DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-04-2022 17:01
SXEU31 DWAV 021800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 02.04.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachlassende Schneefälle und am Sonntag leichter Zwischenhocheinfluss. Ab Montag
Übergang zu windiger und wechselhafter Westwetterlage mit zeitweiligem
Sturmpotenzial. Wieder milder.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... zeigt die großräumige Potenzialverteilung einen sehr breit
angelegten Höhentrog, der sich quasi vom Nordpolarmeer über Mitteleuropa bis in
den Mittelmeerraum erstreckt. Eingelagert sind mehrere Drehzentren, von denen
das über dem Norden Italiens die größte Relevanz für uns besitzt. Zusammen mit
dem korrespondierenden Bodentief LOTTE sorgt es im Süden des Vorhersageraums für
WLA respektive Rest-Gegenstrom, die wiederum synoptisch-skalige Hebung
generieren. Mit allmählicher Ostverlagerung des Drehzentrums werden die
Hebungsimpulse immer schwächer, so dass auch die Schneefälle mehr und mehr
nachlassen bzw. sich in und an die Alpen zurückziehen. Der meiste Schnee bis
Sonntagfrüh kommt noch direkt am Alpenrand sowie im südlichen Vorland zusammen
mit 2 bis 7 cm, nach Osten hin um oder etwas über (Stau) 10 cm zusammen.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass auf der Ostflanke des kräftigen und
hochreichenden Hochs QUINCY über dem nahen Atlantik nunmehr trockene-kalte
Luftmassen (Td teils unter -5°C) aus hohen Breiten advehiert werden, die mit
850-hPa-Temperaturen zwischen -7 und -10°C alles andere als frühlingshaft
daherkommen. Von Norden her lockert die Bewölkung immer weiter auf und die
Temperatur sinkt auf Werte zwischen -1 und -6°C (auch im bewölkten Süden), im
Bergland bis zu -9 °C, über frischem Schnee und bei längerem Aufklaren sogar auf
-10°C oder etwas darunter. Thema Glätte: Hier heißet es besonders im Süden
Obacht vor gefrierender Nässe (und z.T. auch noch geringfügigem Schneefall),
weil die Nässe vom Tag aufgrund des späten Niederschlagsendes nur bedingt
abgetrocknet ist (=> sichtbare Glättewarnung). Zur Mitte und nach Norden hin
sieht die Sache anders aus, dort haben der Tagesgang, aber auch die trockene
Luft für uns gearbeitet, so dass Glätte zwar nicht ausgeschlossen ist, in der
Fläche aber nur eine untergeordnete Rolle spielt (unsichtbare oder überhaupt
keine Glättewarnung). Etwas aufpassen müssen die Nachtdienste in den frühen
Morgenstunden im küstennahen Bereich, insbesondere an der Nordsee, wo
vorderseitig eines schwachen, sich von Jütland nähernden Sekundärtrogs (300 hPa)
etwas Niederschlag generiert wird (teils Schnee, teils Regen), der zu Glätte
führen könnte (Konjunktiv).

Sonntag ... steht im Zeichen eines Zwischenhochkeils, der sich ausgehend vom
Hoch QUINCY (Zentrum am Mittag mit etwas über 1030 hPa knapp westlich von
Irland) bis nach Deutschland erstreckt, wo er nur sehr langsam gen Süden
wandert. Hinter der Divergenzachse dreht der Wind im Norden zurück auf westliche
Richtungen, wobei er gleichzeitig etwas zulegt. Bis zum Abend dürften aber nur
ganz sporadisch Böen der Stärke 7 Bft auftreten und das - wenn überhaupt - auch
nur direkt an der Küste. Ansonsten wird mit Winddrehung nicht mehr ganz so
kalte, mitnichten aber milde Meeresluft in den Norden advehiert (T850 um -6°C),
in der sich einige Schauer (anfangs teils als Schnee oder Graupel) aus der
Küstenregion landeinwärts bis zu einer Linie Münsterland-Fläming-Uckermark
voranarbeiten. Die akkumulierten Mengen (12 h) liegen unter 5 l/m² und das Thema
Glätte sollte tagsüber auch nicht von allzu großer Bedeutung sein. Antreiber des
Ganzen ist besagter Sekundärtrog, der langsam südostwärts schwenkt.

Vom Norden in den Süden, zunächst mal in den äußersten Süden (südliches Bayern
und BaWü), wo sich noch zähe Reste starker Bewölkung mit leichten Schneefällen
halten. Zwar bringt das nicht mehr viel Neuschnee, für einen weitgehend
bedeckten Sonntag reicht es aber allemal. Wer also Interesse an Sonnenschein
hat, sollte sich nordwärts gen Mitte orientieren. Im Bereich der Divergenzachse
lockert die Bewölkung zeitweise auf bzw. bilden sich nach wolkenarmen Start nur
einige Quellungen, die Platz für direkte Strahlung lassen. In der Vorhand sind
laut Statistik die Regionen zwischen Saarland/RP und Thüringen, aber auch weiter
östlich stehen die Chancen auf Sonne nicht ganz schlecht. Die Temperatur
erreicht Höchstwerte von gerade mal 1 oder 2°c im bewölkten Süden und bis zu 9°C
im Nordwesten. Für Tagfrost reicht es nur in höheren Lagen.

In der Nacht zum Montag verstärkt sich die nordwestliche Höhenströmung, mit der
sich gleichzeitig kräftige WLA von der Nord- und Ostsee südwärts ausbreitet. Sie
kündigt eine Warmfront an, die gehört zu einem kleinen Tief namens MIRELLA
gehört, das aus dem Raum Island bis zum Seegebiet Viking westlich Südnorwegens
vorstößt (Montag 00 UTC). Derweil rutscht der Hochkeil immer weiter nach Süden,
zum Morgen hin dürfte die Divergenzachse einen Großteil der Alpen bereits
überschritten haben.

Trotzdem, in weiten Teilen Süddeutschlands verläuft die Nacht gering bewölkt
oder klar, was die Temperatur verbreitet in den mäßigen, stellenweise sogar
strengen Frostbereich zurückgehen lässt. Letzte spärliche Flocken am Alpenrand
werden immer weniger. In der Mitte, wo das Bewölkungsbild heterogener erscheint,
gibt es leichten bis mäßigen Frost. Hier und da fällt wie im Osten ein Schnee-
oder Schneeregenschauer geringer Intensität. Und dann wäre da noch der Norden,
der aufgrund zunehmender Bewölkung (+ einsetzender Regen am frühen Morgen von
der Nordsee her) weitgehend frostfrei bleibt. Auch der merklich auffrischende,
auf Südwest rückdrehende Wind hat einen großen Anteil daran, dass es mit der
nächtlichen Abkühlung nicht allzu weit her ist. An der See und im küstennahen
Binnenland erreichen die Böen 7-8 Bft, an der Nordsee zum Morgen hin vermehrt 9
Bft, exponiert (nordfriesische Küste, Nordfriesische Inseln, Halligen)
vielleicht 10 Bft. Schwere Sturmböen 10 Bft stehen auch auf dem Brocken auf der
Karte.

Montag ... kommt allgemein Leben in die Bude. Auslöser sind ein Höhentrog über
Nordeuropa mit Drehzentrum über Lappland sowie das o.e. Tief MIRELLA. Das Tief
interagiert sehr fruchtbar mit einem Randtrog bzw. dessen diffluenter
Vorderseite, heiß, auf seinem Weg via Skagerrak und Kattegat gen Osten
entwickelt es sich zu einem veritablen Sturmtief mit Kerndruck unweit von 980
hPa. Die zugehörige Warmfront erreicht gegen Mittag die Nordseeküste, von wo aus
sie landeinwärts schwenkt. Unter fortlaufender WLA steigt die Temperatur
gesamttropophärisch an, in 850 hPa geht´s im Nordwesten rauf auf 0 bis +3°C.

Wettermäßig breitet sich der Niederschlag aus dem äußersten Norden und
Nordwesten zügig süd-südostwärts bis in die mittleren Landesteile aus. Bis zum
Abend bleiben lediglich weite Teile Bayerns und BaWüs davon verschont (außer der
nördlichen Regionen), wo zudem für längere Zeit die Sonne scheint. Der meiste
Regen wird modellübergreifend für SH und das nördliche NDS simuliert, wo 10 bis
15, lokal sogar um 20 l/m² innert 12 h aufschlagen können. Beim Erreichen der
Mittelgebirge fällt der Niederschlag anfangs als Schnee bis in tiefere Lagen,
bevor die Schneefallgrenze bis zum Abend allmählich auf etwa 400 (nach Osten
hin) bis 1000 m (nach Westen hin) steigt. Insbesondere im Oberharz sind
Neuschneemengen von rund 10 cm binnen weniger Stunden möglich, während sonst die
Mengen geringer ausfallen.

Zweiter wichtiger Punkt neben dem Niederschlag ist der Wind, der aus Südwesten
kommend mächtig in Fahrt kommt. An der Küste geht ein Sturmfeld mit Böen 9-10
Bft von der Nord- zur Ostsee hin durch, aber auch im Binnenland wird es bis in
die mittleren Landesteile ausgreifend vermehrt zu Böen 7-8 Bft kommen. Böen 9
Bft (exponiert auch mehr; Brocken "voll auf die Zwölf") bleiben aufgrund der
stabilen Schichtung im Wesentlichen auf höhere Lagen sowie das küstennahe
Binnenland beschränkt, sind aber in exponierten Lagen nicht gänzlich
auszuschließen. Am windschwächsten bleibt es präfrontal im äußersten Süden, wo
zwar die Berge etwas anspringen, Böen 7 Bft im Tiefland aber eher selten sind.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 4 bis 10°C, im höheren Bergland um 0°C.


In der Nacht zum Dienstag erreicht das Sturmtief das Baltikum, wodurch der Wind
bei uns kontinuierlich an Kraft verliert. Das heißt aber nicht, dass er gänzlich
zur Ruhe kommt. Im Norden dreht er auf West bis Nordwest und macht dabei vor
allem an der See noch ein paar Schlagzeilen (7-8 Bft vornehmlich an der Ostsee).
In der Mitte und im Süden stehen Böen 7-8 Bft, in exponierten Hochlagen 9-10 Bft
auf dem Zettel, jeweils aus Südwest, Tendenz zum Morgen hin langsam nachlassend.


Ansonsten kommt die Warmfront mit dem zugehörigen weiter nach Süden voran, wo es
zunächst bis in tiefe Lagen schneit. Im Zuge kräftiger niedertroposphärischer
WLA (Anstieg T850 auf -1 bis +3°C) steigt auch die Schneefallgrenze sukzessive
an, trotzdem kann es in den Hochlagen der nord- und ostbayerischen Mittelgebirge
sowie des Thüringer Walds noch mal ´ne ordentliche Hucke Neuschnee geben mit
z.T. 10 bis 15 cm. Auch nach Westen hin sind die Niederschläge nicht ohne,
allerdings liegt dort die Schneefallgrenze über Kammniveau. Nicht
ausgeschlossen, dass in Teilen des Rothaargebirges die 30-l/m²-Schwelle pro 24 h
(Montag tagsüber plus Nacht zum Dienstag) an der einen oder anderen Stelle
geknackt wird.
Im Norden, wo die nachfolgende, teilokkludierte Kaltfront Einzug hält, lassen
die Niederschläge von Norden her langsam nach. In der postfrontal einströmenden
maritimen Polarluft (T850 runter auf bis zu -5°C) lockert die Wolkendecke
teilweise auf. Für Frost reicht es aber nicht, der beschränkt sich auf das
höhere Bergland.

Dienstag ... dauert die Westlage auf der Südflanke des nach wie vor über
Nordeuropa liegenden Höhentrogs an. Die Kaltfront des nach Karelien ziehenden
Sturmtiefs kommt bis in die Mitte voran, wo sie zunehmend strömungsparallel wird
und entsprechend ausgebremst wird. In ihrem Bereich kommt es in den mittleren
Landesteilen zu länger andauernden Regenfällen, die im Stau der Mittelgebirge
durchaus 10 bis 15 l/m² zusammenbringen. Eventuell muss dieser Regen bei einer
möglichen Dauerregenwarnung für die westlichen Mittelgebirge noch
mitberücksichtigt werden. Regnen tut es präfrontal auch im Süden, wo in
Staulagen ebenfalls 10 bis 15 l/m² fallen können. Die Schneefallgrenze steigt
z.T. deutlich über 1000 m an. Im Norden stellt sich in der frisch einfließenden
maritimen Polarluft (T850 um -5°C) wechselhaftes Wetter mit einigen Regen- oder
Graupelschauern ein (für Schneeschauer wird es aufgrund der guten Durchmischung
wohl nicht reichen).

Der westliche Wind (im Norden eher NW, im Süden eher SW) bleibt flüssig
unterwegs ohne die ganz großen Kracherböen zumindest im Flachland. 7-8 Bft in
tiefen Lagen, 9-10 Bft in exponierten Hochlagen, vielleicht mal ´ne 11 Bft auf
dem Brocken oder dem Fichtelberg lautet die Bilanz für Dienstag. Dazu
Tageshöchsttemperaturen, die zwischen 7 und 13°C liegen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen wird die Entwicklung bis Dienstag ähnlich simuliert.
Unsicher sind derzeit noch die genauen Niederschlagsmengen. Eine markante
Dauerregenwarnung für die westlichen Mittelgebirge von Montag zu Dienstag sollte
im Hinterkopf abgespeichert werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann