DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-02-2022 09:01
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 25.02.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Ende von Wz (West zyklonal), Übergang zu HM (Hennes und Mauritz, nee
Quatsch, Hoch Mitteleuropa)

Heute Troglage mit hochreichender Polarluft => Schauer und kurze Gewitter,
windig. Danach kommt KAI (nicht aus der Kiste, sondern aus Frankreich) und sorgt
für Hochdruckeinfluss.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... Nachdem der Februar bisher nahezu komplett von Großwetterlagentypus
Wz (West zyklonal) geprägt war - so zumindest der erste frühmorgendliche
gefühlte Eindruck -, scheint sich die Atmosphäre zum Ende des Monats zu besinnen
respektive den Gedanken zu hegen, dass es auch noch andere Muster gibt. Ein
dickes fettes Hoch steht vor der Tür (Gott zum Gruße KAI), und es deutet alles,
wirklich alles darauf hin, dass es sich hierbei nicht um eine Eintagsfliege der
Marke Zwischenhoch handelt. Es ist davon auszugehen, dass der Herr öfters in den
Wetterberichten der nächsten Tage auftaucht, doch dazu später mehr.

Zunächst mal gilt es noch den heutigen Freitagabzuarbeiten, der uns -
vereinfacht gesagt - Aprilwetter im Februar beschert. Grund dafür ist ein
veritabler, mit reichlich Höhenkaltluft angefüllter Höhentrog, der heute und in
der kommenden Nacht den Vorhersageraum ostwärts überquert. Schaut man sich die
Potenzialverteilung etwas genauer an, zeigt sich in 300 hPa lediglich eine
einzige Hauptachse, während der Trog in 500 hPa in zwei Teile geteilt ist: Stand
06 UTC befindet sich der vordere Part bereist an der Grenze zu Polen, während
der hintere von der Nordsee her Kurs auf Deutschland nimmt, um heute mit dem
Tagesgang gemeinsame Sache bei uns zu machen. Die Voraussetzungen dafür sind
mehr als günstig: erstens strömt am Rande eines umfangreichen Tiefkomplexes über
Nordeuropa ("Familie" BIBI lässt grüßen) bis zum Anschlag (etwa bei 400 hPa)
labil geschichtete Polarluft ein. Zweitens steht die Sonne Ende Februar schon
leidlich hoch am Himmel, um mit der Labilität auch etwas anzufangen
("diabatischer Ping"). Und drittens kommt noch ein ebenfalls von der Nordsee
durchschwenkender Bodentrog dazu, der bei der Windentwicklung etwas mithilft.

Zunächst allerdings geht es erst mal vergleichsweise geschmeidig los. Nach der
gestrigen Kaltfrontpassage hat sich die Lage in der Nacht beruhigt, verbreitet
hat es sogar aufgeklart und die Temperatur ist nahe an den Gefrierpunkt oder
sogar darunter gesunken (inkl. Glätte durch gefrierende Nässe). An den Alpen
schneit es heute Morgen noch etwas (Nachwehen der Kaltfront), im Küstenraum sind
die ersten Regenschauer und Gewitter unterwegs. Ansonsten scheint verbreitet die
Morgensonne. In den nächsten Stunden wird sich das ändern, wenn Tröge (Höhe und
Boden) und Tagesgang die konvektive Wolkenproduktion hochfahren und von der
Nordsee respektive Benelux staffelweise Schauer das Land überziehen. Nicht
zuletzt wegen der hochreichenden Labilität (T500 um -36°C über T850 um -6°C sind
eine ordentliche Ansage) wird dabei die Palette möglicher Hydrometeore mehr als
solide ausgereizt: Schnee, Graupel, Regen, dazu noch kurze (Graupel)Gewitter -
Herz, was willst du mehr. Je nach Intensität kann es dabei bis ganz runter
graupeln und anfangs vielleicht auch schneien. Tagsüber sollte sich die
Schneefallgrenze dann aber bei 400 bis 600 m einpendeln, wo es auf den Straßen
vorübergehend auch mal glatt werden kann durch Schnee oder Matsch. Großartig
Neuschnee ist nicht zu erwarten, am ehesten kommen im Rothaargebirge, das voll
im Schauerflow liegt, ein paar Zentimeter zusammen. Im Osten und Südosten, wo
die Konvektion zuletzt und wohl auch nur in abgeschwächter Form ankommt scheint
noch für einige Stunden die Sonne. Ansonsten kommt auch zwischen den Schauern
mal die Sonne zum Vorschein, sonst wär´s ja auch kein richtiges Aprilwetter.

Neben der Konvektion tritt heute auch noch mal der Wind in den Fokus. Zwischen
dem Tiefkomplex im Norden bzw. dem über Norddeutschland schwenkenden Bodentrog
und einem Richtung Süddeutschland gerichteten Hochkeil (die ersten Grüße von
KAI) hat sich ein veritabler Gradient aufgebaut, der per se schon für einen
flotten Wind gut ist. Hinzu kommen die Komponenten Tagesgang und Kaltluft, die
die entsprechende Böigkeit garantieren. So frischt der von Südwest auf West bis
Nordwest drehende Wind mit Ausnahme des Südens merklich auf mit Böen 7-8 Bft
(wobei die "8er" insbesondere in Verbindung mit Schauern/Gewittern auftreten),
in höheren Lagen sowie an der Nordsee 9 Bft, Brocken 10-11 Bft. Reine Sturmböen
9 Bft in Verbindung mit Konvektion ist nur wenig wahrscheinlich, weil die
Höhenwinde dafür zu dünn sind. Einzig im Norden, wo ein schmales Maximum bis zu
45 Kt in 925 und 850 hPa simuliert wird, könnt es vielleicht mal reichen.
Bei guter Durchmischung erreicht die Temperatur Höchstwerte von 4 bis 9°C, im
höheren Bergland um 0°C.

In der Nacht zum Samstag verabschiedet sich der Höhentrog so ganz allmählich,
was ihm in seinem Nordteil besser gelingt als weiter südlich. Die Lücke, die der
Trog hinterlässt, wird von einem Rücken gefüllt, der sich von Westeuropa und dem
nahen Atlantik quasi heranschleicht. Am frühen Samstagmorgen erstreckt sich
seine Achse von der Biskaya bis knapp vor die norwegische Westküste. Während
oben das Potenzial also steigt, will sich auch der Luftdruck am Boden keine
Blöße geben. Von Frankreich her verlagert sich das Zentrum des Bodenhochs bis
nach Rheinland-Pfalz, wo es kurz vorm Brötchenholen auf knapp 1035 hPa kommt.
Summa summarum also alles auf Kurs antizyklonal, was sich auch in der Wind- und
Niederschlagsentwicklung widerspiegelt.

So verliert der Wind bereits am Abend deutlich an Substanz, so dass eingangs der
Nacht eigentlich nur noch an der Nordsee sowie in höheren Lagen Böen 7-8 Bft,
exponierte Kammlagen 9 Bft am Start sind. Aber auch das wird bis zum Morgen
immer weniger. Weniger werden auch die anfänglich noch auftretenden Schauer,
denen mit Sonnenuntergang im wahrsten Sinne des Wortes der Energiehahn abgedreht
wird. Im Süden und Südosten retten sich noch ein paar Exemplare in die erste
Nachthälfte, im Erzgebirge auch über Mitternacht hinaus, allerdings ohne
nennenswerten Neuschneezuwachs. Den gibt es dafür an den Alpen, wo sich
vorübergehend eine Staulage einstellt, die bis Samstagfrüh 1 bis 5 cm, in
Staulagen bis 10 cm abliefert.
Darüber hinaus gilt es zu konstatieren, dass die Wolken teilweise auflockern
respektive sich auflösen, insbesondere im Norden und Westen. Ganz eindeutig ist
die Bewölkungsprognose nicht, was natürlich Einfluss auf die
Temperaturvorhersage hat. In weiten Teilen des Landes wird es aber für leichten
Frost reichen, auch wenn MOS-Mix wahrscheinlich einen leicht negativen Bias
aufweist. Vor allem nach Osten und Nordosten hin dürfte es vielerorts frostfrei
bleiben, aber auch in einigen Flussniederungen Süd- und Westdeutschlands. Wie
auch immer, dort, wo die Temperatur entweder in der Luft oder auch am Boden in
den negativen Bereich zurückgeht und noch Restfeuchte vom Tag vorhanden ist,
besteht die Gefahr gefrierender Nässe (schwerpunktmäßig, aber nicht
ausschließlich im Bergland). Darüber hinaus kann sich im Westen gebietsweise
Nebel bilden.

Samstag... setzt sich zunehmend Hochdruckeinfluss bei uns durch. Zum einen kippt
der Höhenrücken in seinem Nordteil ein Stück ost-südostwärts, während er im
Süden durch den zurückhängenden und schlussendlich über Italien abtropfenden
Höhentrog blockiert wird. Zum anderen verstärkt sich das Bodenhoch noch etwas
auf über 1035 hPa, wobei das Zentrum den Vorhersageraum in Richtung Ostsee
überquert. Entsprechend dominiert Absinken das Geschehen, wenn auch mit
unterschiedlicher Intensität. So wird die Absinkinversion im Norden und Westen
auf 900 hPa oder sogar noch etwas darunter geprügelt, während sie nach Südosten
hin nur langsam auf 750 bis 800 hPa absinkt. Dass das Konsequenzen auf das
morgige Wetter hat, ist evident. Im Norden sowie in der gesamten Westhälfte
setzt sich (nach Nebelauflösung) trotz einiger, meist lockerer und relativ
flacher Kumulanten vermehrt die Sonne durch. Dagegen halten sich nach Südosten
noch recht viele Wolken bzw. bilden sich neu mit der Tendenz, sich an der
Inversion auszubreiten. Mindestens bis Mittag muss zudem am östlichen Alpenrand
sowie im angrenzenden höheren Vorland mit Schneeschauern gerechnet werden. Im
Laufe des Nachmittags geht die Schauerwahrscheinlichkeit auf nahe null zurück,
dafür steigen die Chancen im gesamten Südosten auf größere Wolkenlücken.

Mit dem Absinken steigt die Temperatur auf 850 hPa im Nordwesten und Westen
langsam an auf -4 bis -1°C am Abend, was der Rheinschiene mit Hilfe der Sonne
Tageshöchstwerte nahe 10°C bringt. Im Süden und Osten hält sich T850 bei rund
-6°C, was je nach Sonnenanteil 3 bis 8°C, am östlichen Alpenrand nur wenig über
0°C bedeutet. Der Wind spielt keine große Rolle mehr, auch wenn er in der
Osthälfte aus nördlichen Richtungen kommend noch über weite Strecken des Tages
leicht böig unterwegs ist. Ansonsten dreht er mit Verlagerung des
Hochschwerpunkts mehr und mehr auf östliche Richtungen.

In der Nacht zum Sonntag etabliert sich innerhalb des Rückens über Jütland bzw.
der westlichen Ostsee eine abgeschlossene Höhenantizyklone. Derweil wandert das
Bodenhoch weiter in Richtung NO-Polen/Baltikum, wo es am Morgen mit etwas über
1040 hPa aufschlägt. Auf seiner breiten Westflanke nimmt der Gradient etwas zu
(Tiefdruckrinne mit quasistationärer Front über dem nahen Atlantik), so dass im
Hochschwarzwald mit Hilfe von Low-Level-Effekten der östliche Wind in Böen
Sturmstärke 8-9 Bft erreicht. Darüber hinaus verläuft die Nacht aber ruhig,
vielerorts klart es auf. Im Nordosten deutet sich allerdings die Bildung von
Nebel oder Hochnebel an. Die Temperatur geht verbreitet in den leichten, in den
Mittelgebirgen sowie im äußersten Süden mäßigen Frostbereich zurück. Direkt an
den Alpen ist über dem frischen Schnee sogar strenger Frost wahrscheinlich.

Sonntag... verbringen wir auf der Westflanke des über den baltischen Staaten zur
Ruhe kommenden Hochs (die Rede ist immer noch von KAI). Da sich das elliptisch
geformte Höhenhoch knapp nördlich von uns etwas zonaler ausrichtet und sich über
Italien Reste des Cut-Off-Tiefs bzw. des o.e. Höhentroges gen Westen ausweiten,
stellt sich bei uns eine ost-nordöstliche Höhenströmung ein. Bodennah kommt der
Wind ebenfalls aus östlichen Richtungen, wodurch eine relativ trockene,
kontinental geprägte Luftmasse zu uns gelangt. Dabei macht die
niedertroposphärische Erwärmung nur zögerliche Fortschritte, bis zum Abend
steigt T850 auf etwa +1°C rund um die Deutsche Bucht und rund -3°C im Süden
sowie im äußersten Osten. Folgerichtig geht es auch im 2m-Niveau nur limitiert
nach oben mit der Temperatur, auch wenn in den westlichen Landesteilen die
10°C-Marke vermehrt überschritten wird. Dort scheint freilich auch von morgens
bis abends die Sonne von einem wolkenlosen Himmel, während sich nach Osten hin
(nach Auflösung von Nebel oder Hochnebel) flache Kumuli am Himmel zeigen (5-8°C,
im Bergland etwas darunter). Der östliche Wind frischt vor allem im Südwesten
böig auf (Bise), so dass auch in tiefen Lagen lokal mal eine steife Böe 7 Bft
dabei sein kann. Im Hochschwarzwald dagegen lässt der Sturm tagsüber tendenziell
eher etwas nach.

In der Nacht zum Montag ändert sich wenig an der Gesamtkonstellation, heißt viel
klarer Himmel, im Nordwesten hohe Wolkenfelder, wenig bis kein Nebel und
verbreitet Frost: in der Nordwesthälfte meist leicht, sonst vielfach mäßig, an
den Alpen stellenweise streng.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die beschriebene Entwicklung ist unstrittig. Unschärfen liegen vor allem bei der
detaillierten Wolken- bzw. Nebel-/Hochnebelprognose vor. Hinsichtlich Frost und
Glätte wird für die kommende Nacht ein offensives Warnmanagement vorgeschlagen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann