DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-03-2022 17:30
SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 28.03.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Keine markanten Wettererscheinungen. In der Mitte und im Süden ab Dienstag
aufkommender Regen, sonst nur vereinzelt Niederschläge. Ab Mittwoch im Süden
lokal kurze Gewitter nicht ausgeschlossen. In den Nächten zum Mittwoch und zum
Donnerstag wieder verbreiteter Frost.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... *ist das Geopotentialfeld über Deutschland im 500-hPa-Niveau eher
indifferent gestaltet. Während der Norden an der Südflanke eines großräumigen
skandinavischen Troges zu finden ist und sich infolge dessen im Küstenumfeld
zäher Hochnebel hält, profitiert der Rest des Landes von einem schwachen Rücken,
der sich vom westlichen Mittelmeer aus über Frankreich hinweg bi zur Nordsee
erstreckt. Dabei ist der Geopotentialgradient über Deutschland insgesamt schwach
ausgeprägt, die in der Folge schwache Höhenströmung zumeist eine westliche. Der
Blick auf das Bodendruckfeld offenbart eine 4er-Konstellation. Dabei sind die
Protagonisten 1. ein großräumiger, zweikerniger Tiefdruckkomplex über
Skandinavien und Nordwestrussland, 2. Ein Hochkeil, der sich von Grönland nach
Großbritannien erstreckt, 3. Ein großflächiges Tief mit Schwerpunkt westlich der
Iberischen Halbinsel, das einen kleinen Ableger vor der Biskaya platziert hat,
sowie 4. ein Hoch über dem zentralen und östlichen Mittelmeer. Zwischen den
unter eins und zwei genannten Druckgebilden wird in Staffeln Kaltluft nach Süden
transportiert, was in der Frontenvorhersagekarte entsprechend zu einer
Kaltfront-Doppelstruktur führt. Dabei gehören die Kaltfronten, akademisch
betrachtet, zum südlichen der beiden Tiefkerne über Skandinavien bzw.
Nordwestrussland, welches auf den Namen ILONA hört. Die südliche Front greift
heute Nacht auf den Norden über und erreicht zum Morgen etwa eine Linie von
Bremen bis nach Berlin, wobei postfrontal die 850er Temperatur auf null bis -3
sinkt, während sie ansonsten im positiven Bereich verharrt. Wenn überhaupt, dann
ist sie allenfalls lokal von sehr schwachen Regenfällen begleitet, meist bleibt
es an der Front aber trocken, was aufgrund fehlender dynamischer Hebungsprozesse
in der relativ glatt konturierten Höhenströmung nicht verwundert. Da jedoch die
mit der Front verbundenen Wolken nach Süden bis zur Mittelgebirgsschwelle
ausgreifen, ist Frost in der Nordhälfte durch die gedämpfte Ausstrahlung kein
Thema mehr - allenfalls Frost in Bodennähe ist lokal denkbar. Etwas anders
gestaltet sich die Situation über der Südhälfte. Dort sickert von Süden her,
zwischen dem Tief vor der Iberischen Halbinsel und seinem kleinen Kompagnon
(JANA) einerseits und dem Mittelmeerhoch andererseits feuchtere und mildere Luft
ein. Insbesondere über dem Südwesten sorgt dies auch für hohe und mittelhohe
Bewölkung, nimmt man die Feuchtefelder in 700 hPa als Maßstab, so hätte man JANA
auch ein Frontensystem verpassen können, wobei sich dann die Warmfront (mit
nördlicher Verlagerungsrichtung) von Nordfrankreich in den Südwesten
Deutschlands erstreckt hätte. Die entsprechende WLA sorgt bei ICON über dem
äußersten Westen sogar für ein paar Tropfen, was andere Modelle aber nicht
mitgehen. Wie auch immer, bezüglich des Frostes bleibt festzuhalten, dass es im
Westen und Südwesten, wenn überhaupt, wohl am ehesten in der Eifel für Werte
etwas unter null Grad reicht. Hingegen wird es in den Hochlagen des wolkenarmen
Südostens, namentlich im Bayerischen Wald und an den Alpen, wohl sicher für
leichten Frost reichen, etwas verbreiteter ist dann auch mit Frost in Bodennähe
zu rechnen. Der Gradient fächert, weil ILONA weiter nach Osten abzieht, wieder
auf. Somit sind warnwürdige Böen in der Nacht kein Thema, allenfalls im
Ostseeküstenbereich weht der Wind zu Beginn der nach noch frisch und teils böig.


Dienstag ... kann der großräumige Trog über Skandinavien etwas nach Süden
ausgreifen. Bis zum Tagesende lässt sich die von ihm induzierte zyklonale
Höhenströmung über der gesamten Nordhälfte erkennen. Zwischen dem sich
abschwächenden Hochkeil über dem Nordatlantik und dem weiter nach Osten
ziehenden Tief ILONA wird über dem Norden Deutschlands der Gradient weit
auseinandergezogen. In der Folge verliert die Kaltfront bzw. verlieren die
Kaltfronten ihre Schubkomponente. Die südlicherer schafft es bis zum Abend
gerade mal bis an die Mittelgebirgsschwelle. Die nördliche erreicht die
Elbmündung und Mecklenburg-Vorpommern. Da über Deutschland moderater Druckfall
einsetzt, bildet sich südlich der Kaltfronten eine von West nach Ost orientierte
Tiefdruckrinne aus. An Ihrem westlichen Ende liegt das kleine, aus dem
Einflussbereich des iberischen Tiefs etwas herausgelöste Tief, nach Osten
erstreckt sich die Rinne über die Eifel, Südhessen und Nordbayern hinweg ins
Böhmische Becken und von Dort noch weiter nach Osten. In gewisser Weise zeichnet
die Rinne den Verlauf der potentiellen Warmfront des Nordfrankreich-Tiefs nach.
In der Rinne verschärfen sich, auch durch die frontogenetische (Anstieg der
Baroklinität) Konstellation des Vierer-Druckfeldes, allmählich die
Luftmassengegensätze, zum Abend liegen die 850er Temperaturen im Norden bei bis
zu -5°C, im Süden dagegen bei bis zu +8°C. Darüber hinaus kommt es durch die
Bodenkonvergenz in der Rinne zu Hebungsprozessen. Während bei ICON erst zum
Abend im Westen Regen einsetzt, simulieren GFS oder auch EZMW schon am späten
Vormittag im Westen erste Tropfen. A propos EZMW: Das europäische Modell ist
dasjenige, welches auch nördlich der Rinne im Bereich der Kaltfront und damit in
einem Streifen vom Niederrhein bis in die Leipziger Tieflandbucht auf zumindest
moderate Regenfälle setzt. Das amerikanische GFS zeigt diesbezüglich deutlich
verhaltenere Signale, ICON kann nördlich der Rinne keinen Regen erkennen. So
oder so: Im Verlauf des Tages präsentiert sich die Tiefdruckrinne als das
Zentrum der Wetterwirksamkeit, was bei GFS in der Spitze bis zu 10 l/m², bei
EZMW sogar bis zu 15 l/m² Regen in 12 Stunden bedeutet. Der deutlich
unterschiedliche Charakter der Luftmassen nördlich und südlich der Rinne zeigt
sich auch in der Labilität. Die einsickernde feucht-warme Luft im Süden sorgt
nicht nur nochmals für Höchstwerte bis zu 21°C am Oberrhein, sondern auch für
Lapse-Rates bis unter -0,75 K/100m, was mit orografischer Unterstützung für
lokale Schauer gut sein könnte. Im Norden dagegen liegen die Lapse-Rates in der
eingeflossenen Polarluft über -0,55 K/100m, und ein paar Tropfen fallen
allenfalls, wenn der Feuchteeintrag von Nord- und Ostsee nicht nur in der Menge,
sondern auch bezüglich der Labilitätssteigerung ausreicht. Die
Höchsttemperaturen verharren dabei in einer Spanne zwischen 8 und 14°C.

In der Nacht zum Mittwoch ändert sich die Lang des Höhentroges kaum, am ehesten
kann man ein Ausgreifen zur Nordsee erkennen. Somit zeigt auch die
Luftmassengrenze über der Mitte Deutschlands nur wenig Verlagerungstendenz in
Richtung Süden. In die Nordhälfte gelangt noch etwas kältere Luft (0 bis -7 Grad
in 850 hPa), sodass sich die Luftmassengegensätze in der Rinne noch etwas weiter
verschärfen. Allerdings lässt die Warnluftzufuhr aus dem Mittelmeergebiet
allmählich nach, weil das iberische Tief nach Osten in Richtung Sardinien
wandert. Die Rinne liegt zum Morgen laut ICON über dem Süden Deutschlands, wobei
die Konvergenzachse von der Saar bis zur Oberpfalz verläuft. Die Unterschiede
zwischen den Modellen sind diesbezüglich nicht so groß, der Schwerpunkt der
Niederschläge wird von den Modellen auch unisono auf der Nordflanke der
Konvergenzachse gesehen. Laut ICON sind in 12 Stunden in einem Streifen von der
Eifel bis zum Erzgebirge bis zu 10/m² möglich, laut GFS oder EZMW sollen es bis
zu 20 l/m² sein. Zwar sinkt die Schneefallgrenze in der Nacht etwas ab, aber
südlich einer Linie Köln - Chemnitz sollte Schnee (bei Schneefallgrenzen
zwischen 1000 und 1800m) kein Thema sein, nördlich davon allenfalls in Lagen
oberhalb von 600 bis 800m und meist in Form von Schneeregen ohne die Ausbildung
einer Schneedecke. Dabei wird auch im Südwesten etwas Regen erwartet, der
Südosten und praktisch die gesamte Nordhälfte bleiben dagegen trocken. Ausnahme:
Im Nordseeumfeld kann es weiterhin zu einzelnen Schauern kommen. Gebietsweise
lockert die Bewölkung in der Nordhälfte auch auf, sodass es dort leichten Frost
geben kann. Sonst ist es, abgesehen von ungünstigen Hochlagen, frostfrei.

Mittwoch ... kommt der Trog über Deutschland zwar kaum weiter nach Süden voran,
allerdings nähert sich von Norden die höhenkälteste Luft (nach EZMW bis -36,
laut ICON sogar bis -38°C in 500 hPa). Somit können sich dort etwas häufiger
Schauer und Graupelschauer entwickeln. Sonst bleibt es bis in die mittleren
Landesteile weitgehend trocken und vor allem im Nordwesten sowie an den Küsten
zeigt sich längere Zeit die Sonne. Mit massiver KLA über dem Nordmeer steigt
dort der Druck deutlich an, was letztendlich eine erneute Intensivierung des
"Grönland-Keils" zur Folge hat, der sich auch wieder nach Süden ausweitet. So
wird die Rinne nebst eingelagerter Luftmassengrenze weiter nach Süden gedrückt
und erreicht am Abend das Alpenvorland, wobei sich ein deutlich erkennbarer Kern
über Nieder- und Oberösterreich und dem südlichen Böhmen herauskristallisiert.
An der Nordflanke der Rinne (was, bedenkt man die Verlagerung selbiger, die
gesamte Südhälfte umfasst) kommt es zu weiteren Niederschlägen, meist liegen die
12-stündigen Mengen zwischen 2 und 7 l/m², in der Spitze sollen nach ICON um 10,
nach GFS und EZMW sogar um 15 l/m² möglich sein. Thema Schnee: Das wird wohl
keine große Nummer. Wenn die Schneefallgrenze von Norden her sinkt, lassen auch
die Niederschläge nach. In höheren Lagen der nördlichen Mittelgebirge könnte es
für ein paar Flocken oder etwas Schneeregen reichen. Ob etwas liegen bleibt,
darf bezweifelt werden. Auf der warmen Seite der Rinne ist die Luftmasse
durchaus hochreichender (im Südwesten sogar bis etwa 500 hPa) labil geschichtet
(skinny CAPE) und die PPW-Werte liegen um 15 mm. Die Folge sind Schauer,
vereinzelt auch kurze Gewitter. Mit der Verlagerung der Rinne in den Süden wird
auch die warme Luft verdrängt. Zum Abend liegen die 850er Temperaturen im
Südosten nur noch bei +4°C, im Norden werden entsprechende Werte bis -9°C
erwartet. Die Höchstwerte liegen dem entsprechend zwischen 6 und 10 Grad in der
Nordosthälfte, im Westen und Süden werden 10 bis 14 Grad erreicht, im Südosten
Bayerns reicht es eventuell nochmals bis 16 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag weitet sich der Skandinavientrog von der zentralen
Nordsee kommend weiter nach Süden bis nach BENELUX und England aus. Auch über
Deutschland kommt die höhenkältere Luft noch etwas weiter landeinwärts voran.
Entsprechend muss im Küstenumfeld und im angrenzenden Binnenland mit weiteren
Schauern gerechnet werden. Die Rinne verlagert sich über die Alpen hinweg
südwärts, wobei sich schließlich im Zusammenschluss mit dem Sardinientief (siehe
Dienstag, inzwischen handelt es sich allerdings um ein Mittelitalientief) eine
umfangreiche Zone tiefen Luftdrucks aufbaut, die weite Teile Südeuropas, aber
auch des östlichen Mitteleuropas überdeckt. Im Süden Deutschlands kommt es
dadurch zu weiteren Niederschlägen, wobei die genaue Lage und räumliche
Ausdehnung noch unsicher ist. Meist bleiben die 12-stündigen Mengen weiterhin
unter 10 mm, vielerorts sogar unter 5 mm, mit dem Schneefall ist es ähnlich wie
am Tage: Mit sinkender Schneefallgrenze lassen auch die Niederschläge nach, aber
vielleicht gibt es in den Hochlagen erneut ein paar Flocken. Zwischen dem Regen
(eventuell lokal Schnee) im Süden und den Schauern im Norden bleiben große Teile
der Mitte trocken. In der Kaltluft tritt im Norden praktisch flächendeckend
leichter Frost auf. Auch in der Mitte gibt es gebietsweise Frost, bevorzugt in
Mittelgebirgslagen. Im Süden reicht es wohl nur in Gipfellagen für Werte unter
null, sonst bleibt es im Süden weitgehend frostfrei.

Donnerstag ... liegt Deutschland weiter auf der Vorderseite des langgestreckten
Höhentroges, dessen Achse zum Tagesbeginn von Nordwestrussland über
Südskandinavien und die Deutsche Bucht nach England reicht. Er schwenkt vor
allem im Südwestlichen Teil langsam südwärts, erreicht zum Abend Nord und
ausgangs der Nacht zum Freitag Südfrankreich, während die Trogachse dann auch
auf Deutschland übergreift. Vorderseitig ist bodennah weiterhin der Tiefkomplex
zu finden, der aus der Rinne über Deutschland hervorgegangen ist. Der über
Mittelitalien liegende Schwerpunkt zieht, der südwestlichen Höhenströmung
folgend, über den Balkan hinweg zur Ukraine, im Golf von Genua sinkt aber der
Druck (Genuazyklogenese), so dass dort ein neuer Tiefkern gebildet wird. Das
Tief bringt im Süden noch gebietsweise Regen. Dabei spielt an der Westflanke des
Tiefs die nördliche Anströmung der Alpen und der damit verbundene Staueffekt
eine Rolle, die Niederschlagsmuster sind aber von Modell zu Modell
unterschiedlich. Über dem Norden und der Mitte sehen vor allem ICON und ICON-EU
im Tagesverlauf bis in tiefe Lagen Schnee- und Graupelschauer, EZME beschränkt
diese auf den Nordwesten, hier wie da ist dies aber der trogvorderseitigen
Hebung geschuldet.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Abläufe der kommenden Tage simulieren die Modelle ähnlich, zumindest, wenn
man sich auf die synoptischen Felder fokussiert. Um eine einheitliche Meinung
wird insbesondere noch bei der Niederschlagsintensität und -verteilung gerungen.
Daraus ergeben sich aber keine warnrelevanten Entscheidungen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas