DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-05-2022 08:30
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 22.05.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Sa (Süd antizyklonal), im Laufe der Woche wahrscheinlich auf W/NWz
(West/Nordwest zyklonal) wechselnd

Heute Göttervater ZEUS mit ruhigem Sonntagswetter. Am Montag die nächste
Gewitterstörung (FINJA), dabei ab dem Nachmittag für einige Stunden teils
kräftige TS, Unwettergefahr vor allem im Süden und in der Mitte. Am Dienstag
wechselhaft, im NW Schauer und Wind, im Südosten Regen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... verbringt Deutschland an der Südflanke der leicht mäandrierenden und
vergleichsweise schwach ausgeprägten Frontalzone, die sich vom Ostatlantik bis
weit nach Russland hinein schlängelt. Dabei wird uns heute ein eingelagerter
flacher Rücken beehren, der sich von Westen über den Vorhersageraum schiebt und
dort mit einem ganz prominenten, ja, dem prominentesten unter den Vertretern der
griechischen Götterwelt zusammenarbeitet. Kein geringer Name als ZEUS steht auf
dem Bodenhoch, das heute Mittag genau über Deutschland liegt und mit eher
mickrigen 1016/1017 hPa sowie einer seiner überschaubaren räumlichen Exposition
gar nicht so recht zu einem solchen Namen passen will. Und auch sonst weist der
gute durchaus Schwachstellen auf, sieht er sich doch nicht in der Lage, die
eingeflossene Meeresluft derart zu bändigen, dass sich überall "Affenhochglanz"
einstellt.

Schon heute Morgen lassen sich zwischen Küste und Alpen mal mehr, mal weniger
dichte Wolken ausmachen. Und auch tagsüber werden sich unterhalb der
Absinkinversion (häufig zwischen 850 und 800 hPa, teils aber auch noch etwas
höher) entweder Quellwolken bilden, die an der Inversion breitlaufen oder schon
fertige SC-Felder durchziehen südostwärts ziehen. Laut MOS-Statistik wird die
direkte Sonneneinstrahlung am stärksten über Teilen der Norddeutschen Tiefebene
sowie im Nordosten gedämpft, wo (NO) sogar ein paar schwache Schauer nicht
ausgeschlossen sind. Den meisten Sonnenschein bezogen auf den Norden dürfte auf
sowie im unmittelbaren Umfeld der Nordsee geben. Hoch, wenn auch nicht an der
astronomisch möglichen Grenze, wird die Sonnenbilanz auch im Süden und in der
Mitte in der inzwischen abgetrockneten Meeresluft ausfallen. Etwas feuchter und
auch labiler ist die Luft ganz im Süden, wo mit Hilfe der Einstrahlung etwas
(gedeckeltes) CAPE generiert wird. Nicht ausgeschlossen, dass der Deckel mit
orografischer Hilfe lokal gesprengt wird und ein oder zwei Gewitter
hochschießen. Wenn überhaupt, dann passiert das am ehesten in Alpennähe sowie
über dem Hochschwarzwald. Als Begleitparameter kommen Starkregen um oder etwas
über 15 l/m², Böen 7 Bft und kleiner Hagel in Frage. Während im Süden und
Südwesten am Ende des Tages gebietsweise ein Sommertag in den Chroniken vermerkt
werden kann, reicht es im Norden und Nordosten (T850 bei 3 oder 4°C, dazu ´ne
Menge Gewölk) nicht mal für 20°C.

In der Nacht zum Montag wird es höchste Zeit, sich das Geschehen stromauf, also
westlich von uns mal etwas genauer anzuschauen. Dort hat sich über dem nahen
Atlantik ein positiv geneigter Höhentrog etabliert, auf dessen Vorderseite WLA
aktiv ist, die wiederum den Rücken bei uns noch etwas aufsteilen lässt. Darüber
hinaus wird der Trog von einem Randtrog unterlaufen, der via Biskaya und
Iberische Halbinsel Frankreich bzw. das westliche Mittelmeer ansteuert.
Vorderseitiger Druckfall sorgt bereits tagsüber dafür, dass sich ausgehend von
einem Tief zwischen Island und Schottland (CLARISSA) eine meridionale Rinne
bildet, die bis hinunter zu den Balearen reicht. Eingelagert ist ein weiteres
flaches Tief (FINJA), das die Nacht in Frankreich verbringt und dort ebenso wie
im Alpenraum Gewitter induziert, von denen das eine oder andere Exemplar in den
frühen Morgenstunden auch deutsches Hoheitsgebiet okkupieren könnte. Aus
jetziger Sicht am anfälligsten dafür sind aus der Schweiz und den Alpen heraus
die Regionen Hochrhein, Bodenseegebiet, Schwaben und bedingt das südliche
Oberbayern, wo im Fall der Fälle vor allem Starkregen um 20 l/m² und Böen 7-8
Bft auf der Karte stehen.

Ansonsten lässt sich konstatieren, dass mit zunehmender Anfeuchtung und
beginnender Labilisierung vor en Gewittern schon erste Schauer auf den Plan
treten, die sich bis in den Westen und die westliche Mitte ausbreiten. Zwar
können auch dort vereinzelte Gewitter nicht gänzlich ausgeschlossen werden, die
Wahrscheinlichkeit ist aber geringer als im äußersten Süden. Gänzlich
unwahrscheinlich sind konvektive Umlagerung jedweder Art in der gesamte
Nordosthälfte, wo der nur langsam scheidende ZEUS und der sich noch langsamer
verlagernde (und ja zunehmend aufsteilende) Rücken dem Nachtwetter ihren Stempel
aufdrücken (=> meist gering bewölkt oder klar). Dabei kühlt die Luft häufig in
den einstelligen Temperaturbereich ab.

Montag... droht einmal mehr ein spannender und auch arbeitsreicher Wochenstart,
auf den viele nach den Unwettern von Donnerstag und Freitag sicher verzichten
könnten. Die Atmosphäre schert das freilich wenig und so heißt es für uns
"nehmen wie es kommt". Stell sich natürlich die Frage, ja wie kommt es denn? -
Nun, zunächst mal wandert der Rücken langsam aber sicher ostwärts, was den
Vorhersageraum bis zum Abend auf die Rückseite der Achse unter einer leicht
diffluente südwestliche Höhenströmung bringt. Zwar ist diese nicht besonders
stark ausgeprägt, es werden im Tagesverlauf aber ein oder zwei flache KW-Tröge
nach Nordosten durchgeschleust, in im Zusammenspiel mit weiteren atmosphärischen
Mechanismen durchaus von Bedeutung sind.

Dabei gilt es zunächst mal die Rinne respektive das eingelagerte flache Tief
FINJA zu erwähnen, die im Tagesverlauf immer größere Teil des Vorhersageraums
einnehmen und am Abend (also das Tief) im deutsch-niederländischen aufschlagen.
Vorderseitig wird von Süden her sehr feuchte und zunehmend labile Subtropikluft
angesaugt, in der T850 zumindest im Süden auf über 15°C und das PPW in der
SW-Hälfte auf über 30, lokal bis 40 mm ansteigen. Zunächst mal schwenkt die
Warmfront mit meist schwachen Regenfällen und nur geringer
Gewitterwahrscheinlichkeit über die Mitte hinweg langsam nordostwärts. Im Osten
und Nordosten kommt davon noch nichts an, wird doch mit östlichen Winden noch
längere Zeit trockene Luft advehiert, in der es bis zum Abend trocken bleibt und
die über weite Strecken des Tages die Sonne scheint. An der Ostsee brist der
Wind soweit auf, dass es für ein paar steife Böen 7 Bft, aber nicht unbedingt
für eine Warnung reicht.

Ansonsten kommt quasi im Warmsektor und relativ spät (wahrscheinlich erst
deutlich nach Mittag) eine rege konvektive Aktivität in Gang. Die meiste Energie
steht dabei dem Süden zur Verfügung, wo das CAPE durchaus Werte von 1500 J/kg
oder mehr erreichen kann, während es in Richtung Westdeutschland weniger ist.
Hinzu kommt eine sehr solide DLS mit rund 20 m/s und später mit Annäherung des
Tiefs auch vermehrt LLS mit teils 10 bis 15 m/s, so dass die Gewitter sich
organisieren können. Betrachtet man die verschiedenen hochauflösenden Modelle
und dabei die simulierte Reflektivität, dann sind Multizellencluster ebenso
möglich wie linienhafte Elemente bis hin zu Bow-Echos. Auch findet man gut
gecurvte Hodographen, so dass summa summarum von einer brisanten Gemengelage im
Süden und Westen sowie Teilen der Mitte ausgegangen werden muss. Zwar werden die
Werte vom Freitag nicht ganz erreicht, auch aus dynamischen Gesichtspunkten wird
es nicht ganz so deftig, trotzdem, Unwetter sind sicher. Über Starkregen müssen
wir da gar nicht lange reden bzw. schreiben, 25 l/m² oder auch mehr innert
kurzer Zeit sind in dieser Luftmasse schnell erreicht, obwohl die Zellen keine
Stehburger sind und über eine gewisse Mobilität verfügen. Insbesondere im Süden
ist die Wahrscheinlichkeit größeren Hagels mit einigen Zentimetern Durchmesser
relativ hoch (Überlappung von DLS mit hohem CAPE), wobei es für WU ja nur 1,5 cm
braucht. Beim Wind geht die Gefahr eher von der Organisation inkl. einem
inverted V aus (=> Downbursts) und weniger von den Höhenwinden aus, die eher mit
gebremstem Schaum daherkommen (meist unter 30 Kt auf 925 und 850 hPa, erst am
Abend im Südwesten etwas darüber). Böen 8 bis 9 Bft, vereinzelt 10 Bft ist die
Größenordnung, von der man in der Regel ausgehen sollte. Rotierende Elemente mit
dem Anfangsbuchstaben T - am Freitag ja fast schon zu Hauf aufgetreten - sind
vor allem ab dem Abend mit zunehmender LLS (davon ein Großteil
Richtungsscherung) ebenfalls nicht ausgeschlossen, auch wenn z.B. hohe
Helizitätswerte einem absinkenden HKN etwas vorauslaufen und somit keine
"optimale" Überlappung zumindest nach numerischer Lesart gewährleistet ist.

Temperaturmäßig geht´s hoch auf 22 bis 27°C, im äußersten Süden lokal nahe 30°C,
an einigen Ostseeküstenabschnitten um oder etwas unter 20°C.

In der Nacht zum Dienstag zieht sich das flache Tief FINJA unter deutlicher
Intensivierung auf rund 995 hPa Kerndruck auf die Nordsee zurück. Der zugehörige
Bodentrog schwenkt langsam nordostwärts und damit auch die kräftigen Gewitter,
deren Auftreten sich vor allem auf den Bereich einer ausgeprägten Windkonvergenz
(Ost-Südost vs. Südwest bis West) zu beschränken scheint. Die stärksten
Entwicklungen mit allen vom Nachmittag/Abend genannten Zutaten dürften bis weit
in die Nacht hinein im Süden und in der Mitte auftreten, bevor von Westen in der
hinter der Kaltfront einfließenden stabileren und trockeneren Luftmasse eine
Stabilisierung einsetzt. Nach Osten und Nordosten zu dürften der Tagesgang sowie
die mangelnde dynamische Unterstützung für einen allmählichen Intensitätsverlust
des konvektiven Geschehens sorgen. Das PVA-Maximum, das am frühen Morgen mit
Annäherung des Haupttroges im äußersten Westen aufschlägt, richtet keinen großen
Schaden mehr an. Zum einen wird seine Wirkung durch überlagerte KLA gedämpft,
zum anderen ist die energiereiche und labile Luftmasse bereits über alle Berge,
so dass bis auf ein paar wenige Schauer und vielleicht ein schwächeres Gewitter
nichts viel geht. In der sich in der Mitte und im Süden einstellenden mäßigen
Südwestströmung muss insbesondere in höheren Lagen mit Böen 7-8 Bft, exponiert 9
Bft gerechnet werden.

Dienstag... gelangt der Nordwesten in den vorderen Bereich des o.e. Höhentrogs.
Viel Höhenkaltluft wird nicht herangespült (T500 etwas unter -20°C über T850 bei
+4°C), so dass sich die Labilität ebenso wie der Wasserdampfgehalt der maritimen
Luftmasse in Grenzen hält. Gleichwohl entwickeln sich mit Hilfe des Tagesgangs
Schauer und einzelne ("Kaltluft")Gewitter, die von Böen bis 8 Bft, worst case 9
Bft begleitet sein können. Ohnehin kommt der Südwestwind im Nordwesten
einigermaßen in Schwung, was der Nähe zu der nur langsam nach Norden abziehenden
FINJA und dem daraus resultierenden Gradienten geschuldet ist. Böen 7 Bft,
vornehmlich an der nordfriesischen Küste auch 8 Bft machen sehr wahrscheinlich
eine kleine Windwarnung mit Häkchen erforderlich.

Wechselhaft auch das Wetter im großen Rest des Landes bei allerdings etwas
geringerer Schauerneigung als im Nordwesten. Eine Ausnahme bilden die Regionen
zwischen Alpenrand und den ostbayerischen Mittelgebirgen, wo sich etwas
abgesetzt von der ins Schleifen kommenden Kaltfront eine leichte Gegenstromlage
aufbaut, die für Aufgleiten und gebietsweise länger andauernden Regen sorgt, der
bis in die Nacht zum Mittwoch andauert. Akkumuliert über 24 h werden 10 bis 30
l/m², bei IFS lokal um 35 l/m² angeboten, was dem Gedanken einer möglichen
Dauerregenwarnung einen Holzplatz im Hinterkopf ermöglicht, mehr z.Zt. aber auch
nicht (zumal die EPSe auch eher zurückhaltend agieren). Wahrscheinlicher sind da
schon einzelne Gewitter, die sich aus den Alpen heraus noch mal bis in den
äußersten Süden verirren (lokale Starkregengefahr). Temperaturmäßig wird mit 17
bis 22°C, im Osten stellenweise bis 24°C erst einmal auf kleinerer Flamme
geköchelt.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden modellübergreifend sehr ähnlich simuliert, während
hinsichtlich der konvektiven Detailentwicklung noch offene Stellen zu besetzen
sind. Was aber unisono simuliert wird ist ein relativ später Beginn der
hochreichenden und damit starken Konvektion am Montag von Westen und Südwesten
her. Von daher wäre die Ausgabe einer möglichen Vorabinfo erst morgen früh
vertretbar, könnte aber auch heute Abend schon herausgegeben werden (Abstimmung
in der späten TelKo).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann