DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-02-2022 18:01
SXEU31 DWAV 041800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 04.02.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
WIND:
Bis in die Nacht zum Samstag hinein von Nordwest nach Südost markanter
Kaltfrontdurchgang mit Sturmböen (Bft 8-9). Größte Wahrscheinlichkeit für
Sturmböen in einem breiten Streifen von NRW und RLP über die Mitte bis nach
Brandenburg und Sachsen! Im Bergland schwere Sturmböen bis 95 km/h, auf
exponierten Gipfeln orkanartige Böen 110 km/h (Bft 11).
Dahinter den ganzen Samstag über an der See sowie in Hochlagen weiterhin
stürmischen Böen Bft 8, auf Gipfeln Sturmböen Bft 9.
Am Sonntag weiter auffrischender Westwind. Verbreitet Sturmböen Bft 8-9. An der
See und im höheren Bergland einzelne schwere Sturmböen Bft 10 und (auf
exponierten Gipfeln) orkanartige Böen Bft 11 oder Orkanböen Bft 12. Bis in die
Nacht zum Montag hinein andauernd.
Am Montag abgesehen vom Westen und Südwesten noch einmal auffrischender
Nordwestwind, verbreitet mit stürmischen Böen, an der See und im Bergland
Sturmböen Bft 9, auf exponierten Gipfeln schwere Sturmböen.

SCHNEEFALL:
An den Alpen und im südlichen und östlichen Mittelgebirgsraum oberhalb etwa 800
m teils kräftige Schneefälle, im Allgäu und Bayerischen Wald am Sonntag und bis
in die Nacht zum Montag hinein lokal unwetterartige Mengen nicht ausgeschlossen.


DAUERREGEN:
Am Sonntag beginnend in den westlichen und nördlichen Mittelgebirgen, danach
auch im süddeutschen Bergland und an den Alpen unterhalb 800 bis 1000 m bis weit
in den Montag hinein und dann unterhalb von 600 m Dauerregen, bis dahin 30 bis
50, in exponierten Staulagen unwetterartige Niederschlagsmengen um 60 mm nicht
auszuschließen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland wie bereits in den Wochen zuvor unter einer
west-nordwestlichen Strömung. Diese beginnt nunmehr verstärkt zu mäandrieren.
Ein darin eingelagerter markanter Trog erreicht heute Abend den äußersten Westen
Deutschlands. Das mit diesem Trog korrespondierende Sturmtief hat sich über der
Norwegischen See etabliert. Dessen Kaltfront liegt entwicklungsgünstig
unmittelbar an der Trogvorderseite, d.h. die Front erfährt einen kräftigen
Hebungsimpuls durch positive Vorticityadvektion. Durch diesen wird der Effekt
der Kaltluftadvektion, die auf den präfrontalen Bereich übergreift, kompensiert.
Die Schichtung ist zwar im Frontbereich stabil, aber die kräftige Scherung
(sowohl niedertroposphärisch als auch hochreichend) verspricht einiges an
Organisation. Der Oberwind im 850 hPa-Niveau erreicht 50 kt, zumindest die Winde
vom 925 hPa-Niveau, die dort bis 45 kt erreichen, können heruntergemischt
werden, so dass mit Frontpassage und vor allem unmittelbar postfrontal,
getriggert durch den danach erfolgenden heftigen Druckanstieg, durchaus Böen bis
Sturmstärke und in höheren Berglagen schwere Sturmböen bis Bft 10 auftreten
können. Am wahrscheinlichsten ist dies im Bereich der ostwärts schwenkenden
"Trogspitze", d.h. in einem Streifen von der Eifel und Rheinland-Pfalz über
Hessen, das südliche Niedersachsen hinweg und in der ersten Nachthälfte bis nach
Sachsen und Brandenburg übergreifend. Danach flaut der Wind rasch ab, an der
Küste und auf exponierten Berggipfeln muss jedoch weiterhin mit stürmischen Böen
gerechnet werden.
Postfrontal fließt maritime Polarluft ein, d.h. richtig kalt wird es nicht.
Oberhalb etwa 600 m kann es ein wenig Schnee geben (meist weniger al 5 cm, an
den Alpen bis Samstagfrüh vielleicht bis 10 cm), in tieferen Lagen ist die
Glättegefahr gering und auf kräftigere (Graupel)-schauer (im Norden wird es ja
vorübergehend labiler) oder überfrorene Nässe beschränkt. Da der Gradient
einigermaßen ausgeprägt bleibt, sollte jedoch zuvor größtenteils eine
Abtrocknung erfolgen.

Samstag ... verabschiedet sich der Trog rasch nach Osten, gefolgt von einem
flachen Rücken (ist zu viel gesagt, ist eher eine antizyklonale Deformation der
Strömung). Aber immerhin reicht es, dass sich, ausgehend vom Hoch mit
Schwerpunkt, nördlich der Azoren, ein Hochkeil in den Süden Deutschlands
schiebt. Dieser bringt eine Stabilisierung mit sich, die im Lee der
Mittelgebirge und vor allem im Süden in Richtung Alpen für Auflockerungen oder
gar sonnige Abschnitte sorgt. Allerdings wird dieser flache Rücken im Norden von
Warmluftadvektion überlaufen, wodurch von Nordwesten her wieder mehrschichtige
Bewölkung aufzieht und zum Abend hin an der Nordsee Regen einsetzt.
Einigermaßen auseinandergezogen wird der Gradient durch den Hochkeil jedoch nur
im Westen und Süden, so dass dort warnrelevante Böen auf exponierte Gipfel
beschränkt sind. Ansonsten, d.h. im Norden, Nordosten und größtenteils auch über
der Mitte, frischt der Wind mit Böen bis Bft 7 erneut auf. An der Küste und im
Bergland sind stürmische, auf exponierten Gipfeln Sturmböen bis Bft 9 (Brocken
darüber) zu erwarten. Mit der Annäherung der Warmfront eines weiteren, in die
Norwegische See ziehenden Tiefs kommen auch an der Nordsee Böen bis Sturmstärke
(über der offenen See schwere Sturmböen) auf.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen in der relativ gut durchmischten Luftmasse
4 bis 9 Grad. Leichter Dauerfrost bleibt wahrscheinlich auf Höhenlagen über 800
m beschränkt.

In der Nacht zum Sonntag gelangt Deutschland in den Bereich eines breiten
Troges, der von dem über der Norwegischen See liegenden Zentraltief ausgeht.
Dieser Trog weist keine eindeutige Achse auf, vielmehr handelt es sich hierbei
um eine sehr zyklonale west-nordwestliche Strömung. In dieser greift eine
Warmfront auf den Nordwesten Deutschlands über, im Nordwesten und Norden bis zu
den westlichen und nördlichen Mittelgebirgen kommt Regen auf. In Nordseenähe und
in den Staulagen können 10 bis 15 mm Niederschlag zusammenkommen. Anfangs fällt
in Lagen oberhalb 600 m Schnee, aber die Schneefallgrenze dürfte rasch bis in
Lagen um 1000 m ansteigen.
Mit dem Übergreifen der Warmfront geht eine erneute Windzunahme einher, so dass
im Norden und in der Mitte sowie im gesamten Westen Wind- und (in freien Lagen)
stürmische Böen aufkommen. Neben der Nordseeküste setzen auch an der Ostseeküste
und generell im Bergland Böen bis Sturmstärke ein, exponiert besteht die Gefahr
schwerer Sturmböen. Relativ windschwach bleibt es dagegen südlich der
Mittelgebirge und vor allem nach Südosten hin, dort sind warnrelevante Böen
(exponiert ebenfalls bis Sturmstärke) auf höhere Berglagen beschränkt. Diese
Gebiete werden zudem von der mehrschichtigen Bewölkung und von den
Niederschlägen noch nicht erfasst. In höheren Berglagen Süddeutschlands sowie
verbreitet im Südosten ist leichter Frost zu erwarten.

Sonntag ... gelangt Deutschland zusehends in den Bereich des sich
intensivierenden Troges. Die vorlaufende Kaltfront greift aufgrund ihrer
annähernd strömungsparallelen Lage schleifend auf den Norden Deutschlands über,
wobei sich an dieser Front die Bildung einer Welle abzeichnet. Diese Welle wird
vom nördlichen NRW über das südliche Niedersachsen und die Lausitz hinweg
ostwärts gesteuert.
Nördlich der Zugbahn dieser Welle wird der Gradient etwas aufgeweicht, so dass
selbst an der Küste nur einzelne warnrelevante Böen zustande kommen. Erst zum
Abend hin, wenn die Kaltfront sich nach Passage der Welle etwas rascher nach
Süden verlagert, kommen an der Nordsee wieder Sturmböen Bft 8/9 auf. Zudem wird
rückseitig dieser Welle, bedingt durch die Annäherung des Troges, die Schichtung
labiler, so dass im Nordwesten und Norden die Niederschläge einen konvektiven
Charakter annehmen. Kurze Gewitter, die in diesen Gebieten mit Böen bis
Sturmstärke einhergehen können, sind daher nicht auszuschließen.
Auf der warmen Seite dieser Welle erfolgt dagegen eine deutliche
Gradientverschärfung. Durch diese sind zunächst in einem breiten Streifen vom
Westen bis in den östlichen Mittelgebirgsraum selbst bis in tiefere Lagen
Sturmböen Bft 8/9 und im höheren Bergland schwere Sturmböen Bft 10 zu erwarten.
Exponiert sind in Gipfellagen auch orkanartige Böen vorstellbar. Bis zum Abend
wird von diesem Starkwindfeld mit den genannten Böen auch der Südosten bis hin
zu den Alpen erfasst, wogegen im Westen dann der Wind abzuflauen beginnt und in
Böen nur noch Bft 7 und im Bergland Bft 8 erreicht wird.
Aufgrund des Schleifens dieser Front sind in deren Bereich länger andauernde
Niederschläge zu erwarten. Relativ großflächig zeichnen sich 10 bis etwa 20, in
Staulagen bis etwa 30 mm innerhalb von 12 Stunden ab, so dass für die
Mittelgebirgslagen (Erzgebirge und Schwarzwald vorerst ausgenommen) eine
Dauerregenwarnung erforderlich wäre. Die Schneefallgrenze liegt (in der
Warmluft) bei 800 bis 1000 m, so dass nennenswerte Neuschneemengen, die zudem
als Nassschnee fallen, erst oberhalb davon zustande kommen. Ein größerer
Neuschneezuwachs ergibt sich somit für den Bayerischen Wald, dort lassen sich in
Hochlagen Signale für unwetterartige Neuschneemengen finden. Wahrscheinlich
bleibt der Alpenrand von diesen Niederschlägen vorerst noch verschont, dort
können auch noch ein paar Auflockerungen zustande kommen.
Gegenüber Samstag ändern sich die Temperaturen nur unwesentlich.

In der Nacht zum Montag weitet sich der Trog über Mitteleuropa nach Süden aus,
wodurch die Kaltfront dann bei zunehmender frontsenkrechter Windkomponente an
die Alpen gedrückt wird. Während im Norden und Osten der Gradient
auseinandergezogen wird und nur an der Küste und im höheren Bergland Wind- und
stürmische Böen (exponiert Bft 9) auftreten, verschiebt sich das Starkwindfeld
in den Westen und Süden, wo bis in tiefe Lagen stürmische Böen auftreten. Im
Bergland und im Alpenvorland zeichnen sich Sturmböen Bft 9 ab, in Gipfellagen
sind schwere Sturmböen (auf exponierten Gipfeln (Hochschwarzwald und Allgäu
orkanartige Böen)) zu erwarten, bevor in der zweiten Nachthälfte, wenn die
Kaltfront die Alpen überquert hat, der Wind abzuflauen beginnt und nur noch
Wind- und stürmische Böen und auf höheren Berggipfeln Sturmböen auftreten.
Die Niederschläge konzentrieren sich dann mehr auf den Süden Deutschlands. In
den Staulagen der süddeutschen Mittelgebirge kommen 15 bis 25, im Schwarzwald
und an den Alpen bis etwa 40 mm Niederschlag zusammen, was dann dort eine
Warnung vor Dauerregen erforderlich werden lässt. Bis Montagfrüh sinkt die
Schneeallgrenze auf Lagen zwischen 800 und 600 m ab, so dass oberhalb davon die
Niederschläge in fester Phase fallen bzw. in diese übergehen. Tendenziell werden
dann die zu erwartenden Niederschlagsmengen geringer, was aus dem geringen
Flüssigwassergehalt der einfließenden maritimen Polarluft resultiert.
Nennenswerte Neuschneemengen (durchaus mit Signalen bis in den markant zu
bewarnenden Bereich hinein) sind auf den Alpenrand und den Bayerischen Wand
beschränkt.

Montag ... schwenkt der Trog über Mitteleuropa hinweg ostwärts und weitet sich
über die Adria hinweg nach Süden aus. Diesem Trog folgt ein breiter Rücken, der,
ausgehend von einem Hoch über der Biskaya, in die Nordsee gerichtet ist.
Bemerkenswert ist eine Tiefentwicklung über der Irminger-See, die die Entstehung
eines Orkantiefs mit einem Kerndruck unter 930 hPa zur Folge hat. Kräftige
Warmluftadvektion an dessen Ostflanke bewirkt eine Ausweitung des Keils nach
Norden und Nordosten.
Gestützt durch diesen Höhenkeil schiebt sich, ausgehend von dem kräftigen
Bodenhoch über der Biskaya, ein Bodenkeil nach Süddeutschland. Dieser Keil hält
als Gegenspieler zu dem über Nordosteuropa liegenden Tiefdruckkomplex den
kräftigen Gradienten zunächst aufrecht. Zumindest im Norden und Osten ist die
Schichtung noch labil, etwas Tagesgang wird bereits wirksam, so dass wiederholt
Schauer zu erwarten sind, auch kurze Graupelgewitter mit Böen bis Sturmstärke
bis weit ins Binnenland hinein sind nicht auszuschließen. Im Bergland oberhalb
von 600 bis 800 m fällt durchweg Schnee. Aufgrund des flüssigwasserarmen
Charakters der Luftmasse kommen oberhalb davon nur wenige, am Alpenrand
vielleicht bis 10 cm Neuschnee zusammen.
Abgesehen davon frischt der Wind erneut auf. Im Norden, Nordosten und in Teilen
der Mitte sind bis gegen Mittag bis in tiefe Lagen stürmische Böen zu erwarten,
an der Küste und im Bergland treten Böen bis Sturmstärke und auf exponierten
Gipfeln vor allem der nördlichen und östlichen Mittelgebirge schwere Sturmböen
auf. Eine merkliche Windabnahme erfolgt bis Mittag lediglich in tieferen Lagen
West- und Südwestdeutschlands. In höheren Lagen muss aber auch dort noch mit
Wind- und stürmischen Böen gerechnet werden.
Bis zum Abend kräftigt sich der Bodenkeil, zudem schwächt sich das Tief über
Nordosteuropa ab, was den Gradienten allmählich auseinanderzieht. Im Nordosten
treten dann im Binnenland noch Windböen, an der Küste Wind und stürmische Böen
und in den Hochlagen der nördlichen und östlichen Mittelgebirge sowie auf
Alpengipfeln noch Sturmböen Bft 8/9 auf. Ansonsten ist der Wind meist nicht mehr
warnrelevant. Mit der dann auch im Norden und Osten einsetzenden Stabilisierung
lässt die Schauertätigkeit tendenziell nach bzw. konzentriert sich dann auf die
Nordseiten der östlichen Mittelgebirge und den Alpenrand.
Im Norden aus der kräftigen Durchmischung resultierend und im Westen und
Südwesten (bedingt durch das Absinken im Bereich des sich auf diese Gebiete
ausweitenden Bodenhochkeils) sind größere Auflockerungen zu erwarten. Ansonsten
dominiert rasch wechselnde bis starke Bewölkung. Gegenüber den Vortagen erfolgt
keine wesentliche Temperaturänderung.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen die oben beschriebene Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann