DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

28-04-2022 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 28.04.2022 um 10.30 UTC



Wechselhaft aber nicht durchweg unfreundlich - im Süden täglich wiederkehrend
moderate konvektive Umlagerungen, im Norden nur geringe Schauerneigung. Kühl bis
maximal mäßig warm.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 05.05.2022


Am kommenden Sonntag beginnt nicht nur der landläufig als Wonnemonat bezeichnete
Mai. Es beginnt zudem der mittelfristige Prognosezeitraum, der sich
wetterlagentechnisch wie folgt darstellt. Mitteleuropa respektive Deutschland
befinden sich unter einer weitläufigen, von schwachen Potenzialgradienten
geprägten Trogkonfiguration, die - ausgehend von einem breiten Trog über
Nordosteuropa - zwei Äste aufweist. Einer reicht bis nach UK/Irland, der zweite
bis nach Norditalien respektive zum westlichen Mittelmeer, wo auch das
Cut-Off-Tief aus der Kurzfrist (siehe "Synoptische Übersicht Kurzfrist") zu
finden ist. Im Bodendruckfeld gestaltet sich die Angelegenheit etwas
antizyklonaler als in der Höhe. Ausgehend vom Azorenhoch mit Schwerpunkt knapp
nordwestlich der Azoren erstreckt sich eine breite, brückenartige Hochdruckzone
über Nord- und Ostsee sowie Norddeutschland hinweg bis hinüber ins nahe
Osteuropa. Unterbrocken wird die Zone lediglich von einem sich auffüllenden Tief
über UK/Irland, das für unser Wetter wahrscheinlich aber keine oder nur eine
sehr eingeschränkte Bedeutung hat.
Wichtiger ist vielmehr die Tatsache, dass sich bereits zuvor über dem Süden des
Landes eine flache Tiefdruckrinne etabliert hat, die mit mäßig warmer und
feuchter, potenziell instabiler Luft gefüllt ist (T850 2 bis 5°C; nach Norden
hin um oder etwas unter 0°C). Dort entwickeln sich mit dem Tagesgang Schauer und
einzelne Gewitter, die bis in die östliche Mitte ausgreifen können.

Zu Beginn der neuen Woche ändert sich gar nicht ml so viel an der beschriebenen
Konstellation. In der Höhe bleibt eine extrem schwache Zonalströmung erhalten,
auch wenn von Norden her die Frontalzone einen Tick näher an den Vorhersageraum
heranrückt. Der dadurch ausgelöste Druckfall lässt die brückenartige
Hochdruckzone zwar etwas schwächeln, verschwinden tut sie aber nicht. Mit der
Temperatur geht es etwas bergauf (T850 am Dienstagabend zwischen rund 0°C in
Küstennähe und bis zu 8°C im Alpenvorland), ansonsten gilt weiterhin: im Süden
und teils auch in der Mitte tagesgangbedingte Konvektion, im Norden nur schwache
Schauerneigung.

Dass manche Wetterlagen, so sie sich erst mal eingepegelt haben, über eine hohe
Persistenz verfügen, deutet sich für Mittwoch und Donnerstag an. Wurde gestern
noch auf eine Austrogung von Norden her mit einhergehendem Kaltlufteinbruch
gesetzt, scheint es Stand heute auf eine Fortsetzung des Wettercharakters vom
Wochenanfang hinauszulaufen. Bei weiterhin schwachen Gradienten sind Isohypsen
und Isothermen zonal orientiert, wobei im Norden ein flacher Randtrog
durchschwenkt. Seine Wirkung bleibt aber limitiert (nur schwache
Schaueraktivität), weil die Luft nicht gerade vor Wasserdampf trieft und zum
Donnerstag hin die Hochdruckbrücke wieder etwas stärker wird.
Da es im Süden zu keinem Luftmassenaustausch kommt, muss dort weiter mit
Schauern und Gewittern gerechnet werden. Fraglich bleibt, wie weit diese bis zur
Mitte ausgreifen.

Trend für die erweiterte Mittelfrist: Am Freitag wenig Änderung (leichte
Rückzugstendenzen der Konvektion in die Gebiete südlich der Donau). Im Laufe des
Wochenendes von der Nordsee her Annäherung eines markanten Randtrogs =>
allgemein unbeständiger.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis einschließlich kommenden Dienstag bleibt IFS (ECMF) seiner gestrigen Linie
treu und auch im Vergleich mit anderen Globalmodellen halten sich die
Unterschiede in Grenzen. Charakteristisch ist die im Süden täglich aufflammende
konvektive Aktivität (Schauer und Gewitter), die von IFS vor allem ab Dienstag
sehr aggressiv bis zur östlichen Mitte ausgreifend simuliert wird.
Ab Mittwoch nehmen die Unterschiede zu den gestrigen Modellläufen zu. Der
gestern noch apostrophierte Kaltlufteinbruch von Norden her scheint vom Tisch.
Stattdessen deutet sich eine Fortsetzung des Wetters vom Wochenanfang an,
sprich, tagesgangbedingte Schauer und Gewitter im Süden, im Norden nur wenig
Niederschlag, dabei kaum Temperaturänderung (heißt mäßig warm, im äußersten
Norden eher kühl).

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Wie zuvor schon angedeutet, befinden sich die anderen Globalmodelle (ICON, GFS,
GEM, UKMO) auf sehr ähnlicher Linie wie IFS. Am ehesten hängt noch das
kanadische GEM der gestrigen IFS-Lösung etwas nach. Ansonsten gilt, dass die
Druck- und Potenzialfelder nicht zu 100% kongruent sind, was aber normal ist.
Der auffälligste Unterschied, der auch wetter- respektive warntechnische
Konsequenzen hat, betrifft das konvektive Geschehen im Süden des
Vorhersageraums. Vor allem von Dienstag bis Donnerstag lässt IFS die Schauer und
Gewitter recht weit nach Norden ausgreifen (Osthessen, Südthüringen, Sachsen),
während es die meisten anderen Modelle beim südlichen Bergland bzw. dem
Alpenrand belassen.
Zum Ende hin lässt GFS bereits im Laufe des Donnerstags eine Kaltfront von der
Nordsee auf Teile Deutschlands übergreifen, was von IFS und GEM nicht gestützt
wird. Übrigens auch nicht von den meisten GFS-Ensembles, wo der Hauptlauf
deutlich den unteren Rand der Lösungen markiert.


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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen in der Summe einen
gutmütigen Verlauf. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Spreizung
des Ensembles im Laufe langsam zunimmt, bei der 850-hPa-Temperatur etwas eher
als beim 500-hPa-Geopotenzial. Zwar grätschen einige Lösungen nach unten weg,
das Gros der Mitglieder folgt aber eindeutig dem Haupt- und Kontrolllauf, was
den gestern in der zweiten Wochenhälfte noch avisierten Kaltlufteinbruch immer
unwahrscheinlicher werden lässt. In dieses Horn stößt im Grunde ja auch das
Ensemble von GFS.
Beim Niederschlag fällt auf, dass die offensive Variante des Hauptlaufs mit den
weit nach Norden, bis zur östlichen ausgreifenden Schauern und Gewittern von
sehr vielen EPS-Mitgliedern mitgetragen wird. Im Norden (Referenz HH und HRO)
ist zwar eine Zunahme der RR-Signale in der zweiten Wochenhälfte erkennbar, die
Signaldichte fällt aber dünner aus als das, was für den Süden angeboten wird.

Noch kurz der gewohnte Exkurs zu den Clustern von IFS-EPS, die für T+72...96h
(Sonntag/Montag) und T+120...168h (Dienstag bis Donnerstag) jeweils nur eine
einzige Schublade öffnen. Beide zeigen eine Blockierung über dem nahen Atlantik
(Klimaszenario "Atlantischer Rücken"). Erst in der erweiterten Mittelfrist ab
Freitag (T+192...240h) werden drei Lösungen angeboten (20 Fälle, 16 + HL, 15 +
KL), von denen CL3 eindeutig den antizyklonalsten Part innehat (Hochdruckbrücke
mit überlagertem Rücken).

FAZIT: Der Generalkurs für Sonntag und die kommende Woche scheint unstrittig,
auch wenn so wichtige Detailfragen wie die Nordausdehnung süddeutscher
Konvektion noch nicht abschließend beantwortet werden können. Gleiches gilt für
die Entwicklung in der erweiterten Mittelfrist.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Hier steht vor allem das konvektive Geschehen in Süddeutschland auf der Karte.
Über den gesamten Vorhersagezeitraum hinweg sind mit Unterstützung des
Tagesgangs Gewitter möglich. Aufgrund der geringen Verlagerungsgeschwindigkeit
muss dabei mit Starkregen im markanten Bereich gerechnet werden. Gerade an den
Alpen kann auch mal kleinkörniger Hagel dabei sein. Unwetter sind
unwahrscheinlich, da erstens der Gehalt an niederschlagbarem Wasser begrenzt ist
(PPW meist unter 20 mm, keine "echte" Subtropikluft) und zweitens sehr
undynamische Rahmenbedingungen herrschen. Dass es hinsichtlich der räumlichen
Ausdehnung der Gewitter noch Klärungsbedarf besteht, wurde bereits mehrfach
erwähnt.

Nicht erwähnt wurde, dass trotz des wahrscheinlich nicht stattfindenden
Kaltlufteinbruchs die Nächte ziemlich frisch bleiben. Bevorzugt im Norden
(ungünstige, trockene Lagen) und in einigen Mittelgebirgssenken (-mulden,-
tälern) ist die Gefahr von zumindest leichtem Frost in Bodennähe weiterhin
gegeben.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und IFS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann