DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-04-2022 08:30
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 29.04.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Hoch Britische Inseln (HB)

Am Samstag und Sonntag vor allem in der Südhälfte Gewitter. Ansonsten
unterschiedlich bewölkt und recht ruhig.


Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... fallen auf der Wetterkarte (genauer: 500 hPa) ein Langwellentrog über
dem Nordosten Europas und ein Höhenkeil westlich der Iberischen Halbinsel und
der Biskaya auf. Die beiden Systeme liegen recht weit auseinander, so dass sich
zwischen ihnen eine recht schwache und stark mäandrierende Strömung eingestellt
hat, mit anderen Worten, es werden kleinere Tröge und Rücken von Nordwest nach
Südost gesteuert. Bodennah dominiert eine umfangreiche Hochdruckzone mit
Schwerpunkt im Bereich Irlands. Da über dem Süden Europas generell niedriger
Druck herrscht, kommt der Wind bei uns vorwiegend aus östlichen bis nördlichen
Richtungen. Damit kann die strahlungsbedingte Erwärmung die Zufuhr tendenziell
kühler Luft kompensieren und bei uns stellt sich ein recht durchschnittliches
Temperaturniveau ein mit etwa -2°C in 850 hPa heute Mittag im Norden
Schleswig-Holsteins und +8°C in den Alpen. Die aktuell bei uns liegende
Luftmasse ist insbesondere in der mittleren Troposphäre durch Absinken stark
ausgetrocknet, bodennah ist sie jedoch etwas feuchter, was heute tagsüber
regional für Quellwolkenbildung spricht. Dabei sind in unterschiedlichen
Regionen Deutschlands unterschiedlich hohe (zwischen 900 und 700 hPa schwankend)
und starke Inversionen vorhanden, wobei das Bild etwas unübersichtlich ist.
Ansonsten prägt heute im Umfeld der Nordsee von dort heranziehender Stratus bzw.
Stratocumulus teilweise das Wetter. Interessanter ist aber ein Kurzwellentrog,
der sich in der oben beschriebenen Höhenströmung heute von Großbritannien nach
Benelux verlagert, also genau über die Hochdruckzone hinweg. Allerdings kann er
dem Hoch kaum etwas anhaben, der Druck fällt nur leicht. Erst über
Süddeutschland setzt dann im Laufe des Tages etwas stärkerer Druckfall ein (etwa
um 4 hPa). Hebung ist aber an diesem Trog durchaus gegeben und wird durch PVA
generiert. Deswegen ziehen schon jetzt aus dem Westen und Nordwesten hohe und
zunehmend auch mittelhohe Wolkenfelder auf, die sich heute im Tagesverlauf auf
immer mehr Landesteile Deutschlands ausweiten und auch zunehmend verdichten.
Lediglich der Südosten und der äußerste Nordosten bleiben noch außen vor.
Allerdings werden die Wolken durchaus noch locker und dünn genug sein, dass die
Sonne zum Zuge kommen kann. Sie treibt die Temperatur heute nochmal in den
meisten Landesteilen auf frühlingshafte 17 bis 22°C, lediglich im Nordwesten
bleibt es im Bereich der kälteren Luftmasse kühler, insbesondere um die Nordsee
herum, wo auch die Einstrahlung stark limitiert ist, werden es wohl nur um 11°C.


Im Laufe des Nachmittages wird dann in den Westen des Landes auf der
Trogvorderseite etwas feuchtere Luft eingesteuert und zusätzlich sorgt dort die
einsetzende dynamische Hebung für Labilisierung, was geringes CAPE (unter 100
J/kg) generiert. Zunächst gibt es im Bereich um 600 hPa (-13°C) dort noch eine
deutliche Inversion, die die Schauertätigkeit limitiert und Gewitter trotz
zunehmender dynamischer Hebung noch unwahrscheinlich macht.

In der Nacht zum Samstag tropft der Kurzwellentrog ab und wandelt sich in ein
Höhentief, dessen Kern sich langsam über die Niederlande hinweg in den Westen
Deutschlands verlagert. Auf seiner Vorderseite kommt es vor allem über dem
Südwesten Deutschlands zu starker PVA und daraus resultierender dynamischer
Hebung. In der Folge soll sich über dem Westen Deutschlands zunehmend ein Gebiet
mit schauerartigen Regenfällen bilden, welches sich allmählich organisiert und
zur Mitte und in den Südwesten verlagert. Oberhalb einer sich in der Nacht
ausbildenden stabileren Grenzschicht bleibt durch die Hebung eine leicht labile
Schicht mit minimalem CAPE vorhanden, wobei diese Schicht zunehmend bis in 500
bis 400 hPa reicht, so dass es prinzipiell für Gewitter reichen könnte.
Allerdings werden diese höchstens sehr vereinzelt auftreten, wenn aber, dann
sollte bei 15 bis 20 l/m² ppw und sehr langsamen Verlagerungsgeschwindigkeiten
(deutlich unter 10 km/h) auch ein lokales Überschreiten der Starkregenkriterien
(15 l/m² in kurzer Zeit) nicht ausgeschlossen werden.
In den übrigen Regionen Deutschlands bleibt die Wetterlage noch ruhig, im
Verlauf der Nacht breiten sich aber hohe und mittelhohe Wolken dann im ganzen
Land aus. Ganz im Norden (dort bei kühlerer Luftmasse) und im Südosten (am
längsten klar) kann es noch einmal Bodenfrost geben, in 2 m Höhe sollte es
allgemein frostfrei bleiben. Im übrigen Land verhindern die Wolken allzu starkes
Auskühlen und die Tiefstwerte liegen meist zwischen 8 und 3°C. Nebel sollte auch
kein großes Thema mehr sein.

Samstag... verlagert sich das Höhentief nur sehr langsam südostwärts. Stärkere
PVA gibt es anfangs vor allem im Süden Deutschlands, diese wird aber im
Tagesverlauf immer schwächer. Insbesondere vom Südwesten bis zur Mitte
Deutschlands kann sich aber im Bereich der feuchtesten Luftmasse (ppws weiter
über 15 l/m²) etwas mehr CAPE (wenige hundert J/kg) als am Vortag aufbauen, und
zwar trotz recht wenig Einstrahlung in dieser Region. Die schauerartigen
Regenfälle aus der Nacht dürften sich am Vormittag erst mal etwas abschwächen,
bevor dann in einem breiten Streifen von Baden-Württemberg bis nach
Mitteldeutschlands wieder neue Schauer und Gewitter entstehen. Viel Scherung ist
in dieser Zone nicht prognostiziert, aufgrund in allen Niveaus schwacher Winde,
deswegen sind aber auch zu erwartenden Zuggeschwindigkeiten der Gewitter sehr
niedrig. Damit besteht weiterhin Starkregengefahr im markanten Bereich, sowohl
was das einstündige, als auch was das sechsstündige Kriterium angeht. Vielleicht
ist auch mal kleinkörniger Hagel oder eine steife Böe dabei, für viel mehr
Spektakel sollten aber die samstäglichen Gewitter nicht sorgen. Eine weitere
Gewitterzone sollte sich im Tagesverlauf aus den Alpen heraus nach Südbayern
verlagern, dort liegen wir noch so weit vorderseitig, dass etwas dynamische
Hebung im Spiel ist. Ansonsten sollten sich aber die Eigenschaften der dortigen
Gewitter nicht von den oben erwähnten unterscheiden. In den übrigen Regionen
Deutschlands werden zwar viele Wolken über den Himmel ziehen, allerdings sollte
es weitgehend trocken bleiben. Am meisten Sonne gibt es an den Rändern
Deutschlands rund um Nord- und Ostsee, Lausitz und Südostbayern. Insbesondere im
Osten und Südosten wird es mit noch einmal 16 bis 20°C frühlingshaft mild, in
den übrigen Regionen muss man sich dagegen wieder mit 12 bis 16°C zufrieden
geben. Bisher noch keine Erwähnung hat der Wind gefunden: Dieser weht am Rande
der sich weiterhin leicht abschwächenden Hochdruckzone überwiegend um Nord und
schwach, tagsüber mäßig auflebend.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich das Höhentief nach Süddeutschland und
weitet sich stark in die Region südlich der Alpen aus. Von Nordwesten kommt ein
kleiner Höhenkeil herein, wohingegen über Großbritannien ein neuer Trog (mit
Höhentief vor allem in 500 hPa ausgeprägt) südwärts schwenkt. Damit setzt sich
von Nordwesten her leichtes Absinken durch, was dort für allmähliche
Wolkenauflockerung sorgt, klar wird es aber nicht, zumal der nächste Trog schon
seine ersten Vorboten in höheren Schicht schickt. Die Schauer- und
Gewittertätigkeit zieht sich langsam an die Alpen zurück und schwächt sich
allmählich ab. Ein paar Spritzer Regen kann es auch noch im Osten Deutschlands
geben. Unter Wolken geht die Temperatur meist auf Werte um 5°C zurück, im
Nordwesten wird es bei Auflockerungen kühler mit Bodenfrostgefahr, zumal dort
auch eine leicht kältere Luftmasse (0 bis -2°C in 850 hPa weitet sich etwa aus)
hereinsickert. Es wird auch einiges an Nebel simuliert, das sollte aber in
dieser Nacht nicht so das ganz große Thema sein, zumal es in den
Auflockerungsgebieten auch vorher kaum geregnet hat.


Sonntag... verlässt uns der erste Trog nach Süden, der heranrückende erreicht im
Tagesverlauf Benelux. Er ist aber sehr weit nach Westen langgezogen und weist
einen Höhentiefkern (in 500 hPa) über der Irischen See auf, dort konzentrieren
sich auch die stärksten PVA-bedingten Hebungsantriebe. Insgesamt verbleiben wir
aber in einer Region recht geringen Geopotentials, zudem schwächt sich auch die
Hochdruckzone immer mehr ab. Das führt zu einer recht antriebsarmen Lage bei
uns, quasi einem Vegetarier-Sonntag (nicht Fleisch, nicht Fisch). Der Himmel
präsentiert sich in der gesamten Nordwesthälfte wolkig bis stark bewölkt, weil
sich unter einer bei etwa 800 hPa liegenden Inversion (der schwache Höhenkeil
macht sich doch mit etwas Absinken bemerkbar) recht viel Feuchte hält und sich
damit viele Quellwolken bilden und mitunter stark ausbreiten. Es bleibt aber
trocken. Im Süden und Südosten macht sich noch etwas das abziehende Höhentief
bemerkbar, dort fehlt die Inversion und dort ist auch mehr Feuchte in der
Atmosphäre. Die bei weiterhin vorhandener Bewölkung nicht gerade üppige
Einstrahlung reicht aber, um wieder etwas CAPE (bis 200 J/kg) zu generieren.
Trotz fehlender dynamischer Hebungsantriebe sollte aber die Orographie für die
Auslösung von Schauern und einigen Gewittern ausreichen. Scherung ist quasi
nicht vorhanden und am Rande des sich abschwächenden Hochs weht auch nur sehr
schwacher Wind mit entsprechend geringen Zuggeschwindigkeiten der Schauer und
Gewitter. Deswegen darf bei zum Vortag unveränderter Luftmasse auch ein
örtliches Überschreiten der Starkregenkriterien nicht ausgeschlossen werden. Das
Temperaturniveau pendelt sich an diesem allgemein bewölkten Sonntag bei 14 bis
18°C ein, was für den ersten Mai zwar nicht schön, aber ziemlich normal ist. In
unmittelbarer Seenähe (die nördlichen Winde wehen meist auflandig) bleibt es
sogar noch etwas kühler.

In der Nacht zum Montag schwenkt der nachfolgende Trog über Deutschland
südwärts. Seine Hebungsaktivitäten beschränken sich aber auf ein weit westlich
gelegenes Gebiet im Bereich seines Höhentiefkerns, welcher das Seegebiet
westlich der Bretagne erreicht. Damit werden über Deutschland kaum weitere
Regenfälle ausgelöst und die Schauer und Gewitter fallen recht flott zusammen,
nachdem die Einstrahlung nachlässt. Somit ergibt sich eine unterschiedlich
bewölkte und vorwiegend trockene Nacht. Die Tiefstwerte werden dann meistens bei
7 bis 3°C erwartet. Wenn es im Nordwesten auflockert, kann es dort auch noch
etwas kühler werden und dort besteht auch wieder Bodenfrostgefahr. Einmal mehr
wird recht viel Nebel simuliert. Das mag realistisch sein, wenn sich im Süden
nach den Schauern die Wolken auflockern, auch wenn so ein riesiges Stratusgebiet
wie von ICON simuliert eher unwahrscheinlich ist. Im Nordwesten, wo länger kein
Regen gefallen ist, sollte auch bei Auflockerungen oder Aufklaren Nebel nur eine
sehr untergeordnete Rolle spielen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle simulieren die Lage sehr ähnlich.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann