DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

23-01-2022 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 23.01.2022 um 10.30 UTC



Insgesamt wechselhaft. Im Bergland vielfach winterlich, in tieferen Lagen meist
mild. Vor allem im Norden zeitweise stürmisch.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 30.01.2022


Am Mittwoch ist das Wettergeschehen durch eine antizyklonale Nordwestströmung
geprägt. Aktionszentren sind das leicht nach Norden verschobene Azorenhoch und
der über Osteuropa liegende Langwellentrog. Die Frontalzone verläuft von
Neufundland relativ glatt bis Schottland und mit leichten Mäandrierungen bis ins
östliche Mittelmeer. Geringe Niederschläge (die im östlichen Bergland oberhalb
600 m als Schnee fallen) zeichnen sich nur im Norden und Osten Deutschlands ab.
An der Küste und auf exponierten Berggipfeln (Harz, Erzgebirge) treten Sturmböen
auf.
Bereits in der Nacht zum Donnerstag läuft in der Frontalzone ein an sich wenig
markanter Trog nach Südosten ab. Eine entwicklungsgünstig liegende Welle
entwickelt sich zu einem kräftigen Randtief, das nach Südschweden gesteuert
wird. An dessen Südflanke verschärft sich der Gradient, so dass nahezu
flächendeckend (abgesehen vielleicht vom Südwesten und äußersten Süden) Wind-
und stürmische Böen aufkommen können. An der See wie auch im Bergland muss dann
mit schweren Sturmböen gerechnet werden. Mit dem Frontensystem dieses Randtiefs
greifen Niederschläge über die Mittelgebirge hinweg südwärts aus, wobei die
Schneefallgrenze vorübergehend auf 800 bis 1000 m ansteigt. Am Donnerstag
verlagert sich dieses Randtief nach Nordostpolen. Die Niederschläge erfassen
auch die alpennahen Gebiete und die Schneefallgrenze beginnt auf 800 bis 600 m
abzusinken. In Hochlagen besteht dabei die Gefahr von Verwehungen. Der Gradient
wird erst zum Abend hin ein wenig schwächer, so dass weiterhin verbreitet Wind-
und stürmische Böen und im höheren Bergland sowie an der Küste teils schwere
Sturmböen auftreten.
In der Nacht zum Freitag läuft der o.g. Trog in den über Osteuropa liegenden
Langwellentrog hinein, wodurch letzterer regeneriert wird. Dies lässt die
nordwestliche Strömung etwas aufsteilen, so dass an den Alpen wie auch an den
Nordseiten der östlichen Mittelgebirge die Niederschläge staubedingt längere
Zeit, d.h. bis weit in die Nacht zum Samstag hinein, andauern. Die
Schneefallgrenze liegt bei 400 bis 600 m, in einigen Hochlagen sind Verwehungen
zu erwarten. In den Kamm- und Gipfellagen der nördlichen und östlichen
Mittelgebirge und anfangs auch an der See muss nach wie vor mit Böen bis
Sturmstärke gerechnet werden. Erst in der Nacht zum Samstag weitet sich,
gestützt durch einen auf die Nordsee übergreifenden Höhenrücken, ein
Bodenhochkeil mit seiner Achse nach Süddeutschland aus, so dass sich eine
schwachgradientige Lage einstellt. Schneeverwehungen sollten dann nicht mehr
auftreten.
Am Samstag läuft ein weiterer Trog in der Frontalzone nach Südosten ab. Das
korrespondierende Tief entwickelt sich zu einem Sturmtief und gelangt in die
Norwegische See. Zwar legt an dessen Südflanke der Gradient erneut zu, aber für
Sturmböen reicht es dann lediglich an der See sowie in exponierten Berglagen.
Mit dem Frontensystem dieses Tiefs setzen erneut Niederschläge ein, die bis in
Lagen zwischen 800 und 1000, in den südwestdeutschen Mittelgebirgen sowie an den
Alpen bis über 1200 m hinauf, in Regen übergehen. Mit dem Vordringen der
Kaltfront über die Mittelgebirge hinweg südwärts erfolgt am Sonntag bereits
wieder ein Absinken der Schneefallgrenze auf 800 bis 600 m. an der Küste wie
auch in exponierten Lagen der nördlichen und östlichen Mittelgebirge besteht
nach wie vor die Gefahr von Sturmböen und auch Schneeverwehungen.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum setzt ein in der Frontalzone
eingelagerter Trog weiter südlich an und stößt über die Bretagne hinweg ins
westliche Mittelmeer vor. Die Folge sind vermehrt Niederschläge im Westen und
Südwesten, die bei einer annähernd auf Nord drehenden Strömung bis in Lagen um
400 m in Schnee übergehen. Für den Alpenrand ergibt sich dann wieder eine
Staulage mit bis in den Dienstag hinein andauernden Schneefällen. Ansonsten
dürfte sich im Bereich eines sich von Westen ausweitenden Bodenhochkeils eine
Wetterberuhigung einstellen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis einschließlich Freitag ist der aktuelle Lauf im vergleich zu den beiden
gestrigen Modellrechnungen weitgehend konsistent. Erste markante Unterschiede
werden am Samstag sichtbar. Der breite Trog, der vom gestrigen 00 UTC-lauf noch
prognostiziert wurde, ist bei der aktuellen Simulation nicht mehr so ausgeprägt.
Das mit dem Trog korrespondierende Sturmtief wird annähernd 1000 km weiter
nördlich erwartet, wodurch der Gradient signifikant schwächer gerechnet wird.
Lag die Druckdifferenz nach dem gestrigen 00 UTC-Lauf zwischen dem äußersten
Norden und Südwesten Deutschlands noch bei 33 hPa, sind dies nach der heutigen
Modellrechnung weniger als 20 hPa. Umgekehrt verhält es sich jedoch mit dem am
Sonntag relativ weit südlich ansetzendem Trog. Diesen hatten die beiden
gestrigen Modellläufe noch nicht im Programm. Demzufolge stößt auch nach der
aktuellsten Modellrechnung, bedingt durch die steilste Strömung, zu Wochenbeginn
die Kaltluft am weitesten nach Süden vor. Die beiden Simulationen des Vortages
beließen es bei einer nordwestlichen Strömung.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Lediglich am Mittwoch sind die Modellunterschiede gering. Bereits am Donnerstag
belassen GFS, ICON und auch das Modell des kanadischen Wetterdienstes (CMC) das
Tief, das nach EZMW über Südschweden hinweg südostwärts ziehen soll, über dem
Oslofjord, d.h. rund 700 km weiter nördlich. Da die anderen Modelle eine
kräftigere Entwicklung simulieren, sind die Unterschiede bzgl. des Gradienten
nur gering.
Am Samstag geht ICON von einer relativ raschen Milderung aus. Die beiden
amerikanischen Modelle konservieren noch die Kaltluft über dem Osten und Süden
Deutschlands, EZMW stellt eine Zwischenlösung dar. Am Sonntag ergeben sich dann
wieder weitgehend ähnliche Lösungen, wobei ICON am zyklonalsten geprägt ist und
auch mit Abstand den kräftigsten Gradienten simuliert.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum stützen dann GFS wie auch CMC
die oben beschriebene Version.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Das EPS des GFS stützt weitgehend die Version des hauseigenen deterministischen
Laufes, wenngleich die Strömung nicht so sehr aufsteilt wie bei der ungestörten
Version. Bemerkenswert ist der geringe Spread, der erst ab dem kommenden
Wochenende signifikant zunimmt. Generell dürfte sich ein eher wechselhafter
Wettercharakter einstellen, wovon ab Wochenmitte auch der Westen und Südwesten
Deutschlands betroffen ist. Der Trend im erweiterten mittelfristigen
Vorhersagezeitraum weist eindeutig in Richtung einer Geopotential- und
Temperaturabnahme, wenngleich ein ausgeprägter Wintereinbruch nicht in Sicht
ist.
Das EPS des EZMW belässt es ebenfalls bei einer Nordwestlage und steilt die
Strömung weniger auf als der deterministische Lauf. Betrachtet man hierzu das
Clustering, wird der Hauptlauf nur von einem knappen Drittel der Member
gestützt, die in den beiden am wenigsten besetzten Clustern zu finden sind. Die
Mehrzahl der Lösungen setzt nach wie vor auf eine Nordwestlage. Demnach wäre
nicht auszuschließen, dass die sich im erweiterten mittelfristigen
Vorhersagezeitraum abzeichnende Abkühlung bei den Folgeläufen bereits wieder
herausgerechnet oder zumindest abgeschwächt wird. Das Clustering anhand der
Großwetterlagen zeigt auch keine Member mit einer eindeutigen Nordlage. Wie beim
EPS des GFS ist auch beim EPS des EZMW der Spread relativ gering. Bis etwa
Sonntag sind die beiden ungestörten Member im Bereich des Medians zu finden, um
sich im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum mehr auf die kalte Seite
der Verteilung der Einzellösungen zu begeben. Dieses Verhalten war bei weiter
zurückliegenden Modellläufen noch nicht so ausgeprägt. Als Fazit lässt sich
feststellen, dass eine flächendeckende Einwinterung nicht in Sicht ist und sich
winterliche Verhältnisse weitgehend auf das Bergland beschränken.
Wenngleich vom deterministischen Lauf Die Signale für eine Sturmlage nicht mehr
so ausgeprägt sind, so ist die Gefahr für eine derartige Entwicklung noch nicht
gebannt. Für Donnerstag und ab Sonntag sind wiederholt Einzellösungen (weniger
als 5 Member) zu finden, die auf eine Sturmzyklogenese hindeuten.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


In der Nacht auf Mittwoch ist in höheren Lagen des östlichen Berglands
gefrierender Sprühregen nicht ausgeschlossen.
Am Mittwoch an der Küste sowie auf exponierten Berggipfeln der nördlichen und
östlichen Mittelgebirge treten mit geringer Wahrscheinlichkeit einzelne
Sturmböen auf.
Am Donnerstag besteht an der Küste sowie in höheren Berglagen der nördlichen und
östlichen Mittelgebirge die Gefahr schwerer Sturmböen. Bis weit ins nördliche
und nordöstliche Binnenland hinein sowie in den Leegebieten der Mittelgebirge
sind stürmische Böen nicht ausgeschlossen.
Ansonsten fällt in höheren Berglagen Schnee, vor allem in der Nacht zum Freitag
fallen an den Nordwestseiten der Gebirge 10 bis 20 cm Neuschnee, in freien Lagen
besteht die Gefahr von Verwehungen.
Am Freitag muss an der Küste sowie in Kamm- und Gipfellagen der nördlichen und
östlichen Mittelgebirge erneut mit Sturmböen gerechnet werden. Außerdem gibt es
an den Nordwest- und Nordseiten der Gebirge bis wahrscheinlich weit in den
Samstag hinein andauernde Schneefälle. In den nördlichen und östlichen
Mittelgebirgen sowie im Schwarzwald sind 20 bis 30 cm, an den Alpen 30 bis über
50 cm Neuschnee zu erwarten. Am Freitag sind dabei Verwehungen möglich.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EPS(EZMW), anfangs MOS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Thomas Schumann