DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-04-2022 17:01
SXEU31 DWAV 041800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 04.04.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zeitweise stürmisch, am Donnerstag schwere Sturmlage möglich. Wiederholt Regen,
insbesondere in Staulagen Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... liegen wir an der Südwestflanke eines Langwellentroges über
Nordeuropa in einer von nordwestlichen langsam auf westliche Richtungen
drehenden zyklonalen Höhenströmung. Vor einem markanten Randtrog hat sich dabei
ein Sturmtief gebildet, das sich in den nächsten Stunden vertieft und zum
Finnischen Meerbusen zieht. Es soll laut ICON dort am Dienstagmorgen mit einem
Kerndruck von unter 970 hPa aufschlagen.

Die Warmfront überquert die SW Hälfte Deutschland zügig nach Südosten, die
nachfolgende Kaltfront kommt zusehends schleifend bis zu einer Linie
Münsterland-Thüringen voran. Südlich davon setzt die Zufuhr milder Meeresluft
mit 0 bis +3°C in 850 hPa ein, postfrontal wird zwar Meereskaltluft advehiert,
die bei großem Gradienten gut durchmischt daherkommt, sodass im Norden die Nacht
frostfrei bleibt.

Eher gibt es im südöstlichen Bergland leichten Frost, weil sich die milde
Meeresluft dort nur zögernd durchsetzt. Das hat auch zur Folge, dass die
Schneefallgrenze nach Osten und Südosten hin nur langsam steigt. Somit fällt
dort im Bergland über die Nacht hinweg Schnee.
In Staulagen sind oberhalb 600 bis 800m (vor allem im Thüringer Wald und
Bayerischen Wald) 10 bis über 15 cm, im Westerzgebirge bis 10 cm Schnee
vorstellbar. Auch im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb kann es für ein
paar cm Schnee reichen.

Ansonsten fällt im westlichen und südwestdeutschen Bergland Regen, vor allem in
westlichen Staulagen auch im warnrelevanten Bereich. Tauwetter ist im östlichen
Bergland ein Thema, wo es nach der Milderung weiter regnet. Beide Ereignisse
liegen im markanten Rahmen.

Mit Abzug des Tiefs fächert der Gradient auf und der Wind lässt wieder nach.
Sturmböen Bft 8/9 sind im Laufe der Nacht auf höhere Berglagen und die
Ostseeküste beschränkt. Vor allem im Süden lebt der Westwind auf und es gibt
einzelne steife Böen. Aufgrund des noch vorhandenen Gradienten hat die
Luftmasse keine Chance, zur Ruhe zu kommen. Leichter Frost tritt neben den
erwähnten Hochlagen eventuell noch am Alpenrand auf.

Dienstag ... liegen wir unter der Frontalzone bei leicht zyklonaler
westnordwestlichen Strömung. Die darin eingelagerte Kaltfront, beginnt vor einer
Tiefentwicklung westlich Schottlands rückläufig zu werden und kommt als
Warmfront bis ins Emsland und zum Osterzgebirge nach Norden voran.

In einem breiten Streifen vom Westen bis in den Südosten fällt bei bedecktem
Himmel verbreitet Regen. In Staulagen der zentralen und östlichen Mittelgebirge
kann dies Dauerregen bedeuten, in den östlichen Bergländern sowie im Harz, wo es
zuvor geschneit hat und wo es ab den Frühstunden regnet, wäre Tauwetter eine
Option. Die Signale dafür sind jeweils grenzwertig, die externen Modelle liegen
eher unter den Warnschwellen und auch die Signale seitens der Probabilistik sind
nicht sonderlich stark. Angesichts der trockenen Vorgeschichte empfiehlt sich
zunächst Monitoring. Warnungen können kurzfristig nachgeschoben werden.

Im Tagesverlauf legt der Wind wieder etwas zu, Windböen treten dann noch im
Bereich der Warmluft im Süden sowie im Nordosten Deutschlands auf. An der
Ostseeküste und im Bergland können stürmische Böen, exponiert Sturmböen bis Bft
9 nicht ausgeschlossen werden.
Ein paar Wolkenlücken kommen lediglich in Küstennähe sowie an den Alpen
zustande. Ansonsten hält sich geschlossene Bewölkung. Die Temperatur steigt auf
7 bis 13 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch greift das erwähnte Tief, zunächst ohne großes
Entwicklungspotential, auf Schottland über. Die Warmfront macht Boden bis zur
Ostsee gut, wodurch das Vorhersagegebiet in den breiten Warmsektor gelangt. Das
Niederschlagsgebiet der schleifenden Warmfront wird nach Nordosten geführt, was
das Ende der (möglichen) Tauwetter- und Dauerregenlage für die Mittelgebirge
bedeutet.

Im Bereich des Warmsektors legt der Gradient etwas zu. Im Nordwesten und wohl
vor allem in Leelagen über der Mitte kommen Windböen, an der Nordsee und im
Bergland stürmische Böen bis Bft 8 und in exponierten Gipfellagen Sturmböen bis
Bft 9 auf. Brocken und Fichtelberg sind auch mit schweren Sturmböen dabei.

Mittwoch ... hält sich das Tief über Schottland, zunächst ohne wesentliche
Intensivierung. Ein nach Osten ablaufender Kurzwellentrog, der bis zum Abend den
Norden Deutschlands erreicht, lässt die Strömung zyklonaler werden.
Gleichzeitig verstärkt sich der Gradient wieder und mit Hilfe des Tagesganges
sollten im Norden und in der Mitte bis hin zu einer Linie Südpfalz - Oberpfälzer
Wald flächendeckend Wind- und in freien Lagen stürmische Böen zustande kommen.
Für höhere Berglagen wären dann Sturm- und (exponiert) schwere Sturmböen die
Folge.
Bei kaum verändertem Gradienten schwächt sich der Wind abends wieder ab, so dass
in freien Lagen Windböen und im höheren Bergland Sturmböen Bft 8/9 übrigbleiben.


Mit Übergreifen einer schwachen Kaltfront setzen von Nordwesten präfrontal
Regenfälle ein, während der Warmfrontregen nach Nordosten abzieht. Dabei sind im
Norden gebietsweise 5 bis 10 mm Regen in 12 Stunden zu erwarten. Schön für die
Wasserbilanz, zum Warnen nix. Zum Abend hin labilisiert der sich nähernde
Kurzwellentrog ganz im Norden und Nordwesten die Schichtung, so dass die
Niederschläge konvektiv durchsetzt sind; für Gewitter sollte es noch nicht
reichen.
Auflockerungen sind im Lee der östlichen und südlichen Mittelgebirge und in
Richtung Alpen wahrscheinlich. Dort sind Tageshöchsttemperaturen bis 16/17°C
möglich. Sonst hält sich starke Bewölkung. Die Temperatur liegt nachmittags
meist zwischen 10 und 15°C.

In der Nacht zum Donnerstag gelangt das Tief bei Schottland, bedingt durch den
nachfolgenden Trog, in eine entwicklungsgünstige Lage nahe dem linken Jetausgang
und intensiviert sich auf dem Weg in die mittlere Nordsee zu einem
ausgewachsenen Sturmtief; wobei dieser Prozess schon tags zuvor einsetzt.

Nach einer vorübergehenden Windabnahme legt mit der Südostverlagerung und
Intensivierung dieses Tiefs der Gradient in der zweiten Nachthälfte zu, so dass
im Nordwesten, Westen und in Teilen der Mitte bis in tiefe Lagen Windböen und
stürmische Böen, exponiert Sturmböen (Bft 7 bis 8, exp. 9) aufkommen. Im
Bergland sind schwere Sturmböen, in exponierten Kamm- und Gipfellagen
orkanartige Böen bis Orkanböen zu erwarten. Relativ windschwach bleibt es im
Nordosten und im Südosten.

Die Kaltfront des Sturmtiefs kommt mit entsprechender frontsenkrechter
Windkomponente zügig südostwärts voran und greift auf den Nordwesten über. Da
zuvor eine Labilisierung erfolgt ist und vor dem Trog Dynamik ins Spiel kommt
und Hebung erfolgt, sind im Nordwesten kurze Gewitter nicht unwahrscheinlich.
Bei bis zu 60 kt im 850 hPa-Niveau sind bei entsprechender Durchmischung in
tieferen Lagen in Verbindung mit konvektiven Umlagerungen, bzw. eventuell
organisierten Strukturen zumindest schwere Sturmböen möglich. Allerdings
bestehen bzgl. der Details dieser Entwicklung noch Unsicherheiten. Es bleibt
überall frostfrei.

Donnerstag ... zieht das Sturmtief über Dänemark nach Südschweden und behält
seine Intensität nahezu bei. Wir liegen an der Südflanke desselben und bei
weiterer Gradientverschärfung greift das zugehörige Sturmfeld auf Deutschland
über und erfasst in der Folge das ganze Land.

Die Kaltfront kommt mit kräftigen Regenfällen bis Süddeutschland voran und gerät
vor einer Welle über dem Ärmelkanal dort ins Schleifen. Gebietsweise fallen 10
bis 15 mm Regen mit Frontpassage, in einigen Staulagen regnet es länger
anhaltend und bis über 25 mm in 12 Stunden, was zunächst mal markante Warnungen
rechtfertigen dürfte. Je nach Schleifzone wäre in der Folge in einigen Staulagen
ergiebiger Dauerregen (WU) nicht ausgeschlossen.

Dazu frischt der Südwest- bis Westwind verbreitet stürmisch auf mit einzelnen
Sturmböen Bft 9, teils sind auch schwere Sturmböen vor allem über Süddeutschland
in windexponierten Lagen nicht ausgeschlossen und im Bergland geht es rauf bis
Orkanstärke. Nach kurzer Beruhigung folgt im Tagesverlauf der Bodentrog über
Norddeutschland und führt dort zu weiteren Sturmböen, an der See und vielleicht
auch landeinwärts zu schweren Sturmböen.
Bei weiter instabiler Schichtung sind zudem Schauer und kurze Gewitter möglich,
die auch noch weiter ins Binnenland und häufiger schwere Sturmböen, vereinzelt
orkanartige möglich erscheinen lassen.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die unbeständige, windige und regenreiche Phase (Wz) ist unstrittig. Die Details
sind teilweise recht unsicher. So wird zunächst mal auf weitere Tauwetter und
Dauerregenwarnungen für die kommende Nacht und Dienstag verzichtet, auch wenn
ICON in diese Richtung tendiert. Die externen Modelle, ENS und die trockene
Vorgeschichte sprechen dagegen.
Die Entwicklung am Donnerstag wird noch mit Abweichungen simuliert.
Spekulationen darüber lohnen noch nicht. Eine (schwere) Sturmlage (det. Modelle,
ENS, EFI) ist aber nicht unwahrscheinlich, begleitet von kräftigen Regenfällen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner