DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-04-2022 16:30
SXEU31 DWAV 031800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 03.04.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Windiges bis stürmisches und unbeständiges Wetter, teils mit Dauerregen, anfangs
auch markantem Schnee im Bergland.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... dominiert vielerorts noch die Ruhe vorm Sturm. Wie schon in der
Frühübersicht detailliert erläutert, stehen aber spannende und aus Sicht der
Meteorologen abwechslungsreiche Zeiten an. Die Kurzfrist ist ab dem morgigen
Montag von der Wetterlage West bis Nordwest zyklonal geprägt. Schon das Wort
zyklonal lässt dabei nicht auf Sonne und ruhiges Wetter schließen. Da die Luft
dann auch noch vom (Nord-)Atlantik nach Deutschland rauscht, sind oftmals auch
Tiefs und deren Ausläufer in der Wetterküche beteiligt.

Schon am heutigen Sonntagabend werden schon langsam die Vorzeichen für die
weiteren Entwicklungen gestellt. Dem Rücken auf dem Nordatlantik dessen Achse
über die Britischen Inseln hinweg Richtung Deutschland zeigt, steht ein
Höhentiefkomplex über Skandinavien gegenüber, der einen Langwellentrog
aufspannt, der sich wiederum bis nach Süd- und Südwesteuropa erstreckt.
Deutschland liegt dabei im diffluenten Bereich der Höhenströmung, die eine
Kurzwellentrog genau über der Republik aufweist. Bodennah stützt aber der Rücken
noch ein Hoch über dem Atlantik, dessen Keil über Süddeutschland hinweg bis in
die Balkanregion reicht. Entsprechend sorgt der Hochdruckeinfluss in der
Südhälfte des Landes meist noch für ruhiges Wetter. Allenfalls im Nordstau der
Berge gibt es noch etwas Schnee. In der Nordhälfte sind basierend auf dem
Höhentrog und entsprechenden Hebungsprozessen Schauer und sogar einzelne
Gewitter unterwegs. Die Niederschläge fallen bei Temperaturen in 850 hPa
zwischen -5 und -9 Grad als Schnee, wenngleich aufgrund der diffusen Strahlung
und des Bodenwärmestroms keine Glätte zu erwarten ist. Nach Abzug des Troges
kann sich das Wetter in der Nacht vorübergehend sogar landesweit nochmals
beruhigen. Daher können die Temperaturen bei auflockerungen/Aufklaren abgesehen
vom Norden verbreitet nochmals in den frostigen Keller rauschen. Bei nassen
Straßen besteht die Gefahr von gefrierender Nässe.

Doch die Ruhe währt nicht lange, westlich der norwegischen Küste steht nämlich
schon das nächste Tief in den Startlöchern.
Montag ... bleibt in der Höhe die Grundverteilung des Geopotentialfeldes
erhalten. Dem Rücken auf dem Atlantik steht weiter der Höhentiefkomplex über
Skandinavien sowie dessen Langwellentrog über Osteuropa gegenüber. Über der
Nordsee ist dabei eine markante nordwestliche Höhenströmung zu verzeichnen, in
die ein kleiner, aber signifikanter Kurzwellentrog eingebettet ist. Genau dieser
stützt aber am Boden ein Tief, das von Südnorwegen zum Baltikum zieht und dessen
teils okkludiertes Frontensystem von Nordwesten auf Deutschland übergreift.
Dabei ist der Warmsektor allenfalls im äußersten Westen noch ausreichend
ausgeprägt. Aber auch sonst hat die Okklusion, aufgrund milderer Temperaturen im
Schlepptau, Warmfrontcharakter. Mit dem Tief und dessen Frontensystem sowie dem
Kurzwellentrog in der Höhe werden zahlreiche Prozesse angestoßen. Beim
Niederschlag ist es PVA, die mit frontogenetischem Input harmoniert und
entsprechend Niederschläge generiert. Auch die vorlaufende WLA sorgt zudem für
Hebung. Da die Kaltfront des Systems durch neue Entwicklungen über dem
Nordatlantik an Schwung gen Süden verliert und quasistationäre, teils auch
retrograde Tendenzen aufweist, treten vor allem über dem Mittelgebirgsraum
länger anhaltende Niederschläge auf. Im gewissen Staulagen des Rothaargebirges
und des Harzes setzt Dauerregen ein. Allerdings spielen wir auch noch
Phasenlotterie. Denn die Temperaturen in 850 hPa steigen nur im Westen und
Südwesten über die 0-Grad-Grenze an. Nach Osten zu bleiben die Werte im
Frostbereich. Entsprechend fallen die Niederschläge oberhalb von 400 bis 600
Metern zunächst als Schnee. Während im westlichen und zentralen
Mittelgebirgsraum die Schneefallgrenze bis in höhere Lagen ansteigt, bleibt
diese vom Thüringer Wald und Erzgebirge bis zum Bayerischen Wald länger in
tieferen Lagen hängen. Im Rothaargebirge und der Eifel sollte dabei die flüssige
Phase dominierend sein. Die Schneephase ist recht kurz und auf die höheren Lagen
beschränkt. Bei den Warnungen würde sich regional also eine Dauerregenwarnung
anbieten. In den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen sieht es komplett
anders aus, dort ist die Schneephase dominierend, sodass eine markante
Schneewarnung in den Fokus rückt. Komplexer ist es im Harz, dort soll es
zunächst mäßig schneien, im Verlauf aber die flüssige Phase bis in höhere Lagen
übernehmen. Entsprechend müsste man einen Warnungskompromiss aus markantem
Schneefall, Dauerregen und Tauwetter finden. Neben dem Niederschlag spielt aber
auch der Wind erneut eine wichtige Rolle in der Wetterküche. Mit der Verlagerung
des Tiefs verschärft sich auch der Gradient deutlich. Entsprechend lebt der Wind
spürbar auf und erreicht verbreitet Sturmstärke. Dabei ist ein deutliches
Nord-Süd-Gefälle zu verzeichnen. Während an der See teils schwere Sturmböen bis
zu einzelnen orkanartigen Böen im Programm stehen, sind es im Süden meist steife
und nur vereinzelt stürmische Böen, die den Regen oder Schnee durch die Luft
wirbeln. Da überwiegend stabile Verhältnisse vorherrschen, fegt der Wind auch im
höheren Bergland besonders stark. In Gipfellagen einzelner Gebirge sind demnach
auch schwere Sturmböen bis hin zu einzelnen Orkanböen möglich. In der Nacht zum
Dienstag lässt der Wind von Westen her nach, bleibt aber noch stark bis
stürmisch.
Dienstag ... ist das Sturmtief nach Finnland weitergezogen und hinterlässt
Deutschland nur noch eine abgekoppelte, quer über die Mitte des Landes liegende
Kaltfront, die über der Nordsee in eine Warmfront übergeht und so an ein
Dipoltief nördlich der Britischen Inseln andockt. Während die Temperaturen in
850 hPa über der Nordosthälfte mit Werten von 0 bis -7 Grad frostig bleiben,
werden in der Südwesthälfte 0 bis +2 Grad simuliert. Dies wiederum hat Einfluss
auf die Niederschlagsphase. Denn im Umfeld des quasistationären Frontenzuges
sowie im Stau der Alpen reichen die Hebungsimpulse weiter aus, um Niederschläge
auszulösen. Diese können in höheren Lagen des Erzgebirges und des Bayerischen
Waldes weiter in der festen Phase niedergehen. Ansonsten muss im Bayerischen
Wald auch die Frage nach Dauerregen bzw. Tauwetter gestellt werden. Denn
unterhalb von 800 Metern fällt ja die flüssige Phase. Am Ende darf der Nordosten
nicht ganz vergessen werden. Dort sorgt PVA des nahen Troges für Schauer, die
bei Temperaturen deutlich unter 0 Grad in 850 hPa ebenfalls als Schnee fallen,
aber aufgrund des bodennahen Temperaturniveaus keine Glätte auslösen sollten.
Beim Wind scheint sich ein Übergangstag mit verschiedenen Schwerpunkten
auszubilden. Im Nordosten bläst der Wind aufgrund des Gradienten noch ordentlich
und erreicht steife bis stürmische Böen, exponiert Sturmböen. Ähnlich sieht es
im Süden aus, wo der Leitplankeneffekt zuschlagen könnte und so südlich der
Donau ebenfalls steife bis stürmische Böen hervorrufen kann. Abgekoppelt sind
die Berge, wo insgesamt stürmische Böen oder Sturmböen auf der Agenda stehen.
In der Nacht zum Mittwoch kommt dann das (Dipol-)Tief von den Britischen Inseln
her näher. Dabei drückt es vorderseitig den Frontenzug nordostwärts, sodass die
Temperaturen in 850 hPa ausgangs der Nacht nahezu im ganzen Land im positiven
Bereich liegen. Gleichermaßen wird die Front wieder aktiviert, sodass sich über
der Nordhälfte teils kräftige Niederschläge ausbreiten. Im äußersten Nordosten,
wo die kalte Luft den längsten Atem hat, ist anfangs auch die feste Phase ein
Thema.
Mittwoch ... steht dann voll im Zeichen des Tiefs über der Nordsee und Dänemark,
welches auf seiner Südwestflanke einen markanten Trog aufweist. Genau dieser
nähert sich tagsüber an, um in der Nacht auf den Nordwesten überzugreifen. Am
Boden korreliert der Trog mit einer ausgeprägten Kaltfront und geht mit einem
signifikanten Gradientverschärfung einher. Zudem interagieren PVA,
frontogenetische sowie auch diabatische Prozesse miteinander, sodass für die
Niederschlagsentstehung ausreichend Hebung zur Verfügung steht. Während tagsüber
bei den Niederschlägen in der Nordhälfte des Landes noch der skalige Anteil
überwiegt, ist nachts der zunehmend konvektive Input für eine
Niederschlagintensivierung vom Südwesten bis nach Brandenburg verantwortlich.
Durch den markanten Trog und die entsprechenden Gradientverschärfung legt auch
der Wind wieder einen Zahn zu und soll ab dem Nachmittag zunehmend Sturmstärke
erreichen. Die genauen Abläufe sowie auch Intensitäten sind aus heutiger Sicht
aufgrund der Modellunsicherheiten noch nicht seriös abzuschätzen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großskaligen Strukturen des Geoptential- und Luftdruckfeldes werden von
verschiedenen Globalmodellen über den gesamten kurzfristigen Zeitraum
vergleichbar abgebildet. Bis einschließlich Dienstag sind die Unterschiede bis
ins Detail als gering anzusehen. Allenfalls die genaue Lage des quasistationären
Frontenzuges wird leicht abweichend simuliert. Entsprechend können auch die
Niederschlagsschwerpunkte geringfügig variieren.
Am Mittwoch nehmen dann die Unterschiede zwischen den Modellen im Detail zu. Als
Erstes wäre zu klären, ob es sich bei dem Tiefkomplex um eine Dipolstruktur
handelt oder nicht. Während tagsüber noch alle betrachteten Modelle eine
Doppeltiefstruktur zeigen, verabschieden sich ICON und im Verlauf auch IFS
davon. GFS zeigt die Struktur am längsten. Die zweite Frage betrifft die genaue
Lage des/der Tiefs sowie auch die beim ICON beschriebene Ausbildung eines
scharfen Troges. In dieser Hinsicht weicht ICON deutlich vom IFS und GFS ab.
Während ICON den Tiefkern nachts schon über der östlichen Nordsee oder Dänemark
zeigt, tummeln sich dieser/diese beim GFS noch bei Schottland und beim IFs
unwesentlich östlich davon. Insgesamt ist ICON bei der Entwicklung deutlich
schneller unterwegs und schiebt die Kaltluft auf der Rückseite rasch über das
gesamte Land hinweg. IFS und GFS zeigen im Verlauf über der Mitte/Süden dagegen
eine Tiefdruckrinne mit kleinen Tiefs. Bei dieser Entwicklung wären regional
auch wieder stärkere Regen-/Schneefälle möglich. Auch bei der Windentwicklung
gibt es durch die beschriebenen Unsicherheiten Abweichungen beim Timing und der
Intensität des Windes.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Lars Kirchhübel