DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-04-2022 17:30
SXEU31 DWAV 191800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 19.04.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Markante Wettererscheinungen Fehlanzeige - weiterhin Hochdruckeinfluss mit
leichtem Störpotenzial von Osten her.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... zeigt die großräumige Potenzialverteilung ein extrem gestörtes
Muster. In Anlehnung an das soeben beendete Osterfest könnte man salopp auch von
einem wilden Geeiere sprechen, wobei das Attribut "wild" eigentlich fehl am
Platze ist. Atmosphärische "Eier" gibt es genug in Form von Höhentiefs,
Kaltlufttropfen oder auch abgeschlossenen Höhenhochs. Allerdings sind diese
Gebilde aufgrund ihrer Quasistationarität respektive äußerst pomadigen
Verlagerungsgeschwindigkeit alles andere als wild, aber nun.

Zur Ausgangslage, aufgrund ihrer Relevanz für unser Wetter von Südost nach Nord
bzw. West aufgedröselt. Da wäre zuerst das umfangreiche, schon seit Tagen
existente Höhentief über dem östlichen Mitteleuropa sowie dem nördlichen Balkan
zu nennen. In elliptischer Form erstreckt es sich heute Abend vom Westrand des
Schwarzen Meeres bis hinüber nach Tschechien. Je nach Modell lassen sich dabei
bis zu vier lokale Drehzentren bzw. Potentialminima ausmachen, der Übersicht
halber erwähne ich hier aber nur die zwei Hauptkerne: einer über dem
Grenzbereich Tschechien-Slowakei, der andere über Ost-Rumänien. Angekoppelt an
das westliche Drehzentrum ist heute ein Randtrog über die östlichen Landesteile
südwärts geschwenkt (es hat sogar mal kurzzeitig geblitzt in Ostbayern), der nun
aber in Kürze die Alpen überqueren wird. Damit erlischt seine Wirkung auf das
hiesige Wettergeschehen, konkret, die anfänglich am Alpenrand noch auftretenden,
teils durch Stau unterstützten Niederschläge gehen noch vor Mitternacht in die
Knie. Auch die anfangs im Osten und Südosten noch präsente Bewölkung lockert
bzw. löst sich zusehends aus. Allerdings sorgt ein neuer, nach Mitternacht von
Nordwestpolen übergreifender Sekundärtrog für Wolkennachschub (alle Stockwerke
vertreten), der vor allem den Nordosten des Landes trifft.

Der große Rest des Landes steht abgesehen von ein paar wenigen Cirren vor einer
klaren Nacht, womit wir beim zweiten Protagonisten auf der Wetterkarte wären.
Die Rede ist von einer abgeschlossenen Höhenantizyklone über dem
fennoskandischen Raum, die mit dem umfangreichen Bodenhoch SPIRO eine Allianz
eingeht. Gemeinsam mit tiefem Luftdruck über Südwesteuropa induziert der gute
SPIRO bei uns nach wie vor eine östliche bis nordöstliche Strömung, mit der
relativ trockene, kontinental geprägte Luft nach Deutschland gelangt. Diese
Luftmasse ist gar nicht mal so warm (T850 am Mittwochmorgen +2 bis -3°C, nur im
südlichen BaWü etwas darüber), auch wenn im sonnigen Westen heute zumindest
punktuell die 20°C-Marke gerissen wurde. Dafür reichte es in der Osthälfte
selten für 15°C, lokal musste man sich gar mit einstelligen Tageswerten
zufriedengeben. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht wirklich, dass gerade
im Osten und Südosten sowie im zentralen Mittelgebirgsraum (dort vornehmlich
Mulden, Senken, Täler) einige Landstriche wieder mit leichtem Luftfrost rechnen
müssen (die Fläche mit Frost in Bodennähe ist freilich noch größer als die mit
Luftfrost bewarnten Gebiete).

Der Chronistenpflicht halber sowie vor dem Hintergrund möglicher zukünftiger
Eingriffe in unser Wetter seien an dieser Stelle noch ein schmaler, aber sehr
langgezogener Höhentrog über dem nahen Atlantik erwähnt. Er verfügt nicht nur
über ein kleines Drehzentrum (wenn man so will ein "Mini Ei") in seinem
Nordteil, das in der Nacht dicht an Jan Mayen gen Nordosten zieht. Er tropft zu
allem Überfluss auch noch über der Iberischen Halbinsel ab, wodurch das
Portfolio abgeschlossener Potenzialgebilde um ein Exemplar erweitert wird.
Bliebe abschließend noch ein für uns bedeutungsloses Höhentief (mit
korrespondierendem Bodentief) südwestlich von Island, das das "Nest" auf die
stattliche Anzahl von mindestens sechs komplettiert (mind. 2x Südosttief, 1x
Fennoskandien-Hoch, 1x Mini Ei Jan Mayen, 1x Ibero-Cut-Off, 1x "Islandtief").

Mittwoch ... ändert sich nur wenig an der Gesamtkonstellation, auch wenn die
einzelnen Drehzentren ihre Position leicht verändern. Für uns bleiben das
Nordeuropahoch STIRO sowie das Höhentief südöstlich von uns das Maß der Dinge.
Bei Letzterem füllt sich das westliche Minimum rasch auf, so dass nur der
östliche Part übrigbleibt. Dieser zieht von Ostrumänien in die Ukraine, von wo
aus er mit dem Bodentief RENATE über Belarus und Ostpolen interagiert. Auf
seiner Ostflanke schwenkt der o.e. Sekundärtrog über den Vorhersageraum langsam
südwärts, wobei er sich noch etwas weiter nach Westen ausdehnt. Entsprechend
breiten sich auch die nächtlichen Wolken aus dem Nordosten westwärts aus bei
gleichzeitig langsamer Verlagerung in Richtung Mitte. Je weiter im Westen bzw.
je länger der Tag dauert, desto mehr zerbröseln die Wolken (aus SC wird CU
unterhalb der bei 850 bis 800 hPa positionierten Absinkinversion).

Ohnehin muss man konstatieren, dass auch am morgigen Mittwoch im größten Teil
des Landes die Sonne von einem wolkenlosen oder nur locker bewölkten Himmel
scheint. Die größten Strahlungs-Einbußen dürfte es in Ostsachsen sowie in der
Lausitz geben, wo es am Nachmittag und Abend sogar etwas regnen kann. Aber auch
in Teilen BBs bis hinüber nach Sachsen-Anhalt gestaltet sich der Tag mitunter
wolkig bis stark bewölkt aber meist trocken. Bei weiterhin nicht warnrelevantem
Wind aus dem Sektor Nord bis Ost ändern sich die Tagestemperaturen nur wenig
gegenüber heute. Im Westen wird es trotz reichlich Sonne eher etwas weniger warm
(keine 20°C mehr), weil auch T850 etwas zurückgeht (nur noch um +1°C).

In der Nacht zum Donnerstag greift der nächste Randtrog mit leichter WLA von
Polen her auf Deutschland über, was dem Osten und Nordosten einen neuen Schwung
dichter Bewölkung (vor allem im unteren Stockwerk) beschert. Bis auf wenige
Tropfen bleibt es aber trocken und - netter Nebeneffekt - natürlich auch
frostfrei. Ansonsten tut sich unter potenzialmäßigem Niemandsland wenig bis
nichts, heißt, in der weiterhin trockenen Luftmasse präsentiert sich der
Nachthimmel gering bewölkt oder klar. Leichter Frost tritt am ehesten nochmals
örtlich im Süden sowie in Tal-, Mulden- und Senkenlagen der zentralen und
westlichen Mittelgebirge auf.

Donnerstag ... bleiben die Potenzialgegensätze über Deutschland gering. Im
Norden weitet sich die Höhenantizyklone nach Westen aus, wo sie spätestens in
der Nacht zum Freitag über dem Nordmeer einen neuen Schwerpunkt etabliert
("scheinbar retrograd"). Ansonsten sind wir im Westen, Süden und Osten von
Höhentiefs umzingelt, die aber alle zu weit entfernt sind, um wirklichen Zugriff
auf das hiesige Wettergeschehen zu bekommen. Zwar nimmt der Gradient zwischen
der Bodenhochdruckzone über Nordeuropa und einem Tiefdrucksystem über dem
westlichen und zentralen Mittelmeerraum zu, trotzdem bleibt der Ost-Nordostwind
sehr wahrscheinlich unterhalb der Warnschwellen.

Dafür breiten sich die Wolken aus dem Osten und Nordosten nach Westen sowie in
mittleren Landesteile aus, wobei gebietsweise sogar etwas Regen oder Nieselregen
fällt (bei aller noch gegebener Modellunschärfe am ehesten zwischen NDS und BB).
Im Süden und Südwesten, aber auch in weiten Teilen NRWs sowie im Küstenbereich
scheint hingegen überwiegend die Sonne, und auch in den bewölkten Gebieten
bekommt die Wolkendecke tagesgangbedingt wieder ihre Lücken und Löcher. Summa
summarum also ein weiterer atmosphärisch unspektakulärer Apriltag, an dem die
Temperatur auf Höchstwerte zwischen rund 13°C im Osten/Nordosten (direkt an der
See teils noch frischer) und bis zu lokal 20°C im Oberrheingraben steigt.

In der Nacht zum Freitag tut sich nach wie vor herzlich wenig an der
Großwetterlage. Der Druckgradient nimmt geringfügig zu, was exponierten
Küstenabschnitten vielleicht mal eine steife Böe 7 Bft aus Nordost beschert. Für
eine Warnung dürfte das aber noch nicht ausreichen. Darüber hinaus gibt sich die
Nordhälfte mehr oder weniger bewölkt bei geringer Niederschlagsneigung,
wohingegen nach Süden hin klare oder gering bewölkte Verhältnisse gegeben sind.
Dort ist am ehesten auch Luftfrost (vereinzelt) respektive Frost in Bodennähe
(gebietsweise) zu erwarten.

Freitag ... bleibt die High-over-Low-Konstellation erhalten, was gleichbedeutend
mit der Tatsache ist, dass die Luft weiterhin aus Ost bis Nordost kommt.
Leichter Druckfall im Süden bei etwa gleichbleibender Tendenz im Norden sorgen
für eine weitere, wenn auch nur geringe Gradientverschärfung. Diese könnte mit
Hilfe des Tagesgangs aber ausreichen, an der See sowie in einigen Hochlagen ein
paar steife Böen 7 Bft zu generieren. Die ganz große Windnummer wird es aber
auch am Freitag nicht geben.

Darüber hinaus gilt es festzuhalten, dass ein abermaliger Randtrog des
osteuropäischen Höhentiefs - es findet sich am Freitag mittlerweile im
Grenzbereich von Belarus zu Nordostpolen wieder - etwas Hebung initiiert, die in
der Nordhälfte mehr oder weniger dichte Bewölkung und gebietsweise etwas Regen
bzw. einzelne Schauer produziert. Ausgenommen sind wahrscheinlich die
küstennahen Gebiete, die zumindest nach der MOS-Statistik einen deutlich höheren
Sonnenanteil aufweisen als das weiter südlich gelegene Binnenland. Viel Sonne
dürfte es auch in der Südhälfte geben, auch wenn von Österreich her allmählich
feuchtere und auch wolkenreichere Luft nach Südostbayern hinüberdriftet. Am
Alpenrand reicht es vielleicht für den einen oder anderen Schauer,
möglicherweise auch für ein Gewitter. Gleiches gilt für den Schwarzwald. Die
Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen 14 und 20°C, Richtung Küste etwas
darunter.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden von den verschiedenen Modellen sehr ähnlich simuliert.
Selbst die "Höheneier", die sonst gerne mal sehr individuell gesetzt werden,
zeigen eine hohe Kongruenz. Leichte Unschärfen betreffen am ehesten die genaue
Wolkenverteilung sowie die wenigen Niederschläge, die in den nächsten Tagen und
Nächten auf der Karte stehen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann