DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-04-2022 08:01
SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 12.04.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Zunächst noch Sa (Süd antizyklonal), Richtung Karfreitag und Ostern
tendenziell in NEa (Nordost antizyklonal) übergehend

Heute fetter Höhenrücken und ruhiges Wetter. An Mittwoch zaghafte Annäherung
eines Höhentrogs mit zunehmender Labilisierung und einsetzender Konvektion
(Gewitter mit Starkregen).

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... verbringt Deutschland inmitten eines Potenzial-Omegas, das wie
üblich durch einen Rücken und zwei flankierende Tröge gekennzeichnet ist. Die
Rückenachse verläuft heute bei nur geringer Verlagerungsgeschwindigkeit
nord-süd-orientiert voll durch den Vorhersageraum, was auf einen wettertechnisch
ruhigen Tag schließen lässt. Die zugehörige Hochdruckzone (REINER, im Nordteil
SPIRO) befindet sich mit klassischer Phasenverschiebung leicht östlich von uns
und verläuft heute Mittag von der Großen Syrte über Polen bis hinauf nach
Grönland. Während sich das daran östlich anschließende Tiefdruckgebiet mit dem
zugehörigen Höhentrog für uns nur noch von akademischen Interesse ist (am
Wochenende war das noch anders, da sorgte genau dieser Trog für Aprilwetter
pur), gilt es das westliche Pendant genauer unter die Lupe zu nehmen. Gemeint
ist ein vergleichsweise schmaler, dafür aber stark amplifizierter Höhentrog, der
den nahen Atlantik überdeckt, dabei auch schon UK/Irland erfasst hat und sich im
Süden direkt über die Iberische Halbinsel hinweg bis nach Marokko erstreckt.
Korrespondieren tut der Trog mit dem Tief PAMELA (int. EVELYN) südwestlich von
Irland, das sich heute vor Ort auffüllt und für uns keine Rolle mehr spielt.
Eine Nachfolgerin steht aber schon fest. Es handelt sich um ein Teiltief
(QUELLA), das sich an der teilokkludierten, von PAMELA bereits abgesetzten
Kaltfront bildet und heute den Weg via UK in Richtung westliche Nordsee antritt.
Dieses Tief gilt es im Auge zu behalten, bekommt es doch mit Annäherung an den
Kontinent auch für uns zunehmende Bedeutung.

Bevor es aber soweit ist, gilt es erst einmal den heutigen Tag zu würdigen, der
unter dem Strich noch stark antizyklonal gefärbt ist. Zwischen dem Hoch im Osten
und dem Tief im Westen hat sich ein leidlicher Gradient aufgebaut, der den
östlichen bis südöstlichen Wind mit Unterstützung des Tagesgangs etwas aufleben
lässt. Allerdings reicht das wahrscheinlich nicht, um die Warnkiste zu öffnen
und die gelbe Karte zu zücken. Am stärksten sind die Signale für Böen 7 Bft auf
der offenen Nordsee, in der zufällig ja Helgoland liegt. Nun gut, dort ist man
ganz andere Nummern gewöhnt. Ansonsten könnte es mal auf den Nordfriesischen
Inseln, den Halligen und strichweise an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste
sowie in den Hochlagen und im Lee der westlichen Mittelgebirge für die eine oder
andere "7" reichen, aber ob das Ende eine Warnung rechtfertigt, fraglich.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass mit den südlichen bis südwestlichen
Höhenwinden unaufhörlich hohe, teils auch mittelhohe Wolken übers Land geführt
werden, die die Sonne mal mehr, mal weniger stark abschirmen. In den meisten
Regionen kann sich die Sonne aber gegen die Cirren behaupten, am anfälligsten
für weniger Transparenz und dichteres Gewölk sind der Westen und Nordwesten.
Dort können ebenso wie im Südwesten von Frankreich und Benelux her die ersten
Dosen Saharastaub rüberschwappen, der vorderseitig des o.e. Troges auf dem Weg
nach Mitteleuropa verfrachtet wird und dort z.T. auch schon angekommen ist. Für
den Nachmittag simulieren einige Modelle, darunter ICON, für die Deutsche Bucht
und das erweiterte Nordseeumfeld sogar ein paar schlappe Schauer. Ob die
Tropfen, sofern diese Schauer tatsächlich ausgelöst werden, auch unten ankommen,
darf angesichts einer recht trockenen unteren Troposphäre (Spreadmaximum bei
800/850 hPa) angezweifelt werden. Erhebliche Zweifel bestehen auch dahingehend,
ob das für den Schwarzwald simulierte CAPE tatsächlich in ein Gewitter
umgewandelt werden kann. Weniger zweifelhaft hingegen ist die Fortsetzung des
gestern schon begonnenen Temperaturanstiegs. Absinken plus südliche bis
südwestliche Winde lassen T850 bis zum Abend auf 5°C in Vorpommern und bis zu
13°C in Oberschwaben ansteigen, was natürlich nicht ohne Folgen für die
2m-Temperatur bleibt. Dort geht es im Norden und Osten hoch auf 15 bis 20°C
(Ausnahme die Inseln, der unmittelbare Küstensaum sowie kleine Teile des
küstennahen Binnenlands in SH und MV). In den übrigen Regionen wird vielerorts
die 20°C-Marke erreicht oder gar um 1 bis 3 Grad überschritten. Ob es am Ende
tatsächlich für die von MOS apostrophierten Spitzen von 24 oder 25°C im Westen
und Südwesten reicht, ist weiterhin fraglich und hängt in hohem Maße von der
Transparenz der Cirren respektive der daraus folgenden Einstrahlung ab.

In der Nacht zum Mittwoch beginnt der Höhentrog über der Iberischen Halbinsel
abzutropfen, während das nördliche Residuum bis zum Morgen UK erreicht. Bei uns
verlagert sich der Rücken derweil ein kleines Stück nach Osten, wodurch vor
allem der Nordwesten ganz allmählich auf die zunächst noch sehr glatte
Vorderseite des Trogresiduums gelangt. Insbesondere ICON simuliert für den
gesamten Westen schwache und punktuell angeordnete Regensignale.
Wahrscheinlicher ist ab, dass es weitgehend trocken bleibt, dafür aber die
Wolkenschicht tendenziell etwas dichter wird. So oder so, viel passieren wird in
der kommenden Nacht ohnehin nicht. Weder der Wind (der Gradient fächert auf +
Tagesgang) noch der Frost (wärmere Luft + Bewölkung; nur vereinzelt im Osten und
Südosten noch ein leichtes Minus) schaffen es in die Schlagzeilen, und auch
Nebel dürfte sich im Wesentlichen auf ein paar flache Felder beschränken.


Mittwoch... zieht das abgetropfte Höhentief nach Algerien, wo es sicherlich
einige Spuren wettertechnisch hinterlässt. Wir konzentrieren uns aber auf das
Trogresiduum weiter nördlich. Zwar erreicht im Tagesverlauf die Nordsee, seine
Verlagerungsgeschwindigkeit ist durch die blockierende Wirkung des vorgelagerten
Rückens aber gering. Außerdem weist der Trog eine positiv geneigte Achse auf,
hängt also etwas nach Südwesten zurück. Auch das zugehörige kleine Tief QUELLA
tut sich schwer mit seiner Progression, es dürfte bis zum Abend kaum über das
Seegebiet Forties nach Osten vorankommen. Trotz dieser eher defensiven
Bewegungen deutet sich für morgen in einigen Landesteilen, genau genommen im
Westen und Nordwesten "Wetter" an. Gründe sind eine weitere Anfeuchtung der
(auch heute schon) labilen Luftmasse (PPW teils um oder etwas über 25 mm) und
damit der Aufbau von ML-CAPE (bis zu 200 J/kg, über dem Schwarzwald sowie an den
Alpen stellenweise etwas mehr) sowie die Bildung einer schmalen Tiefdruckrinne,
die sich unmittelbar vor der Okklusion des kleinen Tiefs in den Westen und
Norden schiebt. Im Grunde sind damit die meisten der notwendigen Voraussetzungen
für konvektive Umlagerungen gegeben, die Frage ist nun, ob sie auch hinreichend
sind. Die Dynamik ist insgesamt dürftig (nur schwache Winde im Bereich der
Rinne), synoptische-skalige Trigger durch den Trog scheinen erst in der Nacht so
richtig in Spiel zu kommen, wenn der Trog näherkommt. Kurzum, etwa von der Eifel
bis hoch nach SH wird es zu sicherlich zu einigen schauerartigen Regenfällen
kommen. Ob es auch für Gewitter reicht, bleibt fraglich. ICON zeigt sich
weiterhin optimistisch, während ICON_DE und die Externen eher defensiv
aufgestellt sind. Wenn TS, dann dürfte Starkregen der Parameter sein, der die
Warnung ocker erscheinen lässt (bis 20 mm innert kurzer Zeit), auch wenn die
Gewitter etwas ziehen. Im Süden dürfte ein Gewitter orografisch am ehesten über
dem Schwarzwald ausgelöst werden, während an den Alpen der Deckel wahrscheinlich
noch zu stark ist.

Und was geht sonst so? - Im Osten und Süden sowie in weiten Teilen der Mitte
scheint trotz leichter Schwächung des antizyklonalen Setups sowie weiterhin
durchziehender hoher und gebietsweise auch mittelhoher Wolken mehr oder weniger
die Sonne. Vor allem die EPS-Verfahren bieten schwache Signale, dass im
östlichen Sachsen der Südostwind in Böen mal an Stärke 7 Bft herankommt. Ob das
letztlich für eine Warnung reicht, muss noch abgewartet werden. Deutlich
sicherer ist die Aussage, dass sich der größte Teil des Landes morgen über
frühlingshafte Temperaturen von 20°C oder mehr freuen kann (ob allerdings die
für das Kraichgau avisierte "26" tatsächlich eintritt, bleibt fraglich).
Lediglich im äußersten Norden und Nordwesten sowie direkt an der See und
natürlich in höheren Lagen gilt es Abzüge in Kauf zu nehmen.

In der Nacht zum Donnerstag nähert sich der Trog weiter an und im Gegensatz zum
Tage wird nun PVA-bedingt etwas synoptisch-skalige Hebung auf der Vorderseite
generiert. Außerdem sorgt postfrontaler Druckanstieg sowie die damit
einhergehende Zunahme der frontsenkrechten Windkomponente (Drehung auf Nordwest)
für eine etwas zügigere Verlagerung der Front südostwärts. Modellübergreifende
Simulationen des damit verbundenen Niederschlagsgeschehens sowie die Berechnung
der Pseudoreflektivitäten lassen die Vermutung zu, dass sich auch die frontale
Querzirkulation intensiviert (T850 präfrontal anfangs 8-12°C, postfrontal
Rückgang auf 6 bis 2°C). Kurzum, etwa von RP und dem Saarland bis hoch zur
Ostsee wird nicht nur ein veritabler Regenstreifen prognostiziert (gebietsweise
5-10 l/m² innert 12 h, lokal vielleicht noch etwas mehr), auch die Möglichkeit
einzelner (abgehobener) Gewitter mit Starkregen ist an bzw. kurz vor der Front
trotz "ungünstiger" Tageszeit gegeben.

Weitgehend trocken bleibt die Nacht in weiten Teilen der östlichen Mitte und
Süddeutschlands, wo die ganze Chose noch nicht ankommt. Hier und da bildet sich
Nebel, Luftfrost ist kein Thema mehr.

Donnerstag... dem Grünen erreicht der weiterhin leicht positiv geneigte Trog den
Vorhersageraum. Das Bodentief QUELLA lässt sich bei geringen
Luftdruckgegensätzen kaum noch detektieren und auch die Front verliert durch den
Abbau von thermischen Gegensätzen mehr und mehr ihre Daseinsberechtigung. Dass
die 12h-Niederschlagsverteilung von Südwest nach Nordost exponiert trotzdem
streifenförmig angeordnet ist, ist im Wesentlichen einem trogvorderseitigen
PVA-Maximum geschuldet. Neben schauerartigen Regenfällen (gebietsweise 5 bis 10
l/m², lokal etwas mehr) lässt die Luftmasse mit Hilfe von Einstrahlung und/oder
Orografie insbesondere im Süden, bedingt aber auch in der Mitte weitere Gewitter
zu (an bzw. vor der Front, nun auch teils aus den Alpen heraus), wobei
Starkregen weiterhin das Maß der Dinge sein sollte.

Eine zweite, sagen wir mal subskalige konvektive Baustelle stellen der Westen
und Norden da, wo es im Trogbereich ebenfalls labilisiert. Neben einzelnen
Schauern ist dort auch ein kurzes "Kaltluftgewitter" (die postfrontale Luftmasse
ist alles andere als kalt) nicht ausgeschlossen. Die Sonnenanteile sind im
Süden, in BaWü und in Bayern am höchsten, also dort, wo es mit bis zu 23°C auch
am wärmsten wird. Ansonsten liegen die Tageshöchstwerte zwischen 14 und 20°C,
direkt an der See mit auflandigem Wind nur um 12°C.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der Höhentrog langsam weiter südostwärts,
wobei er das bei ICON sehr langsam, bei den externen Modellen wie IFS und GFS
etwas weniger langsam tut. Auch wenn der Unterschied nicht groß ist, zeigt die
Simulation von Niederschlag und Konvektion doch größere Diskrepanzen. So bietet
ICON nicht nur mehr Regen und Gewitter an, sondern überdeckt damit auch eine
größere Fläche (Südosthälfte und noch etwas darüber hinaus), wohingegen die
Externen nur den Süden und Südosten beehren (etwa vom Hochrhein bis zur
Lausitz). Hier gilt es noch ein paar Fragezeichen zu tilgen. Dort, wo es vorher
geregnet hat und es für längere Zeit aufgeht, kann sich Nebel bilden. Frost
steht ebenso wenig auf der Agenda wie nennenswerter (im Sinne des
Warnmanagements) Wind.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen werden die Basisfelder sehr ähnlich simuliert. Auch zum
Ende hin sind die Differenzen nicht groß. Was Konvektion und Niederschlag
angeht, gibt es schon Unterschiede, die im Text auch entsprechend gewürdigt
wurden. Das heißt aber nicht, dass man auf alle Fragen schon eine Antwort hätte.
Gerade die Unsicherheiten bei Konvektion werden auch in Zukunft ein treuer
Begleiter numerischer als auch mensch-gemachter Wettervorhersagen bleiben, trotz
unzweifelhafter Verbesserungen auf allen möglichen Feldern (Hardware, Modelle,
Postprocessing, Datenassimilation etc.).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann