DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-01-2022 09:01
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 22.01.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Nordwest zyklonal (NWz), ab Sonntag Übergang zu Hoch Mitteleuropa (HM)
An den Alpen noch kräftige Schneefälle (teils Unwetter), zum Sonntag
nachlassend. Im höheren Bergland und im äußersten Osten kommende Nacht örtlich
Glatteis. Bei zunehmendem Hochdruckeinfluss jedoch vielfach mild und trüb.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Samstag... sind die uns wohl bekannten Protagonisten der vergangenen Tagen noch
omnipräsent in Form einer hochreichenden Antizyklone über den Britischen Inseln
sowie einem Zentraltief über Belarus und der Ukraine, dessen Trog weit südwärts
bis zur Ägäis reicht. Wir liegen somit noch immer in einer nördlichen
Höhenströmung. Diese kippt am Nordrand des Bodenhochkeils, der mit 1035 hPa zum
Allgäu gerichtet ist, im Grenzschichtniveau auf Nordwest, bodennah in der
Südhälfte teils aus West. Mit der stärksten Rechtdrehung mit der Höhe ist somit
vor allem am Alpenrand noch die stärkste Warmluftadvektion zu finden, die zwar
auch im Rest des Landes noch anhält, aber nur leichter Natur ist.

Nahezu strömungsparallel eingebettet in die Strömung ist nun eine
Warmfrontwelle, deren Scheitel sich allerdings im Bereich des Böhmischen Beckens
kaum noch identifizieren lässt. Sie trennt milde Atlantikluft mPs im Nordwesten
(Taupunkte in Niedersachsen und NRW um 5 Grad, T850 um 0 Grad), von mäßig kalter
Polarluft xP im äußersten Osten und Süden (Taupunkte knapp negativ, T850 um -5
Grad). Nach deren Abzug hat sich die Kaltluft in Vorpommern sogar nochmal ein
Stück weit westwärts ausdehnen können, was nach Abzug der Niederschläge und
Auflockerungen nochmal leichten Frost zur Folge hatte.

Die Welle wird sich zwar im Tagesverlauf irgendwo über dem Balkan verlieren, so
dass die Niederschläge von Norden nachlassen - ohne jedoch gänzlich abzuklingen.
So fällt in weiten Landesteilen durch das schwache, wenngleich kontinuierliche
Aufgleiten aus Nordwesten zeitweise etwas Regen oder Sprühregen. Die
Schneefallgrenze liegt aktuell im Westen bereits in den Kammalgen der
Mittelgebirge bei 700 bis 800 Meter, im Erzgebirge bei rund 600 Meter, südlich
der Donau schneit es noch bis "ganz runter". Die 12h Neuschneemengen liegen bei
1 bis 5, im Bergland häufig bei 5 bis 10, im Westerzgebirge sowie im
Berchtesgadener Land bei 10 bis lokal 20 cm.

WLA-, aber auch zu einem hohen Anteil staubedingt, schneit es nun im Bayerischen
Wald und insbesondere am Alpenrand munter weiter. Während unter 600 Meter Bis
zum Abend kommen dabei weitere 5 bis 10, am östlichen Alpenrand etwa 20
Zentimeter Neuschnee zusammen. In Staulagen des Berchtesgadener Landes liegt bei
30 Zentimeter binnen 12 Stunden die Obergrenze. Insofern haben die aktuell
laufenden Unwetterwarnungen weiterhin ihre Berechtigung.

Schneeverwehungen sind noch Abzug der Welle sowohl durch die Windabnahme, als
auch durch den zunehmend nassen Schnee kein großes Thema mehr. Immerhin treten
vor allem bis zum Mittag von Niederbayern bis ins südliche Alpenvorland hier und
da noch einzelne steife Böen (Bft 7) auf. Dass auch die östlichen Mittelgebirge
- insbesondere die Kammlagen - noch mit Sturmböen dabei sind, ist kaum der Rede
wert - zumal die Tendenz im tagesverlauf weiter abnehmend ist.

Am freundlichsten verläuft der Tag von Rügen bis in die Niederlausitz, wo im
postfrontalen Bereich in trockenerer Luft auch zeitweise die Sonne scheint.
Dort, sowie im Dauerniederschlag im Süden liegen die Höchstwerte auch nur
zwischen 0 und 3 Grad. Im großen Rest des Landes ist es mit 4 bis 8 Grad wie so
oft vergleichsweise mild und unwinterlich.


In der Nacht zum Sonntag weitet sich in 500 hPa der Keil des UK-Hochs über
Skandinavien bis zum Weißen Meer aus. Gleichzeitig verlagert sich der
Schwerpunkt des Höhentiefs zur Ukraine und zum Bosporus. Im Endeffekt kippt
dadurch die Höhenströmung leicht auf Nordost und ein über dem Norwegischen
Gebirge ausgelöster Randtrog wird in einem weiten Bogen über Südschwenden bis
zum Morgen Richtung Alpen gesteuert und hält somit neben der Staukomponente die
Niederschlagstätigkeit aufrecht. So kommen vom Bayerischen Wald bis zu den Alpen
nochmal 1 bis 5, am östlichen Alpenrand 5 bis 15 Zentimeter Neuschnee obendrauf.
Und das obwohl das Druckniveau am Boden für eine Schneefallunwetterlage mit über
1030 hPa weiterhin recht hoch ist. Die Divergenzachse des Hochs reicht am Boden
von England über Belgien bis nach Süddeutschland, womit weite Landesteile mit
einer schwachen Strömung aus West bis Nordwest im Zustrom der feucht-milden
Meeresluft bleiben.

Mit den allgemein schwächer werdenden Niederschlägen findet auch eine
Abtrocknung in der mittleren Troposphäre statt, so dass die Niederschläge meist
aus einem Niveau fallen, dass -10 Grad nicht mehr unterschreitet. Damit ist
gerade oberhalb von 600 Metern im Allgäu, auf der Schwäbischen Alb, im Fichtel-
und Erzgebirge stellenweise gefrierender Regen oder Sprühregen nicht
unwahrscheinlich. Auch wenn die Mengen durchaus wenige Millimeter betragen
können, sind für eine unwetterträchtige Situation die Lagen insgesamt wohl zu
exponiert.

Ein gewisses Restrisiko besteht auch im äußersten Osten Richtung Oder, Neiße und
Oberlausitz. Dort starten wir zunächst aufgelockert in die Nacht, weshalb es
neben Hochlagen und Alpentäler die letzten "(Nacht-)Frostbastionen" sein werden.
Der Wind dreht vor Erreichen der leichten Regenfälle sogar nochmal etwas rück
auf Süd. Daher muss man auch dort ein Auge auf mögliche (vorübergehende)
Glatteisbildung haben. Die Frage wird sein, wie schnell es vorher zuzieht und ob
überhaupt nennenswerte Niederschläge den äußersten Osten erreichen. SuperHD und
ICON-D2 liefern immerhin schwache Signale für Eisansätze vom Märkischen Oderland
bis in den Raum Cottbus sowie Richtung Zittauer Gebirge (wenngleich dort von
einer "klassischen" Lage mit Kaltluftzufuhr aus dem Böhmischen Becken keine Rede
sein kann). Mit und nach Frontdurchgang kann es in den Frühstunden im
Grenzbereich zu Polen und Tschechien teils dichten Mischungsnebel geben.

Sonst verläuft die Nacht unspektakulär und oft trüb. Im Bereich der
Divergenzachse ist die Nebelneigung (teils auch im Bergland durch aufliegende
Wolken) im windschwachen Umfeld am größten. In der Luftmasse reichen selbst
kurze Auflockerungen locker aus. Mit 6 bis 1 Grad kühlt es kaum ab.

Sonntag... kippt die Achse des Hochs ein Stück ostwärts und reicht nun von der
südwestlichen Nordsee zur zentralen Ostsee. Mit einer strammen südwestlichen
Strömung wird dabei quasi komplett Skandinavien mit milder Atlantikluft
geflutet, wohingegen in Griechenland und in Teilen der Türkei teils bis in tiefe
Lagen Schnee fällt. Im Bereich des Hochs macht sich hierzulande dagegen eher
wieder die große Langeweile breit. An der Ostflanke des Hochs ist vor allem über
der Osthälfte Deutschlands noch schwache WLA aktiv, die neben kompakter
Bewölkung gebietsweise auch zu leichtem Sprühregen führt. Nennenswerte Mengen
kommen aber nicht zusammen - allenfalls wenige Millimeter am Nordrand des
Erzgebirges - wo es in den Kammlagen noch immer gefrierend sein kann. So lassen
letztlich auch die Schneefälle im Berchtesgadener Land nach. Diese können
ebenfalls (unschön) mit etwas Sprühregen ausklingen. Immerhin halten sich unter
dem Hoch über Süddeutschland "Reste" der Kaltluft mit T850 hPa bis -5 Grad, was
den Schnee oberhalb 800 bis 1000m ganz gut konservieren sollte.

Unterhalb der Absinkinversion bei rund 800 hPa hält sich vielfach kompakte
Stratocumulusbewölkung, die allenfalls am Südrand des Hochs vom Raum Aachen über
Rheinland-Pfalz und Südhessen bis nach BaWü und Mittelfranken mal ein paar
Lücken bekommt. Die Maxima liegen meist zwischen 5 und 8 Grad, im Süden und im
höheren Bergland bei 2 bis 6 Grad.

In der Nacht zum Montag nimmt das Bodenhoch über Deutschland Kontakt zum Hoch
unweit des Urals auf und bildet eine Brücke aus, die von tiefem Luftdruck über
dem Nordmeer und dem Kaukasus flankiert wird. Für unser Wettergeschehen bedeutet
das die üblichen Grenzschichtproblematiken, wobei sich an Bedeckungsgrad und
Untergrenzen tendenziell im Norden und Osten ((Nordflanke des Hochs) wenig tut.
Dort bleibt die Wolkendecke kompakt und zeitweise kann es etwas nieseln bei 5
bis 1 Grad.

Im Süden und Westen hingegen gehen wir gebietsweise aufgelockert in die Nacht,
bevor sich vermehrt Nebel und Hochnebel ausbreiten. Je nach Timing kann es
vorher temperaturtechnisch knapp in den leichten Frostbereich zurückgehen,
weshalb örtlich Reifglätte oder vereinzelte gefrierende Nebelnässe nicht
auszuschließen ist. Durch die fortwährende Alterung der Luftmasse zeichnet sich
aber keine gravierende Glättelage ab. Sollte es über Schnee in den Alpentälern
Aufklaren sind wir schnell im mäßigen, teils auch angekratzt strengen
Frostbereich angelangt.

Montag... etabliert sich das Höhenhoch weiter im Bereich der Rheinmündung, ihm
geht aber mangels Nachschub zunehmend die Warmluft in der Höhe aus, weshalb es
ein wenig zu schwächeln beginnt. Bodennah setzt hinter dem Kaltluftausbruch über
dem Balkan rascher Druckanstieg ein, was das Gesamtgebilde der Hochdruckbrücke
Russland-Balkan-UK zwar stärkt, an der Nordflanke aber störanfällig gestaltet.
So nähert sich im Tagesverlauf in Küstennähe ein zunehmend okkludierender
Ausläufer an, der aufgrund der ohnehin vorhandenen kompakten Bewölkung
voraussichtlich gar nicht sonderlich in Erscheinung tritt. Vor präfrontales
kompensatorisches Absinken mit der Chance auf Auflockerungen kommt er im
antizyklonalen Umfeld bei nur geringer Vertikalbewegung im Frontbereich kaum in
Frage. Als unmittelbare Folge nimmt wohl lediglich der Westwind etwas zu, der an
der Nordfriesischen Küste in Böen bis Stärke 6 Bft erreicht.

Die Divergenzachse kommt minimal nordwärts voran, was die Chancen auf sonnige
Abschnitte bei etwas mehr Ostwind im Südwesten erhöht und selbst in der Mitte
etwas ansteigen lässt. Bei gleichzeitig absinkender Inversion unter 900 hPa,
vielleicht sogar bis 950 hPa ganz im Süden und Südwesten liegen vor allem die
Lagen oberhalb von 600 Metern durchweg auf der Sonnenseite. In den
(entkoppelten) Flusstälern können sich die zähen Nebelfelder teils bis weit in
den Tag hinein halten. Die Höchstwerte ändern sich kaum.

In der Nacht zum Dienstag setzt mit einem Trogvorstoß Richtung Baltikum über der
Ostsee Potentialfall ein. Dadurch wird die Verbindung zum Russlandhoch gekappt.
Das Hoch wird von der Rheinmündung etwas südwestwärts abgedrängt und über
Deutschland dreht die Strömung in allen Niveaus auf Nordwest und nimmt
insbesondere in 500 hPa deutlich zu. Al Konsequenz findet zwar weder ein
Luftmassenaustausch noch ein Umschwung zu deutlich zyklonalerem Geschehen statt,
aber der Norden und Osten wird zumindest von der o.e. (Kaltfront-)Okklusion
gestreift, die rasch über der Nordsee als Warmfront rückläufig wird. Die
Wahrscheinlichkeit für sporadischen Nieselregen oder Sprühregen steigt damit
wieder etwas an.

Im Westen und Süden bleibt es bei der Nebel-/Hochnebellotterie mit teils klaren
Lee- und Hochlagen. Je nach Bewölkung gibt es im Westen und Süden gebietsweise
leichten Frost, sonst bleibt es mit 0 bis 5 Grad frostfrei.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Bis auf geringe Diskrepanzen bezüglich der noch zu erwartenden Schneefälle in
den Alpen, die größtenteils auf die unterschiedliche Modellauflösung
zurückzuführen sind, gibt es keine auffälligen Unterschiede. Die
Unwetterwarnungen am östlichen Alpenrand laufen derzeit alle "nach Plan" - auch
wenn punktuell in exponierten Staulagen vielleicht etwas mehr als die maximal
veranschlagten 60 cm zusammenkommen können. In der Fläche werden die
rot-bewarnten 30-40 cm, in Staulagen 60 cm bis morgen Früh wohl ausreichen.
Der vom IFS simulierte Kaltlufttropfen Dienstag Früh über der Nordsee ist zwar
plausibel und wird auch laufübergreifend simuliert, wird den überwiegend
antizyklonalen Einfluss aber kaum trüben (siehe Synoptische Übersicht
Mittelfrist).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen