DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-04-2022 17:01
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 23.04.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
1:0 Bayern nach 15 min. (Gnabry) - Ansonsten kommende Nacht in den Alpen
vorübergehend Südföhn. Am Sonntag im Süden, zu Wochenanfang in der Südwesthälfte
Regen und einzelne Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland unterhalb eines gradientschwachen
geopotenziellen Sattelpunktbereichs. Konkret, während über Frankreich und dem
weißrussisch-baltischen Raum zwei Höhentiefs ihre Kreise ziehen, klopfen von der
Nordsee und von Österreich her zaghaft zwei flache Rücken an. Zwei Dinge sind
für die weitere Entwicklung bei uns von Bedeutung.

Da wäre zum einen die Tatsache, dass das "französische" Tief - es handelt sich
hierbei übrigens um THALKE, das auch im Bodendruckfeld prominent vertreten ist -
im Laufe der Nacht deutlich nach Osten vorankommt. Dadurch verstärkt sich der
Südföhn in den Alpen, der dabei auch auf die deutsche Seite übergreift und in
höheren Lagen Böen 8-9 Bft, auf exponierten Gipfeln bis zu 10 Bft generiert. In
föhnanfälligen Tälern wie z.B. bei Mittenwald sind Böen der Stärke 7-8 Bft drin.
Darüber hinaus bildet sich auf der Alpennordseite ein flaches Föhntief (THALKE
II), das sich am Alpenrand in Richtung Osten entlanghangelt. In der
feucht-milden Luftmasse, die von Südwesten her einströmt (die durch den Föhn
abgetrocknete Luftmasse mit T850 knapp über 10°C verlagert sich mit dem Tief
ostwärts), breiten sich von der Schweiz und den Vogesen schauerartige Regenfälle
über die Donau hinweg bis etwa zur Mainlinie aus. Wenn`s gut läuft, kommen
gebietsweise 5 bis 10 l/m² innert 12 h zusammen. Außerdem frischt der auf
westliche Richtungen drehende Wind mit Durchgang einer Druckwelle hinter dem
ostwärts abziehenden Föhntief im Bereich Hochrhein/Bodensee/südliches
Oberschwaben auf mit Böen 7 Bft, vereinzelt 8 Bft.

Punkt numero zwei betrifft das andere Tief nordöstlich von uns - es trägt den
Namen RENATE -, das ein ziemlich stationäres Leben führt. Es verfügt über einen
sehr soliden Randtrog, der heute Abend die westliche Ostsee überdeckt und bis zu
den dänischen Inseln reicht. Der Trog schwenkt nur langsam südwärts, stattdessen
formiert er sich zusehends zu einem eigenständigen Drehzentrum, das spätestens
morgen Vormittag abtropft. Übrig bleibt ein Kaltlufttropfen (KLT), der in den
nächsten Tagen noch auf sich aufmerksam machen wird.
In dieser Nacht passiert allerdings noch nicht allzu viel, im Gegenteil. In der
von Nordosten einfließenden, kontinental geprägten Luftmasse präsentiert sich
der Himmel in der Nordhälfte meist gering bewölkt oder klar. Erst in der zweiten
Nachthälfte könnte es in MV und dem nördlichen BB stärker bewölkt sein, teils
durch Hochnebel. Es bleibt trocken und stellenweise muss mit leichtem Frost in
Bodennähe gerechnet werden. Mit Ausnahme exponierter Hochlagen (Böen 7-8 Bft)
nimmt der Nordostwind ab, vereinzelte 7er-Böen an der See sind nicht warnwürdig.


Sonntag ... verlagert sich der neugeborene KLT über Norddeutschland hinweg ins
westliche Niedersachsen. Dabei wird auch etwas höhenkalte Luft in den Norden
gespült (T500 um -26°C, T850 um 0°C), die für eine gewisse Labilisierung sorgt.
Es wird sogar geringfügig CAPE aufgebaut, trotzdem dürfte sich die konvektive
Aktivität aus zwei Gründen in Grenzen halten: erstens sprüht die Luftmasse nicht
gerade von niederschlagbaren Wasser (ist also relativ trocken), zweitens zeigen
die Prognosetemps eine kleine Sperrschicht zwischen 700 und 650 hPa. Die
Bewölkungsverhältnisse sind in der Nordhälfte wechselnder Natur, allerdings
scheint zwischen Rheinland und Nordsee vor Ankunft des KLT noch für längere Zeit
die Sonne. Der Nordostwind zieht vor allem an der Küste vorübergehend an mit
Spitzen bis 7 Bft. Im Binnenland beschränken sich Böen dieser Größenordnung
weitgehend auf höhere Lagen.

Von der Nord- in die Südhälfte, wo der Sonntag einen ganz anderen Verlauf nimmt
und "nomen est omen" deftig konterkariert wird. Zunächst mal gilt es das Ende
von THALKE I einzuläuten. Während sich das Bodentief über Frankreich immer
weiter auffüllt, ereilt das Höhentief über den Alpen das gleiche Schicksal.
Übrig bleibt ein Höhentrog, der sich ausgehend vom o.e. KLT über die Alpen
hinweg bis vor die Küste Algeriens und Tunesiens erstreckt. Zum Glück für den
Fortbestand der Familiendynastie gibt es ja noch THALKE II, das sich als
gebürtiges Föhntief mit einem Kerndruck von rund 1000 hPa via Austria und
Tschechien gen Südpolen orientiert. Zurück bleibt eine breite, über
Süddeutschland hinweg bis nach Frankreich verlaufende Tiefdruckrinne. Im Bereich
der Konvergenzachse (NO vs. NW bis W) sowie etwas nördlich davon kommt es mit
Unterstützung von Gegenstrom zu teils schauerartigen, teils auch über mehrere
Stunden andauernden Regenfällen. Betroffen ist vornehmlich ein Streifen, der von
BaWü über Franken bis hinüber zum Erzgebirge reicht. Noch immer setzen die
verschiedenen Modelle die Schwerpunkte unterschiedlich, man kann aber davon
ausgehen, dass gebietsweise 5 bis 15, lokal um oder etwas über 12 l/m² innert 12
h runterkommen werden. Ob es irgendwo mal für eine mehrstündige Stark- oder eine
kleine Dauerregenwarnung reicht, ist unsicher und aus jetziger Sicht nur wenig
wahrscheinlich.

Ganz im Süden, namentlich in Alpennähe sowie im südöstlichen Bayern, ist die
Luftmasse nicht nur am labilsten, es wird tatsächlich auch etwas CAPE generiert.
Und da die Chance auf etwas Einstrahlung gegeben ist, besteht mit Hilfe der
Orografie tatsächlich die Chance auf vereinzelte Gewitter, die aufgrund mauer
Scherungswerte und nur langsamer Verlagerungsgeschwindigkeit am ehesten von
Starkregen begleitet sein können. Der Föhn bricht schon früh von West nach Ost
zusammen.

Die Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen 13 und 18°C, wobei es im Westen am
mildesten wird. Direkt an der See sowie bei länger andauerndem Regen im Süden
bleibt es etwas kühler.

In der Nacht zum Montag macht der kleine KLT einen Abstecher in Richtung
Niederlande, während die Höhenströmung über den südlichen Landesteilen beginnt
zu zonalisieren. Am Boden setzt von Norden her leichter Druckanstieg ein,
wodurch nicht nur der Gradient aufweicht, sondern auch die Rinne im Süden
zunehmend an Kontur verliert. Folgerichtig verlieren allgemein der Wind sowie
Gegenstromlage und schauerartige Regenfälle im Süden an Gewicht. Am meisten
regnet es noch an den Alpen, besonders im Allgäu, wo punktuell an die 15 oder
gar 20 l/m² drin sind.

Auch sonst kann es in weiten Teilen des Landes immer noch mal schauerartig
regnen, wobei sich im Westen ein neuer Schwerpunkt auftut. Grund ist neben einer
etwas feuchteren Luft als im Norden die Verlagerung des KLTs, noch mehr aber
eine weitere Abkühlung in der mittleren Troposphäre (T500 runter auf -28/29°C
bei konservativen 0°C auf 850 hPa). An der damit einhergehenden Zunahme der
Labilität kann auch die "ungünstige" Tageszeit nicht vorbei, sprich, es kommt
verstärkt zu schauerartig verstärkten und teils stationären Regenfällen,
vielleicht sogar zu einzelnen eingelagerten Gewittern. Dabei ist - gewittrig
oder nicht - örtlich die Gefahr von Starkregen gegeben. Dagegen bleibt es im
Norden und Nordosten im Zuge einsetzender Abtrocknung weitgehend
niederschlagsfrei.

Montag ... dödelt der KLT leicht orientierungslos im Raum Benelux/äußerstes
Westdeutschland herum, von wo aus sich eine Potenzialrinne zum ehemaligen
belarussischen bzw. baltischen Tief erstreckt, das inzwischen auf dem Weg nach
Südfinnland respektive Karelien ist. Im Bodendruckfeld weicht der Gradient noch
weiter auf, allerdings lassen sich unter Zuhilfenahme mikroskopischer
Hilfsmittel noch immer Reste der ehemaligen Rinne detektieren. Dagegen kommt dem
Norden ein sich von der Nordsee langsam süd-südostwärts vorschiebender Hochkeil
zugute. Gemeinsam mit der von Nord-Nordost einströmenden, relativ trockenen
Polarluft (T850 um -1°C) setzt sich an den Küsten und in SH sowie ins etwas
südlich gelegene Binnenland mehr und mehr die Sonne durch.

Im großen Rest der Nation überwieget hingegen wechselnde, zeit- und gebietsweise
auch starke Bewölkung, aus der es insbesondere im Westen und Süden sowie in
Teilen der Mitte schauerartig regnet bzw. sich Gewitter entwickeln. Aufgrund
geringer Windgeschwindigkeiten in der unteren Troposphäre und damit einhergehend
wenig Bewegung der Regenfälle und Gewitter besteht weiterhin Starkregengefahr.
Ob sich akkumuliert über 24 bis 30 h (Sonntagabend bis Montagabend) für Teile
des Westens sogar eine Dauerregenwarnung anbietet, muss am Sonntag entschieden
werden. Aufgrund der derzeit noch wechselnden Hot-Spots spricht derzeit aber
mehr für mehrstündige Starkregenwarnungen.

Mit der Temperatur geht´s leicht bergab, 12 bis 17°C, direkt an der See bei
auflandigem Wind um 10°C, mehr ist nicht zu holen.

Das wird - naturgemäß möchte man hinzufügen - in der Nacht zum Dienstag nicht
besser. Im Gegenteil, mit dem weiteren Vorstoß des Hochkeils trocknet die
Luftmasse von Norden bzw. Nordosten immer weiter ab, was mit Bewölkungsrückgang
verbunden ist. Entsprechend sind gute Abstrahlungsbedingungen gegeben, so dass
im Norden und Osten stellenweise mit leichtem Luftfrost und gebietsweise mit
leichtem Frost in Bodennähe gerechnet werden muss.

Im Süden und Westen kommt es mit Verlagerung des KLTs in Richtung
Nordostfrankreich noch zu Schauern und einzelnen Gewittern bei langsam
abnehmender Starkregengefahr.

Dienstag ... kommt der kleine KLT noch immer nicht aus den Schlagzeilen, zieht
es ihn doch in den Südwesten unseres Landes oder in die benachbarte Schweiz. So
oder so, für den Süden und bedingt auch noch für den Westen sind weitere
Regenfälle und auch einzelne Gewitter mit Starkregengefahr apostrophiert.
Derweil machen Abtrocknung und Druckanstieg in der Nordhälfte weitere
Fortschritte. Zwischen 800 und 700 hPa etabliert sich eine schwache
Absinkinversion, die eine labil geschichtete und nur mäßig angefeuchtete
Grundschicht von einer trockenen Mitteltroposphäre trennt. Prädestiniert sind
solche Rahmenbedingungen für heiter bis wolkiges Wetter (Quellungen) mit einer
nur leichten Schauerneigung. Je näher man der Ostseeküste rückt, desto höher die
Sonnenausbeute. Temperaturmäßig verharren wir landesweit zwischen 12 und 17°C,
bei auflandigem Wind an der See um 10°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Während die Basisfelder sehr kongruent simuliert werden, zeigen sich bei der
Regen- und Gewitterentwicklung noch Unschärfen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann