DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-05-2022 09:01
SXEU31 DWAV 190800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 19.05.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Heute Sa, ab Freitag vorübergehend Wz

Heute im Westen und Norden sowie über den Mittelgebirgen gebietsweise kräftige
Gewitter. Örtlich eng begrenzt mit heftigem Starkregen und/oder Hagel bis 3 cm
(Unwetter) sowie mit teils schweren Sturmböen.
Am Freitag im Westen und Norden deutlich erhöhtes Unwetterpotential. Abends auch
in der Mitte und im Osten teils schwere Gewitter. Von NRW und dem südwestlichen
Niedersachsen bis in den Nordosten vorübergehend auch außerhalb von Gewittern
stürmische Böen und Sturmböen.
Am Samstag im Nordosten und in den Alpen isolierte Gewitter nicht
ausgeschlossen. Im Nordosten und auf exponierten Bergen stürmische Böen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... Die Achse des vom westlichen Mittelmeer ausgehenden kräftigen
Höhenkeiles hat Bayern erreicht und schwenkt langsam nach Österreich und Polen.
An seiner Nordwestflanke schwenkt heute ein flacher Kurzwellentrog nordostwärts,
dessen Achse um 12 UTC über Nordfrankreich und an der ostenglischen Küste liegt
und abends bereits über Nordfriesland, wobei er sich landeinwärts nach Südosten
hin stark abgeschwächt zeigt. An der vorgelagerten Kaltfront entwickelt sich ein
kleines Wellentief, das um 12 UTC über der südwestlichen Nordsee und um 18 UTC
über Jütland simuliert wird. Zu diesem Zeitpunkt erreicht seine Kaltfront das
Emsland. Vor der Front entwickelt sich mit der Tageserwärmung in der Westhälfte
und im Nordwesten ordentlich Cape-ML mit Werten zwischen 600 und 1200, in der
Pfalz abends bis zu 1500 J/Kg bei PPWs zwischen 30 und 36 mm. Im Bereich mit den
höchsten Cape-Werten ist allerdings eine starke Deckelung vorhanden, eine
Auslösung ist aber über dem Bergland durchaus möglich. Die Scherung ist in den
labilen Bereichen allerdings nur leicht, allenfalls mäßig ausgeprägt. Die
Modelle simulieren aber insgesamt im Westen und Nordwesten Schauer und Gewitter
vor allem am Nachmittag, wobei die 12stg. Regenmengen in der Fläche meist nur 3
bis 9 mm betragen, bei IFS und GFS örtlich eng begrenzt 10 bis gut 20 mm.
ICON-D2 zeigt in Nordwestdeutschland auch kleinräumig Regenmengen im
Unwetterbereich über 25 mm. Die Wahrscheinlichkeit von Regenmengen über 20 mm
ist am Nachmittag von der Eifel bis Schleswig-Holstein erhöht (teils bis 40
Prozent) und für Unwettermengen über 35 vor allem in NRW und im südwestlichen
Niedersachen (bis rund 20 Prozent).
Im Süden und Osten und teils im östlichen Mittelgebirgsraum entwickelt sich
nicht ganz so viel Cape-ML und hier findet die Auslösung nur über den
Mittelgebirgen statt, wenn überhaupt.
Vor der Kaltfront wird es heute nochmals sehr warm bis heiß mit Werten zwischen
27 und 31 Grad. Nur an der Nordsee ist es bei auflandigem Wind kühler.
Bei Gewittern stehen heute Böen Bft 8 bis 9 auf der Karte, die im Nordwesten
nach ICON-D2-EPS auch zu 10 bis 30 Prozent wahrscheinlich sind. Wenn man das
´inverse V-Profil´ der Modelltemps zugrunde legt, wären durchaus auch 10er Böen
im Bereich des Möglichen. Die Tornadogefahr ist heute angesichts der nur
leichten bis mäßigen Scherung nicht besonders erhöht.

In der Nacht zu Freitag zieht die Frontalwelle zur Ostsee ab und seine Kaltfront
kommt bis zum Nordrand der Mittelgebirge voran. In der 2. Nachthälfte wird sie
aber nach Durchgang eines Bodenhochkeils schon wieder rückläufig, da der Wind
auf Südost zurückdreht. Durch einen kleinen Randtrog entsteht etwas Hebung, so
dass nach ICON-D2 von Belgien her erneut kräftigere Gewitter ins südliche NRW
und ins nördliche Rheinland-Pfalz ziehen.
Erneut zeigt ICON-D2 kleinräumig Unwetter-Regenmengen und auch nach den
EPS-Ergebnissen ist heftiger Starkregen bis nach Hessen möglich. Im übrigen
Deutschland beruhigt sich das Wetter meist.


Freitag... ist die West- bis Südwestströmung zunächst noch großräumig
antizyklonal gekrümmt, der flache Höhenrücken schwenkt aber rasch nach Polen.
Damit nähert sich von Westeuropa ein kräftiger Höhentrog, dessen Achse am Abend
über Nordfrankreich und Benelux anlangt. Vorderseitig zeigt sich bereits um 06
UTC an der Biskayaküste eine Frontalwelle, die um 12 UTC über Nordbelgien und um
18 UTC über dem Nordosten von Niedersachsen simuliert wird. Auf seiner Ostseite
wird die Warmfront wieder nach Norden geschoben und seine Kaltfront dringt ab 15
UTC nach NRW ein. So kommen weite Teile Deutschlands in den Warmsektor des Tiefs
in feuchtlabile Meeresluft mit Cape-ML-Werten, die meist auf 500 bis 1200, im
Osten bis nahe 2000 J/Kg ansteigen. Das Ganze bei ansteigenden PPWs auf 35 bis
43 mm in der Nähe der Zugbahn des Tiefs. Im Süden ist es mit 22 bis 30 mm
deutlich trockener und auch ganz im Norden gibt es solch niedrige PPWs. Durch
die starken Höhenwinde und wegen der Südostwinde auf der Vorderseite des Tiefs
ist die Scherung sowohl in unteren als auch höheren Schichten recht groß. Dies
deutet auf die Entwicklung von Superzellen bzw. von unwetterartigen Gewittern
hin im Bereich des Tiefs und auf der warmen Seite des Tiefs in der Nähe der
Zugbahn hin. Wenn man die Modelle zusammenfasst und auch die
ICON-D2-EPS-Ergebnisse zugrunde legt, ist ein Streifen von NRW und vom äußersten
Norden Rheinland-Pfalz bis nach Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern betroffen
von Schwergewittern, wobei wegen der Scherung auch Tornados auftreten können.
Nördlich der Zugbahn des Tiefs ist auch 2 bis 3stg. Starkregen zwischen 35 und
60 l/qm möglich. Auf der Rückseite des Tiefs ist der Gradient sehr stark
ausgeprägt, so dass auch außerhalb der Gewitter durchaus Sturmböen Bft 9
auftreten können. Falls dann noch ein Gewitter dazu kommt, können auch 10er und
11er Böen nicht ausgeschlossen werden. Dabei ist von den Unwettern der Osten
meist erst im Laufe des Abends dran. Die Kaltfront des Tiefs erreicht dann recht
rasch Süddeutschland und auch an ihr sind markante Gewitter zu erwarten. Die
Unwettergefahr ist im Süden bei weitem nicht so groß wie nördlich des Mains.
Der äußerste Norden und Nordwesten ist wahrscheinlich außen vor und bekommt nur
Regen ab.
Die Temperaturen liegen im Warmsektor zwischen 25 und 30 Grad, im Südwesten
werden Werte bis 34 simuliert.
Im Norden und Nordwesten ist es mit 20 bis 24 Grad kühler.

In der Nacht zum Samstag zieht die Kaltfront rasch zu den Alpen, wo es anfangs
noch Gewitter geben kann und in der 2. Nachthälfte zieht auch der Regen des
Gewittertiefs nach Nordosten ab. Rückseitig steigt der Luftdruck rasch an und
zwischen dem Azorenhochkeil über den Alpen und dem Tief ist der Wind noch recht
kräftig mit steifen, auf den Bergen mit stürmischen Böen.

Samstag... nach Abzug der Frontalwelle spaltet sich ein Bodenhoch über
Frankreich aus dem Azorenhochkeil ab und erreicht bis zum Abend Belgien. Die von
Westen einströmenden kühleren Meeresluftmassen gelangen unter Absinken. Einzig
am Alpenrand kann sich die feuchtwarme und potentiell instabile Luftmasse noch
etwas halten und für einige Gewitter sorgen. Ganz im Nordosten sind kurze
Kaltluftgewitter im Randbereich des abziehenden Höhentroges möglich, wobei
durchaus mal eine stürmische Böe dabei sein kann. In der atlantischen Luftmasse
steigen die Temperaturen nur noch auf 16 bis 21 Grad im Norden und auf 22 bis 26
Grad im übrigen Deutschland. Die Sonnenanteile sind im Südwesten am größten,
während in der Nordhälfte ehr ein wolkiger Wettercharakter vorherrscht.
Der Westwind ist recht kräftig unterwegs mit starken, im höheren Bergland und im
Nordosten mit steifen Windböen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Zugbahn des Gewittertiefs am Freitag wird nun von den Modellen recht ähnlich
berechnet (s. o.)

Wahrscheinlichkeitsaussagen in Bezug auf den Starkregen wurden bereits oben
gemacht.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Olaf Pels Leusden