DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-04-2022 08:01
SXEU31 DWAV 260800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 26.04.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Mittelding zwischen HNa und HNz (Hoch Nordmeer antizyklonal bzw. zyklonal),
danach Übergang zu HB (Hoch Britische Inseln)

Heute im Süden und in der Mitte Passage eines kleinen Höhentiefs mit Regen und
Gewittern. Danach Übergang zu Hochrandlage (Gott zum Gruße TIM). Vor allem in
den Nächsten weiterhin frisch mit Bodenfrostgefahr.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... steht ganz klar im Zeichen eines kleinen aber feinen und vor allem
wirkungsvollen Höhentiefs, das mangels adäquaten Partners am Boden (okay, das
Druckfeld ist deutlich zyklonal deformiert, aber ein echtes Tief ist nicht
auszumachen) den Status eines Kaltlufttropfens (KLT) besitzt. Sein Drehzentrum
ist heute früh über Rheinland-Pfalz zu finden. Das gute Stück ist angefüllt mit
höhenkalter Luft bis zu -30°C auf 500 hPa bei gleichzeitig rund 0°C auf 850 hPa
- nach A. Riese und E. Zwerg macht das satte 30 Grad Differenz. Und so
verwundert es auch nicht, dass die Lapse-Rate 2-4 km auf dunkelrot steht und der
Luftmasse eine hohe Labilität attestiert werden kann, die - so zeigen
übereinstimmend der Nachtaufstieg von Idar-Oberstein und die Prognosetemps im
KLT-Bereich - bis etwa 450 hPa hinaufreicht. Nicht ganz so euphorisch fällt das
Urteil in Bezug auf den vertikalen Wasserdampfgehalt respektive das
niederschlagbare Wasser aus. PPWs um oder etwas über 15 mm hauen niemanden aus
dem Sattel und selbst Ende April hat man schon mehr gesehen. Der Grund für das
"Wassersparprogramm" ist aber schnell gefunden. So handelt es sich bei der
Luftmasse nicht etwa um eine klassisch angefeuchtete Subtropikluft
beispielsweise aus dem Mittelmeerraum, sondern vielmehr um eine modifizierte
Kontinentalluft, die von Osten bzw. Nordosten in die Zirkulation einbezogen
wurde. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, wie gestern bereits
eindrucksvoll bewiesen, kann es trotzdem ordentlich schütten bis hin zu lokalen
Starkregenfällen, die auch heute an der einen oder anderen Stelle wieder drohen.


Doch der Reihe nach. Zunächst mal gilt es zu konstatieren, dass das Zentrum des
KLTs (gemeint ist die Vertikalachse) im Laufe des Tages langsam aber stet via
RMG/Südhessen nach Nordbayern zieht. Ausgelöst durch PVA, die z.T. mit WLA
interagiert, kommt ein Gebiet mit konvektiv durchsetzten Regen zusammen, der
sich kranzförmig um das Höhentief wickelt (vor allem auf der Ost- und
Nordflanke). Betroffen sind Teile des Südens und der Mitte, wo gebietsweise 5
bis 15, lokal um 20 l/m² innert 12 h zusammenkommen können. Es ist nicht
ausgeschlossen, dass an der einen oder anderen Stelle das mehrstündige
Starkregenkriterium von 20 l/m2 innert 6 h (mit Verlaub, eine viel zu niedrig
angesetzte Schwelle für Starkregen) gerissen wird. Das "Salz in der Suppe"
machen aber sicherlich die konvektiven Umlagerungen in Form von Gewittern aus,
die sich auch heute wieder bilden werden. Dabei gilt es besonders zwei, mit
Abstrichen drei, mit Vollkaskomentalität vielleicht sogar vier Zonen im Auge zu
behalten.

Zone 1 markiert quasi den zentralen Bereich unter dem KLT, wo die Labilität am
stärksten ist. Mit Hilfe von etwas Einstrahlung wird ein geringes Quantum an
CAPE zur Verfügung gestellt (häufig nur um oder etwas über 100 J/kg, kaum mehr
als 200-250 J/kg), was aber ausreicht, um einzelne Gewitter auszulösen.
Betroffen sind zunächst die Regionen etwa von RP bzw. Südhessen bis hinunter
nach BaWü, wo es bereits im Laufe des Vormittags losgehen kann. Später ist dann
auch noch der westliche Teil Bayerns betroffen. Die Gewitter sind kaum
organisiert und treten meist als Einzelzellen auf, bei denen Starkregen das
primär zu beachtende Begleitkriterium darstellt (Signale für "markant", aber
nicht "WU" in ICON-D2-EPS). Nach den Erfahrungen von gestern dürfte ein Teil der
Gewitter aber nur "gelbwürdig" sein.

Zone 2 befindet sich im südöstlichen Bayern, wenn man so will am warmen Rand des
kranzförmigen Regenkuchens auf der Ostflanke des KLTs. Dessen diffluente
Vorderseite sorgt für leichten Druckfall und die Bildung eines flachen Tiefs,
das rasch nach Osten abzieht und eine schwach ausgeprägte Druckwelle nach sich
zieht. Kurzzeitig dreht der Wind auf Nord bis Ost, so dass die Richtungsscherung
im unteren Troposphärenbereich vorübergehend zunimmt. Ob das sowie eine mögliche
thermische Querzirkulation durch vorherige Einstrahlung/Erwärmung ausreichen,
etwas organisiertere Gewitter entstehen zu lassen, ist fraglich. Es kann gut
sein, dass es tageszeitlich nicht gut passt und die Konvektion erst etwas weiter
östlich auf österreichischer Seite einsetzt - klassischer Fall von Nowcast. Wenn
es klappen sollte, müssten neben Starkregen auch kleinkörniger Hagel sowie
stürmische Böen 8 Bft ins Kalkül gezogen werden.

Zone 3 betrifft den weiter oben bereits erwähnten "Regenkranz", in der die
zweifelsfrei gegebenen konvektiven Einlagerungen durchaus auch gewittrig
ausfallen können. In diesem Fall wäre ebenfalls Starkregen das Maß der Dinge,
insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit dafür ebenso wie für Gewitter aber gering.

Zuletzt noch Zone 4, die sich etwas abseits des Hauptgeschehens, genau genommen
auf der Nordflanke des KLTs befindet. Sie markiert die Übergangszone zu deutlich
trockenerer und stabilerer Luft im Norden und Nordosten und erstreckt sich etwa
von NRW über Nordhessen bis ins südliche NDS, mit etwas Wohlwollen noch weiter
bis Sachsen-Anhalt und das nördliche Thüringen. Hier reicht die Labilität nicht
so weit hinauf wie weiter südlich (Maximal bis etwa 600 hPa), trotzdem wird
etwas CAPE angeboten und neben Schauern könne auch vereinzelte Gewitter nicht
ganz ausgeschlossen werden. Diese dürften dann aber mit "gelb" ausreichend
gewürdigt sein.

So, abschließend noch ein Wort zum Norden und Nordosten, die sich am Rande eines
umfangreichen Hochs (TIM) mit Zentrum über dem Europäischen Nordmeer befinden.
Von dort erstreckt sich ein Keil bis zur Nordsee respektive UK, gestützt von
einem Rücken über dem nahen Atlantik. Mit nördlichem Wind fließt trockene und
recht kühle (T850 um 0°C) aus dem Hoch aus, was vor allem dem Nordosten und dort
den ostseenahen Regionen ´ne Menge Sonnenschein beschert. Ansonsten bilden sich
unterhalb der bei 800 bis 750 hPa positionierten Absinkinversion aber mal etwas
mehr, mal etwas weniger dichte Wolken (SC/CU). Mit bis zu 17°C wird es im Norden
auch am mildesten, gilt aber nicht für die Küste, wo der kühle Wind von der See
ordentlich dämpft. Kühl auch die Mitte und der Süden, wo es kaum mal für 15°C
reicht.

In der Nacht zum Mittwoch überquert der KLT Bayern in Richtung Oberösterreich.
Damit verlagern sich auch die an Intensität merklich einbüßenden Regenfälle mehr
und mehr in den Süden und Osten Bayerns. Anfangs ist vielleicht noch ein
Gewitter am Start, die Hauptaktivität (gilt vor allem auch für den Regen) spielt
sich aber auf österreichischer und tschechischer Seite ab. In den Alpen sinkt
die Schneefallgrenze auf etwas unter 1500 m.
Ansonsten gibt es nicht allzu viel zu berichten von der Wetterfront. Besagter
Hochkeil weitet sich von der Nordsee her bis nach Deutschland aus und auch das
Potenzial beginnt von Westen her leicht zu steigen. Damit geht eine
Stabilisierung der Schichtung einher, zum Teil lockert die Bewölkung auf. Dort,
wo es tagsüber geregnet hat (vor allem Süden/Mitte) und es lange genug "offen"
ist, bildet sich teils dichter Nebel. Im Norden und Nordosten, wo die Luft nach
wie vor am trockensten ist, kühlt es bei längerem Aufklaren auf nahe 0°C oder
sogar in den leichten Frostbereich bis
-1°C ab (MOS scheint etwas zu warm). Gebietsweise tritt leichter Frost in
Bodennähe auf.

Mittwoch... setzt sich Umstellung der Wetterlage fort. Der KLT gliedert sich
einem wuchtigen Höhentrog über Nord- und Nordosteuropa an, vom dem er zum
nördlichen Balkan gesteuert wird. Derweil rückt der Rücken vom nahen Atlantik
etwas dichter an den Vorhersageraum heran, was uns eine schwache nordwestliche
bis nördliche Höhenströmung beschert. Im Bodendruckfeld verlagert das Hoch sein
Zentrum vor die schottische Ostküste (12 UTC, knapp über 1030 hPa), von wo aus
ein bis zum Baltikum reichender breiter Keil aufgebaut wird. Auf dessen
Südflanke stellt sich bei uns eine nördliche bis östliche (Südhälfte)
Grundströmung ein, mit der kühle, bestenfalls mäßig warme Luft (T850 zwischen
0°C im NO und 4°C im SW) aus Nordeuropa herangeführt wird. Vor allem nach
Nordwesten hin wird die Inversion absinkbedingt auf 800 hPa oder etwas darunter
gedrückt, während sie sonst noch etwas höher liegt (maximal um 700 hPa).
Darunter befindet sich eine labil geschichtete, von den heutigen Regenfällen
z.T. noch angefeuchtete Grundschicht, aus der heraus sich landesweit Quellungen
bilden. Diese breiten sich teilweise an der Inversion aus, so dass die
Sonnenanteile regional unterschiedlich ausfallen. Es scheint so, dass die
MOS-Rechnungen für den Westen und Südwesten etwas zu optimistisch sind. Am
dichtesten fällt die Bewölkung jedenfalls im Südosten aus, quasi im Schlepptau
des abziehenden KLts. Dort reicht es auch nochmal für den einen oder anderen
leichten Schauer, wobei sich die Modelle uneins sind über die räumliche
Ausdehnung: Während es ICON weitgehend bei Schauern im Süden und Südosten
Bayerns belässt, agieren IFS und GFS, aber auch ICON-D2 und SuperHD deutlich
großzügiger. Demnach könnten auch die Mitte und BaWü noch die eine oder andere
kurze Husche abbekommen. Im südöstlichen Bayern sowie in Küstennähe bleibt es
mit 10 bis maximal 15°C eher frisch. In den übrigen Regionen stehen abgesehen
von höheren Lagen je nach Sonnenanteil 15 bis 19°C auf der Karte.

Kurz und knapp die Nacht zum Donnerstag, wo sich Hochdruckeinfluss und Absinken
noch etwas verstärken. Folglich lösen sich die Wolken vielerorts auf und es
bilden sich meist flache Nebelfelder. Da sich die Luftmasse nicht ändert, wird
es erneut eine kühle Nacht mit lokalem Luftfrost in ungünstigen Lagen und
ziemlich verbreitet leichtem Frost in Bodennähe. Auf den Höhen der
baden-württembergischen Mittelgebirge (insbesondere im Hochschwarzwald) kommt
mit Low-Level-Unterstützung die Bise etwas in Fahrt, mehr als Böen 7-8 Bft
deuten sich aber nicht an.

Donnerstag... verlagert sich ein Teilschwerpunkt des atlantischen Rückens nach
Frankreich, was bei uns eine schwache, antizyklonal konturierte nordwestliche
Höhenströmung zur Folge hat. Das Zentrum des Bodenhochs befindet sich über
UK/Irland mit etwas über 1030 hPa, von dem aus sich nach wie vor ein ausladender
Keil bis weit in den Osten (Belarus, Westrussland) erstreckt. Bei uns dominiert
Absinken, was die Inversion auf 800 bis 900 hPa runterdrückt (=> Anstieg T850 im
äußersten Süden und Südwesten auf bis zu 6°C). Aus der darunterliegenden labilen
Grenzschicht entwickeln sich tagesgangbedingt flache Quellungen, die mal mehr
(am ehesten nach Osten hin), meist aber weniger an der Inversion breitlaufen.
Die höchsten Sonnenanteile werden im Südwesten erwartet. Dort sowie allgemein am
Rhein und seinen Nebenflüssen wird es auch am wärmsten mit 20°C oder etwas
darüber (maximal 23°C). Sonst stehen 15 bis 20°C, direkt an der See mit
auflandigem Wind weniger als 15°C auf dem Zettel.

In der Nacht zum Freitag nähert sich von der Nordsee ein flacher Randtrog, der
einige Wolken in den Nordwesten "schiebt". Ansonsten verbleibt Deutschland unter
Hochdruckeinfluss mit überwiegend geringer oder überhaupt keiner Bewölkung.
Stellenweise bildet sich flacher Nebel. Noch immer ist in ungünstigen Lagen
leichter Luftfrost und ziemlich verbreitet leichter Frost in Bodennähe drin.

Modellvergleich und -einschätzung
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Hinsichtlich der Basisfelder sind sich die Modelle ziemlich einig. Unschärfer
wird es, wenn man sich die Regen- und Gewitterverteilung sowie für die kommenden
Tage die Wolkenparametrisierung anschaut. Heute läuft im Grunde alles auf
In-situ-Warnen hinaus, wobei im Text häufig das Worst-case-Szenario bzw. die
formalen Vorgaben angerissen wurde. Sehen wir es positiv und heißen den Regen
auch bzw. gerade im Sinne der Natur herzlich Willkommen. Sollte dabei irgendwo
mal das Starkregenkriterium von mehr als 20 l/m² innert 6 h gerissen werden, so
what, entspannt bleiben und nicht nervös werden. Gleiches gilt für die Gewitter,
wo uns in den nächsten Wochen und Monaten noch ganz andere Kaliber ins Haus
stehen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann