DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-02-2022 08:30
SXEU31 DWAV 280800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 28.02.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HM (Hoch Mitteleuropa)

Andauernder Hochdruckeinfluss mit wechselnden Akteuren: erst KAI, dann LINO.
Dazwischen schlaffe Rinne mit Frontenzug ohne substanzielle Wirkung.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... markiert den letzten Tag des meteorologischen Winters 2021/22 - ein
Winter, der in vielen Teilen Deutschlands kein wirklicher war. So hat
beispielsweise Offenbach am Main, immerhin Hauptsitz des Deutschen
Wetterdienstes, nicht einen einzigen Eistag gehabt, was einem Affront der
Atmosphäre gleichkommt. Immerhin, heute früh ist es frostig und das fast überall
im Land. Lediglich im äußersten Norden und gebietsweise im Westen hat die klare
Nacht nicht ausgereicht, das Thermometer in den negativen Zahlenbereich zu
drücken. Dafür gab es im Süden und in Teilen der Mitte nicht selten mäßigen,
lokal sogar strengen Frost gereicht.

Zur Lage, die weiterhin von hohem Luftdruck geprägt ist. Das Zentrum des Hochs
(KAI) befindet sich mit etwas über 1035 hPa über dem Baltikum, die ausladende
1035-hPa-Isobare reicht von Westrussland über Polen bis in den Osten unseres
Landes. Gestützt wird der gute KAI von einem nicht überbordend breiten, dafür
sehr langen Höhenrücken, der sich vom Seegebiet westlich der Iberischen
Halbinsel über weite Teile Mitteleuropas ebenfalls bis in den Westen Russlands
erstreckt. Flankiert wird der Rücken von einem dipolartigen Höhentief zwischen
dem Schwarzen Meer und der Adria auf der einen und einem sehr breit angelegten
Trog über dem Ostatlantik auf der anderen Seite. Die daraus hervorgehende
Frontalzone wird in hohem Bogen um den Rücken weit nach Norden abgelenkt,
während der Subtropenjet südlich am Doppeltief vorbei über Nordafrika und den
östlichen Mittelmeerraum verläuft. Kurzum, das gesamte Potenzialkonstrukt weist
eine hohe Erhaltungsneigung auf und stellt eine mehr als solide Blockierung dar,
die uns einen ruhigen und antizyklonal geprägten Monats- respektive
Jahreszeitenwechsel bringt.

Daran ändert übrigens auch das kräftige Sturmtief bei Island nichts oder sagen
wir nicht viel. Zwar bemüht sich der zugehörige, nach Südwesten zurückhängende
Frontenzug, gegen das Hoch und die Blockierung anzustinken, aber die neuesten
Simulationen zeigen, dass daraus nichts Ernstes wird. Dass heute knapp westlich
von UK/Irland bereits das nächste Hoch entsteht (LINO), macht es dem
Tiefausläufer nicht leichter. Im Gegenteil, er wird regelrecht in die Zange
genommen.
Nun aber zum heutigen Wetter, das schnell erzählt ist. Im größten Teil des
Landes scheint heute ungestört die Sonne. Ausnahmen oder besser Einschränkungen
sehen wie folgt aus: Im Osten muss zunächst mal der nächtliche Nebel und
Hochnebel getilgt werden, was mit Hilfe der Sonne und des leicht böig
auflebenden Ostwindes, der trockene Kontinentalluft advehiert, bis Mittag
gelingen sollte. Am Nachmittag reicht es dann wohl nur noch für einige flache
Quellungen oder SC-Felder (Inversion bei rund 900 hPa), die im Tagesverlauf
übrigens auch in Teilen Bayerns entstehen bzw. von Österreich und Tschechien
herüberschwappen können. Und dann sind da noch ein paar hohe transparente
Cirren, die den vorderen Rand des o.e. Frontenzugs markieren und zum Abend hin
(vielleicht) den äußersten Nordwesten erreichen. Der östliche bis südöstliche
Wind lebt mitunter leicht böig auf und sorgt ein bisschen dafür, dass trotz des
großen Sonnenangebots noch kein echtes Vorfrühlingsgefühl entsteht. Vor allem im
Osten und Südosten, wo T850 negativ ist (in Ostbayern geht´s runter auf nahe
-10°C, was wir den ganzen Winter kaum hatten), reicht es häufig nur für 4, 5
oder 6°C über null. Etwas molliger dagegen die westlichen Landesteile (T850 bis
+4°C), wo es verbreitet für untere zweistellige Höchstwerte bis zu 12°C reicht.


Die Nacht zum Dienstag bringt nicht viel Neues. Wie bereits erwähnt gibt sich
die großräumige Strömungskonfiguration sehr konservativ. Kleine Verrückungen
oder Bewegungen in den Randbereichen des antizyklonalen Bollwerks spielen für
das Geschehen vor Ort keine oder nur eine marginale Rolle. Die CU-/SC-Bewölkung
im Osten und Südosten fällt dem Tagesgang zum Opfer und es liegen keinerlei
Anzeichen vor, dass sich in der nun überall trockenen Luft nochmals Nebel- und
Hochnebelfelder bilden werden. So bleiben wolkentechnisch nur die Cirren im
Nordwesten übrig, die noch etwas landeinwärts vorankommen und zum Morgen hin von
mittelhohen Wolkenfeldern Unterstützung bekommen. Regen steht nicht auf der
Agenda, dafür könnten die Wolken ausreichen, die Temperatur im Westen und
Nordwesten gebietsweise im leichten Plus zu halten. Ansonsten geht´s aber wieder
runter in den leichten, in der Südosthälfte vielfach mäßigen Frostbereich mit
den Peaks über Schneeflächen, wo es auch mal in Richtung -10°C gehen kann.

Dienstag... verändert der Höhenrücken seine Lage kaum, schwächt sich im Laufe
des Tages aber etwas ab. Zum Abend hin erreicht ein flacher Randtrog das
Nordseeküstengebiet, allerdings taugt der weder als Gamechanger noch vermag er
die Front nennenswert zu aktivieren. Die steckt morgen quasi zwischen Baum und
Borke mitten über der Nordsee, wo sie weder vor (Hoch KAI über dem Baltikum)
noch zurück (Hoch LINO über UK/Irland) kann. Kurzum, der Start in den März wird
ein sehr sonniger mit einer Ausnahme. Die hohen und mittelhohen Wolken
vorderseitig des Frontenzugs arbeiten sich weiter landeinwärts voran und sorgen
insbesondere im Westen und Nordwesten für ein reduzierteres Strahlungsangebot.
Wofür sie sehr wahrscheinlich nicht sorgen werden ist Regen, der in den
Modellläufen zuvor für einige Regionen (vor allem vom Emsland bis hinüber nach
SH) noch vorgesehen war. Hier ist die Numerik deutlich zurückgerudert.
Vielleicht reicht es auf Borkum, Juist und Norderney sowie auf Sylt, Amrum und
Föhr für ein paar Tropfen, vielleicht. Der weiterhin aus östlichen Richtungen
kommende Wind nimmt gegenüber heute einen Gang raus, so dass nicht viel
Luftbewegung übrigbleibt. Aber nicht nur die Druckgegensätze nehmen ab, auch das
niedertroposphärische Temperaturregime gleicht sich mehr und mehr an. Am Abend
beträgt der Unterschied zwischen Ost und Westen gerade noch 5 Grad (-3°C an Oder
und Neiße, +2°C an der Grenze zu Belgien und Luxemburg). Projiziert auf 2 m
bedeutet das Tageshöchstwerte von 5°C in Teilen Ober- und Niederbayerns bis zu
10, maximal 11°C am Rhein und seinen Nebenflüssen.

Die Nacht zum Mittwoch bringt zwar eine beginnende Neuordnung der
wetterbestimmenden Druck- und Potenzialgebilde, aber keinesfalls ein Ende der
Blockierung. So schwächt sich der Rücken bei uns immer weiter ab, dafür wölbt
sich über dem nahen Atlantik ein neuer auf, der bis nach Ostgrönland reicht. Ein
Machtwechsel steht auch bei den Bodenhochs an, wo sich der altehrwürdige KAI in
zwei Teile splittet. Während es den östlichen Part in Richtung Russland zieht,
wird der westliche Teil leicht retrograd (Polen), schwächt sich dabei aber immer
weiter ab. Das tut sein Pendant über der Nordsee zwar auch (1030-hPa-Isobare
verschwindet), trotzdem übernimmt der LINO so ganz allmählich die Vorherrschaft.
Die schmale Rinne bzw. die Front, die zwischen den beiden Hochs über
Nordwestdeutschland und der Nordsee liegt, werden immer brüchiger, so dass am
Mittwoch kaum noch was davon übrig ist. Trotzdem reicht ihre Resistenz aus, um
hohe und mittelhohe Wolken noch weiter nach Osten und Südosten vorankommen zu
lassen. Und im Norden könnte gebietsweise sogar etwas tiefe Bewölkung
aufschlagen, für Niederschlag reicht es aber nicht oder nur ganz vereinzelt
marginal. Obwohl vielerorts Wolken durchziehen, dämpfen sie die Abkühlung wohl
nur im Westen und Nordwesten soweit, dass es dort gebietsweise frostfrei bleibt.
Ansonsten reicht die Ausstrahlung vom Boden weiterhin aus, um leichten, nach
Süden und Osten zu gebietsweise mäßigen, an den Alpen über Schnee lokal strengen
Frost um -10°C zu generieren.

Mittwoch... übernimmt LINO mit etwas über 1025 hPa über der Nordsee endgültig
die Regie über unsere Wetter, wobei er vom neuen Rücken über dem nahen Atlantik
supportet wird. Schaut man sich die MOS-basierte Sonnenscheindauer für
Deutschland an, könnte man auf den Gedanken kommen, dass das neue Hoch weniger
draufhat als sein Vorgänger KAI. Damit tut man dem guten LINO aber Unrecht, denn
erstens ist er an anders positioniert. Heißt, vor allem in den äußersten Norden
kommt mit Winddrehung auf nördliche Richtungen etwas feuchtere Luft an, was
nicht viele, aber doch ein paar tiefe Wolken zur Folge hat. Außerdem gilt es
sich noch mit den lästigen Resten (hohe und mittehohe Wolken) der inzwischen
aufgelösten Rinne bzw. Front herumzuschlagen.

Um Missverständnissen vorzubeugen, der Mittwoch wird keinesfalls ein
unfreundlicher oder lausiger Tag, nein, ganz und gar nicht. Nur wird das
Himmelsbild nicht ganz so blankgeputzt sein wie das in vielen Regionen an den
Vortagen der Fall war, so dass die direkte Sonnenstrahlung mal etwas mehr, mal
weniger gedämpft wird. Dazu gibt es Tageshöchsttemperaturen zwischen 6 und 11°C
mit den höheren Werten im Westen und Südwesten.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert Hoch LINO seinen Schwerpunkt etwas weiter
nach Norden gen Norwegen, was für uns aber keine nennenswerten Auswirkungen hat.
Es bleibt trocken und auch meist gering bewölkt oder klar. Nebel oder Hochnebel
bilden sich am ehesten im Norden des Landes, sonst allenfalls sporadisch. Es
wird verbreitet frostig, im Südosten trotz leichter Abschwächung gebietsweise
immer noch mäßig.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden mit hoher Kongruenz gerechnet. Kleine Unschärfen liegen
im üblichen Toleranzbereich und haben keine große Auswirkung auf das
Wettergeschehen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann