DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-05-2022 08:01
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 25.05.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Anfangs Wz (West zyklonal), Richtung Wochenende Übergang in NWz bis NZ
(Nordwest bis Nord zyklonal)

Heute Passage eines Höhentrogs mit einzelnen Gewittern im Norden. Morgen im
Norden windig und wechselhaft, nach Süden hin leichter Hochdruckeinfluss. Am
Freitag im Norden solide Sturmlage, dazu Schauer und einzelne Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... steht im Zeichen einer Trogpassage, der sich eine Zonalisierung der
Höhenströmung anschließt. Heute früh hat die Achse des nach Südwesten
zurückhängenden, in der Nacht abgetropften Troges die Nordwesthälfte bereits
erreicht, was sich im Satellitenbild durch einen nur leicht bewölkten oder gar
wolkenfreien Himmel widerspiegelt. Ganz anders hingegen die Situation in der
Südosthälfte, die unter starker, vielfach geschlossener mehrschichtiger
Bewölkung liegt. Sie wird im Wesentlichen von einem vorderseitigen PVA-Maximum
generiert, zu dem sich im Süden und Südosten leichter Gegenstrom gesellt. Dort -
vornehmlich in Bayern sowie im südöstlichen BaWü - fällt stratiformer Regen,
während es in den östlichen Landesteilen aktuell trocken ist.

Beim Blick auf die Bodenwetterkarte würde man eine solche Verteilung nicht
unbedingt erwarten, erstreckt sich doch ausgehend vom Azorenhoch ein Keil namens
ANDREAS über die Südhälfte (und somit zonal angeordnet) ostwärts hinweg. Ihm
gegenüber steht ein mehrteiliger Tiefkomplex über Skandinavien und
Nordwesteuropa, in dem das Doppeltief HANNAH bei Island respektive über der
Irminger See mehr oder weniger "den Hut aufhat". Erwähnenswert, weil die
nächsten Tage von Bedeutung, in diesem Zusammenhang auch die glatte Frontalzone
über dem mittleren Nordatlantik. Sie wird markiert von einer vom Doppeltief
ausgehenden Kaltfront, in der mehrere flache Wellen zu finden sind. Zuvorderst,
also am östlichen Ausgang der Frontalzone, steht aber ein teilokkludiertes
Frontensystem, das UK/Irland schon erreicht hat und sich klar auf Kurs
Mitteleuropa befindet. Bevor das System aber so richtig in die Schlagzeilen bei
uns kommt, gilt es erst mal die Geschehnisse stromab abzuarbeiten.

So wird uns der Trog in den nächsten Stunden ostwärts überqueren mit der Folge,
dass die Zone mit der mehrschichtigen Bewölkung immer weiter ost-südostwärts
abgedrängt wird. Ähnliches gilt für den Regen im Süden, der sich mehr und mehr
nach Österreich und Tschechien zurückzieht und dabei an Intensität einbüßt.
Immerhin, am Vormittag reicht es zwischen Alpenrand und Bayerischem Wald
gebietsweise noch mal für 5 bis 10 l/m² innert 6 h. Während im Süden und
Südosten Wolken und Regen also langsam den Rückzug, setzt mit dem Tagesgang vor
allem im Norden (erst NW, dann NO), bedingt aber auch in den mittleren
Landesteilen Konvektion ein. Gerade im Norden wird mit dem Trog etwas höhenkalte
Luft durchgeschleust (T500 um -24°C bei T850 um +3°C => rund 27 Kelvin
Unterschied), was für eine hinreichende Labilisierung der einfließenden
subpolaren Meeresluft sorgt. Es wird ein wenig CAPE generiert (in der Spitze um
200 J/kg) und die zwar schmale, aber vorhandene Labilitätsfläche reicht bis etwa
550 hPa, so dass sich neben Schauern auch einzelne Gewitter entwickeln. Diese
ziehen recht flott, werden andererseits aber auch nicht von übermäßig hohen
Oberwinden überlagert (max. 30 Kt auf 850 hPa), so dass als Begleitparameter vor
allem Böen 7 Bft, bedingt durch die relativ trockene Grundschicht besten- oder
schlechtestenfalls 8 Bft in Erscheinung treten (in der Basis mit gelben
Warnungen hantieren und bei entsprechenden Radarsignaturen ggf. aufstocken). Je
weiter wir uns in Richtung Mitte orientieren, desto geringer und auch weniger
hochreichend (Inversion bei 650 bis 700 hPa) die Labilität und damit die
Wahrscheinlichkeit für elektrische Entladungen. Ohnehin muss man sagen, dass
der heutige Tag in den mittleren Landesteilen ebenso wie im Westen und Südwesten
gar nicht so unfreundlich wird. Im Grunde kippt die aktuell beobachtete
wolkenarme Zone leicht nach Südosten und wird mit mehr, meist aber weniger
mächtigen Quellungen "gefüttert", in der nach Osten hin ein paar Schauer
auftreten können.


Der Wind spielt zunächst keine große Rolle, frischt dann aber im Laufe des
Nachmittags mit Annäherung des Frontensystems nebst Bodentrog an der Nordsee auf
mit ersten Böen 7 Bft aus Südwesten. Die Temperatur erreicht Höchstwerte von
z.T. nur 16°C im ganztägig bedeckten und längere Zeit regnerischen Südostbayern
sowie an der Nordsee und bis zu 23°C im und um das Rheintal herum.

In der Nacht zum Donnerstag greift die Frontalzone auf den äußersten Norden
über, gleichzeitig schwenkt das okkludierte Frontensystem über weite Landesteile
ostwärts. Dabei breitet sich mehrschichtige Bewölkung ost-südostwärts und vom
Norden bis in die westliche Mitte fällt mitunter etwas Regen (Mengen meist
deutlich unter 5 l/m² binnen 12 h). Im Süden hingegen lockert es gebietsweise
auf, hier und da bildet sich Nebel (wahrscheinlich nicht warnwürdig). Auf die
Warnagenda kommt daher nur der südwestliche, später mehr auf West drehende Wind,
der entlang der Küsten sowie in einigen Hochlagen Böen 7-8 Bft, auf dem Brocken
9 Bft generiert.

Donnerstag... ist Feiertag und der gestaltet sich je nach dem wie grob man die
Lage bewertet zwei- bis dreiteilig. Die Großwetterlage wird von der über den
äußersten Norden verlaufenden, relativ glatten Frontalzone bestimmt. Je weiter
man nach Süden kommt, desto schwächer die westliche Höhenströmung und desto
antizyklonaler das Setup. Bemerkbar mach sich das vor allem an den
"körperlichen" Fortschritten von ANDREAS, dem Hochkeil, der druckmäßig gegenüber
heute um 5-7 hPa zulegen kann. Leichtes Absinken beschert Bayern und BaWü eine
Inversion bei rund 750 hPa, die eine labil geschichtete Grundschicht deckelt.
Zunächst mal halten sich noch die Reste der frontalen Bewölkung, die im
Tagesverlauf aber immer mehr weichen bzw. in mehr oder weniger dichte
Quellbewölkung übergehen. Die meiste Sonne dürften dabei die südlichen
Landesteile der beiden südlichsten Bundesländer abbekommen.

Je weiter der Blick gen Mitte geht, desto wolkiger das Geschehen und geringer
die Sonnenanteile bei einer allerdings nur geringen Schauerneigung. Am
abwechslungsreichsten wird das Vaddertachwetter in Norddeutschland, wo zunächst
mal die teilokkludierte Kaltfront des o.e. Systems mit nur wenig Regen im Laufe
des Vormittags durchschwenkt. Später nähert sich dann eine flache Welle, deren
vorauseilende WLA wahrscheinlich erst in den Abendstunden an der Nordsee ein
paar Tropfen Regen bringt (die deutsche Modellkette ist etwas eher dran als die
meisten externen Modelle). Also, der ganz große Regen bleibt zunächst mal aus
und ganz ohne Sonne müssen die Norddeutschen auch nicht auskommen. Insbesondere
an der Ostsee wird es für einige sonnige Abschnitte reichen, während man sich
sonst überwiegend mit häppchenweisen Auflockerungen begnügen muss. Zwischen dem
erstarkten Hochkeil und dem zur Norwegischen See bzw. nach Skandinavien
gezogenen Doppeltief HANNAH baut sich im Norden ein leidlicher Gradient auf, der
mit Unterstützung des Tagesgangs einen auffrischenden westlichen Wind initiiert.
Von den Küsten bis etwa an den Nordrand der Mittelgebirge werden Böen 7 Bft, an
der Küste nebst unmittelbar angrenzendem Binnenland teils 8 Bft, auf dem Brocken
und dem Fichtelberg bis 9 Bft erwartet. Am Nachmittag und Abend lässt der Wind
im Binnenland dann schon wieder nach.

Die Temperatur steigt in weiten Landesteilen auf 19 bis 23, im Süden punktuell
auf 24°C. Nur ganz im Norden bleibt es mit 15 bis 20°C frischer.

In der Nacht zum Freitag überquert die flache Welle zügig den Norden des Landes.
Dabei breitet sich skaliger Regen von der Nordsee über die gesamte Norddeutsche
Tiefebene bis etwa an die nördliche Mittelgebirgsschwelle aus. Aufsummiert über
12 h können gebietsweise 5 bis 10 l/m² in die Töpfe fallen. Rückseitig der
südostwärts vorstoßenden Kaltfront gelangt ein erster Schwall maritimer und
leicht labil geschichteter Polarluft in den äußersten Norden (T850 um 0°C, T500
in Küstennähe um -25°C). Vornehmlich in Küstennähe können sich in der frischen
Luftmasse Schauer und vielleicht sogar ein kurzes Gewitter mit Böen 8-9 Bft
entwickeln. Aber auch abseits möglicher Konvektion bleibt es an der Küste sowie
in höheren Lagen außer im Süden windig bis stürmisch. Der Süden verbringt die
Nacht noch im Bereich des Hochkeils, der zwar schwächelt, sich zunächst aber
noch erfolgreich gegen den Druck der Welle und deren Kaltfront wehrt.

Freitag... wird es ein wenig turbulent, wenn nämlich die Kaltfront der rasch
nach Osten abziehenden Welle langsam die mittleren Landesteile überquert und den
süddeutschen Raum ansteuert. Dabei ist es gar nicht mal so sehr die Kaltfront,
die Turbulenzen verursacht. Sie sorgt lediglich für etwas Regen (max. um 5 l/m²
innert 12 h), der sich auf dem Weg nach Süden immer weiter abschwächt.
Entscheidender ist das, was hinter der Front in der einfließenden maritimen
Polarluft passiert. Da geht der Blick zunächst mal in die Höhe, wo andauernde
KLA die glatte Frontalzone in einen Trog umwandelt. Mit dem Trog bzw. der KLA
gelangt zunehmend Höhenkaltluft in den Norden - am Abend liegt T500 zwischen -25
und -30°C bei gleichzeitig 0°C auf 850 hPa -, die für eine Labilisierung der
Schichtung sorgt. Hinzu kommt eine merkliche Verschärfung des Druckgradienten
zwischen dem Hoch über dem nahen Atlantik (Zentrum knapp südwestlich von Irland
mit etwas über 1025 hPa) und dem sich auf unter 995 hPa vertiefenden Tief über
Finnland. Summa summarum also eine Gemengelage, die für eine bunte Warnkarte
sorgen dürfte.

Gewarnt werden muss zunächst mal vor Wind respektive Sturm und zwar von den
Küsten bis hinunter in die nördlichen Teile von Bayern und BaWü. Für
Norddeutschland und das Bergland steht eine solide Sturmlage ins Haus, bei dem
der auf West bis Nordwest drehende Wind nicht nur in höheren Lagen und an der
Küste, sondern mindestens auch mal im küstennahen Binnenland in Böen Stärke 9
Bft erreicht - rein aus dem Gradienten heraus. Auf dem Brocken, wo der berühmte
Brocken-Benno vor Kurzem seinen 90. Geburtstag gefeiert hat (sagenhafte 9000+X
Aufstiege seit Dezember 1989), stehen sogar schwere Sturmböen 10 Bft auf der
Karte.
Zu dem Wind bzw. Sturm kommen im Norden im Tagesverlauf bei rasch wechselnder
Bewölkung noch konvektive Umlagerungen dazu. Meist sind es Schauer, aber auch
kurze Gewitter sind am Start. Bei Oberwinden von maximal 40 Kt auf 850 hPa muss
mit Böen 8-9 Bft sowie Graupel oder kleinkörnigem Hagel gerechnet werden.

Temperaturmäßig ist der präfrontale Süden klar in der Vorhand mit Höchstwerten
von 19 bis 24°C. Lokal ist bei noch längerem Sonnenschein vielleicht sogar eine
"25" drin. Davon ist der Norden meilenweit entfernt, dort stehen lediglich 16
bis 20°C, an der See z.T. nur um 14°C auf dem Zettel.

In der Nacht zum Samstag erreicht die Kaltfront die Alpen, wo sich der Regen
staubedingt noch mal intensiviert. Am Ende könnten es durchaus 5 bis 10,
punktuell um 15 l/m² Niederschlag in 12 Stunden werden. Im Norden dauern die
konvektiven Umlagerungen in Form von Schauern und Gewittern an, wobei IFS eine
besonders aggressive Variante anbietet. Ein mit auf 500 hPa bis zu -30°C kalter
Luft angefüllter Randtrog lässt die Konvektion im Nordwesten sehr weit südlich
(Ostwestfalen, Südniedersachsen) ausgreifen, während sich andere Modelle auf den
erweiterten Küstenraum beschränken. Wie auch immer, an der Küste bleibt es
stürmisch, im Binnenland windig, wenn auch nicht mehr stark wie noch am Tage.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Entwicklung wird von den einschlägig begutachteten Modellen sehr
ähnlich gesehen. In den Details offenbaren sich die üblichen Unschärfen, die
meist aber nicht von warntechnischer Relevanz sind.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann