DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-01-2022 09:01
SXEU31 DWAV 310800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 31.01.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
NW z

Heute in der Südwesthälfte, morgen im Tagesverlauf auch im Norden teilweise
stürmisch, bei Schauern und Gewittern heute auch in tiefen Lagen schwere
Sturmböen nicht ganz ausgeschlossen. Dazu Berglandwinter mit kräftigen
Schneefällen in Staulagen, an den Alpen bis Donnerstag fast Dauerschneefall mit
exponiert einem Meter Neuschnee (Unwetter). In Lagen oberhalb 600 bis 1000m
teils starke Schneeverwehungen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... liegen wir unter einer zyklonalen nordwestlichen Strömung zwischen
einem Höhenrücken über dem Nordatlantik und niedrigem Geopotential über Nord-
und Osteuropa. Dabei zieht ein Kurzwellentrog unter Intensivierung rasch über
Deutschland nach Südosten, wobei seine Achse abends die Alpen erreicht und
überquert. Das zugehörige Bodentief verlagert sich derweil unter Auffüllung von
Nordwestdeutschland Richtung Erzgebirge und hat zum Abend Deutschland
wahrscheinlich schon wieder nach Böhmen verlassen. Die Ausläufer dieses Tiefs
führen erwärmte Meeresluft polaren Ursprungs nach Mitteleuropa.
An der West- und Südflanke des Tiefs, d.h. über der Südwesthälfte Deutschlands,
verschärft sich der Gradient deutlich und es treten verbreitet stürmische Böen
oder Sturmböen auf. Auf den Bergen sowie im Alpenvorland sind häufiger
Sturmböen, exponiert schwere Sturmböen im Programm. Auf einigen Berggipfeln im
Süden und Südwesten sind orkanartige Böen vorstellbar. Relativ windschwach
bleibt es auf der Zugbahn des Tiefs und nordöstlich davon.

Hebungsprozesse im Zusammenhang mit dem rasch okkludierenden Frontensystem, die
aus Warmluftadvektion wie auch aus positiver Vorticityadvektion resultieren,
führen zu teils kräftigen Niederschlägen, die im Bergland oberhalb 300 bis 600 m
als Schnee fallen. Dabei kommen verbreitet 2 bis 10 cm, in einigen
Nordweststaulagen 10 bis 15, im Bayerischen Wald und im Allgäu bis 20 cm Schnee
innerhalb von 12 Stunden zusammen. Im süddeutschen Bergland und zunehmend auch
an den Alpen besteht dabei oberhalb von 600 bis 1000 m, also in Höhenlagen, in
denen der Schnee ausreichend trocken ist, die Gefahr von unwetterartigen
Schneeverwehungen. Auch nach Passage der Tiefausläufer treten unter dem
folgenden Höhentrog weitere schauerartige Niederschläge auf, im Bergland nach
wie vor meist als Schnee.

An den Alpen halten die Schneefälle staubedingt und durch weitere Tiefausläufer
mit Intensitätsschwankungen bis in die Nacht zum Donnerstag an, wobei die
Schneefallgrenze aber vor allem an den Folgetagen sukzessive ansteigt. Es können
dort oberhalb von 800 bis 1000m 30 bis 70, örtlich um 100 cm Neuschnee fallen.
Die Niederschläge werden von Nordwesten unter dem Trog zunehmend konvektiver und
sind von einzelnen Gewittern begleitet. Bei Oberwinden um 50 kt in 925 hPa sind
auch in tiefen Lagen schwere Sturmböen nicht ganz ausgeschlossen.

Bis zum Abend wird mit der Südostverlagerung dieses Tiefs und dessen Auffüllung
der Gradient bereits wieder etwas auseinandergezogen, so dass der Wind beginnt
wieder nachzulassen.
Die Höchstwerte liegen meist zwischen +2°C im östlichen Mittelgebirgsraum und
+8°C im Nordwesten. Oberhalb von 600 bis 800m herrscht leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Dienstag dreht die Höhenströmung auf der Rückseite des über die
Alpen nach Italien abziehenden Tiefs auf nördliche Richtungen. Vom Bodentief ist
dann schon nicht mehr viel zu sehen und der Druckgradient wird weiter abgebaut,
sodass der Wind nachlässt. Anfangs gibt es im Süden und Südwesten noch Windböen,
exponiert stürmische Böen und im Bergland Sturmböen. Zum Dienstagmorgen
beschränken sich diese auf exponierte Berglagen im Südosten und Süden.

Es kommt derweil in der einströmenden feuchtkalten und leicht labilen Meeresluft
(T850 -5 bis -7°C) zu weiteren schauerartigen Niederschläge, die insgesamt zwar
etwas nachlassen, durch Stau an den Nordrändern der Bergländer und in den Alpen
dennoch weiter kräftig sein können. Die Schneefallgrenze sinkt teilweise bis in
tiefe Lagen.
Während es im Stau der Mittelgebirge meist nur für wenige, in den östlichen
Mittelgebirgen für etwas über 10 cm Neuschnee in 12 Stunden reicht, kommen im
Schwarzwald 10 bis 20 und an den Alpen in Staulagen mehr als 20 cm Neuschnee
zustande. Mit den in Kamm- und Gipfellagen auftretenden stürmischen Böen oder
Sturmböen muss mit weiteren Verwehungen gerechnet werden. In Hochlagen des
Schwarzwaldes und an den Alpen können sie Unwettercharakter annehmen.

Bei Tiefsttemperaturen zwischen +3°C im Nordwesten und -3°C in den
Mittelgebirgen und nach Süden hin besteht häufig Glättegefahr auch durch
gefrierende Nässe. Wovon am ehesten die frostfreien Regionen im Nordwesten sowie
die tieferen Lagen West- und Südwestdeutschlands ausgenommen sind. Zum Morgen
nähert sich dem Nordwesten der nächste Trog gepaart mit einem weiteren
okkludierenden Frontensystem.


Dienstag... wird dieser neuerliche Kurzwellentrog südostwärts gesteuert und
gelangt in die westliche Ostsee. Ein entsprechendes Bodentief kommt bis zur
norwegische Küste und füllt sich dort auf, während im Lee der Gebirge über dem
Skagerrak ein neues Tief entsteht und wie der Trog in die westliche Ostsee
zieht. An dessen Südflanke erfolgt von Nordwesten eine erneute
Gradientverschärfung.

Zunächst sind nur in höheren Berglagen Sturmböen Bft 8/9 zu erwarten. Etwa ab
Mittag muss dann in weiten Teilen Deutschlands mit steifen bis stürmischen Böen
gerechnet werden auch der Norden und später der Nordosten sind dann wieder mit
von der Partie. Auf exponierten Berggipfeln treten teils schwere Sturmböen bis
orkanartige Böen auf und auf bis ganz runter sind in windexponierten Lagen
Sturmböen nicht ausgeschlossen.

Dazu kommen von Nordwesten her wieder verbreitete und zum Teil recht kräftige
Niederschläge (WLA überlagert mit PVA) auf. In den Früh- und Vormittagsstunden
liegt die Schneefallgrenze bei 200 bis 500 m, teilweise schneit es entsprechend
bis ganz runter und die Gefahr von Schneeverwehungen nimmt wieder zu.
Da der Warmsektor des Tiefs aber noch nicht getilgt ist, wird in die Westhälfte
und in den Norden mildere Luft geführt, in der die Schneefallgrenze über die
Gipfellagen der Mittelgebirge hinaus ansteigt. Im Tagesverlauf erfolgt auch in
den zentralen Mittelgebirgen sowie im Schwarzwald ein Anstieg der
Schneefallgrenze auf 800 bis 1000 m während es im Südosten teils noch bis in
tiefe Lagen weiter schneit.
Dabei sind in den Hochlagen der Mittelgebirge Nassschneefälle zu erwarten, die
in den Staulagen um 10, im Schwarzwald und an den Alpen 10 bis 20 cm Neuschnee
bringen und in Verbindung mit der Windsituation zunächst zu Verwehungen, dann
eventuell zu Schneebruch führen können.
Die Temperatur weist eine recht große Spannbreite auf von örtlich +1°C im Süden
und Südosten und +9°C Richtung Benelux.

In der Nacht zum Mittwoch läuft der zunächst über dem Norden Deutschlands
liegende Kurzwellentrog in den nunmehr nach Südosteuropa reichenden
Langwellentrog hinein und regeneriert diesen. Das Bodentief wird nach Ostpolen
gesteuert und beginnt sich aufzufüllen. Da dieser Prozess nur sehr zögernd
vonstattengeht und vom Tief ausgehend ein Trog in die westliche Ostsee reicht,
bleibt der Druckgradient über Deutschland recht groß und es kommt über die Nacht
hinweg zu weiteren Windböen Bft 7 oder stürmische Böen. Exponiert sind mit
Leitplankeneffekt Sturmböen im Süden und über der östlichen Mitte möglich. An
der See und im Bergland sind häufiger (schwere) Sturmböen Bft 9 bis Bft 10 und
auf exponierten Berggipfeln orkanartige Böen bis Orkanböen zu erwarten.

Bis Mittwochfrüh erfolgt dann eine leichte Windabnahme. Im Westen werden keine
warnrelevanten Böen mehr erwartet, zumindest in den Niederungen, ansonsten
bleibt es aber windig bis stürmisch.
Es muss dabei zunächst mit weiteren schauerartigen Niederschlägen gerechnet
werden, die staubedingt ergiebig sein können und die erst im weiteren Verlauf
durch nachlassende WLA abgeschwächt werden. Die Schneefallgrenze pendelt sich
zum Morgen auf 600 bis 800m, im Südwesten auf 1000m ein, was im Südosten einem
Anstieg auf dieses Level, sonst teilweise einem Absinken gleichkommt. Oberhalb
davon können an den Alpen und in den Staulagen der östlichen Mittelgebirge 10
bis 20 cm Neuschnee in 12 Stunden zusammenkommen. Exponiert sind an den Alpen
noch höhere Mengen bis 30 cm nicht ausgeschlossen (Allgäu, Berchtesgaden). In
Lagen unterhalb von 600 m sollte es weitgehend frostfrei bleiben.


Mittwoch... verschiebt sich das großräumige Strömungsmuster langsam etwas nach
Osten und der Höhenrücken über Westeuropa kommt näher, während sich der
osteuropäische Trog entfernt. Wir liegen aber weiter unter der nordwestlichen
Höhenströmung dazwischen, die aber etwas antizyklonaler wird. Das spiegelt sich
am Boden dahingehend wider, dass sich der Keil des Hochs über Südwesteuropa bis
nach Süddeutschland ausdehnt. Knapp westlich von uns schleift aber die Warmfront
einer Frontalwelle, die abends das Seegebiet südlich von Island erreicht. Diese
Front kommt langsam nach Südwestdeutschland voran, so dass in 850 hPa die
Temperatur dort abends bei 0 Grad oder knapp darüber liegt mit der
Schneefallgrenze in den Kammlagen und darüber hinaus.
Durch Stau gibt es vor allem in den Mittelgebirgen nach Osten und Süden weitere
Niederschläge, teils Schauer, teils im Stau länger anhaltend. In den Südwesten
ziehen die Niederschläge der schleifenden Warmfront. Dabei liegt die
Schneefallgrenze zwischen 400 bis 500m nach Osten hin (Erzgebirge, Ostalpenrand)
und knapp über 1000 m im Allgäu.

In Staulagen der östlichen Mittelgebirge fallen dabei 5 bis 10 cm Neuschnee, an
den Alpen teilweise aber wieder erheblich mehr, in ICON und GFS bis 30 cm.
Über der Mitte und dem Norden bleibt es gebietsweise auch trocken mit größeren
Auflockerungen vor allem über Norddeutschland.
Der Wind legt tagesgangbeding vorübergehend wieder zu mit steifen Böen in weiten
Teilen (abgesehen vom Westen und Südwesten). Exponiert sind kurzzeitig auch
stürmische Böen möglich. Im höheren Bergland bleibt es bei Sturmböen bis
schweren Sturmböen. Gute Durchmischung, Wolkenlücken und die etwas mildere Luft
sorgen für Temperaturen von 5°C im östlichen Bergland und etwas über 10°C im
Westen und Südwesten.

In der Nacht zum Donnerstag zieht die Welle südlich von Island nach Osten und
die Warmfront kommt mit leichten Regenfällen über Deutschland nach Nordosten bis
in die Landesmitte voran. Die Schneefallgrenze steigt dabei auf über 1000. In
den Alpen halten in Lagen darüber die kräftigen Schneefälle an. Im Nordosten bei
Auflockerungen und im östlichen Bergland ist leichter Frost möglich, sonst
bleibt es frostfrei und der Wind spielt außer an den Küsten (Bft7) und im
höheren Bergland (Bft 7 bis 9) keine sonderlich prominente Rolle mehr.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren in den Basisfeldern ähnlich. Leichte Abweichungen sind in
Details der Wind- und Niederschlagsentwicklung zu finden. Das Zusammenspiel von
Wind/Sturm mit den kräftigen Niederschlägen und der Schwankenden
Schneefallgrenze ergibt in der gesamten Kurzfrist eine komplexe Warnlage.

Neben den im Text erwähnten Schneeverwehungen besteht die Gefahr von erheblichem
Schneebruch und Leiterseilschwingungen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner