DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

22-02-2022 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 22.02.2022 um 10.30 UTC



Freitag nochmal unbeständig, dann meist ruhiges Hochdruckwetter. In den Nächten
oft frostig, an den Alpen strenger Frost möglich.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 01.03.2022


In der Mittelfrist zeigt sich der stratosphärische Polarwirbel weiterhin sehr
agil und auch in der Troposphäre bleibt das zonales Strömungsmuster (NAO+)
dominant. Allerdings "flattert" die Frontalzone etwas stärker und zieht sich
besonders über dem europäischen Raum nach Norden zurück. Für uns bedeutet das
zunehmend antizklonalen Einfluss und ruhiges Wetter. Frostig kalte Nächte und
milde Tage führen zu durchschnittlichen Tagesmitteltemperaturen und eine
Konsolidierung der recht deutlichen, positiven Temperaturabweichung bei etwa +3
Grad für den Februar und knapp +2 Grad für den Winter 2021/22 - bezogen auf das
Mittel 1991-2020.

Zu Beginn der Mittelfrist am Freitag sorgt ein vom Nordpolarmeer bis nach West-
und Mitteleuropa reichender Trog allerdings noch einmal für zyklonales
Wettergeschehen in Deutschland. In seinem Nordteil schwenkt er vor allem über
Skandinavien recht zügig ostwärts. In seinem Südteil wird er durch einen
Abtropfprozess über dem Löwengolf bzw. dem Ligurischen Meer zurückgehalten und
nimmt zunehmend eine positive Achsenneigung ein. Die Nordwesthälfte Deutschlands
passiert er demnach bereits bis zum Abend, in der Südosthälfte verzögert sich
die Passage dagegen noch bis zum Samstagvormittag. Mit dem Trog korrespondiert
ein recht markanter Bodentrog, der ausgehend von einem kleinen, von der Nordsee
über Dänemark zur Ostsee ziehenden Randtief nach Südwesten gerichtet ist. Im
Zuge dessen frischt der Südwest- bis Westwind wieder spürbar auf, stürmische
Böen und Sturmböen konzentrieren sich aber auf die Mittelgebirge sowie auf die
Nordsee, mit Winddrehung auf Nordwest rückseitig des Troges. Darüber hinaus
breiten sich von Nordwesten schauerartige Niederschläge aus, die in der
einfließenden, gut durchmischten maritimen Polarluft (T850 -4 bis -6 °C) meist
nur oberhalb von 400 bis 600 m als Schnee fallen. Signifikante Neuschneemengen
sind nicht zu erwarten. In tieferen Lagen ist es eher Regen oder Graupel. Auch
das ein oder andere Gewitter mit stürmischen Böen kann im Einflussbereich der
höhenkältesten Luft (T500 bis -37 °C) nicht ausgeschlossen werden.
In der zweiten Tageshälfte, insbesondere in der Nacht zum Samstag sorgt ein vom
Nordatlantik über die Britischen Inseln zur Nordsee und Norwegischen See
schwenkender Rücken bereits für Stabilisierung und Wetterberuhigung. Auch im
Bodenfeld setzt sich am Rande eines Hochs über Westeuropa antizyklonaler
Einfluss durch.

Am Samstag liegt Deutschland zwischen dem von der Biskaya über die südliche
Nordsee bis nach Skandinavien reichenden Rücken und dem Cut-Off über Korsika in
einer antizyklonal konturierten nordöstlichen Höhenströmung. Lediglich der
Südosten liegt anfangs noch unter einer Potenzialrinne zwischen dem nach Osten
abziehenden Trogresiduum und dem südeuropäischen Cut-Off. Dort treten noch ein
paar Regen- und Schneeschauer auf, ansonsten stellt sich im Einflussbereich des
sich auf knapp 1040 hPa verstärkenden und mit seinem Zentrum zur westlichen
Ostsee ziehenden Hochs sonniges Wetter ein. Zwischen dem Hoch und einer
kräftigen Zyklogenese über Südeuropa dreht die Strömung auf Ost. Bei niedrigen
T850ern zwischen -4 und -7 °C bleiben die Höchsttemperaturen somit zumeist im
einstelligen Bereich, im höheren Bergland gibt es Dauerfrost. Die Nacht zum
Sonntag wird durchweg frostig, im östlichen Bergland und an den Alpen tritt
mäßiger Frost auf.

Am Sonntag wird der Rücken durch einen zum Nordmeer und zum Nordsee vorstoßenden
Trog in seinem Nordteil nach Osten gedrückt, während er in seinem Südteil seine
Lage kaum verändert. Seine Achse nimmt folglich eine zunehmend positive Neigung
ein und reicht von der Biskaya bis nach Norddeutschland und von dort über das
Baltikum nach Nordwestrussland. Der Rücken stützt eine Hochdruckbrücke zwischen
dem zum Baltikum abziehenden Hoch und dem Azorenhoch, wobei die Divergenzachse
quer über Deutschland verläuft. Mit östlicher bis südöstlicher Strömung gelangt
zunehmend kontinentale Luft nach Deutschland, die durch das Absinken langsam
erwärmt wird (T850 -1 bis -4 °C). Bei viel Sonnenschein sind am Rhein daher
wieder häufiger niedrige zweistellige Höchstwerte möglich. Die Nacht zum Montag
wird aber vor allem im Südosten noch kälter als die Vornacht mit verbreiteten
mäßigen, an den Alpen über Schnee örtlich strengen Nachtfrösten.

Auch am Montag und Dienstag bleibt der zonal orientierte Rücken und die
Hochdruckbrücke zumeist wetterbestimmend. Weitere vom Atlantik nach Nordeuropa
vorstoßende Tröge drücken die Achse des Rückens aber tendenziell noch etwas nach
Süden. Der Norden gelangt somit wieder in eine Westströmung, in der sich die
Frontalzone annähert, aber allenfalls nur in sehr abgeschwächter Form
übergreift. Die Luft erwärmt sich nach IFS-Lesart vornehmlich durch das Absinken
und damit eher langsam, sodass bei viel Sonnenschein mit zumindest leicht
ansteigender Temperaturkurve zu rechnen ist.

In der erweiterten Mittelfrist erfolgt nach IFS zunächst eine schwache
Trogpassage, bevor sich ein neuer Rücken vom Atlantik über West- nach
Mitteleuropa etabliert. Die Hochdruckdominanz bleibt also erhalten.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz der jüngsten IFS-Modellläufe ist insgesamt gut. Das großräumige
Geopotenzialmuster wird sehr ähnlich simuliert. Kleinere Modifikationen der
wetterbestimmenden Hochdruckzone zwischen den einzelnen Läufen und damit auch
der vorherrschenden Strömung sorgen allerdings für ein differierendes
Temperaturniveau. Während der aktuelle 00Z-Lauf eher die "kalte" Variante mit
nur zögerlicher Erwärmung unter einer Hochdruckbrücke favorisiert, zeichneten
die Vorläufe, insbesondere der gestrige 00Z-Lauf, mit einer sich einstellenden
Süd- bis Südwestströmung schon ab Sonntag ein wärmeres Szenario. Die
warntechnische Relevanz beschränkt sich allerdings nur auf die Frage, wie
verbreitet und wie lange es für mäßigen, an den Alpen strengen Frost reicht.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Trogpassage und den sich einstellenden Hochdruckeinfluss am Wochenende haben
alle Modelle im Programm. Allerdings ergeben sich gewisse Timingunterschiede, da
die Modelle den Abtropfprozess über dem Mittelmeer verschieden simulieren.
NAVGEM sieht von einem Abtropfen sogar gänzlich ab.
Dies führt nachfolgend auch zu Modifikationen des wetterbestimmenden Rückens und
der Hochdruckzone und damit variierenden Strömungsverhältnissen. Bei NAVGEM und
UKMO stellt sich schon am Wochenende eine Süd- bis Südwestströmung mit kräftiger
Warmluftadvektion ein, bei GFS und ICON dominiert eine schwache, meist östliche
Komponente, sodass die Erwärmung erst verzögert wird und dann deutlich schwächer
ausfällt. GEM rechnet ähnlich wie IFS mit einer seichten, weniger advektiven
Erwärmung ab Wochenbeginn.
Die ohnehin schwache Trogpassage in der erweiterten Mittelfrist zur Mitte der
kommenden Woche, fällt bei GFS noch rudimentärer aus als bei IFS oder GEM.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Auch im IFS-EPS spiegelt sich die Problematik mit dem Abtropfprozess am
Wochenende und deren Auswirkungen auf die Strömungs- und Temperaturverhältnisse
in der darauffolgenden Woche wieder.
Die Rauchfahnen der Temperatur und des Geopotenzials weiten sich insbesondere ab
Sonntag deutlich auf. Vor allem im Südosten ist der Spread enorm. Die Mehrheit
der Member simuliert zwar einen Anstieg von Geopotenzial und Temperatur,
allerdings teilweise deutlich verzögert erst zur nächsten Woche. Es gibt sogar
einige Lösungen, die keinen nennenswerten Anstieg rechnen. Dies führt
beispielsweise für München am Montag zu einer Temperaturspreizung zwischen rund
-10 und knapp +10 °C auf 850 hPa - das sind 20 K! Die deterministischen Läufe
befinden sich eher im obersten Drittel der Verteilung. Nach Nordwesten zu fällt
die Aufweitung der Rauchfahnen insgesamt geringer aus.
Die vorübergehende "Beule" mit dem Trog zur Wochenmitte ist im Haupt- und
Kontrolllauf verhältnismäßig stark ausgeprägt, die meisten Ensemblemitglieder
zeichnen das "Tal" weniger stark nach.

FAZIT: Je nach dem, wie sich der Abtropfprozess am Wochenende über Südeuropa
gestaltet, könnte sich die Trogpassage ab Freitag vor allem im Südosten noch
deutlich verzögern. Dass sich danach aber erst mal Hochdruckeinfluss breitmacht,
scheint recht sicher zu sein. Allerdings bleibt abzuwarten, welche
Strömungsverhältnisse über Mitteleuropa vorherrschen werden. Östliche Strömung
(länger kühl), schwache Srömung (Hochdruckbrücke, zögerlich wärmer) oder
Süd/Südwest (advektive, deutliche Erwärmung).
Auch in der erweiterten Mittelfrist stehen die Zeichen eher auf ruhigem Wetter,
wenngleich schwache Tiefausläufer vor allem im Norden vorübergehend für eine
gewisse Unbeständigkeit sorgen könnten.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Freitag nach vorübergehender Abschwächung von Nordwesten wieder
Windauffrischung mit stürmischen Böen (Bft 8) bevorzugt im Bergland sowie bei
Schauern/Gewittern. Mit Winddrehung von Südwest auf Nordwest später auch an der
Nordsee stürmische Böen wahrscheinlich. In Kammlagen je nach Höhenlage Bft 9-11.


Danach ruhiges Wetter meist ohne markante Wettererscheinung.
Allerdings zunehmend frostige Nächte: Insbesondere im östlichen Bergland und an
den Alpen mäßiger, an den Alpen bei Aufklaren über Schnee auch strenger
Nachtfrost.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS, MOS-MIX.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser