DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-04-2022 08:30
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 22.04.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNFz (Hoch Nordmeer-Fennoskandien zyklonal) mit Tendenz zu HNz (Hoch
Nordmeer zyklonal)

High-over-Low mit etwas Wind aus Ost-Nordost. Am Samstag an den Alpen einzelne
Gewitter nicht ausgeschlossen. Am Sonntag von Südwesten bis zur östlichen Mitte
Regenfälle , im Süden einzelne Gewitter mit Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... präsentiert sich das großräumige Strömungsmuster weiterhin stark
gestört. Dabei steht einem umfangreichen Potenzialmaximum über Nordeuropa
(Schwerpunkt Nordmeer) eine weitläufige, weitgehend zonal angeordnete
Potenzialrinne weiter südlich gegenüber. Genau genommen erstreckt sich die Rinne
vom Seegebiet westlich der Iberischen Halbinsel bzw. der Biskaya über weite
Teile Mitteleuropas bis hinüber in den Westen Kasachstans. Eingelagert sind
derart viele Höhentiefs oder auch Kaltlufttropfen (KLT), dass es fast nicht
möglich ist, diese alle aufzuzählen. Die fettesten Klöpse befinden sich vor der
Iberischen Westküste (quasistationär), bei Italien (mit Kurs auf den Balkan)
sowie über Belarus (leichte Westtendenz). Etwas kleiner, aber nicht uneffektiv
fällt ein KLT aus, der heute früh über dem Vogtland detektiert werden konnte,
von wo aus er im Tagesverlauf langsam gen Niedersachsen zieht.

Von der Höhe auf den Boden respektive die bodennahen Luftschichten, wo wir -
typisch für eine gestörte Zirkulation - eine lupenreine
High-over-Low-Konstellation zu vermelden haben. Während über dem Nordmeer der
mächtige SPIRO thront, tummeln sich zwischen dem nahen Atlantik und Balkan
verschiedene Tiefs, die z.T. mit den o.e. Höhentiefs korrespondieren. Ganz im
Westen handelt es sich um THALKE, bei Italien um SIMONE. Zwischen der
Tiefdruckzone und dem Hoch im Norden hat sich ein leidlicher Gradient aufgebaut,
der sich durch Druckfall (im Norden weniger als im Süden) noch etwas verschärft.
Heraus kommt ein auffrischender Ost-Nordostwind, der vor allem an der See, im
Norden SHs sowie in höheren Lagen einige steife Böen 7 Bft hervorbringt. Auch in
windanfälligen Lagen West- und Nordwestdeutschlands sind einzelne 7er-Böen nicht
ausgeschlossen. In exponierten Kamm- oder Kuppenlagen (z.B. auf dem Brocken)
reicht es gar für stürmische Böen 8 Bft.

Und sonst so? - Nun, von Polen her gelangt eine Schliere feuchterer Luft zu uns,
die z.T. bis in die Mitteltroposphäre leidlich angefeuchtet ist (man erkennt
heute früh über der nördlichen Mitte deutlich einen Streifen mit erhöhten
Taupunkten um 7°C). Entsprechend breitet sich starke Bewölkung westwärts aus,
gebietsweise regnet oder nieselt es im Osten etwas. Mit dem Tagesgang und
steigendem Sonnenstand sowie der Verlagerung des kleinen KLTs nimmt die
Bewölkung später zumindest teilweise leicht konvektiven Charakter an und es
entwickeln sich einzelne Schauer. Obwohl etwas ML-CAPE zur Verfügung steht,
dürfte es für Gewitter aber nicht reichen, da die Labilität nicht hochreichend
genug ist respektive die Tops nicht kalt genug sind (schwache Inversion bei 700
bis 650 hPa). Je weiter man sich übrigens der Küste bzw. dem westlichen und
nordwestlichen Niedersachsen nähert, desto aufgelockerter präsentiert sich die
Bewölkung und desto sonniger präsentiert sich der Tag.

Sonnig wird es zunächst auch in weiten Teilen der Südhälfte, bevor sich später
Quellwolken bilden, aus denen sich an den Alpen sowie im Schwarzwald sogar ein
Schauer entwickeln kann. Auch hier dürfte es trotz vorhandener Labilität nicht
für ein Gewitter reichen, weil die Luft insgesamt zu trocken ist (und von daher
kaum CAPE zur Verfügung steht. Bereits heute Morgen ist erkennbar, wie ausgehend
vom mediterranen Tief SIMONE dichtere Bewölkung ins südliche und südöstliche
Bayern zieht. Sie wird im Tagesverlauf noch etwas weiter nach Nordwesten
vorankommen und am Nachmittag in Südostbayern hier und da vielleicht sogar ein
paar Tropfen bringen. Auffällig ist die Struktur der Wolkenoberfläche, die ein
bisschen an das Profil einer Orangenhaut erinnert. Es ist ein Indiz dafür, dass
wieder mal Saharastaub in der Atmosphäre ist, was von den entsprechenden
Spezialmodellen auch angedeutet wird.

Bei 850-hPa-Temperaturen zwischen 2°C im Norden und bis zu 8°C im Süden erreicht
die 2m-Temperatur Höchstwerte von 10 bis 15°C an der See sowie unter starker
Bewölkung im Osten, sonst 14 bis 20°C.

In der Nacht zum Samstag zieht der kleine KLT in Richtung Niederlande ab,
während das weißrussische Höhentief (es handelt sich ebenfalls um einen KLT) den
Nordosten Polens ansteuert. Dazwischen schiebt sich ein flacher Höhenkeil in den
Norden und Nordosten, der für Absinken und eine Abtrocknung der Luftmasse sorgt.
Folglich lockert bzw. löst sich die Bewölkung im Osten und Norden auf.
Gleichzeitig fächert der Gradient etwas auf, so dass der Wind schwächer wird
bzw. sich das küstennahe Maximum zur Nordsee zurückzieht. Trotz Abstrahlung,
Abtrocknung und Windabschwächung wird es wahrscheinlich nicht für Luftfrost
reichen im Nordosten, wohl aber für leichten Frost in Bodennähe, zumindest
lokal.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich nicht allzu viel ändert an der
Wetterlage. Unter dem Strich bedeutet unterschiedliche Bewölkung, hier und da
etwas Regen. Nach Südwesten hin, wo die Nacht vielerorts gering bewölkt startet,
können sich später das eine oder andere Nebelfeld oder auch Hochnebel bilden. In
den Hochlagen einiger Mittelgebirge bleibt es windig mit Spitzen 7, vereinzelt 8
Bft aus Ost bis Nordost.

Samstag... macht das hochreichende Tief THALKE einen deutlichen Satz in Richtung
Südfrankreich. Damit verbunden ist eine sukzessive Labilisierung und Anfeuchtung
der Luftmasse im Süden und Südwesten. Vor allem am Alpenrand sowie in
Oberschwaben, bedingt auch über dem Schwarzwald werden einige hundert Joule pro
Kilogramm ML-CAPE aufgebaut, das Ganze in gut geschertem Umfeld (DLS bis zu 20
m/s) bei einigermaßen gekurvten Hodographen. Angesichts derartiger
Rahmenbedingungen verwundert es nicht, dass einige Modelle gerade aus den Alpen
heraus einzelne Gewitter simulieren, die - sofern sie den auftreten - durchaus
den Charakter kleiner Superzellen annehmen können. Die Krux dabei ist der über
den Alpen langsam einsetzende Föhn, der die Rolle der konvektiven Spaßbremse
einnehmen könnte, was offensichtlich auch von einigen Modellen so gesehen wird.
Kurzum, die Möglichkeit einzelner konvektiver Umlagerungen bis hin zu Gewittern
ist vornehmlich am Alpenrand, bedingt auch über dem Schwarzwald gegeben, wobei
Starkregen neben kleinerem Hagel der primäre Begleitparameter sein sollte.

Während sich im Süden und Südwesten also wechselnde bis starke Bewölkung
einstellt, zeichnet sich in der Nordhälfte - quasi invers zur heutigen Situation
- ein sonnenscheinreicher Samstag ab. Die Gründe dafür sind aus dem
nordeuropäischen Hoch ausfließende trockene Luftmassen nebst eines von
Südskandinavien bis nach Nordostdeutschland respektive Westpolen gerichteten
Bodenhochkeils sowie kompensatorisches Absinken zwischen dem Tief über
Frankreich und dem Tief (inzwischen kein KLT mehr) über Nordostpolen bzw. dem
südlichen Baltikum. Den meisten Wind gibt es in einem Streifen von
Westsachsen/Thüringen bis hinüber an die deutsch-niederländische Grenze
heranreicht. Gebietsweise muss dort mit Böen 7 Bft, in exponierten Hochlagen 8
Bft aus östlichen Richtungen gerechnet werden. Die Temperatur erreicht
verbreitet Höchstwerte von 14 bis 20°C, im Westen lokal vielleicht 21°C.
Lediglich in höheren Lagen sowie an Küstenabschnitten und auf Inseln mit
auflandigem Wind bleibt es frischer.

In der Nacht zum Sonntag verstärkt sich der Föhn in den Alpen merklich, was
nicht nur an der erhöhten Böenprognose (bis 10 Bft auf Gipfeln, evtl. Durchbruch
bis in anfällige Täler) abzulesen ist. Zusätzlich bildet sich am Alpennordrand
ein flaches Leetief, das langsam ostwärts zieht. Die Schauer bzw. schauerartigen
Regenfälle, die sich tagsüber auf den äußersten Süden und Südwesten konzentriert
haben, weiten sich allmählich nordwärts bis zur südlichen Mitte aus (anvisiert
werden etwa Main und Mosel). Lokal reicht es für rund 10 l/m² innert 12 h, so
zumindest die Lesart einiger Modelle. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass
punktuell sogar mal das Starkregenkriterium gerissen wird, sei es im Falle
möglicherweise noch auftretender Gewitter oder aber auch ungewittrig.

Nach Norden hin startet die Nacht häufig gering bewölkt oder klar, bevor es im
weiteren Verlauf von der Ostsee her wolkiger wird. Grund ist der nächste KLT,
der sich aus einem Randtrog des baltisch-weißrussischen Tiefs entwickelt und von
Südschweden her die dänischen Inseln ansteuert. Zwar zieht der Nordostwind an
der Küste wieder etwas an, Böen 7 Bft dürften aber die Ausnahme bleiben. Anders
die Situation in den Mittelgebirgen, wo es in den Hochlagen ganz ordentlich weht
mit Böen 7-8 Bft, in Einzelfällen gar 9 Bft. Luftfrost ist kein Thema, Frost in
Boddennähe nur lokal im Osten, sofern nicht die Wolken des etwas unberechenbaren
KLTs zu früh am Himmel auftauchen.

Sonntag... füllt sich Tief THAKLKE über Frankreich zusehends auf. Derweil zieht
das nächtliche Leetief mit nahe 1000 hPa Kerndruck via Tschechien in Richtung
Polen. Gemeinsam bilden beide weiterhin eine zonal exponierte Tiefruckzone (wenn
man so will eine breite Rinne), deren Konvergenzachse über Süddeutschland
verläuft. Schaut man sich die Windverteilung zur Mittagszeit an, dann weht im
Norden und in der Mitte ein mäßiger, an der See und in Hochlagen teils frischer
(Böen 7-8 Bft) Ost-Nordostwind. Im Süden sind dagegen westliche Winde unterwegs,
wobei der Föhn in den Alpen von Westen her zusammenbricht. Ausgehend vom o.e.
KLT, der die Kimbrische Halbinsel überquert und die Deutsche Bucht ansteuert,
erstreckt sich ein Trog bis hinunter zum Tyrrhenischen Meer, was für uns
durchweg zyklonale Randbedingungen in der Höhe zur Folge hat.

Im Grunde lässt sich das Sonntagswetter in drei Zonen aufteilen. Im Norden und
Westen (Zone #1) stellt sich ein wechselnder Bewölkungscharakter ein mit den
höchsten Sonnenanteilen zwischen NRW und Nordsee. Hier und da bilden sich durch
den KLT und der damit einhergehenden Labilisierung (T850 um 0°C, T500 -25 bis
-28°C) ein paar Schauer, aufgrund des limitierten vertikalen Wasserdampfgehalts
hält sich das ganze Geschehen aber in Grenzen.
Zone #2 verläuft vom Südwesten über Franken bis in die östliche Mitte. Sie
markiert quasi das Zentrum der Rinne bzw. die knapp nördlich daran angrenzenden
Regionen, in denen sich eine leichte Gegenstromlage etabliert. Von Südwesten her
breiten sich schauerartige, teils aber auch für einige Stunden andauernde
Regenfälle langsam nordostwärts aus. Zwar divergieren die Modellprognosen noch,
gebietsweise kann aber durchaus mit 5 bis 15, lokal um 20 l/m²gerechnet werden -
nicht schön für die Sonntagsplanung, schön für die Natur. Ob es - auch vor dem
Hintergrund möglicher weiterer Regenfälle in der Nacht zum Montag - irgendwo mal
für eine kleine Dauerregenwarnung reicht (oder sogar lokalen Starkregen), ist
aus heutiger Sicht mehr als fraglich. Die Hinweise seitens der Numerik fallen
jedenfalls relativ dünn aus.
Kommen wir noch zu Zone #3 im äußersten Süden und Südosten, wo die Luftmasse
ungleich labiler ist als etwas weiter nördlich. CAPE liegt vor, wenn auch nicht
im Überfluss, so dass mit Hilfe der Orografie und etwas Einstrahlung einzelne
Gewitter mit Starkregen ausgelöst werden können.

Die Temperatur steigt auf 12 bis 18°C mit den höchsten Werten zwischen
Niederrhein und Rheinland. Direkt an der See (Stichwort auflandiger Wind) sowie
bei längerem Regen im Süden bleibt es etwas kühler.

In der Nacht zum Montag zieht der KLT in Richtung Benelux, während sich im Süden
Reste der Tiefdruckrinne halten. Es kommt zu weiteren, mit einzelnen Gewitter
durchsetzen schauerartigen Regenfällen, deren genaue Schwerpunkte noch
Unschärfen aufweisen. Im Norden und Nordosten dürfte aber am wenigsten Regen
fallen. Vor allem an der Ostsee muss noch mit Böen 7 Bft, anfangs vereinzelt 8
Bft aus Nordosten gerechnet werden.

Modellvergleich und -einschätzung
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Druck-, Potenzial- und Temperaturfelder werden modellübergreifend erfreulich
ähnlich simuliert. Trotzdem bleiben noch einige Fragen offen, insbesondere in
Bezug auf die Niederschlags- und Gewitterentwicklung. Was geht z.B. am Samstag
an den Alpen (alpines pumping vs. einsetzendem Föhn) und wie viel Regen kommt wo
am Ende zusammen, sprich, braucht´s irgendwo eine Stark-/Dauerregenwarnung?
Fragen, deren Antworten morgen hoffentlich substanzieller ausfallen als heute.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann