DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-01-2022 22:01
SXEU31 DWAV 251800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 25.01.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Bröckelnde Hochdruckdominanz: Bis Mittwoch aber noch eher ruhig (lokal Glatteis
in der Nacht), dann Übergang zu NWz mit (gefrierendem) Regen, Schnee und viel
Wind (Sturm bevorzugt an der See und im Bergland).

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... beginnt die fast erdrückende Hochdruckdominanz bei unserem Wetter
leicht zu bröckeln, zunächst aber ohne dabei fundamentalen Schaden zu nehmen.
Das wird sich noch im Laufe der Kurzfrist ändern. Aber eins nach dem anderen.

Der ehemalige antizyklonale Hauptprotagonist, das Höhenhoch über Frankreich,
schwächt sich weiter ab und zieht sich mit seinem Zentrum an die Mittelmeerküste
zurück. Der von ihm ausgehende Rücken über der Südhälfte Deutschlands schwenkt
über die Alpen südostwärts. Zugleich erreicht ein in die über dem Nordatlantik
weit nördlich verlaufende Frontalzone eingegliederter Rücken die Britischen
Inseln. Dazwischen machen sich kleine Störungen die schwächelnde
Hochdruckdominanz zu Nutze: Ein erster kurzwelliger Trog findet sich am Abend
bereits über der Nordhälfte Deutschlands. Dieser zieht über den Norden und Osten
des Landes nach Tschechien und Österreich ab. Ein weiterer folgt in den
Frühstunden von der Nordsee her. Über Deutschland sind die
Geopotenzialgradienten und damit auch die PVA induzierte Hebung noch sehr
schwach ausgeprägt, sodass sich die Hochdruckzone, die von den Azoren bis zum
Balkan reicht, noch erfolgreich zur Wehr setzen kann. Dennoch setzt im Norden
leichter Luftdruckfall ein, was zu einer leichten Gradientverschärfung führt.
Von einzelnen Böen 7 Bft aus West an der Nordsee abgesehen, wird der Wind aber
noch nicht warnwürdig.

Auch sonst geht es mangels Dynamik weiter gemächlich zu, wenngleich die feuchte
Grenzschicht insbesondere im Norden und Osten durch die kurzwelligen Tröge
spürbar gehoben werden sollte. Ausgangs der Nacht ergibt sich dadurch ein nicht
unerhebliches Nordost-Südwest-Gefälle der Inversionshöhe. Im Nordosten reicht
die meist gesättigte Grenzschicht Mittwochfrüh immerhin bis 800 hPa, in der
Mitte bis rund 900 hPa, im Süden und Südwesten handelt es sich de facto im eine
Bodeninversion. Dort dürfte die Nacht somit zumindest im Bergland und im höher
gelegenen Alpenvorland klar verlaufen, während sich sonst Hochnebel und Nebel
wieder ausbreiten. Der Mächtigkeit der Sättigung folgend dürfte die
Niederschlagstätigkeit vor allem im Nordosten und Osten am größten sein, hier
simuliert ICON-D2 stellenweise sogar um 1 mm/12 h Regen. Ansonsten bleibt es bei
örtlich geringfügigem Sprühregen und/oder Schneegriesel, bevorzugt über den
mittleren Landesteilen. Dies kann dort bei leichtem Frost zu Glätte führen. Ob
regional vor Glatteis gewarnt werden muss, ist aufgrund der räumlichen
Begrenztheit und der geringen Mengen fraglich, aber nicht ausgeschlossen.
Ansonsten spielt Glätte kaum eine Rolle (vereinzelt gefrierendes Nebelnässen
bzw. Reifglätte in den klaren Gebieten im Süden und Südwesten).

Da MOS-MIX in den vergangenen Nächten bezüglich der Verbreitung des Frostes
übertrieben hatte und sich nichts Grundlegendes an der Ausgangslage verändert
hat, wurde heute eine defensivere Schiene gefahren. Leichter, im Süden über
Schnee mäßiger Frost soll demnach nur etwa ab der nördlichen
Mittelgebirgsschwelle südwärts auftreten.


Mittwoch ... wird der kurzwellige Trog in der nordnordwestlichen Höhenströmung
über Deutschland hinweggeführt. Der nachfolgende, flache Rücken folgt von der
Nordsee und konturiert die Höhenströmung vorübergehend wieder antizyklonal. Der
Rücken entfaltet aber kaum Wetterwirksamkeit, da von Norden einsetzende WLA die
NVA überkompensiert. Folglich setzt sich der leichte Luftdruckfall vor allem im
Norden weiter fort, während die Südhälfte unter dem Keil des sich neu
ausbildenden Hochschwerpunktes über Frankreich liegt. Der Gradient verschärft
sich dabei, sodass zunächst an der Nordsee, ab dem späten Vormittag dann aber
insbesondere an der Ostsee steife, exponiert stürmische Böen Bft 7-8 auftreten.


Aus der bis 900-800 hPa gestreckten Stratusdecke fällt vor allem im Nordosten
und Osten, stellenweise aber auch bis zur Mitte Sprühregen oder Schneegriesel,
wobei sie die Glättesituation im Tagesverlauf entspannt bzw. sich ins Bergland
zurückzieht. Da die Stratusdecke kaum Lücken aufweist, ist der Hinweis auf
WLA-bedingte, hohe und mittelhohe Wolkenfelder meist nur akademischer Natur.
Allerdings könnte dadurch ein "Seeder-Feeder-Effekt" in Gang kommen, der
vielleicht dafür sorgen könnte, dass häufiger mal die feste als die flüssige
Phase aus dem Stratus fällt.

Im äußersten Süden und Südwesten ist die Inversion oft aufliegend, sodass sich
zwischen Schwarzwald, Alb und südlichem Alpenvorland nach Auflösung von flachem
Nebel ein weiterer sonniger Tag einstellt.

In der windschwachen Südhälfte tritt bevorzugt in den Nebelgebieten gebietsweise
leichter Dauerfrost auf, sonst liegen die Höchstwerte meist zwischen 1 und 5, im
Küstenumfeld um 7 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der Rücken in die Südhälfte Deutschlands.
Die Nordhälfte gelangt auf die Vorderseite eines über die Britischen Inseln zur
Nordsee schwenkenden Troges. Im Vergleich zu den vorangegangenen Störungen
entfaltet dieser durch deutliche schärfere Geopotenzialgradienten ungleich mehr
PVA, sodass sich auch eine nennenswerte Zyklogenese ereignen kann. Das
resultierende Sturmtief zieht nach Südnorwegen und vertieft sich auf unter 995
hPa. Zwischen dem weiterhin wirksamen Keil über dem Süden Deutschlands und
diesem Tief verschärft sich der Gradient über der kompletten Nordhälfte
deutlich, sodass recht verbreitet mit steifen Böen, an der Küste stürmischen
Böen und Sturmböen gerechnet werden muss. Auch in Kammlagen treten Sturmböen, in
Gipfellagen schwere Sturmböen auf.

Mit der Kaltfront die in der zweiten Nachthälfte auf den Norden übergreift,
setzen Niederschläge ein. Da sich im Vorfeld der Front eine (noch) gut
ausgeprägte Warmluftschliere abzeichnet (T850 auf 1 bis 3 Grad ansteigend)
fallen diese als Regen, was bei positiven Temperaturen am Boden unkritisch ist.

Von den klaren Gebieten im Süden abgesehen, dort ziehen nur die WLA-bedingten
hohen Wolkenfelder durch, hält sich ansonsten weiterhin eine dichte
Hochnebelsuppe, aus der es hier und da etwas rieselt und nieselt.

Ausgehend vom zentralen Mittelgebirgsraum nach Süden stellt sich erneut
leichter, im Süden örtlich mäßiger Frost ein, sodass durch geringfügige
Niederschläge, Nebelnässe und Reif stellenweise Glätte möglich ist.



Donnerstag ... zieht der Trog unter leichter Vergrößerung seiner Wellenlänge
nach Deutschland. Damit ist die Umstellung der Großwetterlage auf eine zyklonale
Nordwestlage abgeschlossen. Das korrespondierende Tief zieht zur mittleren
Ostsee und kann sich noch etwas auf knapp unter 990 hPa vertiefen. Die Kaltfront
zieht über die Mitte südwärts und erreicht abends das Alpenvorland. Präfrontal
bleibt der Gradient über dem Norden und der Mitte erhalten, sodass weiterhin
verbreitet steife Böen, im küstennahen Binnenland stürmische Böen und an der See
Sturmböen auftreten. Mit Kaltfrontpassage und der postfrontal einfließenden
labil geschichteten Polarluft (T850 -3 bis -6 Grad, T500 auf unter -30 Grad
sinkend) kommen konvektive Böen ins Spiel, die die "Oberwinde" (925 hPa bis
40-50 kt über der Nordhälfte) eventuell heruntermischen zu vermögen. Dann sind
auch im Binnenland zumindest Sturmböen möglich. Die Kamm- und Gipfellagen sind
natürlich über jeden Zweifel erhaben und warten - je nach Höhenlage - mit Böen
10-12 Bft auf.

Die mit der Kaltfront in Verbindung stehenden Niederschläge sind über der
Norddeutschen Tiefebene aufgrund der weiterhin gut erkennbaren Warmluftschliere
(Schmelzfläche meist hinreichend, nur Richtung Oder-Neiße können anfangs nasse
Flocken nicht ausgeschlossen werden) und den positiven Temperaturen weiter
unkritisch. Auch die postfrontalen Schauer und eventuell kurzen Gewitter (TOPS
immerhin bei rund -15 Grad) dürften tagsüber nicht zu Glätte führen, auch wenn
sicherlich mal das ein oder andere Graupelereignis dabei sein kann.
Spannender wird es, wenn die Niederschläge die Mitte und den Süden erreichen.
Zum einen wird die Warmluftschliere zunehmend "weggehoben", zum anderen laufen
die Niederschläge in Regionen, wo sich zumindest teilweise noch eine kalte
Grundschicht mit Hochnebel hält. Ausgehend von der ehemaligen Absinkinversion
bis zum Boden kann sich somit eine recht mächtige quasi isotherme Schichtung
einstellen, was die Prognose der Niederschlagsphase erschwert. Zumindest über
die Mitte deutet ICON noch eine ausgeprägte "warme Nase" und eine hinreichende
Schmelzschicht an, sodass die Regenphase eher überwiegen sollte. Bevorzugt in
geschützten Tallagen und im Luv der Mittelgebirge ist dabei Glatteis durch
gefrierenden Regen möglich. Eine überregionale Unwetterlage scheint aufgrund des
suboptimalen Timings aber nicht wahrscheinlich. Auch deshalb, weil sich die
Schichtung mit Kaltfrontpassage und Durchmischung rasch normalisiert und sich
eine Schneefallgrenze bei rund 600 m einpendelt.
Mit jedem km nach Süden wird die warme Nase kleiner und die Schneephase gewinnt
an Bedeutung. Am Abend könnte es dann in Teilen Süddeutschlands bis in tiefe
Lagen schneien und für Glätte sorgen. Nennenswerte Neuschneemengen um 5 cm sind
aber zunächst den höheren Mittelgebirgslagen vorbehalten.

Vom zyklonalen Geschehen unberührt bleibt der unmittelbare Alpenrand, hier ist
es nochmal länger sonnig und bis zum Abend trocken.

Mit Sonne werden am Alpenrand bis 8 Grad erreicht, ansonsten reicht es in der
Südhälfte nur für 0 bis 5 Grad. In der Nordhälfte steigt das Quecksilber auf
milde 5 bis 9 Grad.

In der Nacht zum Freitag folgt dem nach Osten abziehenden Trog ein flacher
Höhenrücken über der Nordsee mit dem sich die westeuropäische Hochdruckzone
wieder etwas kräftigt und sich in die Südwesthälfte Deutschlands ausdehnt. Die
Nordosthälfte liegt am Rande des zum Baltikum ziehenden Tiefs dagegen noch in
einer strammen nordwestlichen Strömung. Rein aus dem Luftdruckgradienten heraus
muss dort weiter mit steifen Böen, in Konvektion sowie an der See und im höheren
Bergland mit stürmischen Böen oder Sturmböen gerechnet werden.
Die Front legt sich an die Alpen, wo die Niederschläge durch orographisch
erzwungene Hebung etwas an Intensität gewinnen. In Staulagen sind teils um 10 cm
in 12 Stunden möglich.
Ansonsten bringen die frontalen und nachfolgenden konvektiven Niederschläge
oberhalb von 300 bis 500 m, im Süden bis in tiefe Lagen Neuschneemengen von 1
bis 5 cm, in Staulagen der süddeutschen Mittelgebirge auch etwas mehr. Sonst ist
es zumeist Regen, Schneeregen oder Graupel.

In der gut durchmischten Polarluft zieht sich der leichte Frost ins Bergland und
höher gelegene Flachland Süddeutschlands zurück.


Freitag ... greift der Rücken von der Nordsee auf Deutschland über, sodass sich
eine antizyklonal konturierte nordnordwestliche Höhenströmung einstellt. Der vom
Hoch über Westeuropa nach Süddeutschland gerichtete Keil kann sich dadurch
weiter kräftigen. Zwischen dem Keil und dem nach Westrussland abziehenden Tief
fächert der Gradient auch über der Nordosthälfte auf, sodass der Wind schon im
Laufe der ersten Tageshälfte deutlich nachlässt und auf West rückdreht.

Mit der einhergehenden Stabilisierung zieht sich die Schauertätigkeit im
Tagesverlauf nach Südosten zurück. In den südlichen und östlichen Mittelgebirgen
kommen nochmal um 5 cm, an den Alpen um 10 cm zusammen.
Zwar leidet die Durchmischung unter der sich verstärkenden Hochdruckzone schon
wieder, dennoch sollte es etwas häufiger als zuletzt für ein paar Auflockerungen
reichen.

Vorderseitig eines neuen, hochreichenden Sturmtiefs bei Island greift kräftige
WLA weit südostwärts aus und erfasst in der zweiten Tageshälfte schon wieder
Deutschland. Folglich ziehen von Nordwesten dichtere Wolkenfelder auf. Zwar
bleibt es bis zum Abend noch trocken, es lässt sich aber schon erahnen, dass der
antizyklonale Einfluss nur eine Eintagsfliege war. Die Mittelfrist verspricht
eine Fortdauer der zyklonalen Nordwestlage mit der ein oder anderen spannenden
und komplexen Warnlage.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren im Hinblick auf die synoptischen Basisfelder sehr
ähnlich. In den daraus abgeleiteten Prognosen für Bewölkung, Niederschlag und
Temperatur ergeben sich zumindest im Detail Unterschiede. Folglich bleibt auch
das Warnmanagement bezüglich etwaigen gefrierenden Sprühregens in der kommenden
Nacht Nowcast. Zumindest wurde für die betroffenen Regionen schon mal eine gelbe
Glättewarnung herausgegeben, um ein Zeichen zu setzen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser