DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-02-2022 09:01
SXEU31 DWAV 190800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 19.02.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz
Stürmisch und Regenreich. Im Nordwesten und im Bergland am Sonntag Dauerregen.
In der Nacht zum Montag erneutes Sturmmaximum mit der Gefahr orkanartiger Böen.


Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Der heutige Samstag... ist vom Abzug des Orkantiefs Zeynep (international:
Eunice) geprägt. Der Kern des Tiefs befand sich heute Morgen schon an der Küste
Lettlands und soll sich bis zum Abend in die Region St. Petersburg verlagern.
Ein Bodentrog schwenkte heute früh noch über die westliche Ostsee und brachte
der deutschen Küste Orkanböen, zieht aber ebenso nach Osten ab. Das Bild in der
Höhe ist von einem breiten Langwellentrog geprägt, der über Skandinavien und
Mitteleuropa langsam ostwärts schwenkt, aber nicht allzu weit nach Süden
ausgreift, weil ihm über der Adria und dem Balkan ein breiter Rücken
gegenübersteht, was vor allem in unserem Raum für kräftigen Höhenwind sorgt. Am
Nachmittag zieht in die Rückseite des Langwellentroges eine Kurzwelle und damit
verbunden zieht auch ein Randtief (Wenjin IV) von Irland über Nordengland in die
Nordsee. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch das kräftige Azorenhoch (durch sehr
hohes Potential auf dem Atlantik gestützt), das einen Keil in Richtung Alpen
gerichtet hat, was bei uns zusätzlich für bodennahen Gradient sorgt. Dieser
schwächt sich aber im Tagesverlauf mit Abzug des oben erwähnten Bodentroges ab,
so dass es heute Vormittag im gesamten Norden und Nordosten noch zu stürmischen
Böen und Sturmböen (aus Westsüdwest) kommt, nach Südwesten hin wird der Wind
weniger und im Südwesten selbst ist es schon warnfrei. Schwere Sturmböen gibt es
zunächst noch an der Küste Vorpommerns, 11er und 12 nur noch auf hohen Bergen.
Am Spätnachmittag erreicht uns dann im Bodendruckfeld ein schwacher Rücken, der
Wind dreht wieder etwas Richtung Südwest und bis dahin ist der Wind überwiegend
auf "schwach bis mäßig" zurückgegangen. Starke bis stürmische Böen gibt es dann
nur noch im höheren Bergland und an den Küsten. Das Wetter ist heute im Norden
unter Einfluss deutlich kälterer Luft in der Höhe von starker Schaueraktivität
geprägt, dort kann es auch mal Blitz und Donner geben und auch der Wind kann an
Schauern noch einmal deutlich auffrischen. Im Laufe des Nachmittages
stabilisiert sich die Lage von Westen her. In der Mitte und im Süden gibt es nur
einzelne Schauer, die im Bergland ab 400 m meist als Schnee fallen (in 850 hPa
haben wir meist zwischen -4 und -6°C) und oberhalb 600 m auch mal vorübergehend
Glätte bedingen. Nennenswerte Neuschneehöhen gibt es heute nur in den Alpen.
Ansonsten, der Rückseite sei Dank, bestehen heute durchaus auch ganz gute
Chancen auf Sonne, insbesondere in der Mitte und im Süden kann diese länger
scheinen. Trotz maritim-polarer Luftmasse sorgt die gute Durchmischung für ein
wenig winterliches Temperaturniveau mit Höchstwerten zwischen 7°C im Norden und
11°C im Südwesten, nur im Bergland bleibt es mitunter deutlich kälter, vor allem
geht bei Schauern die Temperatur deutlich zurück.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt dann der eingangs schon erwähnte Randtrog über
Deutschland hinweg rasch ostwärts. Das zugehörige Randtief (Wenjin IV) zieht
über die Deutsche Bucht ostwärts und trifft auf die Kimbrische Halbinsel, wo es
sich reibungsbedingt abschwächt und in der Folge als nur noch schwacher
Bodentrog in der zweiten Nachthälfte über die Ostsee und den Osten Deutschlands
schwenkt. Doch der Tiefs sind noch nicht genug: Das neue Tief Antonia liegt zwar
mit seinem Kern noch südwestlich Islands, seine Warmfront erreicht aber schon
ausgangs der Nacht den Westen Deutschlands mit Regenfällen. Auch Wenjin IV sorgt
zuvor schon für Regenfälle im Norden und in der Mitte Deutschlands, meist bis zu
5 l/qm, ganz im Norden kann es aber auch etwas mehr sein. Zudem kann dort (also
im Norden Schleswig-Holsteins, nördlich der Zugbahn des Tiefs) auch mal nasser
Schnee fallen. Ebenso fällt in den Mittelgebirgen ab etwa 500 bis 600 m meist
Schnee, für ein paar Zentimeter Neuschnee dürfte es aber nur in Lagen oberhalb
700 m reichen. Ganz im Süden kommen die Niederschläge erst in der zweiten
Nachthälfte in abgeschwächter Form an, dort ist es zuvor noch länger klar. An
der Südflanke von Wenjin IV lebt in der Nacht auch der südwestliche Wind wieder
auf, so dass in weiten Landesteilen in der Nacht steife Böen zu erwarten sind,
vor allem im Bergland, aber nicht nur dort, auch stürmische Böen. Auf höheren
Bergen gibt es wieder (schwere) Sturmböen, auf dem Brocken lebt der Sturm in
Böen wieder orkanartig auf. Auf der Zugbahn des Tiefs selbst, also ganz im
Norden Deutschlands schwächt sich der Wind dagegen ab, so dass dort in der Nacht
meist keine Windwarnungen nötig sind. Noch ein kurzer Blick auf das
Temperaturniveau: Meist kühlt es auf 5 bis 1°C ab, um 0°C oder leichten Frost
gibt es nur im höheren Bergland sowie im Süden, solange dort der Himmel klar ist
und vor Auffrischen des Windes.

Am Sonntag... zieht das gesamte langwellige Trogsystem ab und vorübergehend
schwenkt in der flotten westlichen Höhenströmung ein flacher Rücken ostwärts,
der vor allem durch die massive Warmluftadvektion auf der Vorderseite von
Antonia aufgebaut wird. Ein neuer Trog erreicht aber am Abend schon die
Britischen Inseln. Antonias Warmfront überquert am Sonntag Deutschland langsam
nordostwärts und bringt dem gesamten Norden und der Mitte länger anhaltenden
Regen. Dieser soll auch im Bereich des Warmsektors anhalten. Da die Warmfront
auch eine sehr milde Luftmasse mit 0 bis 2°C in 850 hPa mitbringt, ist der
Schnee auch in den höheren Lagen der Mittelgebirge schnell passé. Der äußerste
Süden bleibt von den Regenfällen weitgehend verschont, aber auch dort zieht viel
mittelhohe Bewölkung über den Himmel, so dass dort die Sonne nur ab und zu zum
Zuge kommt. Im Bereich des Warmsektor stellt sich auch bodennah ein strammer
Gradient ein (immerhin 30 hPa über Deutschland), aber bei recht stabiler
Schichtung wird es im Flachland nicht allzu schlimm. Dort muss allgemein (das
heißt in allen Landesteilen) mit steifen bis stürmischen Böen gerechnet werden,
an der Nordsee sind es im Tagesverlauf mitunter auch Sturmböen. Ansonsten nimmt
der Wind mit der Höhe stark zu, so dass die höheren Berge mit Sturmböen und
schweren Sturmböen dabei sind. In 850 hPa erreicht der Mittelwind schon wieder
bis über 60 Knoten (in der Mitte), so dass exponierte Berge mit orkanartigen
Böen oder Orkanböen (diese auf dem Brocken) dabei sind. Ansonsten muss über den
Sonntag gar nicht mehr viel gesagt werden, es wird mit verbreitet 8 bis 12°C
wieder sehr mild.

Umso spannender wird es in der Nacht zum Montag: An Antonias teilokkludiertem
Frontensystem, das in der Nacht Norwegen erreicht, entsteht im Bereich der Küste
Südnorwegens ein Teiltief, das sich bis Montagfrüh noch vertiefen kann (hier ist
WLA und PVA im Spiel) und nach Südschweden zieht. Die PVA wird durch den rasch
sich südostwärts verlagernden Trog generiert, der über die Nordsee bis zum
Morgen schon Benelux und den Nordwesten Deutschlands erreicht. Zudem greift ab
dem späten Abend die durch die Teiltiefentwicklung beschleunigte Kaltfront
Antonias auf den Nordwesten Deutschlands über und zieht bis zum Morgen schon in
den Südosten des Landes, wobei die rückseitig einfließende Luftmasse wieder etwa
-6°C in 850 hPa aufweist, so dass in den Mittelgebirgen nachfolgend der Regen
wieder bis 400 m in Schnee übergeht. Im westlichen Bergland, wo gegen Morgen
auch schon die Höhenkaltluft ankommt, kann es auch noch bis in etwas tiefere
Lagen Schneeschauer geben. Zuvor bringt aber die im Bereich starker Hebung
gelegene Kaltfront recht kräftigen Regen, an der Kaltfront selbst kann auch
etwas Labilität im Spiel sein, so dass Gewitter nicht ganz ausgeschlossen sind.
Vor allem muss aber im gesamten Nordwesten Deutschlands mit ergiebigen
Regenfällen gerechnet werden, nach Südosten zu wird es etwas weniger. In diesem
Fall lohnt es sich, die akkumulierten Niederschläge bis Montagfrüh anzusehen,
die in der Nordwesthälfte bei allen Modellen flächendeckend bei 20 bis 30 l/qm
liegen, also noch nicht ganz warnwürdig. Vor allem im Süderbergland sind aber 50
bis 70 l/qm wahrscheinlich, zudem kommen am Montag noch einmal 10 l/qm hinzu,
wobei die Schneephase nicht die große Rolle spielt. Aufgrund der schon nassen
Vorgeschichte sollte eine Unwetterwarnung in Betracht gezogen werden, wobei
allerdings IFS noch etwas zurückhaltender ist und dem entgegensteht. Auch der
Harz, der Vogelsberg, der Thüringer Wald und die Eifel sind Kandidaten für eine
Dauerregenwarnung, wenn man sich Cosmo-LEPS oder ICON-EPS ansieht. Zudem ist
auch das nordwestdeutsche Flachland vom unteren Niederrhein bis zum Emsland
gefährdet. Doch damit nicht genug: Auch der Wind lebt an der Kaltfront wieder
mächtig auf, so dass flächendeckend mit Sturmböen und schweren Sturmböen
gerechnet werden muss. Sollte es, wie oben schon angedeutet, an der Kaltfront
auch zu konvektiven Umlagerungen kommen, sind angesichts des auf 70 Knoten
auffrischenden Windes in 850 hPa, auch bodennah orkanartige Böen ein Thema. Die
hohen Berge bekommen angesichts dieses Höhenwindes sowieso wieder Orkanböen ab,
der Brocken vielleicht sogar wieder eine violette Warnung. Rückseitig der
Kaltfront schwenkt zudem noch ein Bodentrog über den äußersten Norden
Deutschlands, so dass entlang den Küsten dann auch wieder mit schweren Sturmböen
gerechnet werden muss. Noch ein Satz zu den Temperaturen: Meist kühlt es auf 7
bis 2°C ab, mit den höheren Werten im Osten, wo die Kaltfront am spätesten
ankommt. Im höheren Bergland gibt es leichten Frost.


Am Montag... zieht das Teiltief Antonias unter weiterer Verstärkung über die
Ostsee hinweg zum Baltikum. Dabei entwickelt es sich zum stärkeren Tiefkern des
Gesamtsystems. Die Kaltfront zieht schon am Vormittag aus dem Südosten ab. Der
Höhentrog erfasst nachfolgend zunehmend ganz Deutschland. Rückseitig der
Kaltfront und des Bodentroges beruhigt sich der Wind vorübergehend minimal, doch
der ursprüngliche Tiefkern Antonias hat mittlerweile die Nordsee erreicht und
schwenkt ab dem Nachmittag in Form eines Bodentroges in den Nordwesten
Deutschlands. Damit dürfte der Südwestwind vor allem in der Südwesthälfte des
Landes erneut stark auffrischen und in Böen Sturmstärke bis schwere Sturmstärke
erreichen. Auch ganz im Nordosten in der Nähe des Tiefkerns bleibt es bei
Sturmböen oder schweren Sturmböen. In den übrigen Gebieten muss zumindest die
meiste Zeit mit steifen Böen oder stürmischen Böen gerechnet werden, allenfalls
zwischen den Tiefkernen kann in Norddeutschland mal der Gradient etwas
auseinandergezogen werden und der Wind sich abschwächen. Rückseitig des
Bodentroges dreht der Wind auf Nordwest und schwächt sich ein bisschen ab. Mit
dem Bodentrog kommen auch von der Nordsee her wieder teils schauerartige
Regenfälle auf, in der maritimen Polarluft kann oberhalb 500 m auch immer wieder
mal Schnee dabei sein, der aber - wenn überhaupt - nicht lange liegenbleibt. Die
Niederschlagsummen liegen meist bei bis zu 5 l/qm, im westlichen Bergland können
aber erneut 10 l/qm dazukommen. Die Sonne zeigt sich am Montag nur kurz. Mit
meist 5 bis 10°C ist es aber im Tiefland weiterhin sehr mild.

In der Nacht zum Dienstag ziehen sowohl der Trog am Boden als auch in der Höhe
langsam nach Osten ab. Das stärkste Windfeld verlagert sich zunehmend in den
Osten und Südosten, von Westen nimmt der Wind generell ab, so dass nachfolgend
die Windwarnungen allmählich aufgehoben werden können. Es bleibt aber bei böigem
West-bis Nordwestwind. Auch auf dem Brocken, dem Fichtelberg und auf den
Alpengipfeln gibt es weiter schwere Sturmböen. Mit dem Trog verlagern sich auch
die schauerartigen Niederschläge Richtung Osten und Südosten, wobei die Mengen
abnehmen. Oberhalb 500 bis 600 m fällt meist Schnee, wobei vielfach eine
Glättewarnung reichen dürfte. Am Erzgebirge und an den Alpen kommt es aber zu
Stau, so dass dort einige Zentimeter zusammenkommen können. Von Nordwesten
können im Laufe der Nacht die Wolken auflockern. Tiefland bleibt es dennoch
aufgrund des Windes mir 4 bis 1°C frostfrei, im Bergland gibt es dagegen
allgemein leichten Frost.

Modellvergleich und -einschätzung
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Auf der synoptischen Skala wird die Entwicklung sehr einheitlich gesehen. Auch
die Unterschiede bezüglich der Windentwicklung halten sich in Grenzen. Spannend
wird es in der Nacht zum Montag, wenn es an der Kaltfront zu Konvektion kommt.
ICON-D2 ist derzeit mit der Prognose von orkanartigen Böen sehr zurückhaltend.

Auffällig ist, das IFS und das zugehörige Ensemble die Niederschlagsentwicklung
für morgen wesentlich schwächer sehen, insbesondere wären nach IFS auch
Unwetterwarnungen übertrieben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann