DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-02-2022 09:01
SXEU31 DWAV 030800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 03.02.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Mittelding zwischen NWz und Wz (Nordwest/West zyklonal)

Heute/Nacht zum Freitag eher langweiliger Warmsektor. Ab Freitagmittag markante
Kaltfrontpassage mit Sturm (kurzzeitig).

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... steht im Zeichen einer Warmfrontpassage, die schon in der Nacht
begonnen hat und in den westlichen Landesteilen bereits abgewickelt ist (Anstieg
der Temperatur auf bis zu 8°C am frühen Morgen. Inzwischen hat die Front die
östlichen Landesteile erreicht, wo sie sich an die Arbeit macht, die nächtliche
Kaltluft zu entfernen. Dass ihr das gelingen wird, steht außer Zweifel, ist doch
die Kaltluftschicht nicht nur dünn, sondern auch nicht besonders ausgeprägt. So
wurde um 05 UTC leichter Frost nur noch im östlichen Mittelgebirgsraum gemessen,
wo es in den Morgenstunden stellenweise etwas Schneefall oder gefrierenden
(Niesel)Regen geben kann. Ansonsten marschiert die Warmfront mit dem zugehörigen
meist leichten Regen oder Nieselregen ostwärts durch, was im Süden schneller
geht als im Nordosten. Am Ende gelangt der gesamte Vorhersageraum in einen breit
aufgespannten Warmsektor, dessen federführendes Tief - wir sprechen von QUEENA -
sich über der Norwegischen See ohne großartige Verlagerungstendenz zu einem
echten "Knaller" mausert. Liegt der Kerndruck heute früh 06 UTC noch bei rund
985 hPa, sind es am Ende des Tages stattliche 955 hPa. 30 hPa in 18 Stunden sind
eine bemerkenswerte Druckfallrate, die den Tatbestand der sogenannten
Bombogenese oder rapiden Zyklogenese erfüllt. Allerdings liegt das Tief zu weit
weg, um bei uns das ganz große Feuerwerk zu zünden. Erst mit Passage der
Kaltfront am morgigen Freitag wird es kurzzeitig mal interessant, doch dazu
später mehr.

Für heute gilt es eigentlich nur noch einen aus warntechnischer Perspektive
ruhigen Donnerstag zu konstatieren. Potenzialtechnisch überquert uns ein flacher
Rücken, der die Frontalzone nach Osten wegdrückt und somit die seit Montag
andauernde Nordstaulage an den Alpen beendet. Ganz im Süden, etwa vom
Südschwarzwald bis hinüber ins Alpenvorland, reißt die Wolkendecke sogar auf,
während sonst die Schotten meist dicht bleiben und nach Durchgang des frontalen
Regenbands hier und da etwas Nieselregen fällt. Die Temperatur steigt auf 5 bis
10°C, im Westen und Südwesten lokal bis 11 oder 12°C.

In der Nacht zum Freitag ändert sich wenig an der Konstellation. Zwar rückt uns
die Kaltfront von QUEENA von Nordwesten her dichter auf die Pelle. Bis zum
Morgen bleibt sie aber noch außen vor, so dass wir die Nacht im vor allem nach
Süden hin leicht antizyklonal konturierten Warmsektor verbringen. Ganz im Süden
lockert die Bewölkung auf und im Bergland sowie zu den Alpen hin ist leichter,
lokal (längeres Aufklaren + Schneedecke) mäßiger Frost zu erwarten. Im großen
Rest des Landes bleibt es bei überwiegend geschlossener Wolkendecke weitgehend
frostfrei. Im Norden und im Mittelgebirgsraum nieselt es mitunter etwas. Mit
Annäherung der Kaltfront lebt der Südwestwind auf der Nordsee allmählich auf,
was den Inseln sowie der schleswig-holsteinischen Küste am Morgen die ersten
steifen Böen 7 Bft bringt. Noch mehr Wind - wen wundert´s - gibt es auf
Deutschlands windigster Erhöhung, dem Brocken. Dort stehen im Laufe der Nacht
die ersten Böen der Stärke 8-9 Bft auf der Karte.

Freitag... wird es wieder interessanter als heute, wenn nämlich etwa am späten
Vormittag die Kaltfront der weiterhin prominent aufgestellten, nur wenig mobilen
QUEENA (um 12 UTC immer noch unter 955 hPa Kerndruck) von der Nordsee her auf
Nordwestdeutschland übergreift. Von dort wird die Front etwa bis Mitternacht
oder kurz danach den Vorhersageraum südostwärts überqueren. Um es vorweg zu
nehmen, die Kaltfront ist ein regelrechtes Prachtexemplar, das den morgigen
Analysten (nicht denen von der Börse, sondern den Wetterkartenzeichnern) echte
Freude bereiten wird: markanter Windsprung von SW auf NW, ausgeprägte
Baroklinität, deutlicher Taupunktrückgang, ausgeprägte frontale Querzirkulation
(siehe prognostizierte Pseudoreflektivitäten), um nur einige Punkte zu nennen.
Dazu kommen ein sehr gut geschertes Umfeld, eine labile Grundschicht (die
allerdings kaum über 900 hPa hinausgeht), ein überlagerter Low-Level-Jet (auf
850 hPa bis zu 50 Kt, auf dem relevanteren 925-hPa-Niveau bis zu 45 Kt) sowie im
Schlepptau ein mehr als solider KW-Trog, unter dessen linken Ausgang die Front
längere Zeit verweilt. Kurzum, die Erwartungshaltung an die Wetterwirksamkeit
der Front kann berechtigterweise als hoch angesehen werden und tatsächlich
dürfte die Passage vielerorts ein zwar nur kurzes, aber durchaus imposantes
Spektakulum darstellen.

Dabei dürfte der Wind gegenüber dem Niederschlag der prägnantere Parameter sein.
Zwar breitet sich ein gut ausgeprägtes frontales Niederschlagsband (Ana-Front =>
der meiste Niederschlag fällt hinter der Bodenfront) bis Samstagmorgen
südostwärts aus und gerade bei Frontdurchgang kann es kurzzeitig auch mal
ordentlich schütten (schauerartige Verstärkung). Dafür spielt die Schneephase
nur eine untergeordnete Rolle, denn mit postfrontalem Einfließen maritimer
Polarluft (Rückgang T850 auf rund -6°C) und krassem Absinken der (theoretischen)
Schneefallgrenze von über 1000 m auf ganz runter erfolgt eine rasche
Abtrocknung. Kurzum, insbesondere im Bergland fällt zwar kurzzeitig noch etwas
Schnee, eine wirkliche Akkumulation ist aber nicht zu erwarten. Daran ändern
auch einige wenige postfrontale Schnee-, Schneeregen oder
Graupelschauer/-gewitter nichts, die ab dem Abend mit Durchgang des KW-Trogs
(Rückgang T500 im Norden auf unter -35°C) auftreten.

Beim Wind sieht es so aus, dass der Südwestwind bereits im Vorfeld der Kaltfront
etwas auflebt mit ersten Böen 7 Bft insbesondere im Nordwesten sowie im Bergland
(inkl. freie Lagen und Leelagen). In exponierten Hochlagen muss mit Böen 8-9
Bft, auf dem Brocken 10 Bft gerechnet werden. Der Höhepunkt der Windentwicklung
geht aber eindeutig mit dem Frontdurchgang einher, wo außer in Teilen
Norddeutschlands vermehrt Böen 8-9 Bft, in höheren Lagen auch 10 Bft auftreten.
Ob es auch bis ganz unten für schwere Sturmböen 10 Bft reicht, ist angesichts
des wahrscheinlich nicht besonders hochreichenden Impulstransports (siehe oben)
fraglich. Fakt ist, dass der nur kurzzeitig auf Nordwest springende, danach auf
West bis Südwest rückdrehende Wind postfrontal zwar wieder nachlässt, insgesamt
aber noch spürbar unterwegs ist. Am windigsten bleibt es an der See sowie im
höheren Bergland (7-8 Bft, Nordsee und exponierte Hochlagen bis 9 Bft) und auch
bei den Schauern/kurzen Gewittern sind noch einzelne Böen 7-8 Bft möglich.

Die Temperatur steigt vor Frontdurchgang (im Osten und Süden präfrontale
Auflockerungen, an den Alpen und im südlichen Vorland sogar längerer
Sonnenschein) auf 5 bis 11°C, bevor am Nachmittag im Nordwesten eine spürbare
Abkühlung erfolgt. In der Nacht zum Samstag geht die Temperatur im Bergland und
gebietsweise im Süden in den leichten Frostbereich zurück, wobei Glättegefahr
entweder durch geringen Neuschnee oder gefrierende Nässe besteht.


Samstag... verbringen wir unter einer flotten west-nordwestlichen Höhenströmung,
in die ein flacher Rücken eingelagert ist. Dieser überquert den Vorhersageraum
am Nachmittag und Abend ostwärts, bevor die Strömung in der Nacht zum Sonntag
wieder zyklonalere Konturen annimmt. Dann greift auch das okkludierende
Frontensystem eines neuen Tiefs bei Island (ROXANA) mit Wind/Sturm, Regen und im
Bergland Schnee auf den Norden und die Mitte über. Bevor es soweit ist, erleben
wir einen frontenlosen Samstag in erwärmter maritimer Polarluft (T850 um -6°C,
nur im äußersten Südwesten etwas milder). Sie strömt ein zwischen dem sich
langsam auffüllenden Tief QUEENA knapp südwestlich der Lofoten und einem über
die Alpen bis zum nördlichen Balkan verlaufenden Azorenhochkeil. Dabei scheint
südlich der Donau für längere Zeit die Sonne, während im großen Rest des Landes
fast schon so etwas wie Aprilwetter herrscht. Einzelne Schnee-, Regen- und
Graupelschauer (Schneefallgrenze bei sehr guter Durchmischung etwa 400 bis 600
m) wechseln mit Auflockerungen ab, wobei die Schauer zum Nachmittag und Abend
von Westen her nachlassen.

Aus warntechnischer Perspektive steht der westliche Wind ganz oben auf der
Agenda. Er frischt vor allem in der Nordosthälfte mit Unterstützung des
Tagesgangs böig auf mit Spitzen 7-8 Bft, vereinzelt 9 Bft. Im Westen und Süden
sind Böen 7 Bft deutlich seltener bzw. im Bereich des Hochkeils überhaupt nicht
vorhanden. Am Abend und eingangs der Nacht zum Sonntag nimmt der Wind im
Binnenland vorübergehend ab, während er an der See vor und mit Passage der
Kaltfront/Okklusion sein Maximum feiert (8-9 Bft, Nordsee exponiert 10 Bft). Die
Temperatur erreicht tagsüber Maxima zwischen 4 und 9°C und in der Nacht zum
Sonntag Minima zwischen 5 und 0°C. Im Bergland sowie bei Aufklaren im Süden
leichter Frost.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Entwicklung sehr ähnlich. Hinsichtlich der KF-Passage
am Freitag und in der Nacht zum Samstag sollte man beim Warnmanagement aufgrund
des räumlich und zeitlich sehr eng begrenzten Ereignisses vornehmlich auf die
deterministischen Prognosen setzen. Sowohl MOS als auch andere probabilistische
Verfahren verschmieren das Windfeld stark (räumlich) bzw. kappen/dämpfen die
Sturmspitzen (also die Böen, nicht die "Stürmer").

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann