daher
kommt im Norden und Nordwesten die Schauertätigkeit nicht vollständig zum
Erliegen. In diesen Gebieten hält sich mehrschichtige Bewölkung. Südlich der
Mittelgebirge hingegen klart es längere Zeit auf, wobei sich flache Nebelfelder
bilden können. Dabei sind landesweit erneut zum Teil niedrige einstellige
Tiefstwerte zu erwarten. Dabei besteht im Bergland in windgeschützten Tallagen
Gefahr von Bodenfrost.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten. Lediglich die Lage und Bewegung der einzelnen Höhentiefs
in dem oben beschriebenen Höhentiefkomplex wird unterschiedlich prognostiziert,
was im Bereich der Prognoseunschärfe liegt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann