DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

29-01-2022 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 29.01.2022 um 10.30 UTC



Vor allem am Dienstag und Mittwoch "Vollwetter" mit Sturm und Gewittern, im
Bergland mit teils ergiebigen Schneefällen und Verwehungen. Nachfolgend
vorübergehende Wetterberuhigung.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 05.02.2022


Es bleibt auch in der neuesten Ausgabe dieses Bulletins am heutigen Samstag so:
Ein durchgreifender Wintereinbruch bis ins Tiefland ist nicht in Sicht, auch
wenn es temporär mal bis hinunter schneien kann. Vielmehr aber steht eine recht
turbulente Wetterlage der Marke NWz bzw. "Vollwetter" ins Haus, die im
Wochenverlauf in Wz umgewandelt wird und deren Luftmassen über dem Meer erwärmt
bei uns eben nicht ganz kalter Natur sind. Aber selbst für die erweiterte
Mittelfrist sieht es für die "Flachlandtiroler" nicht eben rosig aus, zeigt der
stratosphärische Polarwirbel doch kaum Ambitionen, angedeutete Splits zur
Vollendung zu bringen.

Im Detail startet die Mittelfrist am kommenden Dienstag mit zwei Kontrahenten in
der Höhe: Zum einen ein mächtiger Rücken über dem Nordostatlantik, der sich bis
zu den Britischen Inseln, Frankreich und bis ins westliche Mittelmeer erstreckt.
Zum anderen ein breit angelegter Trog, der von Grönland bis nach West-Russland
reicht und mit einem Höhentief über Süd-Italien verbunden ist. Entsprechend
verläuft auch die Frontalzone vom Seegebiet südlich Grönlands und südlich
Islands bis in die Nordsee, nach Deutschland und über die Alpen bis nach
Nord-Algerien und Nord-Tunesien. Der Trogkomplex beinhaltet einen Randtrog über
dem Nordmeer, der ein Tief vor die südliche norwegische Küste führt, wo es sich
auflöst und durch Leezyklogenese durch ein neues Tief im Skagerrak ersetzt wird.
Dessen okkludierendes Frontensystem überquert mit recht üppigem Gradienten
Deutschland (Sturm) und vertreibt die tags zuvor eingeflossene polare Kaltluft
mit T850 hPa von -5 bis -9 Grad mit einem Schwall milderer Meeresluft mit T850
hPa von -2 bis 2 Grad.

Am Mittwoch zeigt sich die Höhenkonfiguration leicht progressiv, was uns den
Rücken etwas näher bringt und im Westen für einen Druckanstieg sowie eine
Wetterberuhigung sorgt. Im Osten und Südosten überwiegt aber noch der Einfluss
des vom Skagerrak in den Westen Weißrussland ziehenden Tiefs bei nur langsam
nachlassendem Gradienten. Postfrontal fließt mit leichter Rechtsdrehung der
Strömung auf Nord-Nord-West erneut kühlere Polarluft mit T850 hPa von -4 bis -7
Grad ein.

Bis zum Donnerstag wandert der Rücken über Deutschland hinweg nach Osten,
während über Grönland und Island eine neue Austrogung erfolgt. Diese erreicht
bald schon das Nordmeer und stützt ein neues Tief knapp nordöstlich des
Drehzentrums. Die Warmfront des Tiefs gelangt nach Deutschland, womit die T850
hPa neuerlich auf -1 bis 2 Grad steigen. Dieses Mal ist der Gradient nicht so
scharf wie beim ersten Tief, was die Windentwicklung über Deutschland mindert.

Am Freitag werden Boden- und Höhentief vor der Küste Norwegens achsensenkrecht
zueinander (Großwetterlage Wz), was das Bodentief die Entwicklungschancen
einbüßen lässt. Mit einem Kerndruck von 954 hPa ist es allerdings schon ein
kräftiges Exemplar seiner Gattung. Das Frontensystem des Tiefs beschäftigt
Deutschland bis zum Samstag weiter, der Gradient bleibt aber aufgrund der
Entfernung und nur flauer Druckverteilung südlich von uns schwach. Die T850 hPa
sinken mit Durchgang der über der Mitte wellenden Kaltfront nördlich davon
erneut auf bis zu -5 Grad, während es im Süden im Warmsektor noch milder bleibt.


In der erweiterten Mittelfrist geht es mit dem sich regenerierenden und langsam
nach Osten voranschreitenden Trog voraussichtlich mit durchziehenden
Tiefdruckgebieten mit unterschiedlich temperierten Luftmassen in nordwestlicher
Strömung munter weiter. Der Gradient verschärft sich dabei wieder, sodass es
erneut Potenzial für Wind und Sturm gibt.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis zum Donnerstag ist die Konsistenz des heutigen 0 UTC EZMW-Laufs zu seinen
beiden gestrigen Vorläufen sehr hoch. Am Freitag zeigte sich im gestrigen 0
UTC-Lauf dann jedoch ein wesentlich kräftigerer und stärker amplifzierender Trog
westlich von uns, dieser geht nun mit nördlicherer Zugbahn bei geringerer
Amplifizierung durch. Damit wird die Kaltfront des Nordmeertiefs über der Mitte
Deutschlands ausgebremst. Der veränderte Trog hat auch Auswirkungen auf die
erweiterte Mittelfrist, insbesondere auf die räumlichen, zeitlichen und
quantitativen Verteilungen der unter Tiefdruckeinfluss persistent gerechneten
Niederschläge sowie auf die nun deutlich stärkere Windentwicklung. Der gestrige
12 UTC-Lauf ist eine Zwischenlösung, zeigte die heutigen Entwicklungen zum Teil
aber schon auf.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Ähnlich wie bei den Konsistenzbetrachtungen scheiden sich auch beim
Modellvergleich erst am Freitag die Geister. So lassen ICON und GFS die
Kaltfront bis zum Samstagmorgen nach Süden vordringen, was dem gestrigen 0
UTC-Lauf des EZMW entspricht. ICON ist dann schon an seinem Vorhersageende, GFS
regeneriert den Trog danach nicht und bastelt nachfolgend an einer milderen
Großwetterlage Wa. Die GEM-Lösung ähnelt der GFS-Variante ziemlich stark. NAVGEM
wiederum ist bis zu seinem Vorhersageende am Samstagmittag dem EZMW am nächsten.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


RAUCHFAHNEN:
In den T850 hPa Rauchfahnen des EZMW-Ensembles spiegelt sich das Auf und Ab der
Temperaturen für diverse deutsche Städte gut wider. Haupt- und Kontrolllauf sind
dabei bis zum Donnerstag bei geringem Spread gut im Median eingebettet. Das gilt
auch für die Geopot 500 hPa-Rauchfahnen. Wenig verwunderlich nach den
Betrachtungen in den beiden Abschnitten zuvor öffnen sich die Spreads ab
Freitag. Am Freitag selber schlägt sich ein nicht unerheblicher Teil der Member
auf eine kühlere bzw. beim Geopotenzial niedrigere Seite und somit jeweils an
den unteren Rand der Schar. Das könnte mit einer doch weiter nach Süden
vordringenden Kaltfront zusammenhängen. Ab Samstag werden die Streuungen diffus,
einzig ein steigendes Geopotenzial ist wohl Konsens einer Mehrheit der
Mitglieder. Niederschlagssignale sind fast jeden Tag vorhanden mit nur kurzen
Pause im Norden, während weiter nach Süden hin die Pausen zwischen Mittwoch und
Freitag etwas größer sind.

CLUSTER:
Zwischen Donnerstag und Samstag existieren drei Cluster mit NAO positiv in der
Regime-Mehrheit. Der Trog wird jeweils leicht unterschiedlich gezeigt, womit
auch das Nordmeertief eine etwas andere Entwicklung erfahren könnte. In C1 und
C3 bilden sich Ableger über Skandinavien, was den Gradienten bei uns erhöhen
würde und entsprechend wieder Sturm möglich wäre. Beim C2, in dem sich der
deterministische Lauf wiederfindet, gibt es diese Randtiefbildung nicht.
Zwischen Sonntag und Dienstag nächster Woche (erweiterte Mittelfrist) werden
ebenfalls 3 Cluster geliefert. Die Unterschiede sind sehr groß, auf genaue
Details einzugehen lohnt sich derzeit noch nicht. Bei allen dreien setzt sich im
Endeffekt jedoch durch einen zu uns aufwölbenden Rücken hohes Geopotenzial durch
(2 von 3 Cluster auch mit dem Regime "Atlantischer Rücken").

FAZIT:
Das wechselhafte und feuchte Wetter mit einem Auf und Ab der Temperaturen bis
Freitag steht. Dabei steht vor allem am Dienstag und Mittwoch "Vollwetter" mit
Sturm an, während sich am Donnerstag (im Süden zum Teil länger) vorübergehend
eine Beruhigung einstellt. Ab Freitag dominiert wieder der Tiefdruckeinfluss,
wobei eine erneute Sturmlage nicht ausgeschlossen ist, vom EZMW derzeit aber
nicht favorisiert wird. In der erweiterten Mittelfrist, deren Vorhersage sehr
unsicher ist, geht es zunächst ebenfalls zyklonal weiter. Dann hat EZMW abermals
einen Sturm in petto. Nachfolgend soll sich jedoch der Rücken zu uns aufwölben,
was das Wetter neuerlich beruhigen würde.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


WIND/STURM:
Am Dienstag zeigt EFI erhöhte Werte für Sturm über dem Nordosten Deutschlands.
Die Ensembles geben hohe Wahrscheinlichkeiten für stürmische Böen Bft 8 für die
meisten Gebiete in Deutschland her. An der See und im Bergland liegen gute
Wahrscheinlichkeiten für Sturmböen Bft 9 bzw. exponiert für schwere Sturmböen
Bft 10 vor. In Kamm- und Gipfellagen sind orkanartige Böen Bft 11, vereinzelt
auch Orkanböen Bft 12 wahrscheinlich.
Am Mittwoch weist EFI im Nordosten erneut Wind-Signale auf. Die
Wahrscheinlichkeiten sind ähnlich hoch wie am Vortag (an der See zusätzlich
orkanartige Böen nicht ausgeschlossen), im Westen und Südwesten allerdings
erfolgt bereits eine Windabschwächung. Dort bleiben Sturmböen auf die Hochlagen
beschränkt.
Am Freitag und Samstag treten an den Küsten sowie im exponierten Bergland wieder
Signale für stürmische Böen Bft 8 auf.

SCHNEEFALL (UNWETTER):
Am Dienstag sind außer im Südwesten Deutschlands beim EFI Werte bis 0.8 für
überdurchschnittlichen Schneefall mit SOT-Signale in der Südosthälfte zu sehen.
Dabei liegt die Schneefallgrenze tagsüber im Westen und Südwesten bei 700 bis
1000 m, im Osten und Süden bei 500 bis 700 m. Nachts sinkt sie im Nordosten bis
ins Tiefland, im Westen auf 600 bis 800 m. In den Ensembles kristallisieren sich
die Staulagen der südlichen und östlichen Gebirge mit 10 bis 20 cm Neuschnee in
24 Stunden heraus, im Schwarzwald und an den Alpen sind auch mehr als 30 cm
Schnee nicht ausgeschlossen.
Am Mittwoch liefert EFI weitere Hinweise für starken Schneefall an den Alpen.
Die Modelle zeigen dort in Staulagen 10 bis 20 cm Neuschnee in 24 Stunden, am
östlichen Alpenrand erneut bis 30 cm.

SCHNEEVERWEHUNGEN/SCHNEEBRUCH:
Am Dienstag und Mittwoch sind im Bergland (starke) Schneeverwehungen zu
erwarten. Vor allem ab Mittwochnachmittag besteht außerdem an den Alpen bei
ansteigender Schneefallgrenze durch Nassschnee die Gefahr von Schneebruch.

GEWITTER:
Am Dienstag und Mittwoch deutet EFI durch erhöhte Werte beim CAPE und beim CAPE
SHEAR die Möglichkeit für Gewitter an. Dabei sind Sturmböen Bft 9 möglich.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZMW, EZMW-ENS, MOSMIX. Letzteres vor allem ab dem Wochenende, da die
Vorhersagen dann zu sehr streuen.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Simon Trippler