DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

16-02-2022 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 16.02.2022 um 10.30 UTC



"West as it`s best"; voraussichtlich bis in die erweiterte Mittelfrist
überwiegend zyklonale West- bis Nordwestlage mit viel Wind und Niederschlägen,
dabei meist zu mild für die Jahreszeit.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 23.02.2022


Ein gesunder Polarwirbel, bis in die erweiterte Mittelfrist voraussichtlich NAO
positiv: Die Zeichen stehen weiterhin auf "Sturm" (viel Wind und Niederschläge),
wenngleich aus aktueller Modellsicht von Samstag bis Wochenmitte voraussichtlich
keine wirklich böse Sturmlage ins Haus steht.

Nach Abzug eines Sturmtiefs mit dem etwas gewöhnungsbedürftigen Namen "Zeynep"
(bzw. international: "Eunice") über das Baltikum Richtung Karelien stellt sich
am Samstag aber erst einmal vorübergehend eine gewisse Wetterberuhigung ein.
Vorderseitig eines flachen Höhenkeiles weitet sich kurzzeitig ein Bodenhochkeil
über Süddeutschland nordostwärts aus und die eingeströmte erwärmte maritime
Polarluft (-2 bis -6 Grad in 850 hPa) kommt zur Ruhe. An den Alpen fällt anfangs
noch etwas Niederschlag (in höheren Lagen Schnee), im Nordosten/Norden gibt es
anfangs noch einzelne Schauer, sonst bleibt es meist trocken. Allerdings weht
außer im Südwesten und Süden nach wie vor lebhafter Westwind mit stürmischen
Böen oder Sturmböen im Norden und Osten, der erst am Nachmittag/Abend
vorübergehend nachlässt.
Bereits am Abend greift aber das Frontensystem eines bis Sonntagfrüh über
Dänemark zur südlichen Ostsee ziehenden und sich auflösenden Randtiefs auf
Nordwestdeutschland über und kommt sehr rasch südostwärts voran, gefolgt von der
Warmfront eines ins Seegebiet südwestlich von Island ziehenden Sturmtiefs. Somit
gibt es - außer ganz im Süden - im Laufe der Nacht wieder verbreitet
Niederschläge, im Bergland teils als Schnee. Der Wind frischt aus Südwest auf,
für stürmische Böen reicht es aber wohl lediglich in freien Lagen im Westen und
in der Mitte des Landes, auf den Mittelgebirgsgipfeln gibt es Sturmböen, auf dem
Brocken eventuell orkanartige Böen.

Am Sonntag bzw. eigentlich so richtig erst in der Nacht zum Montag steht dann
tatsächlich der nächste großräumige Sturm ins Haus: Das Tief südwestlich von
Island kann sich bis zum Abend vorübergehend noch etwas intensivieren und zieht
vorderseitig des sich rasch vom mittleren Nordatlantik bis Montagfrüh zur
Nordsee bzw. nach Südskandinavien verlagernden Troges zur nördlichen Nordsee,
wobei es am Okklusionspunkt des Frontensystems über Südskandinavien in der Nacht
zu einer Randtiefentwicklung kommt. Die Warmfront des Tiefs überquert
Deutschland mit teils anhaltenden Niederschlägen - wieder bis in Lagen über 1000
m als Regen - rasch ostwärts, die Kaltfront erreicht am späten Sonntagabend den
Nordwesten und kommt bis Montagfrüh nach Süddeutschland voran. Vor allem in den
Weststaulagen der westlichen, zentralen und ostbayerischen Mittelgebirge kann es
Dauerregen geben.
Der Wind legt wieder deutlich zu, den Höhepunkt der Windentwicklung stellt wohl
die Kaltluftpassage dar. Dann gibt es erneut verbreitet stürmische Böen bzw.
Sturmböen, in freien Lagen bzw. bei konvektiven Umlagerungen im Bereich der
Front auch schwere Sturmböen aus West bis Nordwest, präfrontal kann es im
Erzgebirgs- und Alpenvorland aufgrund des Leitplankeneffektes ebenfalls für
schwere Sturmböen reichen. Auf den Bergen muss verbreitet mit schweren Sturm-
bis Orkanböen gerechnet werden.
Postfrontal lässt der Wind vorübergehend nach, ehe er mit Annäherung eines
Bodentroges im Nordwesten morgens wieder zulegt. Dabei gibt es Schauer und auch
kurze Gewitter, die Schneefallgrenze sinkt bei Advektion maritimer Polarluft
(T850 hPa um -5 Grad) auf etwa 400 m, auch darunter können die Schauer mit
Schnee und Graupel vermischt sein.

Am Montag verlagert sich der Höhentrog über Mitteleuropa hinweg rasch ostwärts,
gefolgt von einem Höhenrücken, der sich Dienstagfrüh über den Ärmelkanal und die
Nordsee bis ins Nordmeer erstreckt.
Das ehemalige Sturmtief über der nördlichen/mittleren Nordsee hat sich nun
aufgefüllt und zieht als Randtrog tagsüber bzw. am Abend rasch über Deutschland
hinweg südostwärts. Während sich der Wind nach Passage der Kaltfront, die
vormittags die Alpen überquert, vorübergehend abgeschwächt hat, legt er mit
Randtrogpassage noch einmal zu und dreht von West auf Nordwest. Dabei kann es
erneut Sturmböen, vereinzelt auch schwere Sturmböen geben. Dahinter nimmt er
dann aber mit Annäherung eines flachen Bodenhochkeils abends und in der Nacht
zum Dienstag von Nordwest nach Südost zögernd ab, vor allem im Südosten könnte
es die Nacht über hinweg aber recht stürmisch bleiben.
Mit Trogpassage gibt es schauerartige Niederschläge, vereinzelt auch
Graupelgewitter, die Schneefallgrenze liegt meist zwischen 300 und 700 m, am
Alpenrand schneit es vor allem in der Nacht zum Dienstag auch für längere Zeit.

Am Dienstag schwenken Höhen- und Bodenkeil rasch über Deutschland hinweg
südostwärts, so dass sich erneut eine vorübergehende Wetterberuhigung
durchsetzt. Die nächste Tiefdruckentwicklung setzt dann weiter nördlich, in etwa
über Island an, das daran gekoppelte Frontensystem korrespondiert mit einem von
der Nordsee in der Nacht zum Mittwoch auf das Vorhersagegebiet übergreifenden
Kurzwellentrog. Es erreicht abends den Nordwesten und kommt unter
fortschreitenden Okklusionsprozess bis Mittwochfrüh bereits zu den Alpen voran.
Dahinter setzt sich mit Annäherung eines flachen Höhenkeiles vor allem im Westen
und Südwesten des Landes wieder Hochdruckeinfluss durch. Somit hält sich dessen
Wetterwirksamkeit in Grenzen und es gibt zwar recht verbreitete, aber nur wenig
ergiebige Niederschläge, wobei die Schneefallgrenze bei Advektion erwärmter
Polarluft (-5 bis -2 Grad in 850 hPa) wieder ansteigt. Der Wind spielt tagsüber
warntechnisch wohl nur auf den Bergen eine Rolle, lebt aber mit Annäherung und
Passage des Frontensystems nachmittags und abends bzw. (im Süden und Osten)
nachts wieder aus Südwest bis West auf. Ob es dann im Binnen- bzw. Tiefland
erneut für markante Böen (Bft 8) reicht, ist noch unklar. Postfrontal nimmt er
rasch wieder ab.

Am Mittwoch schwenkt ein etwas breiter angelegter Höhenrücken über das
Vorhersagegebiet hinweg südostwärts, der nachfolgende Höhentrog erreicht erst in
der Nacht zum Donnerstag die Britischen Inseln. Somit kann sich auch im
Bodenfeld ein etwas kompetenteres Zwischenhoch über Süddeutschland und den
Alpenraum etablieren, das in der Nacht zum Donnerstag nach Südosteuropa abzieht.
Dann greift erneut ein Frontensystem auf die Nordsee über.
Somit steht der Mittwoch ganz im Zeichen einer vorübergehenden Wetterberuhigung,
nach anfänglichen Niederschlägen im Südosten bleibt es tagsüber bis in die Nacht
hinein trocken. Auch der Wind schwächt sich deutlich ab.

Diese Wetterberuhigung reicht aber nach Lesart des IFS nicht bis in die
erweiterte Mittelfrist. Bereits am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag
greifen ein Trog und vorlaufend auch das Frontensystem eines nach
Nordskandinavien ziehenden Tiefs auf Mitteleuropa über, wobei erneut der Wind
teils stürmisch auffrischt und es vor allem im Norden und in der Mitte
verbreitet zu allerdings nicht sonderlich ergiebigen Niederschlägen kommt.
Danach deutet sich aber zumindest für die Südhälfte eine etwas ruhigere
Wetterlage an (nördliche Westlage bzw. West antizyklonal).
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die zyklonale Westlage haben alle IFS-Läufe von gestern und heute auf der Agenda
und ist somit wohl unstrittig. Auch vom groben Ablauf her haben sich die Läufe
ziemlich angeglichen, so dass auch dem aktuellen Lauf eine gute Konsistenz
bescheinigt werden kann.
Im Detail lassen sich aber Differenzen herausarbeiten, sowohl, was das Timing
der Frontpassagen als auch die Intensität einiger Randtiefentwicklungen angeht,
was aber angesichts der hohen Dynamik nicht anders zu erwarten ist. Dabei fällt
in erster Linie der Dienstag ins Auge. Der gestrige 12 UTC-Lauf simuliert eine
kräftigere Randtiefentwicklung über Südskandinavien, die die beiden 00 UTC-Läufe
so nicht im Programm haben. Damit stünde erneut eine markante Windentwicklung
ins Haus.
Alle drei Läufe haben dann aber den antizyklonalen Einschlag am kommenden
Mittwoch im Programm und deuten auch an, dass dieser nur vorübergehender Natur
sein dürfte.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Ähnliches wie für die IFS-Einzelläufe gilt auch für die anderen Globalmodelle:
Die zyklonale Westlage ist unstrittig und auch die groben Strukturen bzw.
Abläufe ähneln sich.
Differenzen im Detail lassen sich aber dennoch ausmachen. In der Nacht zum
Sonntag simuliert GFS das Randtief auf etwas südlicherer Zugbahn und auch ein
wenig intensiver als ICON und IFS, was Auswirkungen auf die genaue Lage des
Hauptwindfeldes haben dürfte, an der Größenordnung der Böen ändert das aber kaum
etwas.
Das nächstfolgende Tief am Sonntag bzw. die Randtiefentwicklung über
Südskandinavien in der Nacht zum Montag simulieren GFS und ICON auf etwas
südlicherer Zugbahn und die Passage des in beiden Modellen progressiveren
Bodentroges am Montag dadurch mit einem geringfügig schärferen Gradienten
ausgestattet. Somit könnte die Windentwicklung noch ein wenig stärker ausfallen
als vom IFS simuliert, eine überregionale Unwetterlage ist aber wohl dennoch
nicht zu erwarten.
Am Mittwoch sind das GFS (und andeutungsweise auch das ICON) mit einem
kräftigeren Bodenhoch etwas antizyklonaler aufgestellt als das IFS, allerdings
tendiert auch das GFS in der erweiterten Mittelfrist (gegenüber dem IFS leicht
verzögert) über Südwest antizyklonal bzw. zyklonal wieder Richtung West zyklonal
mit leicht antizyklonalem Einschlag ("Azorenhochkeil" in Süddeutschland.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Wenig Überraschendes bietet die Clusteranalyse. Sowohl der Zeitraum T+72 bis 96
Stunden als auch die beiden folgenden (T+120 bis 168 bzw. T+192 bis 240) weisen
jeweils 3 Cluster auf, alle dem Regime NAO positiv zugeordnet. Dabei tendiert
die ansonsten relativ glatte Frontalzone nach Lesart aller drei Cluster ab etwa
Mitte kommender Woche, also zu Beginn der erweiterten Mittelfrist, dazu, leicht
zu mäandrieren. Während das nach Cluster 1 und 2 (inklusive Haupt- und
Kontrolllauf) nur vorübergehender Natur sein soll, ist der über Mittel- nach
Osteuropa schwenkende Höhenrücken in Cluster 3 (immerhin 11 Member), ähnlich wie
im GFS, etwas robuster aufgestellt.
Das zieht sich auch bis in die erweiterte Mittelfrist. Cluster 3 (13 Member) hat
mehr oder weniger eine Hochdruckrandlage (Südwest bis Nordwest antizyklonal) für
Mitteleuropa auf der Agenda, nach Cluster 2 (19 Member, inklusive Hauptlauf)
wird's sehr rasch, nach Cluster 1 (19 Member) etwas verzögerter wieder zyklonal,
wobei auch die beiden Cluster ein stärkeres Mäandrieren der Frontalzone auf der
Agenda haben. Somit scheint die Zeit der wirklich gefährlichen
Sturmtiefentwicklungen ab Wochenmitte erst einmal zu Ende zu gehen.

In den Rauchfahnen ausgewählter Gitterpunkten aus dem Vorhersagegebiet schlägt
sich das Ganze in einem relativ einheitlichen Verlauf der 850 hPa-Temperaturen
der einzelnen Member nieder mit ausgiebigen Niederschlagssignalen. Ab
Anfang/Mitte kommender Woche wird der Spread größer.

Im EFI sind bzgl. Sturmböen die extremsten Signale erst einmal raus, aber für
den Montag wird durchaus noch einmal das Potenzial für eine großflächigere
Sturmlage angedeutet.
Am Sonntag werden zudem Signale für ein erhöhtes Dauerregenpotenzial vor allem
im Westen und in der Mitte des Landes gezeigt.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Bzgl. signifikanter Wettererscheinungen steht weiterhin eindeutig der Wind im
Fokus. Nach einem noch stürmischen Samstagvormittag bzw. -mittag beruhigt sich
die Windlage nur kurzzeitig, bereits ab Samstagabend haben die probabilistischen
Verfahren zunächst im Nordwesten, nachts dann auch im Westen und in der Mitte
wieder erhöhte Wahrscheinlichkeiten für Bft 8, aber in den Niederungen bzw. im
Binnenland nur sehr geringe für Bft 9 auf der Agenda.
Ab Sonntagnachmittag nehmen dann die Signale für Bft 8 außer im Nordosten wieder
deutlich zu und auch die Bft 9 kommt ab den Nachtstunden wieder häufiger mit ins
Spiel.
Mit der Bodentrogpassage sind dann am Montag tagsüber zumindest an den Küsten
schwere Sturmböen wahrscheinlich. Für das Binnenland hat IFS-EPS aktuell nur
sehr geringe Wahrscheinlichkeiten auf der Agenda. Angesichts der von ICON und
GFS simulierten etwas markanteren Entwicklung kann sich daran aber durchaus noch
etwas ändern.

Neben der Windentwicklung gibt es vor allem am Sonntag und in der Nacht zum
Montag in den Staulagen der westlichen, südwestdeutschen und ostbayerischen
Mittelgebirge ein erhöhtes Potenzial für Dauerregen. In erster Linie ICON-EU-EPS
hat dafür in den genannten Regionen erhöhte Wahrscheinlichkeiten auf der Agenda,
IFS-EPS dagegen nur im Stau des Sauer-/Siegerlandes.

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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff