DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-04-2022 17:01
SXEU31 DWAV 161800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 16.04.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zunächst ruhiges Hochdruckwetter mit Nachtfrostgefahr. Kommende Nacht auf
exponierten Schwarzwaldgipfeln Sturmböen.
Ab Dienstag unbeständiger.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland an der Ostflanke eines Höhenkeils, der
sich von den Kanaren über den Ärmelkanal bzw. die Nordsee hinweg bis zur
Grönlandsee bzw. fast nach Spitzbergen erstreckt, unterhalb einer, nach Abzug
eines Randtroges, recht glatten bzw. leicht antizyklonal konturierten
nordnordöstlichen Höhenströmung. Der Keil wird jeweils flankiert von einem vom
nördlichen Ural über Osteuropa bis in den zentralen Mittelmeerraum reichenden
Höhentrog und einem weiteren Trog, der im Laufe der Nacht von Nordwesten her auf
den nahen Ostatlantik übergreift. Im Laufe der Nacht rückt er unter beginnender
Verkürzung seiner Wellenlänge allerdings nur zögernd ostwärts vor, so dass sich
dessen Achse Sonntagfrüh noch knapp westlich des Vorhersagegebietes befindet.
Im Bodenfeld stützt der Keil ein umfangreiches Hochdruckgebiet über weiten
Teilen Skandinaviens, Dänemarks und dem Norden des Vorhersagegebietes, das sich
im Laufe der Nacht noch etwas weiter nach Süden ausweitet. An dessen Südflanke
hat sich aufgrund des durch den über die Alpen nach Norditalien vorgedrungenen
Randtroges induzierten Druckfalls über der Mitte und dem Süden Deutschlands ein
recht veritabler Gradient aufgebaut, wodurch der Ost- bis Nordostwind dort im
Tagesverlauf aufgefrischt ist. In freien und höheren Lagen reicht es für starke
bis steife Böen (Bft 6 bis 7).
Mit der tagesgangbedingten Abkopplung der Grenzschicht schwächt sich der Wind in
den Niederungen zwar ab, dafür frischt er in den Hochlagen auf; orographisch
getriggert entwickeln sich lokale Low Level Jets, wobei es in einigen Kamm- und
Gipfellagen der südwestdeutschen und zentralen Mittelgebirge steife, vereinzelt
auch stürmische Böen (Bft 7 bis 8) aus Ost geben kann. Im Hochschwarzwald
besteht auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Sturmböen (Bft 9), wenngleich
die Simulationen der deutschen Modellkette (ICON-EU punktuell bis Bft 10,
ICON-D2 sogar mehr) übertrieben erscheinen.
Ansonsten verläuft die Nacht ruhig und störungsfrei - sieht man einmal davon ab,
dass die Temperatur innerhalb der einströmenden trockenkühlen Festlandsluft (850
hPa-Temperatur zwischen -4 Grad im Südosten und +5 Grad im Westen) ordentlich in
den Keller sackt. Dabei lösen sich die anfangs noch teils dichteren Wolkenfelder
im Süden und Südosten auf und der Himmel ist vielerorts klar. Lediglich über den
Norden und Osten ziehen im Laufe der Nacht dünne, hohe Wolkenfelder hinweg.
Somit gibt es vielerorts leichten, in Bodennähe in ungünstigen Lagen auch
mäßigen Frost. Frostfrei bleibt es am ehesten in einigen Ballungszentren im
Westen und Norden des Landes sowie dort, wo noch längere Zeit lebhafter Wind
weht.

Sonntag ... greift aus dem Höhentrog über dem nahen Ostatlantik ein scharfer
Kurzwellentrog bis zum Abend auf die Westküste Irlands bzw. den Westausgang des
Ärmelkanals und die Biskaya über, während aus dem Höhentrog über Osteuropa
allmählich ein markantes Höhentief über dem Grenzgebiet Belarus/Ukraine
abtropft, das sich zunächst nur wenig nach Südwesten verlagert, sich aber
gleichzeitig etwas nach Westen ausweitet. Dadurch wird ein Abschnüren des
Höhenkeils eingeleitet, dessen Achse nach wie vor knapp westlich des
Vorhersagegebietes verbleibt.
Das korrespondierende Bodenhoch schwächt sich etwas ab und verlagert seinen
Schwerpunkt ein wenig nach Norden, so dass der Gradient über Süddeutschland im
Tagesverlauf weiter aufweicht. Somit schwächt sich der Wind mit turbulenter
Durchmischung im Tagesverlauf auf den Bergen zwar rasch ab, lebt aber in den
Niederungen vor allem in Südbaden und Oberschwaben noch einmal böig aus Ost auf.
Eventuell reicht es in Bodenseenähe sowie am Hochrhein in freien Lagen noch
einmal für steife Böen. Nachmittags flaut er dann aber spätestens auch dort ab.
Ansonsten steht ein weiterer störungsfreier Tag ins Haus. Vor allem über die
Nordosthälfte ziehen zeitweise dünne, hohe Wolkenfelder, von Polen her kann in
die Osthälfte gebietsweise auch dichtere SC-Bewölkung driften. Im Westen und
Süden scheint dagegen fast ungehindert die Sonne.
An der Luftmasse ändert sich nur wenig (850 hPa-Temperatur am Nachmittag
zwischen -3 Grad in der Lausitz und +4 Grad im Westen) und ähnlich verhält es
sich mit den Höchstwerten. Diese liegen in der Osthälfte meist zwischen 10 und
14 Grad, während im Westen 15 bis 19, vielleicht sogar knapp 20 Grad erreicht
werden.

In der Nacht zum Montag wird der kurzwellige Randtrog unter Konturverlust sehr
rasch über die Britischen Inseln nordostwärts geführt, während sich das
Drehzentrum des Haupttroges ins Seegebiet westlich der Hebriden verlagert.
Derweil kommt das Höhentief über Osteuropa allmählich etwas nach Südwesten voran
und weitet sich gleichzeitig auch Richtung Mitteleuropa aus. Der Höhenkeil
weicht dadurch endgültig einem abgeschnürten Höhenhoch über Südskandinavien, das
mit einer Potenzialbrücke mit dem flachen "Restkeil" über Westfrankreich
verbunden bleibt.
Das Bodenhoch wird weiter abgebaut und zieht sich mit seinem Schwerpunkt in
Richtung Mittelschweden bzw. Südnorwegen zurück. Somit fächert der Gradient auch
im Süden des Landes wieder auf; zwar frischt der Ostwind durch orographische
Effekte in den Kamm- und Gipfellagen des Schwarzwaldes wieder böig auf, ist aber
wohl nicht mehr warnrelevant.
Im Westen verläuft die Nacht gering bewölkt oder wolkenlos, aber auch im Osten
lockern eventuelle Wolkenfelder mehr und mehr auf. Somit kann es erneut
vielerorts leichten, in ungünstigen Lagen in Bodennähe auch mäßigen Frost geben,
wohl aber nicht ganz so verbreitet wie in der Vornacht.

Montag ... ändert sich an der großräumigen Verteilung der Geopotenzialgebilde
über dem ostatlantisch-europäischen Raum nur wenig. Das inzwischen abgetropfte
Höhentief über Osteuropa bleibt über dem Westen der Ukraine quasistationär und
wandelt sich in einen Kaltlufttropfen um, der mehr und mehr eine meridionale
Ausrichtung annimmt. Dadurch bekommt die wieder mehr auf Nord drehende
Höhenströmung vor allem über dem Osten und Südosten des Vorhersagegebietes eine
leicht zyklonale Kontur, während die Geopotenzialbrücke, die bis zum Abend mit
ihrer Achse den äußersten Westen/Nordwesten erreicht, weiter abgebaut wird.
Mit Annäherung des Kaltlufttropfens kann lockere, anfangs vielleicht
gebietsweise auch etwas dichtere SC-Bewölkung über die Osthälfte hinweg
vielleicht noch bis in die mittleren Landesteile vordringen, es sollte aber noch
weitgehend trocken bleiben und im Tagesverlauf bekommt die Wolkendecke durchaus
auch größere Lücken.
Im Rest des Landes, also insbesondere in der Westhälfte, scheint dagegen die
Sonne von einem teils wolkenlosen Himmel. Das Bodenhoch hat sich inzwischen weit
nach Nordosten zurückgezogen und überdeckt quasi ganz Skandinavien sowie den
Nordwesten Russlands. Die wellende Kaltfront des mit dem Höhentrog über
Westeuropa korrespondierenden Bodentiefs nordwestlich von Schottland erreicht
abends die westliche Nordsee bzw. den Westen Frankreichs, kommt aber aufgrund
der Blockadewirkung der Brücke kaum nach Osten voran. Bei leichtem Druckfall
weicht somit der Gradient über dem Vorhersagegebiet weiter auf.
Am Charakter der kontinental geprägten, allmählich alternden Luftmasse ändert
sich allerdings so gut wie gar nichts. Die Temperatur in 850 hPa liegt nach wie
vor zwischen -2 Grad in der Lausitz und +4 Grad im Südwesten. Da sich an den
Bewölkungsverhältnissen gegenüber dem Vortag ebenfalls im Großen und Ganzen nur
wenig ändert (im Detail kann das natürlich für einige Regionen, insbesondere in
den mittleren Landesteilen - bei allen noch gegebenen Prognoseunsicherheiten -
anders aussehen), stehen ähnliche Höchstwerte wie am Vortag ins Haus.

In der Nacht zum Dienstag erreicht der Kaltlufttropfen mit seinem Drehzentrum
den äußersten Südosten Polens. An dessen Westflanke wird ein flacher
kurzwelliger Randtrog von der südlichen Ostsee her nach Norddeutschland geführt,
wodurch die Zyklonalität der Höhenströmung etwas zunimmt. Großartige dynamische
Hebungsantriebe sind aber weiterhin keine auszumachen, lediglich etwas
trogvorderseitige PVA wird simuliert, Entsprechend können sich von Osten her
erneut gebietsweise etwas dichtere, teils auch mehrschichtige, oft aber nur hohe
Wolkenfelder auf die östlichen und mittleren Landesteile ausweiten.
Niederschläge werden aber keine simuliert (lediglich der 00 UTC-Lauf des IFS hat
geringe Mengen im äußersten Südosten Bayerns auf der Agenda).
Die wellende Kaltfront über dem westlichen Mitteleuropa kommt nur wenig nach
Osten voran, so dass es in der Westhälfte noch längere Zeit klar bleibt, erst
später können sich auch dort eventuell höhere Wolkenfelder bemerkbar machen.
Mit der zunehmenden Bewölkung nimmt die Frostgefahr insgesamt etwas ab, meist
liegen die Tiefstwerte zwischen 6 und 0 Grad, nur dort, wo es länger klar
bleibt, kann es in ungünstigen Lagen erneut leichten Frost geben.

Dienstag ... schwenkt an der Nord- bzw. Westflanke des nahezu quasistationären
Kaltlufttropfen ein markanter ausgeprägter Kurzwellentrog über den Norden Polens
und die südliche Ostsee west-, später südwärts und streift dabei auch die
Osthälfte Deutschlands. Im Westen wirkt hingegen noch immer die flache
Geopotenzialbrücke blockierend und verhindert ein Übergreifen des Höhentroges
über Westeuropa, der schließlich über der Bretagne bzw. Biskaya austropft.
Das Bodenhoch zieht sich endgültig nach Skandinavien bzw. zur Barentssee zurück
und überdeckt auch weite Teile Nordwestrusslands. Somit bleibt das Gradientfeld
über dem Vorhersagegebiet flau, wobei sich eine flache, meridional ausgerichtete
Tiefdruckrinne über Süddeutschland etabliert.
Leichte PVA vorderseitig des oben erwähnten Kurzwellentrog und eine sich vor
allem im Südosten und äußersten Osten einstellende schwache Gegenstromlage
führen zu etwas stärkerer dynamischer Hebung und lassen nun auch neben dichteren
Wolkenfeldern, die weite Teile der Osthälfte überdecken und sich über die Mitte
hinweg nach Westen ausweiten, dabei aber große Lücken bekommen, zumindest nach
Lesart des ICON-EU im Laufe des Nachmittags und Abends vom Osten und Süden
Brandenburgs über Sachsen bis nach Ostbayern leichte Regenfälle aufkommen.
Im Norden und Westen merkt man davon aber nicht allzu viel. Vor allem im
Südwesten können sich vom nach wie vor über Frankreich und der westlichen
Nordsee her liegenden wellenden Frontensystem hohe Wolkenfelder bemerkbar
machen, ansonsten scheint aber vielerorts die Sonne, wenngleich wohl auch nicht
mehr von einem so strahlend blauen Himmel wie am Vortag.
An den Höchstwerten ändert sich bei ähnlicher 850 hPa-Temperaturverteilung wie
am Vortag nur wenig. In der Osthälfte muss man sich meist mit 11 bis 15 Grad
begnügen, im Westen können es - je nach Sonne - 14 bis 18 Grad, stellenweise bis
20 Grad werden.



Modellvergleich und -einschätzung
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Bis Montag gibt es keine relevanten Unterschiede.
Die Unsicherheiten bzgl. der Lage und Ausrichtung des Kaltlufttropfens bzw. der
ihn begleitenden Randtröge haben vor allem ab der Nacht zum Dienstag
Auswirkungen auf die Bewölkungs- und Temperaturprognosen, am Dienstag selbst
auch auf die Niederschlagsprognosen. Für den Dienstag hat der aktuelle GFS-Lauf
so gut wie keine Niederschläge auf der Agenda, der IFS-Lauf von 00 UTC lässt
dagegen das Frontensystem von Westen her auf den äußersten Westen des Landes mit
etwas Regen übergreifen.
Diese Unterschiede sind aber nicht weiter warnrelevant.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff