DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-05-2022 08:01
SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 12.05.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wa (West antizyklonal, gerne auch mal "nördliche Westlage" genannt)

Heute im Süden Kaltfront mit präfrontalen Gewittern (meist markant, WU nicht
ganz ausgeschlossen). Auch morgen im Süden noch einzelne Gewitter (vor allem mit
Starkregen). Ansonsten überschaubare atmosphärische Regungen mit etwas Wind im
Norden, kaum Regen (schlecht!) und nicht mehr so hohen Temperaturen wie noch am
Mittwoch.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Donnerstag... befindet sich Deutschland zwischen einem sehr breit angelegten
Höhentrog über Nordeuropa und einem weitgehend zonal angeordneten Rücken im
Süden, der etwa von NW-Afrika und der Iberischen Halbinsel bis hinüber zum
Schwarzen Meer reicht. Daraus resultiert bei uns eine leicht flatternde
westliche Höhenströmung, in der ein Kurzwellentrog gerade dabei ist, uns in
Richtung Polen/Baltikum zu verlassen. Im Verbund mit einer Kaltfront, über die
noch zu schreiben sein wird, hat das gute Stück die Nachtdienste mit Gewittern
und teils kräftigen Windböen mehr auf Trab gehalten als geplant. Inzwischen hat
sich die Lage trogrückseitig weitgehend beruhigt. Welche Rolle das nächste
KW-Exemplar spielen wird, das am Nachmittag/Abend von Benelux her die Nordhälfte
erreicht, dazu später mehr.

Zunächst mal zur Kaltfront, die zu einem mehrkernigen Tiefkomplex bestehend aus
ZOEY, XAVERINE und YANNICKA über Nordeuropa gehört. Sie hat mit leicht
schleifender Tendenz den Norden und Westen sowie die westliche Mitte des Landes
bereits überquert (06 UTC etwa vom Saarland bis zur Lausitz reichend) und wird
in den nächsten Stunden ihren Weg nach Süden fortsetzen. Besonders flott ist sie
freilich nicht unterwegs, was u.a. an der mangelnden Schubkomponente sowie der
nahezu höhenströmungsparallelen Exposition liegt. Im Süden wird das nicht
besser, im Gegenteil, die Front muss dort noch gegen eine umfangreiche
Hochdruckzone anlaufen, die das atlantische Hoch XENOPHON mit dem Hoch WOLF über
dem Schwarzen Meer verbindet. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass
die Front die Alpen nicht erreicht und stattdessen irgendwo im Donauraum
liegenbleibt.

Rückseitig setzt sich der schon begonnene Luftmassenwechsel fort, bei der die
von Westen einströmende subpolare Meeresluft die gestern noch in weiten Teilen
wirksame Warmluft ersetzt. Nicht nur T850 geht zurück (am Nachmittag im Norden
um 3°C, in der Mitte um 6°C), auch der Taupunkt (Richtung einstellig) sowie
allgemein der Wasserdampfgehalt der gesamten Luftmasse (PPW auf unter 15 mm)
sind klar auf dem Rückzug, und das bei zunehmender Stabilisierung der
Schichtung. KLA-bedingtes Absinken lässt auf etwa 700 hPa eine Inversion
entstehen, die eine labil geschichtete Grundschicht von einer abgetrockneten
Mitteltroposphäre trennt. Mit Unterstützung des Tagesgangs bilden sich
Quellungen, die an der Inversion gedeckelt werden. Für mehr als einzelne
schwache Schauer im Norden wird das nicht reichen, die deutsche Modellkette -
traditionell zurückhaltend bei schwachen Niederschlägen - simuliert sogar
weitgehend trockene Verhältnisse. Auch der oben bereits erwähnte KW-Trog, der
sich von Westen hereinmogelt, wird keine Bäume ausreißen, weil einfach die
Luftmasse nicht passt und zu wenig hergibt (im Gegensatz zu vergangenen Nacht,
wo die präfrontale Warmluft offensichtlich mehr Potenzial hatte als zuvor
angenommen). Kurz noch zum Wind, der im Nordosten aus westlichen Richtung
kommend mit Abzug eines Bodentroges und damit eihergehender Gradientauffächerung
nachlässt. Übrig bleiben einige Böen 7 Bft an der See (vor allem Ostsee und
nordfriesische Küste), im nördlichen Binnenland (SH) sowie in einigen freien
Lagen inkl. des höheren Berglands (Brocken/Fichtelberg Böen bis 8 Bft).

Nun noch in den Süden des Vorhersageraums, wo kein Luftmassenwechsel ansteht. In
der potenziell instabilen Warmluft (T850 10 bis 14°C, PPW bis 25 mm oder etwas
darüber, spezifische Grundschichtfeuchte bei 8/9 g/kg) mit heute etwas CAPE
generiert (maximal nur wenige 100 J/kg), aus der sich trotz Deckelung konvektiv
zumindest leidlich etwas machen lässt. Für die ganz große Nummer reicht es
freilich nicht, dazu fehlt es an Dynamik (aus der Höhe kommt so gut wie nix und
auch die Kaltfront ist alles andere als ein Modellathlet) und auch die
Luftmassenqualität ist limitiert (u.a. hohes HKN, dazu nur schmale
Labilitätsfläche, die z.T. allerdings über 400 hPa hinaufreicht). Kurzum, etwa
ab dem späten Nachmittag können sich mit Hilfe der Orografie im Südschwarzwald
sowie an den Alpen einzelne Zellen entwickeln, die bis auf das südliche Vorland
übergreifen können. Denkbar ist auch, dass es vom Jura bzw. den Vogesen einzelne
Schauer und Gewitter bis in den äußersten Südwesten schaffen. Die
Scherungsbedingungen sind überschaubar, so dass in der Basis von markanten
Entwicklungen auszugehen ist, bei denen Starkregen bis 25 l/m² innert kurzer
Zeit oben auf der Agenda steht. Kleinkörniger Hagel (worst case 1,5-2 cm)
und/oder Böen 7-8 Bft (worst case 9 Bft) reihen sich etwas dahinter ein, sollten
aber nicht vernachlässigt werden. Hinweise auf lokale Unwetter mit mehr als 25
l/m² liegen zwar nicht vor, was der durchaus vorhandenen Zuggeschwindigkeit
geschuldet sein kann. Genaueres weiß man aber natürlich erst im Nowcast und es
würde den Verfasser nicht wundern, wenn nicht doch irgendwo mal mehr als 25 l/m²
in den Topf fallen (z.B. direkt an den Alpen).
Was man besser weiß sind die für heute apostrophierten Temperaturen, die
gegenüber gestern einen deutlichen Abschlag hinnehmen müssen. Zwar reicht es im
Süden vielerorts wieder für einen Sommertag, die "30" blinkt aber nicht mehr auf
(max. 28°C in Oberbayern). Sonst liegen die Höchstwerte häufig zwischen 20 und
24°C, ganz im Norden sogar etwas unter 20°C und direkt an der See mit
auflandigem Wind nur bei 15 bis 17°C.

In der Nacht zum Freitag ändert sich nicht allzu viel an der großräumigen
Konstellation. Der o.e. KW-Trog verpufft über der Nordhälfte auf seinem Weg nach
Osten, allerdings nähert sich zum Morgen hin von der Nordsee noch ein weiterer
(inzwischen der dritte) Randtrog. Dieser verfügt über ein solides PVA-Maximum,
gefolgt von WLA, so dass es in Nordseenähe etwas regnen kann. Ansonsten lockert
die Bewölkung in weiten Teilen des Vorhersageraums auf, was die Temperatur in
der trockenen Luft dazu bewegt, in den einstelligen Bereich abzusinken. Hier und
da wird sogar die 5°C-Marke angekratzt oder knapp unterschritten, für Frost in
Bodennähe sollte es ab selbst über trockenen Sandböden nicht reichen. Tja liebe
Leute, mit den Eisheiligen ist halt nicht mehr viel los (heute Pankratius,
morgen Servatius), die einst so "gestrengen Herren" sind altersweise und
handzahm geworden, da gab schon ganz andere Zeiten.

Im Süden merkt man nicht mal ansatzweise, dass wir uns aktuell in der
Eisheiligenzeit befinden. In der feuchteren Luft und bei vielfach vorhandener
starker Bewölkung bleiben die Tiefstwerte zweistellig. Die Schauer- und
Gewitteraktivität vom Nachmittag/Abend kommt nicht wirklich zur Ruhe, vielmehr
deutet sich unter der leicht zyklonal konturierten Höhenströmung eine
Verclusterung der Zellen. Insbesondere für das Alpenvorland bedeutet das
schauerartiger, teils gewittriger Regen mit lokaler Starkregengefahr (auch
mehrstündig).

Freitag... schwenkt der dritte KW-Trog zügig über den äußersten Norden ostwärts.
Dahinter dreht die Höhenströmung leicht nach rechts auf West-Nordwest, wobei die
Strömung allgemein über Deutschland nachlässt. Für den bodennahen Wind trifft
diese Aussage nicht ganz zu, frischt der westliche Wind im Norden doch soweit
auf, dass nicht nur an der Küste, sondern auch im Binnenland die eine oder
andere Böe 7 Bft um West am Start ist (exponierte Küstenabschnitte und Brocken 8
Bft). Getriggert wird das Ganze durch das Tief ZOEY über dem Europäischen
Nordmeer, das mit der weiterhin im Süden liegenden Hochdruckzone zumindest im
Norden einen soliden Gradienten am Leben hält. Mit dem Westwind wird weiterhin
subpolare Meeresluft in den Norden gespült (T850 um 3°C), in der es wechselnd
bis stark bewölkt ist und sich zudem meist schwache Schauer bilden (leichter
Anstieg der Inversion durch Trogpassage). Dazu gibt es leicht unterkühlte
Tageshöchsttemperaturen von 16 bis 20°C, an der See z.T. sogar nur 14 oder 15°C.


Zur Mitte hin nimmt nicht nur der antizyklonale Einfluss zu, auch der Gradient
weicht merklich auf. Die Folge ist ein breiter und vergleichsweise windschwacher
Streifen mit viel Sonnenschein, in dem die Temperatur auf 20 bis 25°C steigt.
Wetteranfällig bleibt der äußerste Süden, wo nach wie vor die feuchte und
potenziell instabile Warmluft lagert, auch wenn T850 etwas zurückgeht (maximal
nur noch 11°C). Abermals wird etwas CAPE zur Verfügung gestellt, das - nachdem
sich die nächtlichen Reste der Schauer und Gewitter im Laufe des Vormittags mehr
und mehr zu den Alpen zurückziehen - im Tagesverlauf in einzelne konvektive
Umlagerungen umgesetzt werden kann. Abermals wird dazu die Hilfe der Orografie
benötigt, wobei der Schwarzwald möglicherweise als Geburtsstätte ausscheidet
(zunehmende Stabilisierung und Abtrocknung von Norden her). Fraglich ist
freilich auch noch, inwieweit die Restbewölkung aus der Nacht den Energieinput
hindert (=> weniger CAPE). Fakt ist, dass die Scherungsbedingungen schwächer
werden, was die Wahrscheinlichkeit organisierter Zellen herabsetzt. Primär ist
weiterhin auf Starkregen zu achten, wobei eine lokale Unwettergefahr nicht
völlig wegzudiskutieren ist (langsame Zellen).

In der Nacht zum Samstag steigen Luftdruck und Geopotenzial von Westen her
langsam an. In der Höhe nähert sich ein flacher Rücken, am Boden etabliert sie
ein 1020iger Hoch, das sich vom Seegebiet westlich der Biskaya bis nach
Tschechien und Österreich erstreckt. Nördlich davon bleibt ein leidlicher
Gradient erhalten, der an der Küste noch für die eine oder andere steife Böe 7
Bft aus Südwest gut ist. Ansonsten gilt es noch die Reste der Tageskonvektion im
Süden abzuarbeiten. Dabei deutet sich ein Rückzug an bzw. in die Alpen an, wobei
das Warnmanagement selbstverständlich in situ erfolgen muss. Achtung, gerade in
den westlichen Mittelgebirgen sinkt die Temperatur z.T. auf unter 5°C ab, so
dass Bonifatius zumindest in Bodennähe lokal und auch nur sehr kurzzeitig für
leichten Frost sorgen könnte (z.B. in der Eifel).

Samstag... ist die Geschichte vergleichsweise schnell erzählt. Der Rücken rückt
uns unter leichter Aufwölbung noch etwas dichter auf die Pelle, während das
Bodenhoch etwas nach Norden wandert. Damit dreht der Wind zunehmend auf Nordwest
bis Nord. Im Nordosten ist er dabei noch längere Zeit (bis in den Nachmittag)
flott unterwegs mit Böen 7 Bft (Rügen exponiert vielleicht 8 Bft) an der See
sowie im küstennahen Binnenland. In weiten Teilen des Landes scheint die Sonne,
deren wärmende Wirkung im Norden allerdings durch mal mehr, mal weniger dichte
Quellungen (Inversion etwa bei 800 hPa, darunter labile Grundschicht) gedämpft
wird. Immerhin steigt die Temperatur dort auf 19 bis 23°C (abzüglich der Küste)
und für Schauer dürfte es aufgrund der limitierten vertikalen Mächtigkeit der
CUs nicht reichen. Im Süden und in der Mitte erwärmt sich die Luft auf 22 bis
27°C, wobei sich die Luftmasseneigenschaften immer weiter vermischen. Oder mit
anderen Worten, die feuchte und instabile Warmluft im Süden ist ausgelutscht
respektive hat sich aufgebraucht, so dass nur noch am Alpenrand eine geringe
Restwahrscheinlichkeit für konvektive Umlagerungen in Form von Schauern und
einzelnen gegeben ist.

Die Nacht zum Sonntag wird eindeutig von Hochdruck bestimmt, heißt keine
Niederschläge und Gewitter mehr, dazu verbreitet gering bewölkte oder klare
Verhältnisse. Im Nordwesten besteht eine gewisse Nebel- bzw. Hochnebelneigung.




Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die Modelle sind sich weitgehend einig, nennenswerte Differenzen sind nicht
erkennbar.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann