DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-01-2022 08:30
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 29.01.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
NW z.
STURM (im äußersten Norden und im Nordosten UNWETTER):
Im Tagesverlauf auffrischender West- bis Südwestwind. Im Norden und Osten bis in
die mittleren Landesteile reichend stürmische Böen (Bft 8), ganz im Norden
zunehmend Sturmböen (Bft 9). An den Küsten zunehmend schwere Sturmböen (Bft 10),
exponiert zum Abend hin auch orkanartige Böen. In den Kamm- und Gipfellagen der
Mittelgebirge und der Alpen vor allem ab mittags verbreitet Sturm- und schwere
Sturmböen, auf exponierten Gipfeln Orkanböen.
In der Nacht zum Sonntag im Nordosten weitere Windzunahme, dort verbreitet
schwere Sturmböen (Bft 10), von Schleswig-Holstein bis in die Uckermark ab der
zweiten Nachthälfte orkanartige Böen (Bft 11) (UNWETTER), an der See sowie auf
dem Brocken und Fichtelberg Orkanböen (Bft 12). Höhepunkt des Sturms am Sonntag
in den Frühstunden.
Am Sonntag im Nordosten und Osten zunächst sowie an der Nordsee noch Sturmböen
Bft 8/9, an der Ostsee und im östlichen Bergland schwere Sturmböen Bft 10,
exponiert orkanartige Böen. Bis zum Abend abflauend, dann nur noch an der Ostsee
sowie in den Hochlagen der östlichen Mittelgebirge Sturmböen Bft 8/9. In der
Nacht zum Montag vorübergehende Wetterberuhigung.
Am Montag bereits in den Frühstunden wieder auffrischender Wind, im westlichen
und südwestdeutschen Bergland aufkommend Sturmböen Bft 8/9. Im Laufe des Montags
im Westen und Süden dann auch in tieferen Lagen sowie im Alpenvorland Sturmböen
Bft 8/9, dort im höheren Bergland teils schwere Sturmböen Bft 10, auf
Alpengipfeln darüber. Etwa bis zum Abend andauernd. In der Nacht zum Dienstag
dann nur noch in Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge sowie auf Alpengipfeln
Sturmböen Bft 8/9.

SCHNEEFALL / SCHNEEVERWEHUNGEN:
Am Montag aufkommend kräftigere Schneefälle, in Staulagen oberhalb 600 bis 800 m
10 bis über 15 cm Neuschnee innerhalb 12 Stunden, in den östlichen
Mittelgebirgen und im Allgäu um 20 cm Schnee. In den westlichen und süddeutschen
Mittelgebirgen, am Alpenrand sowie später auch in den östlichen Mittelgebirgen
Verwehungen, Unwetter nicht auszuschließen.
In der Nacht zum Dienstag im östlichen Bergland um 10, im Schwarzwald weitere 10
bis 15, an den Alpen bis über 20 cm Neuschnee, anfangs noch mit
Verwehungsgefahr.


Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... hält sich, wie auch in den vergangenen Wochen, über Mitteleuropa eine
zyklonale Nordwestlage. Als Aktionszentren lassen sich das zeitweise nach
Nordosten verschobene Azorenhoch und der über Osteuropa liegende Langwellentrog
ausmachen. Die Frontalzone verläuft von Südgrönland südostwärts, leicht
mäandrierend über West- und Mitteleuropa zum östlichen Mittelmeer hin. Ein darin
eingelagerter und zunächst flacher Kurzwellentrog überquert Schottland. An
dessen Vorderseite liegt entwicklungsgünstig die Welle der Kaltfront eines
Nordmeertiefs. Über dem Skagerrak hat sich bis gegen Mittag aus dieser Welle
bereits ein Randtief gebildet, das sich bei weiterer Verlagerung über
Südschweden hinweg in den Raum Stockholm zu einem ausgewachsenen Sturmtief mit
einem Kerndruck unterhalb von 970 hPa intensiviert. Dessen Warmfront überquert
rasch den Norden und Nordosten Deutschlands, was mit nur geringen Niederschlägen
einhergeht. Diese gehen ab Mittag selbst in höheren Mittelgebirgslagen in Regen
über. Zuvor können vor allem im östlichen Bergland noch einige, im Bayerischen
Wald vielleicht auch bis 10 cm Schnee fallen. In windgeschützten Tallagen ist
bis dahin örtlich die gefrierende Phase nicht ganz auszuschließen. Allerdings
sollte es sich hierbei nur um eine vorübergehende und sehr lokale Erscheinung
handeln.
Wesentlich mehr Augenmerk ist auf die Windentwicklung zu richten. An der
Südflanke des sich entwickelnden Sturmtiefs legt der Gradient zu, bis Mittag
frischt der Wind bereits auf und erreicht, abgesehen von tieferen Lagen
Süddeutschlands, in Böen Bft 7. Im Norden, Nordosten und in Teilen der Mitte
kommen erste stürmische Böen auf, an der Küste und im Bergland erreicht der Wind
in Böen Sturmstärke, exponiert sind auch schwere Sturmböen vorstellbar. Dabei
ist die Schichtung vorerst noch stabil. Mit der weiteren Intensivierung dieses
Tiefs erfolgt eine entsprechende Deformation der mitteltroposphärischen
Strömung, was bei der Kaltfront eine Zunahme der frontsenkrechten Windkomponente
bewirkt. Diese Front erfasst zum Abend hin bei nach wie vor stabiler Schichtung
den Nordwesten Deutschlands. Das geht im Norden mit einer weiteren Windzunahme
einher, bis weit ins nördliche Binnenland hinein mit Sturmböen Bft 9, an der
Küste und in höheren Berglagen mit schweren Sturmböen Bft 10, exponiert ersten
orkanartigen Böen. Die Schichtung ist nur bis etwa 800 hPa hinauf labil, was
durchaus hinreichend ist, dass im Frontbereich der Oberwind, der im 925
hPa-Niveau bis 60 kt erreicht, heruntergemischt wird. Somit können zum Abend hin
auch weiter im Binnenland einzelne orkanartige Böen nicht ausgeschlossen werden.

Bei guter Durchmischung sind Tageshöchsttemperaturen zwischen 6 und 11 Grad zu
erwarten. Nur in windgeschützten Lagen im Bergland sowie in Teilen von
Süddeutschland wird es mit 2 bis 5 Grad nicht so mild.

In der Nacht zum Sonntag wird das Orkantief unter weiterer leichter
Intensivierung (bis ca. 965 hPa) in die Rigaer Bucht gesteuert, wo die
Umwandlung in ein Zentraltief mit senkrechter Achse beginnt. Als Folge zeichnet
sich noch eine leichte Gradientverschärfung ab, so dass sich diagonal über
Deutschland ein Druckunterschied Südwest-Nordost-gerichtet von 30 hPa einstellt.
Die Folge ist eine weitere Windzunahme, so dass an der Küste wie auch auf
exponierten Berggipfeln vermehrt orkanartige Böen und bereits erste Böen bis
Orkanstärke (vor allem an der Ostsee) auftreten. Auch im nordöstlichen
Binnenland sind dann bereits einzelne orkanartige Böen möglich. Abgesehen
vielleicht von einigen höheren Berglagen bleibt es ansonsten frostfrei.

Sonntag... steuert in den Frühstunden die Sturmlage auf ihren Höhepunkt zu.
Neben der weiteren leichten Gradientzunahme kommt ganz im Nordosten auch mehr
Labilität ins Spiel. Zwar reicht diese nach wie vor nur bis 800 oder 850 hPa
hinauf, aber der Oberwind, der im 925 hPa-Niveau 70 kt erreicht, ist als Indiz
für orkanartige Böen bis weit ins nordöstliche Binnenland hinein, d.h. von der
Elbmündung durchaus bis zur Uckermark, zu sehen. An der Küste wie auch auf
Gipfeln der nördlichen und östlichen Mittelgebirge erreicht der Wind in Böen
Orkanstärke. Sturmböen Bft 8/9 sind im gesamten Norden, Osten und auch im
westlichen Bergland zu erwarten. Die Niederschläge gehen zwar rückseitig der
Kaltfront bis in Lagen um 600 m in Schnee über, aufgrund des geringen
Flüssigwassergehalts der Luftmasse zeichnet sich jedoch kein nennenswerter
Neuschneezuwachs ab.
Bis zum Abend verlagert sich das Tief süd-südostwärts ins nördliche Weißrussland
und beginnt sich aufzufüllen. Hierdurch setzt ein allmähliches Aufweichen des
Gradienten ein, was ab Mittag dann eine merkliche Windabnahme ergibt. Bis dahin
sind jedoch im Nordosten und ganz im Osten weiterhin Sturmböen Bft 8/9, an der
Küste und im östlichen Bergland schwere Sturmböen und anfangs noch einzelne
orkanartige Böen zu erwarten. Bis zum Abend schwächt sich der Wind weiter ab, am
Abend muss an der Ostseeküste und im östlichen Bergland noch mit einzelnen
Sturmböen Bft 8/9 und im östlichen Binnenland mit Windböen bis Bft 7 gerechnet
werden.
Aufgrund der guten Durchmischung kommen verbreitet Auflockerungen zustande. Die
Tageshöchsttemperaturen bewegen sich zwischen 5 und 10, im höheren Bergland um 2
Grad.

In der Nacht zum Montag sorgt ein schwacher Zwischenhochkeil für eine
vorübergehende Wetterberuhigung. Bereits in der zweiten Nachthälfte greift ein
weiterer Kurzwellentrog mit Südostkurs auf die Nordsee über, wobei das dort
bereits liegende Tief von diesem Trog überlaufen wird. Daher sollte sich dieses
Tief nicht wie das vorherige Tief zu einer Sturmzyklone intensivieren. Dennoch
bringt dieses Tief, das bis Montagfrüh vor die Emsmündung gesteuert wird, eine
erneute Gradientzunahme mit sich, die dann den Westen und Südwesten Deutschlands
erfasst. In diesen Gebieten kommen in freien Lagen Windböen Bft 7 und im
Bergland Sturmböen Bft 8/9 auf. Im Norden und Osten bleibt es dagegen noch
relativ windschwach.
Mit dem bis dahin okkludierten Frontensystem dieses Tiefs setzen von Nordwesten
und Westen Niederschläge ein, die rasch bis auf die mittleren Landesteile
übergreifen. Anfangs fällt bis in tiefe Lagen Schnee, der jedoch nicht liegen
bleibt. Im Bergland und im Süden und Südosten ist bei leichtem Frost die feste
Phase längere Zeit vorstellbar, allerdings ist di Niederschlagsintensität nur
gering. Etwas Glätte ist dennoch nicht auszuschließen. Nachfolgend pendelt sich
die Schneefallgrenze zwischen 600 und 800 m ein, oberhalb davon können in den
Staulagen der nördlichen und zentralen Mittelgebirge 5 bis 10 cm Schnee
zusammenkommen.


Montag... gelangt Deutschland in den Bereich des von der Nordsee
hereinschwenkenden und sich intensivierenden Troges. Das korrespondierende
Bodentief wird unter Auffüllung über den Erzgebirgsraum hinweg südostwärts
gesteuert und ist bis zum Abend weitgehend verschwunden. An dessen West- und
Südflanke, d.h. über dem Westen und Süden Deutschlands, treten Wind- und
stürmische Böen und im Bergland sowie im Alpenvorland Sturmböen bis Bft 9 auf.
Exponiert sind schwere Sturmböen, auf Alpengipfeln auch orkanartige Böen
vorstellbar. Relativ windschwach bleibt es dagegen im Bereich der Zugbahn dieses
Tiefs, d.h. im Norden, Nordosten und größtenteils auch in der Mitte
Deutschlands, wo abgesehen von exponierten Berggipfeln keine warnrelevanten Böen
auftreten sollten.
Hebungsprozesse, die aus Warmluftadvektion wie auch aus positiver
Vorticityadvektion resultieren, führen im Bergland oberhalb 600 bis 800 m zu
Schneefällen, in Staulagen können 10 bis 15, im Bayerischen Wald und im Allgäu
bis 20 cm Schnee innerhalb von 12 Stunden zusammenkommen. Im süddeutschen
Bergland und zunehmend auch an den Alpen besteht dabei oberhalb von 800 bis 1000
m, also in Höhenlagen, in denen der Schnee hinreichend trocken ist, die Gefahr
von (möglicherweise sogar unwetterartigen) Verwehungen. Im nördlichen und
zentralen Bergland ist hierzu der Wind zu schwach.
Bis zum Abend wird mit der weiteren Ostverlagerung dieses Tiefs und dessen
Auffüllung der Gradient bereits wieder auseinandergezogen, so dass im Westen und
Süden in freien Lagen noch Windböen und in höheren Berglagen Süddeutschlands
sowie an der Nordsee aufkommend Sturmböen Bft 8/9 auftreten können.
Mit Tageshöchsttemperaturen zwischen 3 und 8 Grad wird es nicht mehr so mild wie
bisher. Oberhalb etwa 800 m stellt sich leichter Dauerfrost ein.

In der Nacht zum Dienstag weitet sich der Trog über Italien hinweg nach Süden
aus, was über Deutschland eine nahezu nördliche Strömung zur Folge hat. Das
ergibt eine Stausituation mit Schneefällen vor allem an den Nordseiten der
Mittelgebirge und an den Alpen. Während es im Stau der Mittelgebirge aufgrund
der relativ trockenen Luftmasse nur für wenige, in den östlichen Mittelgebirgen
für etwas über 10 cm innerhalb von 12 Stunden reicht, kommen im Schwarzwald um
15 und an den Alpen mehr als 20 cm Neuschnee zustande. In Kamm- und Gipfellagen
können nach wie vor Wind- und stürmische Böen auftreten, so dass bei einer auf
Höhenlagen zwischen 400 und 600 m absinkenden Schneefallgrenze weiterhin und
zumindest in der ersten Nachthälfte noch mit Verwehungen gerechnet werden muss.

Bei Tiefsttemperaturen zwischen +3 und -3 Grad besteht vermehrt Glättegefahr.
Frostfrei bleibt es wahrscheinlich weitgehend im Nordwesten sowie in tieferen
Lagen West- und Südwestdeutschlands.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten. Auch das aktuelle Sturmtief wird nahezu identisch, was
Kerndruck und Lage betrifft, simuliert. Hinsichtlich der Böen ergeben sich auch
von Seiten der Probabilistik weitgehend ähnliche Ergebnisse. Dasselbe gilt auch
für die am Montag und in der Nacht zum Dienstag zu erwartenden Schneefälle.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann