DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-05-2022 07:30
SXEU31 DWAV 200800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 20.05.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SW a, Übergang zu W a

GEWITTER/SCHWERGEWITTER (UNWETTER):
Zunächst nur vereinzelte Gewitter - vorrangig in einem Streifen entlang von
Mosel und Main bis zum Erzgebirge. Dabei lokal Starkregen.
Ab Mittag auf NRW und Rheinland-Pfalz übergreifende schwere Gewitter mit
erhöhter UNWETTERGEFAHR! Dabei lokal extrem heftiger Starkregen um 40 l/m² in
kurzer Zeit, großer Hagel bis 5 cm und schwere Sturm- bis Orkanböen mit 100 und
130 km/h, Bft 10 bis 12. Vereinzelte Tornados nicht ausgeschlossen. Am
Nachmittag über die Landesmitte hinweg weiter ostwärts ausgreifend, in den
Abendstunden auch die Gebiete östlich der Elbe erreichend. Am Abend auch im
Süden des Landes einzelne kräftige Gewitter mit Unwetterpotential vor allem
durch Starkregen und Hagel.
In der Nacht zum Samstag entlang und südlich der Donau noch längere Zeit teils
kräftige Gewitter mit Starkregen um 25 l/m² pro Stunde, kleinkörnigem Hagel und
Sturmböen bis 85 km/h (Bft 9).
Danach erst wieder im Laufe des Sonntags und in der Nacht zum Montag über dem
südwestdeutschen Bergland und in Alpennähe und in der Nacht zum Montag dann auch
im westlichen Bergland einzelne Gewitter mit vorerst nur geringer
Unwettergefahr.

STARKREGEN:
Heute Nachmittag und Abend über Norddeutschland auch abseits der Gewitter, bzw.
nach diesen, mehrstündiger Starkregen mit Mengen zwischen 20 und 30 l/m² Regen
in 3 bis 6 Stunden wahrscheinlich.

STURMBÖEN:
Ab den Nachmittagsstunden mit Winddrehung auf West im Südwesten und Westen, bis
in die Nacht hinein auf die Mitte und den Osten ausgreifend auch abseits von
Gewittern zeitweise starke bis stürmische Böen (Bft 7 bis 8), vereinzelt
Sturmböen (Bft 9) nicht ausgeschlossen.


Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... zeichnet sich der Höhepunkt der aktuellen Gewitterlage ab. Mit Abzug
eines breiten Höhenrückens und Annäherung eines markanten Troges kommt eine
südwestliche Strömung zustande, mit welcher feuchtlabile Subtropikluft in das
Vorhersagegebiet gelangt. Dabei handelt es sich um eine Luftmasse, wie wir sie
in diesem Jahr noch nicht hatten. CAPE erreicht ca. 2000 J/kg, der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser in einem Streifen vom Westen bis in die Lausitz und den
östlichen Mittelgebirgsraum hinein 30 bis 40 mm. Das sind Zutaten, wie sie bei
bisherigen Gewitterlagen früherer Jahre gar nicht so selten waren. Die aktuelle
Lage hat im Unterschied hierzu eine wesentlich ausgeprägtere Dynamik (in Form
des über die Britischen Inseln hinweg auf die Nordsee übergreifenden markanten
Troges) zu bieten. Bedingt durch den breiten, aber relativ flachen vorgelagerten
Rücken war bereits eine westliche und leicht flatternde Strömung vorhanden, die
bereits am Vortag einen Vorgeschmack in Form von einigen heftigen Gewittern
geboten hatte. Mit der Annäherung des Troges legt die auf Südwest drehende
Strömung jedoch deutlich zu, der Oberwind erreicht im 850 hPa-Niveau 45 bis ca.
60 kt. Durch den Trog wird die Entwicklung eines flachen Tiefs induziert, das ab
dem späten Nachmittag von Benelux her den Niederrhein erreicht und zum Abend hin
über Ostwestfalen ost-nordostwärts gesteuert wird. Vorderseitig dieses Tiefs
dreht die bodennahe Strömung auf Südost zurück, was zu der ohnehin vorhandenen
sehr ausgeprägten hochreichenden Scherung von 20 bis 30 m/s bis 500 hPa auch bis
1000 m Höhe Scherwinde bis über 20 m/s ergibt. Somit sind alle Voraussetzungen
für eine ausgewachsene Schwergewitterlage gegeben. Dabei besteht hohe Gefahr
unwetterartiger Gewitter zgl. aller Parameter (heftiger Starkregen, großer Hagel
bis 5 cm, schwere Sturm- bis Orkanböen, auch einzelne Tornados können nicht
ausgeschlossen werden. Am wahrscheinlichsten sind derartige Gewitter in einem
breiten Streifen, der vom Westen über die Mitte und den Mittelgebirgsraum hinweg
bis zur polnischen Grenze reicht. Die ersten, zum Teil staffelartig
organisierten Gewitter dürften ab dem Nachmittag das westliche Bergland
erreichen und bis zum Abend, wahrscheinlich allmählich in einen MCS mit allen
Begleiterscheinungen übergehend, über das nördliche NRW hinweg auf das südliche
Niederachsen übergreifen.
Aber auch im Süden dürfte es zur Entwicklung von Gewittern bis in den
Unwetterbereich hinein kommen. Dort ist zwar CAPE gedeckelt, auch das
Kondensationsniveau liegt oberhalb von 2000 m, aber die Auslösetemperatur, die
bei 30 Grad oder knapp darüber liegt, sollte bei entsprechender Einstrahlung
(die in den südlichen Landesteilen noch am ehesten gegeben ist) erreichbar sein.
In diesen Gebieten liegt der Gehalt an niederschlagbarem Wasser um 25 mm, aber
die Schichtung ist deutlich labiler und die vorhandene und bis zum Abend
deutlich zunehmende Scherung spricht auch für organisiertere Strukturen
hochreichender Konvektion, die vielfach, aber nicht unbedingt durchweg an die
Orografie gekoppelt sind. Hier muss berücksichtigt werden, dass hochreichende
Konvektion in der vorderseitigen Warmluft häufig von hochauflösenden Modellen
unterschätzt wird.
Von hochreichender Konvektion verschont bleibt der Norden. Am Abend setzt auch
im Westen Stabilisierung ein. In diesen Gebieten sind 18 bis 23, unmittelbar an
der Nordsee um 16 Grad zu erwarten, wogegen ansonsten 24 bis 30, im Süden bei
hoher Schwüle bis 34 Grad erreicht werden.

In der Nacht zum Samstag verlagert sich das Tief rasch über den Berliner Raum
hinweg nach Nordosten und überquert bereits mit Beginn der zweiten Nachthälfte
die Oder. Die heftigsten Entwicklungen (wahrscheinlich in Form einer
vorlaufenden Böenfront mit Böen bis Orkanstärke und des MCS) sind in den
Abendstunden zu erwarten. An der Nordflanke des ostwärts ziehenden Tiefs
zeichnet sich ein Band mit mehrstündigem, durchaus auch ungewittrigem Starkregen
ab. Rückseitig dieses Tiefs kommen auch ohne Zutun der Konvektion Böen bis
Sturmstärke zustande. Bis in die Frühstunden des Samstags sind im Nordosten und
Osten noch Windböen und an der Küste sowie im östlichen Bergland stürmische Böen
möglich.
In der zweiten Nachthälfte setzt eine rasche und nachhaltige Stabilisierung ein.
Zwar bringt dann im Norden der hereinschwenkende Trog noch etwas Labilität mit
sich, wodurch vor allem in Küstennähe ein paar Schauer zustande kommen. Auch an
den Alpen kann es in der labilen Luft, die dort gestaut wird, noch für Gewitter
reichen, wobei die Unwettergefahr bis Samstagfrüh zusehends geringer wird. Im
Westen und Südwesten können sich dort, wo es zuvor viel geregnet hat, flache
Nebelfelder bilden.

Samstag... gelangt Deutschland nach Abzug des Troges in den Genuss eines flachen
Rückens. Damit setzt sich landesweit stabilere und trockenere (mit einem
Flüssigwassergehalt bis 20 mm) Luft durch. Eine Ausnahme stellt noch der
Alpenrand dar, wo sich Reste leicht labiler Luft halten. Aber auch dort sollte
es mangels dynamischer Unterstützung nicht mehr für konvektive Umlagerungen
reichen. Von Westen schiebt sich ein Hochkeil herein. Zwischen diesem und dem
nach Litauen abziehenden Tief bleibt vor allem im Norden und Nordosten ein
kräftiger Gradient bestehen, so dass mit tagesgangsbedingter Hilfe verbreitet
Windböen, an der See, in freien Lagen und in den Kamm- und Gipfellagen der
östlichen Mittelgebirge stürmische Böen zustande kommen. Bis zum Abend sollte
auch dort der Wind abflauen.
Während über den Norden und die Mitte, bedingt durch die Nähe zur Frontalzone,
teils kompaktere Wolkenfelder hinweg ziehen, sind im Süden, abgesehen vom
Alpenrand, längere sonnige Abschnitte zu erwarten. In tieferen Lagen
Süddeutschlands werden bis 26, sonst in der Mitte und im Süden 20 bis 25 und im
Norden 15 bis 19 Grad erreicht.

In der Nacht zum Sonntag wölbt sich, gestützt durch über dem Nordmeer ansetzende
Warmluftadvektion, der Rücken über der Nordsee noch etwas auf, was über
Mitteleuropa eine antizyklonale nordwestliche Strömung ergibt. Das durch diesen
Rücken gestützte schwache Hoch verlagert sich nach Deutschland, so dass sich,
abgesehen vom Nordosten, eine schwachgradientige Lage ergibt. Mit Ausnahme des
Südwestens stellen sich dann einstellige Temperaturminima ein. Dort, wo es zuvor
viel geregnet hat, können sich flache Nebelfelder bilden.

Sonntag... verlagert sich der Rücken unter weiterer leichter Aufwölbung nach
Deutschland. Da nach wie vor der Rücken leicht überströmt wird und diese
Strömung durch kurzwellige Fluktuationen geprägt ist, gelangt in den äußersten
Südwesten und Süden Deutschlands wieder labilere und feuchtere Luft, was bei
stark gedeckeltem CAPE den Flüssigwassergehalt dort auf etwa 30 mm steigen
lässt. Mit orografischer Unterstützung können sich über dem südwestdeutschen
Bergland und aus den Alpen heraus einzelne starke Gewitter entwickeln, Unwetter
(durch heftigen Starkregen und (schwere) Sturmböen) sind vorerst nur wenig
wahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen.
Im großen Rest des Landes dauert das Absinken im Bereich des sich mit seinem
Schwerpunkt nunmehr in den Ostseeraum verlagernden Bodenhochs an. Während der
Norden noch von Wolkenfeldern gestreift wird, sind ansonsten abgesehen vom
unmittelbaren Alpenrand längere sonnige Abschnitte zu erwarten. Die Folge ist
ein leichter Temperaturanstieg auf 22 bis 27, im Küstenbereich und im Nordosten
auf 15 bis 21 Grad.

In der Nacht zum Montag verlagert sich der Rücken mit seiner Achse in den Osten
Deutschlands, so dass erneut eine südwestliche Strömung zustande kommt. In diese
eingelagert greift ein markanter Kurzwellentrog auf Ostfrankreich über.
Vorderseitige Hebung erfasst dann den Westen und Südwesten, so dass auf den
westlichen Mittelgebirgsraum und den Südwesten einzelne und zum Teil heftige
Gewitter übergreifen, die mit Starkregen und bedingt, durch den im 850
hPa-Niveau auf 40 kt zunehmenden Oberwind, mit Sturmböen einhergehen können.
Dabei nimmt auch die niedertroposphärische Scherung wieder zu, was
organisiertere Strukturen hochreichender Konvektion verspricht. Ob es dann
bereits wieder auch ohne tagesgangsbedingte Unterstützung für unwetterartige
Entwicklungen reicht, ist noch nicht sicher, kann aber nicht ausgeschlossen
werden.
Im weitaus größten Teil Deutschlands hält sich die stabil geschichtete gemäßigte
Luftmasse. Im Nordosten sind bei klarem Himmel noch einmal einstellige
Temperaturminima vorstellbar.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen die oben beschriebene Entwicklung.
Unterschiede, die im Bereich der Vorhersageunschärfe liegen, ergeben sich erst
in der Nacht zum Montag im Hinblick auf den auf Ostfrankreich übergreifenden
Trog, der unterschiedlich positioniert wird. Problematisch ist die Abschätzung
der Böen, die aus synoptischen Überlegungen heraus vorgenommen wurde. Hier (und
auch in Bezug des Ausgreifens der Konvektionszellen in die Warmluft) ergeben
sich durchaus Unterschiede zu anderen hochauflösenden Modellen. Wie üblich bei
derartigen Lagen ist Nowcasting anhand bekannter aktueller Tools unverzichtbar.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann