DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-05-2022 08:01
SXEU31 DWAV 180800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 18.05.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
S a Übergang zu W a

Heute im Nordwesten geringe Gewitterneigung. Am Donnerstag im Westen und
Nordwesten zunehmende Gewitterneigung und einzelne Unwetter möglich. Am Freitag
Schwergewitterlage. Gebietsweise starke Gewitter, einzelne Superzellen mit teils
extremem Starkregen, Hagel und schweren Sturmböen oder Orkanböen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... schwenkt ein Höhenrücken mit seiner Achse nach Mitteleuropa, der
sich dabei noch verstärkt. Er wird flankiert von Langwellentrögen über dem
Atlantik sowie über Nordost- und Osteuropa und stützt ein nach Polen ziehendes
Bodenhochdruckgebiet. An dessen Westflanke verstärkt sich die Zufuhr sehr warmer
Mittelmeerluft nach Deutschland, in der die Temperatur in 850 hPa auf 9 bis 15°C
steigt. In 2m Höhe bedeutet das, bei vielfach kräftiger Einstrahlung Höchstwerte
von 25 bis 32°C mit den höchsten Werten im Südwesten und Westen. Im Südosten und
ganz im Nordosten hält sich zunächst die weniger warme und im Nordosten
trockenere Luft der Vortage und an der Grenze zur feuchtmilden Luft sind
dichtere Wolken zu finden, die anfangs örtlich geringen Regen bringen können.
Die Temperaturen bleiben dort teilweise auch unter 25°C.
Die Luftmasse wird dabei vor allem nach Westen hin labiler. Der Wassergehalt
steigt auf um 30 mm PPW und es wird CAPE bis über 500 J/kg generiert, zunächst
mal allerdings gut gedeckelt. Das Schauer- und Gewitterrisiko ist demnach unter
dem Rücken nur sehr gering. Am Alpenrand ist durch orographische Auslösung der
eine oder andere Schauer eventuell nicht ausgeschlossen. In den äußersten Westen
und Nordwesten schiebt sich im Tagesverlauf die Konvergenz eines Bodentroges.
Die dadurch ausgelöste leichte Hebung kann dort für vereinzelte Schauer und
Gewitter gut sein, die - so sie denn auftreten -mit Starkregen oder
kleinkörnigem Hagel verbunden sein können.

Der Wind weht schwach und kommt aus östlichen Richtungen.

In der Nacht zum Donnerstag schiebt sich der Rücken langsam südostwärts, sodass
die Nordwesthälfte in eine südwestliche, zunächst antizyklonale Höhenströmung
kommt. Dem Westen nähert sich die Kaltfront eines Tiefs über dem Nordatlantik
mit einer über Benelux nach Norden ziehenden Welle an. Dies macht sich mit
dichterer Bewölkung im Westen und Nordwesten bemerkbar. Im äußersten Westen und
Nordwesten sind von Benelux oder über die Nordsee erste Schauer und Gewitter
nicht ausgeschlossen.
Sonst verläuft die Nacht ruhig mit einstelligen Tiefstwerten im Südosten, sonst
16 bis 10°C. Im Nordwesten, wo die Bewölkung abschirmt, geht die Temperatur in
einigen Regionen nicht viel unter 20°C zurück. Stellenweise bildet sich Nebel.


Donnerstag... ist die Achse des Höhenrückens deutlich ostwärts vorangekommen und
erstreckt sich vom westlichen Mittelmeer über den Alpenraum bis nach Polen.
Wenngleich der Haupttrog sich weiter auf dem Nordatlantik befindet, nimmt der
zyklonale Einfluss von Westen her zu, da sich über den größten Teil eine leicht
wellende südwestliche Strömung breit macht und eine Bodentiefdruckrinne mit
eingelagerter Kaltfront bis in den Nordwesten und Westen Deutschlands
vorankommt. Präfrontal und am Rand des mittlerweile über dem Balkan liegenden
Hochdruckdruckgebietes verstärkt sich die Zufuhr der sehr warmen bis heißen Luft
aus Südwesteuropa weiter. Die Luft wird dabei instabiler und über der Westhälfte
deutlich feuchter. Der Wassergehalt steigt auf 30 bis 40 mm.
Am Vormittag sind neben einzelnen Schauern und Gewittern im Nordwesten auch im
Westen und Südwesten erste Schauer möglich.
Im Tagesverlauf greifen schließlich von Frankreich und Benelux her teils starke
Gewitter auf den Südwesten, Westen und Nordwesten über. Dabei nimmt aufgrund
zunehmender Scherung (DLS 10 bis 15 m/s), hohem CAPE (um 1500 J/kg) und hoher
PPWs um 35 mm, die Wahrscheinlichkeit für einzelne unwetterartige Entwicklungen
mit heftigem Starkregen, Hagel und teils schweren Sturmböen vor allem nach
Nordwesten hin zu. Auch aus den Alpen heraus können starke Gewitter, eventuell
mit größerem Hagel ins Vorland ausgreifen.
Vor allem über dem Nordwesten sind organisierte Strukturen möglich. Wie weit die
Gewitter nach Osten vorankommen, ist unsicher. Zum Nachmittag oder Abend könnten
sie Mecklenburg erfassen und stärker nach Bayern hinein ausgreifen. ICON ist
hier deutlich zurückhaltender, als IFS und vor allem GFS.

Außerdem wird es fast im ganzen Land sehr warm bis heiß und teils schwül mit
Höchstwerten zwischen 26 und 32 Grad.

In der Nacht zum Freitag bildet sich in der Rinne über Skandinavien ein Tief,
wobei die Kaltfront im Laufe der Nacht diagonal über Norddeutschland schleift.
Sie geht dort in die Warmfront einer Welle über, die sich unter der Vorderseite
eines markanten Randtroges bei Irland entwickelt und nach Nordfrankreich zieht.

Wahrscheinlich in einem Streifen von NRW und Rheinland-Pfalz bis zur Ostsee
kommt es zu weiteren Schauern und Gewittern, die zwar nachlassen, aber
möglicherweise nicht ganz zum Erliegen kommen, bzw. über Benelux durch neue
Gewitter ersetzt werden. Vor allem Starkregen ist nachts weiter möglich. Auch
weiter im Süden sind, entgegen der Simulation der ICON Modellkette, einzelne
kräftige Gewitter nicht ausgeschlossen.

Die Nacht wird mild mit Frühwerten zwischen 20 und 13°C.


Freitag... greift der markante Randtrog auf Frankreich und die Nordsee über, was
uns unter seine diffluente Vorderseite bringt. Die Welle zieht dabei unter
Intensivierung nach Norddeutschland und an ihrer Südflanke nimmt die Scherung
über Deutschland weiter zu. Neben DLS bis 20 m/s, sind auch niedertroposphärisch
hohe Scherungswerte zu finden, begleitet von niedrigem HKN und hohen SRH Werten.
Ansonsten sind die Luftmasseneigenschaften ähnlich denen des Vortags mit
entsprechend weiter gesteigerter Dynamik. Die Wahrscheinlichkeit für die Bildung
von Superzellen nimmt zu und auch vereinzelte Tornados sind im Tagesverlauf
nicht ausgeschlossen, wenn sich ab den Mittagsstunden von Westen und Nordwesten
beginnend wieder neue, teils schwere Gewitter bilden, bzw. über Benelux
aufziehen. Die Unwettergefahr steigt gegenüber Donnerstag an, sodass der Freitag
den Höhepunkt der Schwergewitterlage markieren dürfte.

Bei Oberwinden um 50 kt über dem Norden sind neben heftigen evtl. auch extremen
Starkregen schwere Sturmböen und auch größerer Hagel mögliche
Begleiterscheinungen. Die Unsicherheiten sind aber noch erheblich, je nach
Organisationsgrad, in Linien oder bei Superzellen wären auch Orkanböen denkbar.

Im Süden ist die Unwettergefahr geringer, die Modelle sparen ihn teilweise
komplett aus, was aber nicht sehr wahrscheinlich sein dürfte. Auch dort können
sich wahrscheinlich (eher einzelne) starke Gewitter mit Unwetterpotential vor
allem durch Hagel und Starkregen bilden.
Am wenigsten passiert wohl nördlich der Zugbahn der Welle in gemäßigter und
recht stabiler Luft. Die Temperaturen steigen im Süden bis 33°C, ganz im Norden
nur 20 bis 23°C und an der See werden wohl die 20°C nicht geschafft.

Abends und in der Nacht zu Samstag verlagert sich das Wellentief ostwärts
Richtung Nordpolen, wobei auf dessen Rückseite die Kaltfront rasch nach
Süddeutschland vorankommt und die feucht warme Gewitterluft durch gemäßigte und
stabile Luftmassen von Nordwesten her ersetzt werden.
Bevor es soweit ist, ziehen noch Gewitter, teils auch nicht gewittriger
Starkregen (bis WU) über den Norden und Nordosten ab und auch an der Kaltfront
sind vor allem anfangs starke, teils linienhaft organisierte Schauer und
Gewitter zu erwarten. Mit Passage des Tiefausläufers und an der Südflanke der
Welle kann der Wind zum Teil stürmisch auffrischen mit Sturmböen im höheren
Bergland und bei Gewittern.

Der Ablauf ist im Detail, sowohl tagsüber, als auch nachts noch sehr unsicher.
Neben der Konvektion wirft die Zugbahn der Welle Fragen auf. Großartige Zweifel
an der kommenden Schwergewitterlage bestehen aber nicht.


Modellvergleich und -einschätzung
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Der Ablauf ist in groben Zügen einigermaßen sicher. Was die Details angeht,
wurde im Text schon etwas erläutert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner