DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

22-09-2016 11:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 22.09.2016 um 10.30 UTC



Nach Hochdruckeinfluss und spätsommerlichem Ambiente am Wochenende Übergang zu
wechselhaftem Westwetter mit allmählich zurückgehenden Temperaturen.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 29.09.2016


Zu Beginn des Mittelfristzeitraums am kommenden Sonntag befindet sich
Deutschland mitten unter einem veritablen Höhenrücken, der im Tagesverlauf unter
Vergrößerung seiner Amplitude bei gleichzeitiger Verkürzung der Wellenlänge
langsam ostwärts wandert. Die korrespondierende Bodenhochdruckzone befindet sich
knapp östlich des Höhenrückens, so dass wir auf der warmen Seite in einer
schwachen südlichen Strömung liegen. Dabei wird vorübergehend mediterrane
Subtropikluft herangeführt, in der die 850-hPa-Temperatur zum Teil auf etwas
über 10°C steigt, was mit Hilfe der Einstrahlung hier und da noch mal einen
Sommertag mit 25°C oder knapp darüber bringt.
Über dem nahen Ostatlantik hat sich zu diesem Zeitpunkt allerdings schon ein gut
ausgeprägter Langwellentrog etabliert, der ebenfalls eine leichte Progression
nach Osten aufweist. Ihm vorgeschaltet ist eine Tiefdruckrinne, die von einem
Tiefkomplex zwischen Schottland und Island ausgeht. Rinne und eingelagerte
Kaltfront nähern sich zwar dem Vorhersageraum, greifen wohl aber erst in der
Nacht zu Montag über, um dann im Laufe des Montags langsam ostwärts zu
schwenken. Dabei rückt die Front immer dichter an den nur pomadig weichenden
Höhenrücken heran, was ihr - von Haus aus schon nicht besonders kräftig
ausgestattet - weitere Power nimmt. Kurzum, nach heutigem Stand bringt die
Kaltfront nur wenig Regen und auch präfrontale Schauer/Gewitter deuten sich
mangels ausreichend Feuchtigkeit und Labilität derzeit nicht zwingend an.
Postfrontal strömt erwärmte Meereskaltluft subpolaren Ursprungs in den
Vorhersageraum, in der die 850-hPa-Temperatur auf 8 bis 5°C, im Nordwesten sogar
etwas darunter, zurückgeht und die rasch wieder unter Hochdruckeinfluss gelangt.
Dieser macht sich in Form eines Azorenhochkeils bemerkbar, der rasch Anschluss
an das mittlerweile über dem Baltikum bzw. Nordwestrussland positionierte Hoch
gewinnt, wodurch vorübergehend eine Brückensituation entsteht.
Ab Dienstag rückt dann besagter Tiefkomplex in den Fokus, aus dem sich ein
imposantes Sturmtief entwickelt, das am Mittwoch mit einem Kerndruck von etwas
unter 975 hPa die Norwegische See erreicht. Der zugehörige Höhentrog schwenkt
unter Intensivierung über Skandinavien hinweg ost-südostwärts, wobei mit
orografischer Unterstützung ein Randtief über Südnorwegen respektive -schweden
generiert wird. Bei uns hält sich zunächst noch die Hochdruckbrücke, bevor im
Laufe des Dienstags das Frontensystem des Sturmtiefs mit dichter Bewölkung,
später auch Regen, auf den Nordwesten übergreift. Die Kaltfront erreicht im
Laufe des Mittwochs die Alpen, wobei rückseitig mit auffrischendem, auf West bis
Nordwest drehendem Wind erneut ein Schwall subpolarer Meeresluft advehiert wird
(T850 mit Ausnahme des äußersten Südens und Südwestens unter 5°C).
In der erweiterten Mittelfrist am Donnerstag zeigt sich kurzzeitig noch mal ein
Azorenhochkeil (vor allem nach Süden hin), bevor sich eine Westlage einstellt.
Eine darin eingelagerte, weitgehend strömungsparallel exponierte Kaltfront soll
sich bis zum Wochenende mit Regenfällen von Nord nach Süd vorarbeiten

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Zu Beginn des offiziellen Mittelfristzeitraums am kommenden Sonntag zeigen die
jüngsten ECMF-Modellläufe eine gute Konsistenz. Diese Aussage lässt sich auch
noch auf dem Montag projizieren, wenn der wochenendliche Hochdruckeinfluss durch
eine Frontpassage (die heute etwas langsamer simuliert wird als in den
Vorläufen) unterbrochen wird.
Ab Dienstag nimmt die Konsistenz dann aber mehr und mehr ab. Zwar gibt es nach
wie vor den Trend hin zu deutlich zyklonaleren Wetterbedingungen, hinsichtlich
Phase, Timing und Intensität daran beteiligter Tröge, Tiefs und Frontensysteme
offenbaren sich aber erhebliche Unterschiede. Da davon auszugehen ist, dass auch
die nächsten Modellversionen die Lage immer wieder anders rechnen, erscheint es
hier und heute wenig sinnvoll, auf Detailunterschiede einzugehen. Als
Quintessenz lässt sich aber konstatieren, dass der heutige 00-UTC-Lauf im Mittel
ein höheres Temperaurniveau aufweist als seine Vorgänger, und dass merklich
weniger Niederschlag simuliert wird.
Ein gewichtiger Mitgrund für die Inkonsistenzen dürfte der tropische Wirbelsturm
KARL sein, der sich aktuell als tropische Depression nord-nordöstlich des
Antillenbogens befindet. Er soll sich in den nächsten Tagen zu einem Hurrikan
verstärken und bereits von Freitag auf Samstag einen Nordostkurs einschlagen. Zu
Beginn der kommenden Woche wird KARL wahrscheinlich in die Westdrift der
mittleren Breiten aufgenommen, wo er dann als außertropisches Tief mittelbar
oder unmittelbar die Geschicke unserer Klimazone mitbestimmt. In welcher Form
das genau passieren wird, wissen heute weder Mensch noch Maschine. We´ll see...


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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die anderen in dieser Rubrik gerne genannten Globalmodelle wie ICON, GFS, GEM
oder auch UKMO zeigen eine der ECMF-Version gar nicht mal so unähnliche
Entwicklung. Klar gibt es auch hier Phasen- und Timingunterschiede, aber ein
gänzlich in eine andere Richtung abdriftendes Szenario wird nicht angeboten.
Auffallend beim kanadischen GEM ist die Tatsache, dass das o.e. Sturmtief ab
Dienstag auf südlicherem Kurs zieht als bei den anderen Modellen, was bei uns
mehr Wind bedeuten würde. Zudem lassen sich bei ICON, GFS und GEM insgesamt
höhere Niederschlagsmengen in Verbindung mit den Front- und Trogpassagen
beobachten, was mit den vergangenen Läufen von ECMF d´accord geht. Hier gilt es
in den nächsten Tagen, noch einige Fragezeichen zu tilgen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Bis einschließlich Sonntag zeigen die ECMF-EPS Rauchfahnen verschiedener
deutscher Großstädte einen sehr homogenen Verlauf mit einem vor allem nach
Norden hin ausgeprägten Temperaturmaximum. Auch der Montag verläuft noch relativ
eindeutig (Frontpassage) wobei die Streuung aber langsam zunimmt, was dem
unterschiedlichen Timing geschuldet ist. Ab Dienstag wird es dann wuselig in den
verschiedenen Kurvenscharen, will heißen, der Spread nimmt deutlich zu. Die
Wellenbewegungen des Haupt- und Kontrolllaufs (Frontpassagen und
Zwischenhocheinfluss) werden zwar von vielen Ensemblemitgliedern mitgemacht,
allerdings mit diversen Phasenverschiebungen, was dem Ganzen ein unruhiges Bild
verleiht. Auffällig dabei, dass nicht wenige Ensembles mehr Niederschlag
simulieren als der deterministische Lauf.
Angesichts der angesprochenen Phasenunterschiede verwundert es nicht, dass die
Clusterung sowohl für den Zeitraum T+120...168h (Dienstag bis Donnerstag) als auch
T+192...240h (Freitag bis Sonntag) jeweils fünf verschiedene Cluster offeriert.
Für den ersten Zeitraum setzen CL 1 und 2 (18, 16 Fälle) auf den Übergang zu
einer Westlage, während CL 3 bis 5 (7, 6, 4 Fälle) eher ein mehr oder weniger
antizyklonales Szenario in petto haben.
Für den erweiterten Mittelfristzeitraum deutet sich trotz der hohen Clusterzahl
von fünf eine eher zyklonal geprägte West-Nordwestlage an.
FAZIT: Bis Montag/Dienstag kommt man vorhersagetechnisch noch einigermaßen klar
(wenn auch unter Zuhilfenahme einiger allgemeiner Formulierungen), danach wird
es sehr pauschal.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Der Start in die Mittelfrist erfolgt vergleichsweise unspektakulär, wenn man mal
davon absieht, dass es am Sonntag eine z.T. deutlich positive Temperaturanomalie
gibt, die an einigen Orten in einen Sommertag im Frühherbst mündet.
Ab Montag kommt dann etwas mehr "Dampf" in die Atmosphäre, ohne dass nun gleich
die ganz großen Herbststürme losbrechen (zumindest nicht bei uns). Zunächst mal
sind am Montag mit Frontpassage (bzw. präfrontal) einzelne GEWITTER nicht
ausgeschlossen, auch wenn die Signalstärke der Numerik sehr verhalten ausfällt.
Ab Dienstag rückt dann das Thema WIND/STURM in den Blickpunkt des
Warnmanagements, wenn auch noch ziemlich unscharf (Begründung siehe oben). Vor
allem an der Küste sowie im höheren Bergland dürfte es zeitweise für Sturmböen 8
bis 9 Bft aus westlichen Richtungen reichen. Ob es zu mehr reichen wird, hängt
nicht zuletzt von den Plänen und Launen des Tropensturms KARL ab, der das Wetter
der nächsten Woche (dann freilich als posttropisches Tief) maßgeblich
mitbestimmen wird.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit ECMF-EPS und Modell-Mix.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann