DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-02-2022 18:01
SXEU31 DWAV 081800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 08.02.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Norden schleifende Front, im Süden Hochdruckeinfluss, alles eher unspannend.
Ab Donnerstag Passage besagter Front von Nordwest nach Süd, nachfolgend
Advektion maritimer Polarluft. Zunehmende Modellunsicherheiten.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... strotzt die Wetterlage nicht gerade vor Brisanz, aber muss ja auch
nicht immer sein. Zwischen hohem Luftdruck über Südeuropa (der Gruß geht an
HOLM, der von einem breiten Potenzialrücken gestützt wird) und tiefem Luftdruck
über Nordeuropa (hier sind in erster Linie die drei Drehzentren SARAI I-III
zwischen der Irminger See und dem Seegebiet knapp westlich der Lofoten zu
nennen) gelangt vom nahen Atlantik milde bis sehr milde und wolkenreiche
Meeresluft zu uns. Morgen früh liegt die 850-hPa-Temperatur zwischen -1°C und
+6°C mit den höchsten Werten im äußersten Süden (teils absinkbedingt). Während
die zu den SARAI-Schwestern gehörige Warmfront schon über alle Berge ist, hat es
sich die schleifende Kaltfront im schönen Norddeutschland gemütlich gemacht. Sie
wird im Laufe der Nacht von einer sehr flachen, von der Nordsee ostwärts
schwenkenden Welle aktiviert, was vor allem in Teilen SHs den Regen etwas
stärker werden lässt. Wesentlich mehr als 5 l/m² dürften am Ende der Nacht aber
nicht aus den Messbechern herauszuholen sein. Darüber hinaus regnet oder nieselt
es im Norden und Nordosten mitunter etwas, wobei der Nordosten zumindest anfangs
großzügig bis zur Lausitz reicht. Die anfangs an der Ostsee noch zu
beobachtenden Wolkenlücken werden in den nächsten Stunden wieder geschlossen.

Weiter südlich hält sich der Regenwahrscheinlichkeit sehr in Grenzen, auch wenn
es am Himmel nur so wimmelt von dichten Wolken. Diese sind aber weder kalt noch
besonders mächtig, so dass außer etwas Nieselregen (vornehmlich dort, wo leichte
erzwungene Hebung durch die Orografie ins Spiel kommt) nicht viel
herauszuquetschen ist. Ganz im Süden, also südlich der Donau bzw. zum Morgen hin
wohl auch etwas darüber hinaus, sorgt der gute HOLM für einen gering bewölkten
bis klaren Himmel. Entsprechend kühlt es in den leichten Frostbereich ab (an den
Alpen über Schnee lokal auch mäßiger Frost), vereinzelt besteht Glättegefahr
durch Reif oder gefrierende Nässe. Zudem bildet sich stellenweise Nebel. Der
Südwest- bis Westwind schlafft mit Ausnahme einiger Hochlagen (7-8 Bft,
vereinzelt 9 Bft) vorübergehend ab, bevor er an und über der Deutschen Bucht zum
Morgen hin wieder zulegt (=> Böen 7 Bft).

Mittwoch ... ändert sich wenig an der großräumigen Druck- und
Potenzialverteilung. Der breite Rücken über Südeuropa verlagert ebenso wie das
Bodenhoch seinen Schwerpunkt vom westlichen Mittelmeer gen Sardinien/Korsika
bzw. Italien. Derweil nimmt die nördlich verlaufende Frontalzone mit Jetmaximum
zwischen Schottland und Baltikum eine leicht antizyklonale Kontur an, was einer
einsetzenden Austrogung westlich von UK/Irland geschuldet ist. Im Bodenniveau
bleibt die im Süden schwache, nach Norden hin mäßige bis frische
west-südwestliche Strömung erhalten. Mit Durchzug der flachen Welle wird die
Kaltfront kurz mal ein kleines Stück nach Norden rausgedrückt, bevor sie von der
Nordsee her wieder die Ausgangsstellung (küstennahes Binnenland) einnimmt. Ein
substanzielles Vorankommen in Richtung Süden wird durch die nach wie vor
strömungsparallele Exposition verhindert, so dass summa summarum der Tatbestand
des Großwetterlagentypus Wa (West antizyklonal) erfüllt ist.

Wettermäßig ergibt sich daraus ein Süd-Nord-Gefälle, bei dem sich der wolkenarme
respektive sonnige Korridor aus dem Süden peu a peu nordwärts ausbreitet, die
Mainlinie wohl aber nicht erreicht. In der Mitte schließt sich ein wolkenreicher
Streifen an, wo hier und da etwas Nieselregen fällt. Im Lee der Mittelgebirge
bestehen andererseits aber auch Chancen für Aufhellungen oder einige
Auflockerungen. In der Norddeutschen Tiefebene hingegen sieht es auch morgen
düster aus bei einer weitgehend geschlossenen Wolkendecke und gelegentlichem
(Niesel)Regen vor allem an der See sowie in SH. Mit etwas Glück lockert es
ähnlich wie heute an der Ostsee zum Abend hin postfrontal etwas auf, so dass man
noch den Sonnenuntergang miterleben kann - vielleicht. Zu allem Unglück kommt im
Norden noch ein auffrischender Südwest- bis Westwind dazu, der an der Küste,
gebietsweise aber auch im Binnenland von Böen 7 Bft begleitet wird. In den
übrigen Landesteilen beschränken sich warnwürdige Böen auf die Hochlagen der
Mittelgebirge, wobei der Brocken mit bis zu Stärke 10 Bft wie so oft den
Topseller mimt.

Die Temperaturen erreichen alles, nur kein Winterniveau. 7 bis 13°C, im Süden
lokal vielleicht 14°C sind milde bis sehr milde Adressen. Zum Vergleich: Das
deutschlandweite Flächenmittel der Höchsttemperatur liegt um den 10 Februar
herum zwischen 3,5 und 4,0°C (Referenz 1991-2020).

Wirklich kalt wird es auch in der Nacht zum Donnerstag nicht, vor allem in
Norddeutschland. Dort gilt es erstmal die nächste flache Welle von der Nordsee
her abzuwarten, bevor sich die Kaltfront dann am Donnerstag endlich auf den Weg
nach Süden machen kann. Zwar lässt der Wind tagesgangbedingt bei gleichzeitig
auffächerndem Gradienten spürbar nach, dichte Wolken inkl. zeitweiliger Regen in
Frontumfeld lassen die Temperatur aber vielerorts nicht unter 6°C sinken. Einzig
vom Norden SHS bis hinüber nach Nordvorpommern, wo vorübergehend mal ein
Wolkenfenster aufgeht, wird es etwas kälter.

Am kältesten wird es unter klarem Himmel im Süden des Landes in Teilen Bayerns
und BWs, wo es erneut auf für die erste Februardekade eigentlich nicht
erwähnenswerte 0 bis -4°C, an den Alpen auch mal unter -5°C abkühlt. Zudem
bildet sich dort stellenweise Nebel.

Donnerstag ... nähert sich der o.e., deutlich nach Südwesten zurückhängende und
damit positiv geneigte Höhentrog dem europäischen Kontinent. Zum Tagesende
reicht seine Achse etwa vom Skagerrak über die Nordsee und den Ärmelkanal bis
hinunter zur Biskaya. Dahinter wölbt sich über dem Ostatlantik ein neuer Rücken
auf, der gleichzeitig das nächste Bodenhoch namens INGO fördert. Dessen Zentrum
verbleibt am Donnerstag aber noch westlich Irlands. Derweil nähert sich eines
der SARAI-Schwestern (gemeint ist ein kleines Tief) dem westnorwegischen Svinoy,
das es gegen Mittag erreicht, um von dort die norwegischen Berge zu
"überspringen" und weiter in Richtung Südschweden zu ziehen - so zumindest die
Denke heute Morgen. Inzwischen simuliert der neueste Lauf von ICON (12 UTC) eine
ganz andere Zugbahn, nämlich deutlich weiter westlich. Demnach würde das Tief
gegen Mittag die schottischen Highlands überqueren und am Abend die Doggerbank
erreichen!

Was ein Unterschied, der für uns zunächst aber nur von peripherem Interesse ist,
gilt es doch seinen Fokus auf die ortsansässige Kaltfront zu legen. Diese wird
am Vormittag und Mittag von der o.e. flachen Welle überlaufen, die genau über
das norddeutsche Tiefland hinwegzieht, am Mittag MV erreicht und danach gen
Polen abzieht. Nach ihrem Abzug dreht der Wind auf West bis Nordwest, wodurch
die Kaltfront eine Schubkomponente erfährt und sich südostwärts in Bewegung
setzt. Bis zum Abend erreicht sie etwa eine Linie Eifel-Nordhessen-Oderhaff. Da
die Front Anacharakter aufweist, fällt ein Teil des frontalen Regens auf der
Rückseite. Akkumuliert über 12 h kommen im Norden und Westen meist 1 bis 5 l/m²,
im Norden gebietsweise 5 bis 10 l/m² zusammen. In der postfrontal einfließenden
maritimen Polarluft (Rückgang T850 auf bis zu -6°C) lockert die Wolkendecke am
Nachmittag und Abend von der Nordsee her auf. Apropos Nordsee, dort sollte der
auf westliche Richtungen drehende Wind nach Lesart ICON 00/06 UTC merklich
auffrischen mit Böenspitzen der Stärke 7 Bft, exponiert 8 Bft. Der 12-UTC-Lauf
hat das aufgrund der veränderten Zugbahn des Tiefs und Bildung eines
Zwischenhochs (zwischen dem Tief und der abziehenden Welle) deutlich nach unten
korrigiert. Demnach treten Böen dieser Größenordnung am ehesten noch präfrontal
in orografisch gegliedertem Gelände (Hoch- und Leelagen) auf, wobei auf
exponierten Kämmen, Gipfeln und Kuppen auch etwas mehr drin ist.

Der Süden des Vorhersageraums profitiert am Donnerstag noch vom Einfluss des
scheidenden Hochs HOLM, den es - warum auch immer - nach Südosteuropa zieht. So
reicht es nach Nebelauflösung zunächst noch für größere Auflockerungen, südlich
der Donau auch längeren Sonnenschein, bevor die Wolken von Nordwesten her
allmählich mehr und sukzessive auch dichter werden. Trotz Kaltfront wird es
abermals ein milder bis sehr milder Tag mit Höchstwerten von rund 7°C im
äußersten Norden und bis zu 13, vielleicht 14°C im Alpenvorland.

In der Nacht zum Freitag macht die Kaltfront weiteren Boden nach Süden hin gut
und erreicht in den Morgenstunden etwa die Donau (derzeit noch kleine
Modellunschärfen). Dahinter sinkt die 850-hPa-Temperatur auf -3 bis -7°C, was
mit einem Absinken der Schneefallgrenze auf etwa 600 bis 300 m einhergeht.
Entsprechend geht der frontale Regen in den Mittelgebirgen mehr und mehr in
Schnee über (durch den Anacharakter der Front ist es nicht der Klassiker
"Kaltluft da, Niederschlag vorbei"), was bis in die mittleren Lagen (von oben
gesehen) eine dünne Neuschneeauflage zur Folge hat. Am Vorderrand des
Niederschlagsgebietes, wo zunächst noch ein Rest niedertroposphärisch wärmerer
Luft vorhanden ist (positive Werte, "warme Nase"), könnte es im Süden und
Südosten punktuell und wohl auch nur kurzzeitig für gefrierenden Regen reichen.
Unabdingbare Voraussetzung ist ein präfrontales Absinken der Luft- und
Belagstemperatur in den negativen Bereich, kein "Auftauen" durch Gegenstrahlung
und/oder Wind und ein Vorabkommen des Niederschlags in die Frostgebiete. Am
ehesten könnten sich diese Bedingungen in geschützten Lagen der süddeutschen
Mittelgebirge sowie im äußersten Südosten einstellen, könnten wohlbemerkt. Noch
regiert der Konjunktiv, weil die genaue Entwicklung mit kleinen, aber durchaus
bedeutenden Unsicherheiten versehen ist.

Diese Aussage trifft übrigens auch auf das o.e. kleine Tief zu, das im Gegensatz
zum 00-UTC-Lauf nicht Südschweden, sondern auf einmal die Niederlande als
Destination ansteuern soll. Hier kann man schon nicht mehr von kleinen
Verrückungen sprechen, das ist schon ein echtes Pfund. Sollte es so kommen,
würde es insbesondere im Nordwesten zu einer Akkumulation von Regen-,
Schneeregen- und Graupelschauern kommen. Allerdings signalisieren das auch
externe Modelle, ohne das Tief auf "Oranje" zu setzen (bei IFS von 00 UTC
beispielsweise zieht es zur Ostsee). Der unmittelbar hinter der Front von
Südwest auf Nordwest springende Wind frischt vor allem im Südwesten mit
postfrontaler Druckanstiegswelle kurzzeitig auf, wobei Böen 7 Bft - wenn
überhaupt - wohl nur vereinzelt auftreten.

Freitag ... erreicht respektive überquert die Kaltfront die Alpen südwärts, so
dass das ganze Land mit maritimer Polarluft geflutet wird (T850 -5 bis -8°C).
Die Schneefallgrenze sinkt nun auch im Süden, an den Alpen bis in die Täler. Da
sich aber keine wirkliche Staulage einstellt, hält sich die
Neuschneeakkumulation in Grenzen. Direkt am Alpenrand sowie im südlichen Vorland
werden es nach heutigem Stand bestenfalls um 5 cm, stellenweise bis 10 cm.
Postfrontale KLA bewirkt vor allem im Süden Druckanstieg und die Ausweitung
eines Bodenhochkeils in Richtung Alpen (Absender ist übrigens besagtes Hoch
INGO, dessen Zentrum dicht an die Bretagne heranrückt).

Wetterbestimmend in weiten Teilen des Landes sind allerdings der
durchschwenkende o.e. positiv geneigte Höhentrog nebst Höhenkaltluft (T500 um
-33°C) sowie das zum Bodentrog mutierende kleine Tief, das den Westen und die
Mitte gen Tschechien überquert. Bei wechselnder Bewölkung entwickeln sich
Schnee-, Regen- und Graupelschauer, die in Lagen oberhalb rund 400 m etwas
Neuschnee bringen könnten. Allerdings ist auch diesbezüglich noch nicht das
letzte Wort gesprochen. Die Externen jedenfalls simulieren vor allem im
Bodendruckfeld ein antizyklonaleres Setup und auch weniger Schauer.


Modellvergleich und -einschätzung
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Wie im Text hoffentlich klargeworden ist, divergieren die Modelle zum Freitag
hin in einem nicht alltäglichen Maße. Dabei steht gar nicht mal die
Kaltfrontpassage als solche in Frage (im Wesentlichen tolerierbare
Timingunterschiede), sondern eher das geschehen danach. Punctum saliens ist das
kleine Tief, das der Numerik derzeit offensichtlich noch größere Probleme
bereitet. Es scheint so, dass das Zusammenspiel von Höhentrog und Bodentief noch
nicht richtig funktioniert. Sah der heutige 00-UTC-Lauf von ICON das Tief noch
auf der zonalen Trogvorderseite mit entsprechender Ostverlagerung, wird es nun
auf der Rückseite gen Südosten gesteuert. Man wird sehen, die das morgige
Modellkollektiv die Lage einschätzt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann